Dieser wurde von der SPD auf einem Parteitag am 4. Dezember 2021 mit 98,8 Prozent gebilligt.[6] Am 5. Dezember genehmigte ihn die FDP auf einem digitalen Parteitag mit 92 Prozent. Die am 6. Dezember endende Urabstimmung bei den Grünen ergab 86 Prozent Zustimmung.[7] Die Unterzeichnung durch die Spitzenvertreter der drei Parteien folgte am 7. Dezember.[8]
Wahl im Bundestag
Der Bundestag wählte Olaf Scholz am 8. Dezember 2021 mit 395 Stimmen, einer absoluten Mehrheit seiner 736 Mitglieder (Art. 63 Abs. 2 GG), bei 303 Nein-Stimmen zum Bundeskanzler. Am selben Tag wurden er und die von ihm vorgeschlagenen Bundesminister von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ernannt und vor dem Bundestag vereidigt.[9]
Berlin, 8. Dezember 2021 – Gesamtstimmenzahl 736 – absolute Mehrheit ab 369 Stimmen
Von den 416 Mitgliedern der Koalitionsfraktionen fehlten nach dem Sitzungsprotokoll sechs entschuldigt;[9] von den verbleibenden 410 haben also mindestens fünfzehn nicht mit ja gestimmt. Von den übrigen 320 Mitgliedern des Bundestages fehlten bei der Abstimmung 18 entschuldigt;[9] mindestens eine der 303 Nein-Stimmen muss daher aus den Reihen der Koalition stammen.
Bundesregierung und Parlamentarische Staatssekretäre
Der Zuschnitt des Kabinetts und insbesondere die Verteilung der Ressorts wurden bei der Präsentation des Koalitionsvertrages am 24. November 2021 vorgestellt. Der Bereich „Bau und Wohnen“ wurde aus dem Innenministerium in ein eigenes Ministerium ausgegliedert und der Bereich „Verbraucherschutz“ aus dem Justizministerium ins Umweltministerium verschoben. Damit gab es 16 statt zuvor 15 Minister, davon stellte sieben die SPD, fünf Bündnis 90/Die Grünen und vier die FDP. Gemäß dem Koalitionsvertrag stellt die SPD im Bundeskanzleramt die „Staatsministerin für Bund-Länder-Beziehungen“, die „Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge und Integration“ sowie den „Staatsminister für die neuen Bundesländer“. Bündnis 90/Die Grünen stellen dort die „Staatsministerin für Kultur und Medien“ sowie zwei Staatsministerinnen und einen Staatsminister im Auswärtigen Amt. Das Vorschlagsrecht für Parlamentarische Staatssekretäre liegt bei den jeweiligen Bundesministern.[10]
FDP und Bündnis 90/Die Grünen nominierten Minister aus ihren Reihen am 24. und 25. November 2021.[11][12][13] Die SPD veröffentlichte ihre Ministerliste nach der Zustimmung ihrer Delegierten zum Koalitionsvertrag in einer Pressekonferenz am 6. Dezember.[14]
In den Nominierungen wurden neben dem Bundeskanzler acht Ministerinnen und acht Minister berücksichtigt. Auf der Ebene der Parlamentarischen Staatssekretäre gab es 19 Frauen und 18 Männer. Insgesamt gehörten der Bundesregierung nebst Staatsministern und Staatssekretären jeweils 27 Frauen und Männer an (SPD: 13 Frauen, elf Männer; Bündnis 90/Die Grünen: elf Frauen, sieben Männer; FDP: drei Frauen, neun Männer). Scholz löste damit ein Wahlversprechen aus dem November 2020 ein, das Kabinett mit mindestens gleich vielen Frauen wie Männern zu besetzen. Seit der Ablösung von Christine Lambrecht durch Boris Pistorius im Verteidigungsministerium im Januar 2023 war die Geschlechterparität nicht mehr gegeben.[15]
↑Weder Parlamentarische Staatssekretäre noch Staatsminister sind nach Art. 62GG Teil der Bundesregierung.
↑Die Ernennung zur Beauftragten der Bundesregierung für Antirassismus erfolgte am 23. Februar 2022.
↑Leitet als „besonders bezeichneter Bundesminister“ die Kabinettssitzungen, wenn Bundeskanzler und Vizekanzler verhindert sind.
Veränderungen
Im Kabinett Scholz gab es seit seiner Ernennung durch den Bundespräsidenten am 8. Dezember 2021 neunzehn Änderungen, davon fünf auf Minister-Ebene und vierzehn auf der Ebene der Parlamentarischen Staatssekretäre:
Am 3. Juni 2022 legte Thomas Sattelberger aus privaten und gesundheitlichen Gründen sein Amt als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung und die damit verbundene Position des Beauftragten für Transfer und Ausgründungen aus der Wissenschaft nieder. Sein Nachfolger wurde noch am selben Tag der Bundestagsabgeordnete Mario Brandenburg.
Zum 31. Dezember 2022 legte Manuela Rottmann das Amt als Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft nieder, da sie als Oberbürgermeisterkandidatin nach Frankfurt am Main wechselte. Ihre Nachfolge trat am 9. Januar 2023 Claudia Müller an.
Am 16. Januar 2023 bat die Bundesministerin der Verteidigung Christine Lambrecht den Bundeskanzler um ihre Entlassung.[28] Am 19. Januar wurde sie aus ihrem Amt entlassen und der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius zum Nachfolger ernannt.[29]
Michael Theurer wurde am 1. September 2024 Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, sein Nachfolger als Parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium und als Beauftragter der Bundesregierung für den Schienenverkehr wurde Gero Hocker.
Der Koalitionsvertrag spricht das Vorschlagsrecht für den deutschen EU-Kommissar nach der Europawahl 2024 Bündnis 90/Die Grünen zu, sofern die Kommissionspräsidentin nicht aus Deutschland stammt. Da Ursula von der Leyen jedoch 2024 erneut zur Kommissionspräsidentin gewählt wurde, kam dieses Vorschlagsrecht nicht zum Zuge.[36]
Zur „Halbzeit“ der Legislaturperiode im September 2023 hatte die Regierung Scholz laut Bertelsmann-Stiftung 174 von 453 ihrer Vorhaben ganz oder teilweise umgesetzt. Das entspricht einem Anteil von 38 Prozent. Weitere 55 Vorhaben bzw. 12 Prozent wären im „Prozess der Erfüllung“ und nochmals 62 Vorhaben bzw. 14 Prozent „substantiell angegangen“. Im Umkehrschluss seien 162 Vorhaben bzw. 36 Prozent noch nicht erfüllt oder angegangen.[38]
Novellierung des Verpackungsgesetzes (Caterer, Lieferdienste und Restaurants müssen Alternativen zu Einwegbehältern für To-Go- bzw. Take-Away-Essen und -Getränke anbieten)
Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz
Änderung des Transfusionsgesetzes (Neuregelung der Blutspende durch Abschaffung der Diskriminierung homosexueller Männer und Abschaffung der Altershöchstgrenze)[46]
Pflegereform (Erhöhung der Leistungen und des Pflegeunterstützungsgelds für häusliche Pflege; Erhöhung der Beitragssätze; Abschläge für Familien ab dem 2. Kind)
Gesundheit
1. Juli 2023
Reform des Baugesetzes (Bauleitpläne werden online veröffentlicht und Genehmigungsverfahren vereinfacht)[47]
Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen
7. Juli 2023
Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz
Gesundheit
1. August 2023
Gesetz zur Kennzeichnung von Lebensmitteln mit der Haltungsform der Tiere, von denen die Lebensmittel gewonnen wurden (Tierwohllabel)[48]
Gesetz zur Überarbeitung des strafrechtlichen Sanktionenrechts (Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafe, ausdrücklich gesetzlich geregelte Verschärfung in der Strafzumessung bei Taten mit „geschlechtsspezifischen“ sowie „gegen die sexuelle Orientierung gerichteten“ Motiven, Möglichkeit einer Weisung zur Therapie oder Erbringung gemeinnütziger Leistungen bei Bewährungen)
Reform des Lobbyregisters zur Einführung eines „legislativen Fußabdrucks“[52]
1. März 2024
Wachstumschancengesetz (steuerliche Erleichterungen für Unternehmen, Abbau von Bürokratie, Investitionen in den Klimaschutz, mehr Fachkräfte aus dem Ausland, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren)
Finanzen
27. März 2024
Reform des Staatsangehörigkeitsrechts (doppelte Staatsbürgerschaft auch für Nicht-EU-Bürger, Verkürzung der Mindestaufenthaltszeit)[53]
Maßnahmen nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022
Im Jahr 2022 beschloss das Kabinett aufgrund gestiegener Lebenshaltungskosten (insbesondere aufgrund gestiegener Energie- und Benzinpreise), die durch den von Russland begonnenen Krieg gegen die Ukraine und der von Russland eingestellten Erdgaslieferungen gegenüber Deutschland bedingt sind,[60] Maßnahmen zur finanziellen Entlastung der Bevölkerung. In zwei ersten Maßnahmenpaketen in Höhe von 30 Milliarden Euro wurde neben der Abschaffung der EEG-Umlage Einmalzahlungen in Höhe von 300 Euro für alle Beschäftigten, eine Einmalzahlung von 100 bis 200 Euro für alle Arbeitslosen, eine einmalige Erhöhung des Kindergeldes um 100 Euro pro Kind sowie jeweils drei Monate das 9-Euro-Ticket und eine Stützung der Kraftstoffpreise verfügt. In einem dritten Maßnahmenpaket in Höhe von 65 Milliarden Euro wurden unter anderem Einmalzahlungen in Höhe von 300 Euro an Rentner, Einmalzahlungen in Höhe von 200 Euro an Fachschüler und Studenten, 415 Euro Heizkostenzuschüsse an Bezieher von Wohngeld zusätzlich zur dauerhaften Erhöhung desselben ab dem Jahr 2023, eine Erhöhung des Kindergeldes um 18 Euro ab dem Jahr 2023, eine Anhöhung der Midijob-Obergrenze, die Einführung eines deutschlandweiten Nahverkehrstickets (49-Euro-Ticket), eine Einkommensteuerentlastung, eine weitere Steuerfreistellung von 3000 Euro, eine Strompreisbremse und die Einführung eines Bürgergeldes (das 50 Euro über den Hartz IV-Regelsätzen liegt) beschlossen. Zur Finanzierung der Maßnahmen einigte sich die Ampelkoalition auf die Abschöpfung von Zufallsgewinnen am Strommarkt (Übergewinnsteuer).[61][62][63] Ende September 2022 stellte Scholz mit seiner Regierung über Kredite (Wirtschaftsstabilisierungsfonds) finanzierte Maßnahmen in Höhe von 200 Milliarden Euro vor.[64] Darunter fallen die Senkung der Umsatzsteuer auf Gas bis zum Frühjahr 2024 von 19 auf sieben Prozent, Ausbau der Infrastruktur für den Import von Flüssigerdgas durch LNG-Terminals, die potentielle Ausschöpfung von alternativen Energiequellen und von Kohleverstromung als auch der potentielle Weiterbetrieb von Kernkraftwerken bis Mitte April 2023 (statt Abschaltung Ende 2022).[65]
↑dpa: Parteien: Wechsel zur Bundesbank: FDP-Chef Theurer kündigt Rückzug an. In: Die Zeit. 30. August 2024, ISSN0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 3. September 2024]).
↑Frank-Walter Steinmeier entlässt Anne Spiegel und ernennt Lisa Paus zur Familienministerin – DER SPIEGEL. In: Der Spiegel. 25. April 2022, ISSN2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 25. April 2022]).
↑www.tagesspiegel.de, „Er tritt aus der FDP aus: Wissing bleibt Verkehrsminister – seine Staatssekretäre wollen nicht weitermachen“, 7. November 2024, abgerufen am 8. November 2024
↑Europawahlen: Bundestag stimmt für Senkung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre. In: Der Spiegel. 11. November 2022, ISSN2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 5. März 2023]).
↑Jonas Schaible, Christian Teevs, Severin Weiland: (S+) Entlastungen: Wie die Ampel über Nacht das 65-Milliarden-Paket schnürte. In: Der Spiegel. 4. September 2022, ISSN2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 4. September 2022]).
↑Laura Meyer: Sollen 16-Jährige künftig wählen? Bundestag diskutiert über Absenkung des Wahlalters. In: Der Spiegel. 29. April 2022, ISSN2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 5. März 2023]).