Die Verwaltungsgrafschaften Englands (englischadministrative counties) waren lokale und regionale Verwaltungseinheiten. Sie entstanden 1888, wurden von einem Grafschaftsrat (engl. county council) verwaltet und lösten die bis dahin bestehenden traditionellen Grafschaften Englands ab. Sie wurden 1974 durch eine Gliederung in Metropolitan Counties und Non-Metropolitan Counties ersetzt, die wiederum seit 1996 teilweise von Unitary Authorities abgelöst wurden. Grafschaften mit echter Verwaltungsfunktion, die amtlich jedoch nicht mehr als Administrative Counties bezeichnet werden, sind heute die verbliebenen Non-Metropolitan Counties und die meisten der Unitary Authorities.
Die englische Verwaltungsstruktur von 1888 bis 1965
1888 veränderte die Regierung unter der Führung von Premierminister Marquess of Salisbury die Verwaltungsgliederung in England und Wales grundlegend. Die bisherige Einteilung der Grafschaften wurde verändert und in den neu eingerichteten Verwaltungsgrafschaften wurden Grafschaftsräte (county councils) eingerichtet. Von der neuen Gebietseinteilung in Verwaltungsgrafschaften waren die County Boroughs nicht betroffen.
Der Zuschnitt der traditionellen Grafschaften Cambridgeshire, Lincolnshire, Northamptonshire, Suffolk, Sussex und Yorkshire wurde durch Aufteilung in neue Verwaltungsgrafschaften verändert; diese richteten sich nach der schon bestehenden Unterteilung des Court of Quarter Sessions. Außerdem wurde das County of London geschaffen, welches diejenigen Stadtbezirke umfasste, die heute als Inner London bezeichnet werden. Die Isle of Wight gehörte zunächst zur Verwaltungsgrafschaft Hampshire, erhielt aber 1890 ein eigenes county council.
1894 wurde sodann ein einheitliches Zwei-Stufen-System geschaffen: Auf der oberen Stufe standen die administrative counties, die auf der zweiten Stufen in Urban Districts, Rural Districts und Municipal Boroughs unterteilt waren. Auf der nachstehenden Karte sind die County Boroughs nicht als eigenständige Verwaltungseinheiten eingetragen. Das so entstandene System war die Grundlage für die Zeremoniellen Grafschaften, die aus Gründen der Lord-Lieutenancy geschaffen wurde. Hierbei wurden allerdings Cambridgeshire, Hampshire, Lincolnshire, Northamptonshire, Suffolk und Sussex nicht aufgeteilt.
Infolge der zunehmenden Urbanisierung und der Vergrößerung der Vororte erstreckten sich immer öfter Gebiete, die bislang zu einer Grafschaft gehört hatten, in das Gebiet einer anderen. Weil aber Boroughs, Urban Districts und Parishes nicht über die Grenze einer Grafschaft hinausgehen konnten, wurden die Grenzen der Verwaltungsgrafschaften in der Folgezeit mehrfach verändert.
Die englische Verwaltungsstruktur von 1974 bis 1995
In den späten 1960er-Jahren wurde offensichtlich, dass die Struktur der Kommunalverwaltung reformbedürftig war. Die Labour-Regierung unter Harold Wilson setzte eine Kommission zur Reform der Verwaltungsstruktur ein.
Der von der Kommission erstellte Bericht schlug die Abschaffung der zweistufigen Verwaltung vor. Stattdessen sollten 59 Unitary Authorities geschaffen werden, deren Zuschnitt die bisherigen Grenzen der Verwaltungsgebiete gänzlich ignorieren sollte und an geographischen Gegebenheiten orientiert war. In den Ballungsgebieten Merseyside, South East Lancashire und North East Cheshire sowie um Birmingham herum sollten drei Metropolitan Areas mit 20 Distrikt-Verwaltungen eingerichtet werden.
Gegen diesen Reformvorschlag wandten sich die Konservativen unter der Führung von Edward Heath. Nachdem diese die Wahlen 1970 gewonnen hatten, entwarfen sie ein eigenes Verwaltungsschema. Das Konzept der Unitary Authorities wurde verworfen; vielmehr sollte das gesamte Gebiet von England und Wales in einem zweistufigen System in Verwaltungsgrafschaften und Distrikte aufgeteilt werden. In England orientierte sich der vorgeschlagene Neuzuschnitt der Grafschaften an den schon bestehenden, aber beinhaltete auch einige grundlegende Veränderungen.
Trotz der Zusicherung, dass die traditionellen Grafschaften formell nicht abgeschafft würden und von niemandem ein Wechsel seiner Loyalität als Folge der vorgeschlagenen Gebietsreform erwartet werde, stieß der Plan auf erheblichen Widerstand in den Grafschaften. Infolgedessen wurden die meisten der grundlegenden Veränderungen wieder gestrichen. In der Frage der Zusammenlegung kleiner Grafschaften zeigte sich die Regierung allerdings unnachgiebig; Initiativen zur Beibehaltung von Rutland und Herefordshire hatten keinen Erfolg.
Die Verwaltungsreform wurde durch den Local Government Act 1972, der am 1. April 1974 in Kraft trat, umgesetzt. Dieses Gesetz regelte die Grafschaften und Metropolitan Districts, während für den Zuschnitt der Non-Metropolitan Districts eine Kommission eingesetzt wurde.
1986 schaffte die Regierung unter Margaret Thatcher die Grafschaftsräte in den Metropolitan Countys ab. Diese blieben als solche erhalten; ihre Verwaltungsaufgaben nehmen seitdem die Metropolitan Boroughs wahr.
Metropolitan und Non-Metropolitan Countys Englands von 1974 bis 1996
Verwaltungs- und Gebietsreformen zwischen 1995 und 2023
In den 1990er-Jahren wurden die mit der Kommunalreform von 1974 abgeschafften County Boroughs wieder in Form der Unitary Authorities eingeführt. Dadurch veränderte sich in mehreren Schritten die Verwaltungslandschaft ganz erheblich:
Am 1. April 1995 wurde die Isle of Wight zu einer Unitary Authority. Bis dahin existierte ein Zwei-Stufen-System, bestehend aus dem Isle of Wight County Council und den Boroughs Medina und South Wight. Gleichzeitig kamen zwei kleine Gebiete von Surrey und Buckinghamshire zu Berkshire, das seitdem an Greater London grenzt.
Am 1. April 1996 wurden die 1974 neu gebildeten Grafschaften Avon, Humberside und Cleveland wieder abgeschafft. Ihre bisherigen Distrikte wurden zu Unitary Authorities. Gleichzeitig wurde das Gebiet der City of York ausgeweitet, zu einer Unitary Authority gemacht und verwaltungstechnisch aus North Yorkshire herausgelöst.
Am 1. April 2009 wurden in Bedfordshire, Cheshire, Cornwall, Durham, Northumberland, Shropshire und Wiltshire die alten Districts aufgehoben und flächendeckend Unitary Authorities eingerichtet, so dass in diesen Grafschaften jetzt nur noch eine einstufige Verwaltungsgliederung besteht.
Am 1. April 2019 wurden auch in Dorset die alten Districts aufgehoben und flächendeckend Unitary Authorities eingerichtet. Gleichzeitig wurden in Somerset und Suffolk mehrere Districts fusioniert.
Am 1. April 2021 wurden in Northamptonshire die alten Districts aufgehoben und flächendeckend zwei Unitary Authorities eingerichtet, so dass in dieser Grafschaft jetzt nur noch eine einstufige Verwaltungsgliederung besteht.
Die Non-Metropolitan Counties in England besitzen einen Grafschaftsrat (County Council) und sind in Districts untergliedert. Eine übliche Bezeichnung für diese Counties ist auch Shire Counties, wobei die Endung -shire nicht in allen Namen vorkommt. Seit 2023 bestehen in England 21 Non-Metropolitan Counties:[1]
Teilweise wird auch noch Berkshire zu den Non-Metropolitan Counties gerechnet. Berkshire hat keine Verwaltung auf County-Ebene und ist in sechs Unitary Authorities gegliedert, die aber keinen County-Status besitzen.
Metropolitan Counties
Seit der Abschaffung der Metropolitan County Councils im Jahre 1986 sind die sechs Metropolitan Counties keine Verwaltungsgrafschaften im engeren Sinne mehr und sind in Metropolitan Boroughs untergliedert.
Unitary Authorities sind Verwaltungseinheiten, in denen die Aufgaben eines Non-Metropolitan County und eines Distrikts in einer Gebietskörperschaft vereinigt sind. In England existieren 56 Unitary Authorities mit County-Status:
↑Local Government Law. Law on the web, 2012, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. Februar 2013; abgerufen am 1. Januar 2013 (englisch).