Nach der Eroberung des größten Teils von Schlesien wurden von König Friedrich II. 1742 in Niederschlesien und 1743 auch in Oberschlesien preußische Verwaltungsstrukturen eingeführt.[1] Dazu gehörte die Einrichtung zweier Kriegs- und Domänenkammern in Breslau und Glogau sowie deren Gliederung in Kreise und die Einsetzung von Landräten. Die Ernennung der Landräte in den oberschlesischen Kreisen erfolgte auf einen Vorschlag des preußischen Ministers für Schlesien Ludwig Wilhelm von Münchow hin, dem Friedrich II. im Februar 1743 zustimmte.[2]
Im Fürstentum Oppeln, einem der schlesischen Teilfürstentümer, wurden aus den alten schlesischen Weichbildern preußische Kreise gebildet, darunter auch der Kreis Tost.[3] Als erster Landrat des Kreises Tost wurde Franz Wolfgang von Stechow eingesetzt.[4] Der Kreis unterstand zunächst der Kriegs- und Domänenkammer Breslau und wurde im Zuge der Stein-Hardenbergischen Reformen dem Regierungsbezirk Oppeln der Provinz Schlesien zugeordnet.[5]
Bei der Kreisreform vom 1. Januar 1818 im Regierungsbezirk Oppeln wurden die Grenzen des Kreises geändert:[6]
Der Flecken Broslawitz, die Dörfer Groß Wilkowitz, Grzibowitz, Kempczowitz, Konary, Niedar, Nierada, Wieschowa sowie die Kolonien Georgendorf, Glinitz, Larischhof, Marienau und Philippsdorf wechselten aus dem Kreis Tost in den Kreis Beuthen.
Die Dörfer Knurow, Kriewald, Nieborowitz, Nieborowitzer Hammer, Niederdorf, Ober Wilcza, Pilchowitz, Sczyglowitz, Ungerschütz und Wielepole-Pilchowitz wechselten aus dem Kreis Tost in den neugebildeten Kreis Rybnik.
Das Landratsamt war von 1841 bis 1869 auf Gut Kamienietz, später in der Stadt Gleiwitz. Seit den 1820er Jahren setzte sich der Name Tost-Gleiwitz für den Kreis durch.
Norddeutscher Bund/Deutsches Reich
Seit dem 1. Juli 1867 gehörte der Kreis zum Norddeutschen Bund und seit dem 1. Januar 1871 zum Deutschen Reich. Am 1. April 1897 schied die Stadt Gleiwitz einschließlich der zuvor eingegliederten Landgemeinden Trynnek und Petersdorf aus dem Kreis Tost-Gleiwitz aus und bildete fortan einen eigenen Stadtkreis.
Zum 8. November 1919 wurde die Provinz Schlesien aufgelöst und aus dem Regierungsbezirk Oppeln die neue Provinz Oberschlesien gebildet.
Obwohl eine Mehrheit von 27.198 (57,5 %) zu 20.098 (42,5 %) Stimmen am 20. März 1921 der im Rahmen des Versailler Vertrags durchgeführten Volksabstimmung in Oberschlesien für den Anschluss an Polen votierte, verblieb der Kreis Tost-Gleiwitz fast vollständig beim Deutschen Reich. Lediglich die drei Landgemeinden Gieraltowitz, Mikoleska und Preiswitz fielen an Polen.[7]
Zum 1. Januar 1927 erfolgten weitere Veränderungen der Kreisgrenze:
Die Landgemeinden und Gutsbezirke Nieborowitz, Nieborowitzer Hammer, Niederdorf, Pilchowitz und Wielepole-Pilchowitz wechselten aus dem aufgelösten Restkreis Rybnik in den Kreis Tost-Gleiwitz.
Zum 30. September 1929 trat im Kreis Tost-Gleiwitz wie im übrigen Freistaat Preußen eine Gebietsreform in Kraft, bei der alle Gutsbezirke aufgelöst und benachbarten Landgemeinden zugeteilt wurden. Am 1. April 1938 wurden die preußischen Provinzen Niederschlesien und Oberschlesien zur neuen Provinz Schlesien zusammengeschlossen.
Nach der am 26. Oktober 1939 erfolgten Annektierung polnischer Gebiete wurde der Kreis Tost-Gleiwitz in den neuen Regierungsbezirk Kattowitz umgegliedert. Zum 18. Januar 1941 wurde die Provinz Schlesien erneut aufgelöst und aus den Regierungsbezirken Kattowitz und Oppeln die neue Provinz Oberschlesien gebildet.
Im Frühjahr 1945 wurde das Kreisgebiet von der Roten Armee besetzt. Im Sommer 1945 wurde das Kreisgebiet von der sowjetischen Besatzungsmacht gemäß dem Potsdamer Abkommen unter polnische Verwaltung gestellt. Im Kreisgebiet begann daraufhin der Zuzug polnischer Zivilisten, die zum Teil aus den an die Sowjetunion gefallenen Gebieten östlich der Curzon-Linie kamen. In der Folgezeit wurde die deutsche Bevölkerung größtenteils aus dem Kreisgebiet vertrieben.
Der Kreis wurde zum Powiat Gliwicki. Seine Grenzen wurden bis zu seiner Auflösung im Jahre 1975 beibehalten. Das heutige Kreisgebiet ist daher nicht mehr mit dem alten vergleichbar. So wurden in den neuen Kreis auch Teile des früheren Kreises Rybnik eingegliedert.
Der Kreis Tost-Gleiwitz gliederte sich seit dem 19. Jahrhundert in die Städte Gleiwitz (bis 1897), Kieferstädtel, Peiskretscham und Tost, in Landgemeinden und in Gutsbezirke. Mit Einführung des preußischen Gemeindeverfassungsgesetzes vom 15. Dezember 1933 sowie der Deutschen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 wurde zum 1. April 1935 das Führerprinzip auf Gemeindeebene durchgesetzt. Eine neue Kreisverfassung wurde nicht mehr geschaffen; es galt weiterhin die Kreisordnung für die Provinzen Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen vom 19. März 1881.
Verwaltungsstruktur
Amtsbezirke
Der Kreis war um 1928 in die Amtsbezirke Althammer, Bitschin, Brynnek, Kamienietz, Groß Kottulin, Laband, Langendorf, Lubie, Ostroppa, Pilchowitz, Plawniowitz, Rudzinitz, Schakanau, Schieroth, Schloss Kieferstädtel, Schloss Tost, Schönwald, Schwieben und Tworog gegliedert.
Gemeinden
Der Kreis Tost-Gleiwitz umfasste 1929 drei Städte und 92 Landgemeinden:[7][14]
Königlich Preußisches Statistisches Landesamt: Gemeindelexikon der Regierungsbezirke Allenstein, Danzig, Marienwerder, Posen, Bromberg und Oppeln. Auf Grund der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und anderer amtlicher Quellen. Berlin 1912, Heft VI: Regierungsbezirk Oppeln, S. 92–101, Kreis Tost-Gleiwitz.
Felix Triest: Topographisches Handbuch von Oberschlesien, Wilh. Gottl. Korn, Breslau 1865, S. 467–561.
Königliches Statistisches Bureau: Die Gemeinden und Gutsbezirke der Provinz Schlesien und ihre Bevölkerung. Nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. Dezember 1871. Berlin 1874, S. 324–333.
Schlesisches Güter-Adreßbuch. Verzeichniß sämmtlicher Rittergüter und selbständigen Guts- und Forstbezirke, sowie solcher größeren Güter, welche innerhalb des Gemeindeverbandes mit einem Reinertrag von etwa 1500 Mark und mehr zur Grundsteuer veranlagt sind. Fünfte Ausgabe, Wilhelm Gottlob Korn, Breslau 1894, S. 461–471 (Online).
↑Roland Gehrke: Landtag und Öffentlichkeit: Provinzialständischer Parlamentarismus in Schlesien 1825-1845. Böhlau Verlag, Köln 2009, ISBN 978-3-412-20413-6, S.45 (Teildigitalisat).
↑Denkmäler der Preußischen Staatsverwaltung im 18. Jahrhundert. Akten vom 31. Mai 1740 bis Ende 1745. In: Königliche Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Acta Borussica. Band6,2. Paul Parey, Berlin 1901, Immediatbericht Münchows zu Bestellung von Landräthen in Oberschlesien, S.540 (Digitalisat).
↑W. F. C. Starke: Beiträge zur Kenntniß der bestehenden Gerichtsverfassung und der neusten Resultate der Justizverwaltung in dem Preussischen Staate. Carl Heymann, Berlin 1839, Kreiseinteilung des preußischen Herzogtums Schlesien im 18. Jahrhundert, S.290 (Digitalisat).
↑ abcdRolf Straubel: Biographisches Handbuch der preußischen Verwaltungs- und Justizbeamten 1740–1806/15. In: Historische Kommission zu Berlin (Hrsg.): Einzelveröffentlichungen. 85. K. G. Saur Verlag, München 2009, ISBN 978-3-598-23229-9.
↑Verordnung zur Eintheilung des preußischen Staats nach seiner neuen Begrenzung. 1815 (Digitalisat).
↑Amtsblatt Königlichen Oppelnschen Regierung 1817, Nr. XLI. Bekanntmachung der neuen Kreis-Eintheilung des Oppelnschen Regierungs-Bezirks vom 1. Oktober 1817. Oppeln, S.523ff. (Digitalisat).
↑ abcLandkreis Tost-Gleiwitz Verwaltungsgeschichte und Landratsliste auf der Website territorial.de (Rolf Jehke), Stand 26. Juli 2013.
↑Georg Hassel: Statistischer Umriss der sämtlichen europäischen Staaten. Die statistische Ansicht und Specialstatistik von Mitteleuropa. Vieweg, Braunschweig 1805, S.38 (Digitalisat).
↑Statistisches Bureau zu Berlin (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des preußischen Staats. Duncker & Humblot, Berlin 1821, Schlesien, S.90 (Digitalisat).
↑Königliches Statistisches Bureau (Hrsg.): Mittheilungen des Statistischen Bureau's in Berlin, Band 2. Einwohnerzahlen der Kreise. (Digitalisat).