Die Schacholympiade ist der bedeutendste Mannschaftswettbewerb im Schach. Es spielen Nationalmannschaften an vier Brettern. Anfangs wurde in Vor- und Finalrunden gespielt, seit 1976 nach Schweizer System, bei dem möglichst punktgleiche Mannschaften gegeneinander spielen.
Die Schacholympiade wurde von der Weltschachorganisation FIDE 1926 als Tournament of Nations (dt. Nationenturnier) ins Leben gerufen und ein Jahr später zum ersten Mal in London ausgetragen. War der Austragungsrhythmus zuerst noch unregelmäßig, findet das Turnier seit 1950 alle zwei Jahre statt. Seit 1957 gibt es zusätzlich zu dem offenen Turnier (zugelassen für Männer und Frauen, de facto fast ein reines Männerturnier) auch eine Schacholympiade für Frauen. Die Siegermannschaft der Olympiade im Frauenschach erhält seit 1957 den sogenannten Vera-Menchik-Cup als Trophäe (benannt nach der ersten Schachweltmeisterin Vera Menchik), im offenen Turnier wird seit 1927 der von Frederick Hamilton-Russell gestiftete Hamilton-Russell-Cup als Wanderpokal vergeben.[1][2] Seit 1976 findet die Frauen-Schacholympiade gemeinsam mit dem offenen Turnier statt. Außerdem werden seit 1979 sogenannte Kinder-Schacholympiaden (U16-Schacholympiaden) ausgetragen.[3]
Von 1952 bis 2002 wurde der Wettbewerb von der UdSSR beziehungsweise Russland dominiert, die bei 26 Olympiaden insgesamt 24 Siege erreichten. Nur 1978 wurden sie Zweite; an der Olympiade 1976 nahm sie aus politischen Gründen nicht teil.
Die größten Erfolge einer Mannschaft aus den deutschsprachigen Staaten waren bisher der deutsche Olympiasieg in Buenos Aires 1939, der 3. Platz in Tel Aviv 1964 sowie die Silbermedaille 2000 in Istanbul. Die Olympiade fand bislang sechs Mal in Deutschland statt, zuletzt 2008 in Dresden (die Veranstaltung in München 1936 wird nicht als offizielle Olympiade gezählt, da Deutschland damals kein Mitglied der FIDE war), und zwei Mal in der Schweiz.
Wiederholte Bestrebungen der FIDE, Schach in die Olympischen Spiele zu integrieren, sind bislang gescheitert. Zuletzt hatte das IOC die Aufnahme von Schach in das Programm der Olympischen Spiele 2024 in Paris abgelehnt.[4] Die Bemühungen waren auch vom Deutschen Schachbund unterstützt worden.[5]
Rekorde
Erfolgreichstes Land im offenen Turnier ist die Sowjetunion (ab 1992 Russland) mit 24 Titeln in zwei zwölfmaligen Siegesserien in den Jahren 1952 bis 1974 und 1980 bis 2002.
Der Spieler mit den meisten Teilnahmen an Schacholympiaden ist der philippinische Großmeister Eugenio Torre, der 23-mal teilnahm (zuletzt 2016 in Baku) und dabei in 270 Wettkämpfen zum Einsatz kam.[6]
Insgesamt 18 Spieler gewannen alle ihre Partien bei Schacholympiaden, von diesen wurde der Tunesier Elies Imed mit vier Partien am häufigsten eingesetzt. Berücksichtigt man nur Spieler, die an mindestens drei Schacholympiaden teilgenommen haben, war Michail Tal mit 82 Punkten aus 101 Partien erfolgreichster Einzelspieler nach Gewinnprozenten. Die meisten Medaillen erreichten Svetozar Gligorić in der Mannschaftswertung (1 Gold, 6 Silber, 5 Bronze) und Garri Kasparow in der Einzelwertung (7 Gold, 2 Silber, 2 Bronze).[7]
Die kürzeste Gewinnpartie im offenen bzw. Männer-Turnier dauerte nur vier Züge: 1. e4 c5 2. d4 cxd4 3. Sf3 e5 4. Sxe5 Da5+ 0:1 (Combe – Hasenfuss, Folkestone 1933). Im Turnier der Frauen 2022 in Chennai unterlag Marie-Ange Moustache von den Seychellen gegen Merveille Gloria Gamba aus der Zentralafrikanischen Republik nach drei Zügen: 1. e4 e5 2. f3 Lc5 3. Sh3 Dh4+ 0:1[9]
Wertungen zur Bestimmung der Platzierung
Während bis zur Schacholympiade 2006 in Turin die Summe der Brettpunkte (1 Punkt für jede gewonnene Partie, ein halber für ein Remis, 0 für eine Niederlage) für die Platzierung der Mannschaften ausschlaggebend war, entschied ab der Olympiade 2008 in Dresden zunächst die Zahl der Matchpunkte (2 Punkte für den Sieg gegen ein Team, 1 für ein Unentschieden, 0 für eine Niederlage). Bei dem dann häufig auftretenden Matchpunkt-Gleichstand entscheidet als Wertung 2 die sog. Olympiade-Sonneborn-Berger-Wertung[10] (Olympiad Pairing Rules[11], Abschnitt G. Tie Breaking). Hier werden die in jedem Match erzielten Brettpunkte mit den Matchpunkten, die der jeweilige Gegner während des gesamten Turniers erzielt, multipliziert und dann addiert; der Gegner mit den wenigsten Matchpunkten geht jedoch nicht in diese Wertung 2 ein. Nach deren Anwendung ist die Platzierung fast immer entschieden. Sollte dennoch Gleichstand vorliegen, entscheidet die Summe der Matchpunkte aller Gegner bis auf den mit den wenigsten Matchpunkten. Diese Wertung 3 kann man entsprechend Olympiade-Buchholz-Wertung nennen. Erst wenn es danach immer noch unentschieden stehen sollte, entscheidet die Wertung, die bis 2006 an erster Stelle stand, nämlich, wer die meisten Brettpunkte erzielt hat (Wertung 4).
Im Jahre 1982 durfte die Schweiz als Gastgeber zwei Mannschaften stellen. Die entsprechende Spalte gibt nur den 26. Platz der ersten Mannschaft an. Die zweite Mannschaft spielte außer Konkurrenz, hätte aber den 32. Platz belegt.[12]
Im Jahre 2008 durfte Deutschland als Gastgeber drei Mannschaften stellen. Die entsprechende Spalte gibt nur den 13. Platz von Deutschland 1 an. Deutschland 2 kam auf den 42. und Deutschland 3 auf den 35. Platz.
1982 durfte die Schweiz als Gastgeber zwei Frauen-Teams stellen. Die entsprechende Spalte zeigt den 26. Platz der ersten Mannschaft. Die zweite Mannschaft spielte außer Konkurrenz, hätte aber den 36. Platz belegt.[14]
Als Gastgeber durfte Deutschland 2008 drei Frauen-Teams stellen. Die entsprechende Spalte zeigt den 21. Platz von Deutschland 1; Deutschland 2 kam auf den 34. und Deutschland 3 auf den 47. Platz.
Wissenswertes
Bei der Olympiade 1930 in Hamburg wurden erstmals offiziell Berufsspieler zugelassen.
Zwischen 1933 und 1937 nahm Deutschland, dessen Schachverband aus der FIDE ausgetreten war, nicht an den offiziellen Schacholympiaden teil. Stattdessen veranstaltete Deutschland 1936 ein „Schach-Olympia“.
Während der Olympiade 1939 in Buenos Aires brach der Zweite Weltkrieg aus. Die englische Mannschaft reiste daher vorzeitig zurück, mehrere Spieler der deutschen Mannschaft, aber auch andere europäische Spieler, blieben nach Turnierende in Südamerika. Deutschland trat mit einer „Großdeutschen Mannschaft“ an, in die Spieler aus Österreich integriert waren. Mehrere Staaten weigerten sich, gegen die deutsche Mannschaft anzutreten. Die Mannschaftskämpfe Deutschlands gegen Polen, Palästina und Frankreich wurden deshalb kampflos 2:2 gegeben.
Aus politischen Gründen nahmen 1976 die UdSSR und andere Nationen nicht teil. Tripolis richtete eine Gegenolympiade (Against Israel Olympiad) aus, die zur gleichen Zeit wie die offizielle FIDE-Olympiade stattfand. Dennoch waren auch Mitglieder der FIDE dort zugelassen. Italien und die Philippinen nahmen an beiden Meisterschaften teil, die UdSSR und andere Ostblock-Staaten an keiner von beiden. Uruguay verlor drei Matches (insgesamt zwölf Partien) dadurch, dass die Mannschaft jeweils zu spät kam.
Bis einschließlich 2024 nahmen etwas mehr als 50 Frauen an offenen Wettbewerben der Schacholympiade teil. Am häufigsten eingesetzt wurde dabei Judit Polgár (85 Partien bei acht Austragungen).
Die 44. Schacholympiade fand vom 29. Juli bis 10. August 2022 in Chennai statt und damit erstmals in Indien. Wegen des Russisch-Ukrainischen Kriegs hatte die FIDE beschlossen, die Veranstaltung nicht wie ursprünglich geplant in Russland durchzuführen. Erstmals ging ein Fackelzug – durch Indien – voraus. Angestrebt wird ein Fackelzug, der alle Kontinente berührt. Vorbild ist das olympische Feuer.[15]
Literatur
Árpád Földeák: Schach-Olympiaden, Corvina Verlag und Ten Have Verlag, Budapest und Amsterdam 1971.
Mario Tal: Bruderküsse und Freudentränen. Eine Kulturgeschichte der Schach-Olympiaden. PapyRossa Verlag, Köln 2008. ISBN 978-3-89438-393-0.
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