Das 37. 24-Stunden-Rennen von Le Mans, der 37e Grand Prix d’Endurance les 24 Heures du Mans, auch 24 Heures du Mans, Circuit de la Sarthe, Le Mans, fand vom 14. bis 15. Juni 1969 auf dem Circuit des 24 Heures statt.
Das bemerkenswerteste neue Rennfahrzeug beim 24-Stunden-Rennen 1969 war der Porsche 917. In Le Mans sollten die Varianten mit dem langen Heck zum Einsatz kommen. Das langgestreckte Heck ermöglichte eine hohe Endgeschwindigkeit, erwies sich anfangs jedoch hinsichtlich der Bodenhaftung als sehr problematisch. Bei Test- und Trainingsfahrten erreichten die Langheck-917 auf der Hunaudières-Geraden Geschwindigkeiten von annähernd 400 km/h. Dabei lagen die Fahrzeuge sehr unruhig auf der Straße.
Bei der letzten Einsatzbesprechung, anwesend war die gesamte Teamleitung mit Ferry Porsche an der Spitze, den technischen Leitern Helmuth Bott und Ferdinand Piëch sowie Rennleiter Rico Steinemann, im Porsche-Quartier in Teloché, wurden letzte Anweisungen an die Fahrer ausgegeben. Die 917-Fahrer wurden angehalten sorgsam mit der Kupplung umzugehen, da die eingebauten Borg & Beck-Kupplungen, die das hohe Drehmoment im 7-Liter-Ford GT40 MK.IV verkraftet hatten, nach nur drei Stunden auf dem Prüfstand kaputtgingen. In der Nacht mussten daher die Motoren erst aus und dann mit neuen Kupplungen wieder eingebaut werden, die nicht eingefahren waren. Als Richtzeiten für das Rennen wurden für die 917-Piloten 10 Sekunden über der Trainingszeit und für die 908-Fahrer 5 Sekunden darüber ausgegeben. Den Piloten wurde auch erklärt, welches Werkzeug für mögliche Notreparaturen sich in den jeweiligen Fahrzeugen befanden. Auf Rico Steinemanns Frage nach „letzten Wünschen“ antwortete Kurt Ahrens: „Gebt jedem Fahrer 10 Franc mit, wenn wir auf der Strecke ausfallen …“ Unter großem Gelächter erklärte Piëch: „Dieser Vorschuss ist gewährt.“[1]
Ferrari brachte zwei neue 312P an die Sarthe. Der Prototyp basierte auf der Formel-1-Technik des Ferrari 312F1. Für Le Mans wurden die Spider-Karosserien durch eine geschlossene Berlinetta-Ausführung ersetzt. John Wyer vertraute weiter auf den Ford GT40, der in den Endgeschwindigkeit den Porsche- und Ferrari-Rennsportwagen zwar unterlegen war, sich über die Jahre jedoch als ausgesprochen standfest erwiesen hatte. Jacky Ickx und Jackie Oliver fuhren dabei dasselbe Fahrzeug, mit dem Pedro Rodríguez und Lucien Bianchi im Jahr davor das Rennen gewonnen hatten.
Matra brachte vier Werkswagen an den Circuit, darunter ein neuer MS650 und drei Evolutionsstufen des MS630. Eigentlich sollte der MS640 der neue Rennwagen für Le Mans werden. Aber Henri Pescarolo verunglückte bei einer Testfahrt im April in Le Mans schwer. Der Wagen hatte bei hoher Geschwindigkeit Unterluft bekommen und hob ab. Der Wagen wurde völlig zerstört, und Pescarolo erlitt schwere Verbrennungen. Da sich die aerodynamischen Probleme nicht beseitigen ließen, wurde das Projekt gestoppt.
Der Start des Rennens wurde wegen der französischen Präsidentenwahlen von 16 auf 14 Uhr vorverlegt. Auch bei den Organisatoren gab es eine Änderung. Der langjährige Clerk of the CourseJacques Loste hatte seine Funktion zur Verfügung gestellt. Als neuer Rennleiter wurde der ehemalige Rennfahrer und Konstrukteur Charles Deutsch bestellt, dessen Rennwagen viele Jahre in Le Mans am Start waren. Als Starter fungierte der Rennfahrer Bernard Consten, der 1969 das Amt des Präsidenten des französischen Motorsportverbandes innehatte.
Das Rennen
Im Training war Rolf Stommelen im Porsche 917 mit 3.22.900 die bisher schnellste jemals in Le Mans erzielte Rundenzeit gefahren. Diese Zeit entsprach einem Schnitt von 238,976 km/h. Beim Start demonstrierte der Belgier Jacky Ickx seinen Unmut über die Prozedur des Le-Mans-Starts, indem er zwar zügig über die Straße ging, aber nicht lief und sich vollständig angurtete, ehe er losfuhr. Als er endlich startete, war der letzte Wagen vor ihm bereits in den Esses verschwunden.
Der Tod von John Woolfe
John Woolfe, der in Großbritannien einen Rennstall betrieb, erwarb im Frühsommer einen der neuen Porsche 917. Der langjährige Teampartner und Freund von Woolfe, Digby Martland, sollte der Teamkollege in Le Mans werden. Martland war bisher vor allem 2-Liter-Sportwagen gefahren und steuerte den 917 bei den Vortests eine Runde lang. Dann erklärte er, dass er sich außerstande sehe den Prototyp zu fahren und er sich im Cockpit vor der Leistungskraft des Fahrzeugs fürchte. Daraufhin war Richard Attwood als Partner für Le Mans vorgesehen.[2] Attwood hatte einen Vertrag mit John Woolfe Racing und bestritt für den Rennstall Sportwagenrennen in Großbritannien. Attwood bekam aber einen Werksvertrag bei Porsche. Als neuer Teamkollege kam Herbert Linge ins Team. Der erfahrene Linge sollte auch den ersten Teil des Rennens fahren, aber Woolfe ließ sich dieses Privileg nicht nehmen, da seine gesamte Familie anwesend war.
Schon in der ersten Runde kam es zu einem fatalen Unfall. Der Woolfe-Porsche-917 stand zwar nur am 21. Startplatz, aber Woolfe war beim Le-Mans-Start einer der Schnellsten und Ende der Les-Hunaudières-Geraden unter den ersten zehn. Eingangs Maison Blanche – die ersten Runden wurden von den Spitzenpiloten im Grand-Prix-Tempo gefahren – kam er links mit zwei Rädern aufs Gras, verlor die Herrschaft über den Wagen und schlug mit hoher Geschwindigkeit rechts in die Leitschiene ein. Woolfe wurde aus dem Auto geschleudert, denn er hatte sich nicht angegurtet, was auch seinen perfekten Start erklärte. Der Tank des Porsche platzte und der Wagen ging in Flammen auf. Aus dem hinter Woolfe fahrenden Pulk konnte Chris Amon – der sich einen Ferrari 312P mit Peter Schetty teilte – nicht mehr ausweichen und prallte in das Wrack. Während Amon wie durch ein Wunder unverletzt blieb, starb Woolfe noch an der Unfallstelle.
Der Rennverlauf
Obwohl man die Rauchschwaden vom Woolfe-Unfall auch in den Boxen deutlich sah, wurde das Rennen weder unter- noch abgebrochen. In Führung lag der Trainingsschnellste Rolf Stommelen, der sich durch ständige Rekordrunden vom Feld absetzte. Dabei zeigte er, welches Potential im Porsche 917 steckte. Nach knapp einer Stunde Renndauer begann der 917 aber eine Rauchfahne hinter sich her zu ziehen. Eine Dichtung an der Unterseite des Kurbelgehäuse ließ Öl durch, das auf das rechte Hinterrad tropfte und die Ölfahne erzeugte. Bei einem 24 Minuten dauernden Notstopp versuchten die Porsche-Mechaniker das Leck abzudichten, was nur teilweise gelang. Da der Porsche 917 genug Öl im Tank hatte, entschied Steinemann den Wagen weiterfahren zu lassen. Denn das Nachfüllen von Öl war in Le Mans laut Reglement erst ab der 25. gefahrenen Runde erlaubt. Bei jedem Stopp mussten immer mehrere Liter Öl nachgefüllt werden, um den Motor am Laufen zu halten. Die Spitze im Rennen übernahm Jo Siffert, der jedoch nach zwei Stunden Renndauer mit einem Getriebeschaden ausschied; eine Ölleitung am Getriebe war durchgeschmort. 20 Minuten nach dem Auftreten des Schadens konnte Siffert noch weiterfahren, dann war das Getriebeöl verbraucht und es ließ sich kein Gang mehr einlegen.
Dennoch lagen am Abend vier Porsche überlegen in Führung. Jacky Ickx war zwar bis auf den siebten Rang vorgefahren, hatte aber schon fünf Runden Rückstand auf den Porsche von Elford und Attwood. Dann begann sich das Blatt zu Ungunsten von Porsche zu wenden. An dem durch den ständigen Ölverlust schon angeschlagenen 917 Langheck von Stommelen/Ahrens meldete Ahrens kurz vor 20 Uhr erste Kupplungsprobleme. Praktisch zeitgleich hielt Gérard Larrousse mit dem 908 Langheck unplanmäßig vor der Box an. Ein Radlager musste getauscht werden und das Team verlor 39 Minuten bei der Reparatur. Dieser Lagerschaden führte dazu, dass der 908 weit ins Mittelfeld zurückfiel und am Ende des Rennens den Zweikampf mit dem GT40 von Ickx/Oliver um den Sieg ausfahren musste. Um 20 Uhr 30 wurde am Stommelen/Ahrens-Wagen zum ersten Mal die Kupplung nachgestellt. Um 23 Uhr stand der Wagen erneut unplanmäßig an der Box. Die Mechaniker mussten die Kupplungsscheibe wechseln. Um 1 Uhr 48 konnte Ahrens wieder weiterfahren. Um 3 Uhr in der Nacht gab es Feueralarm an der Rennstrecke. Ahrens berichtete beim Fahrerwechsel von einem brennenden Wagen vor der Mulsanne. Rasch stellte sich heraus, dass es der 908 Langheck von Udo Schütz war. Schütz berichtete später von einer Kollision mit dem Teamkollegen Larrousse, der dies jedoch vehement bestritt. Udo Schütz zum Unfall: „Larrousse fuhr vier Runden lang hinter mir her. Ich dachte zuerst, es wäre Hans Herrmann. Vor der schnellen Rechtskurve zieht der Wagen auf gleiche Höhe und ich sehe, dass Larrousse drinsitzt. Er fällt zurück und da bekomme ich einen Stoß. Der Wagen prallte in spitzem Winkel gegen die Leitplanken, er beginnt Pingpong zu spielen, er überschlägt sich. Ich sehe Flammen. Ich trete die Tür ein. Ich war nicht angeschnallt. Dann bin ich rausgesprungen, in den Wald bin ich gelaufen und hinter mir explodierte das Auto …“ Beim nächsten Boxenstopp von Larrousse untersuchte man das Auto und konnte keine Kollisionsspuren feststellen. Die genaue Unfallursache konnte nie geklärt werden.[3]
Gemeinsam mit Schütz kam auch Masten Gregory an die Boxen zurück. Am Scuderia Filipinetti-Lola T70 Mk.IIIB, den er gemeinsam mit Joakim Bonnier fuhr, hatten die Mechaniker viel Zeit mit einer Reparatur am Zylinderkopf verbracht. In der Nähe der Unfallstelle war der 5-Liter-Chevrolet-Motor endgültig kaputtgegangen.
Am Sonntagvormittag führten Elford und Attwood im zweiten 917 überlegen das Rennen an. Der 917 von Stommelen und Ahrens stand da längst mit einer defekten Kupplung und einem Zylinderschaden im Fahrerlager. Der Vorsprung auf den Lins/Kauhsen-Porsche betrug bereits sechs Runden, als auch dieser 917 Kupplungsprobleme bekam. Um 10 Uhr musste Attwood die Box ansteuern, weil die Kupplungsglocke gebrochen war und die Kupplung schleifte. Die Mechaniker versuchten sie nachzustellen. Attwood konnte nur mit Mühe die Boxen wieder verlassen und fuhr die nächsten Umläufe in jeweils 4:30 Minuten um den Kurs. Um 11 Uhr stoppte Attwood endgültig: Kupplungsschaden. Eine halbe Stunde vorher hatte Rudi Lins seinen 908 an Willi Kauhsen übergeben, der nach nur einer Runde wieder an die Box kam und von Schaltschwierigkeiten sprach. Die Porsche-Teamleitung schickte ihn wieder auf die Strecke, wo der Porsche nach wenigen Kilometern mit Getriebeschaden ausrollte. Zu diesem Zeitpunkt war der zweite Werks-Ferrari längst ausgefallen. Pedro Rodríguez und David Piper waren bis an die achte Stelle der Gesamtwertung vorgefahren, als auch dort ein Getriebeschaden den Einsatz beendete.
Das Duell um den Sieg
Nach dem Ausfall lagen drei Stunden vor Schluss zwei Wagen gleichauf: der Porsche 908 von Herrmann/Larrousse und der Ford GT40 von Ickx/Oliver. Nach dem letzten Stopp beider Fahrzeuge entwickelte sich eines der spannendsten Le-Mans-Finale der Geschichte, vergleichbar nur mit dem Duell von 1933, als Tazio Nuvolari und Luigi Chinetti um den Sieg kämpften, und dem knappen Rennausgang von 2011. Der 908 war auf den Geraden schneller als der GT40, der wiederum in den kurvigen Passagen im Vorteil war. So wiederholte sich fast jede Runde dasselbe Spiel: Hans Herrmann überholte den Ford auf der langen Gerade vor der Mulsanne, und Jacky Ickx konterte in den Kurven vor Start und Ziel. Als knapp vor 14 Uhr Ickx den Porsche vor der Ford-Schikane ausbremste, schien das Rennen entschieden. Aber Charles Deutsch bedeutete den beiden Piloten auf der Ziellinie mit hochgestrecktem Finger, dass noch eine Runde zu fahren sei, weil die volle Distanz von 24 Stunden noch nicht erreicht war. Während die hinter den beiden Führenden liegenden Fahrzeuge bereits abgewinkt wurden, fuhren Ickx und Herrmann noch einmal die Hunaudières-Gerade hinunter. Diesmal gelang es dem Porsche-Piloten nicht, Ickx zu überholen, der 100 Meter Vorsprung ins Ziel rettete.
Als Dritter der Gesamtwertung kam der zweite Wyer-GT40 mit David Hobbs und Mike Hailwood ins Ziel. Nach dem Rennen beklagte sich Hobbs heftig bei der britischen Motorsportpresse, dass ihm ein aus seiner Sicht unnötiger Wechsel der Bremsscheiben den Sieg gekostet habe.
Auf der Heimfahrt hatte Jacky Ickx mit seinem privaten Porsche 911 einen schweren Straßenunfall in der Nähe von Chartres, den er unverletzt überlebte.
Ergebnisse
Piloten nach Nationen
Frankreich 37 Franzosen
Vereinigtes Konigreich 18 Briten
Deutschland 9 Deutsche
Schweiz 7 Schweizer
Belgien 5 Belgier
Italien 5 Italiener
Vereinigte Staaten 3 US-Amerikaner
Schweden 2 Schweden
Australien 1 Australier
Mexiko 1 Mexikaner
Niederlande 1 Niederländer
Neuseeland 1 Neuseeländer
Osterreich 1 Österreicher
Schlussklassement
Pos.
Klasse
Nr.
Team
Fahrer
Chassis
Motor
Reifen
Runden
1
S 5.0
6
Vereinigtes Konigreich John Wyer Automotive Engineering
1 Ersatzwagen
2 Unfall im Training
3 Motorschaden im Training
4 Unfall im Training
5 nicht qualifiziert
6 nicht qualifiziert
Nur in der Meldeliste
Hier finden sich Teams, Fahrer und Fahrzeuge die ursprünglich für das Rennen gemeldet waren, aber aus den unterschiedlichsten Gründen daran nicht teilnahmen.