Von Hassell entstammte dem alten landsässigen Adelsgeschlecht derer von Hassell. Er wurde als Sohn des Hauptmanns (später Oberstleutnants) Ulrich von Hassell und dessen Frau Margarete (geb. von Stosch) geboren. Seine Mutter war eine Nichte Albrecht von Stoschs, des preußischen Staatsministers und Chefs der Admiralität. Sie war eine Urenkelin von Henriette Vogel, die mit Heinrich von Kleist im November 1811 in den Freitod gegangen war. Ulrich von Hassell hat später nicht ausgeschlossen, dass seine stets wachsende Bewunderung für den Dichter durch diesen Umstand mitgeprägt wurde.
Sein Großvater mütterlicherseits war der Patensohn des Grafen August Neidhardt von Gneisenau. Das erklärt das besondere Interesse von Hassells an dem preußischen Reformer, das seinen Niederschlag in einigen Veröffentlichungen fand. Sein 1805 geborener Großvater väterlicherseits, Christian von Hassell, hatte die Juristenlaufbahn gewählt, eine Ausnahme in der alten hannoverschen Familie. Deren Mitglieder waren durchweg Gutsbesitzer oder hatten die Offizierslaufbahn eingeschlagen.
1911 heiratete von Hassell Ilse von Tirpitz, Tochter des GroßadmiralsAlfred von Tirpitz. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor:
Fey von Hassell (* 1918; † 2010[5]), Autorin des Buchs Niemals sich beugen – Erinnerungen einer Sondergefangenen der SS, in der sie ihre Zeit als Sippenhäftling verarbeitet ⚭ Detalmo Pirzio Biroli, Gutsherr und Mitglied der Resistenza
Zu der 1897 in den preußischen Adel erhobenen Familie von Hassel (Kai-Uwe von Hassel) besteht keine verwandtschaftliche Beziehung.
Im Ersten Weltkrieg wurde von Hassell in der Schlacht an der Marne am 8. September 1914 durch einen Herzschuss schwer verwundet. Während der weiteren Dauer des Krieges fungierte er als Berater und Privatsekretär seines Schwiegervaters Alfred von Tirpitz, über den er nach dem Krieg eine Biographie verfasste. Von 1917 bis 1920 war er der erste Direktor des Verbands der Preußischen Landkreise in Berlin. Im September 1917 war er Gründungsmitglied der Deutschen Vaterlandspartei.
Nach dem Ende des Krieges und der Auflösung der Vaterlandspartei 1918 trat von Hassell der Deutschnationalen Volkspartei bei. Er setzte sich für einen Neuaufbau des Staats in einem ständisch-konservativen Rahmen ein und distanzierte sich von den rein reaktionären Kräften innerhalb der Partei. Er war Mitglied des Deutschen Herrenklubs, einer einflussreichen Vereinigung von hochgestellten konservativen Persönlichkeiten. Während des Kapp-Putsches 1920 war er von den Putschisten als Außenminister vorgesehen.[7] In den folgenden Jahren kehrte er ins Auswärtige Amt zurück und arbeitete bis Anfang der 1930er Jahre in Rom, Barcelona, Kopenhagen und Belgrad. 1932 wurde von Hassell zum deutschen Botschafter in Italien ernannt.
Zum 1. November 1933 trat von Hassell in die NSDAP ein (Mitgliedsnummer 3.285.722).[8] Er war entschiedener Gegner des 1937 zwischen dem Deutschen Reich, Italien und Japan geschlossenen Antikominternpakts und trat für eine abendländisch-christliche Einheit Europas ein. Im September 1937 wurde er Mitglied des Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps, in dem er zum Ehren-Brigadeführer ernannt wurde. Im Februar 1938 wurde von Hassell von Hitler als Botschafter in Rom abberufen. Dies war eine Folge der Blomberg-Fritsch-Krise und der Ernennung Joachim von Ribbentrops – dessen politische Ansichten er nicht teilte – zum Außenminister.[9] Er schied aber nicht völlig aus dem diplomatischen Dienst aus: So leitete er unmittelbar nach dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 eine Delegation, um bei den nordeuropäischen Regierungen Befürchtungen über einen bevorstehenden deutschen Überfall zu zerstreuen. Seit 1938 hatte von Hassell einen Wohnsitz[10] in Ebenhausen im Isartal.[11]
Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges beteiligte er sich an Plänen zum Putsch gegen Hitler. Von Hassell fungierte dabei als Vermittler zwischen den konservativen Widerstandsgruppen um Carl Friedrich Goerdeler und Ludwig Beck (diese Gruppe nannte von Hassell einmal ironisch His Majesty's most loyal opposition) und den jüngeren Widerständlern im Kreisauer Kreis; in den Weißen Blättern schrieb er ab Mitte 1939 Artikel.[12][13][14]
Ab 1940 wurde er Mitglied im Vorstand des Mitteleuropäischen Wirtschaftstags und ein enger Mitarbeiter von Tilo von Wilmowsky.[15] Während dieser Zeit führte er mit den Westalliierten Gespräche über die Zeit nach einem möglichen Staatsstreich. Er entwarf zusammen mit Goerdeler, Beck und Johannes Popitz Planungen für die innere Ordnung Deutschlands nach einem erfolgreichen Putsch gegen Hitler. Auch machte er sich Gedanken über die Neuordnung Europas nach dem Krieg.[16] Für eine Übergangsregierung war er als Außenminister vorgesehen. Indessen war er seit 1943 aus dem eigentlichen Zentrum des Widerstands ausgeschieden und auch über die Staatsstreichbemühungen um Claus Schenk Graf von Stauffenberg nicht mehr im Bilde.
Aus mehreren Tagebucheinträgen von Hassells geht hervor, dass er vom Holocaust wusste, zum Beispiel am 15. Mai 1943:
„Erschütternde Berichte des braven Zähringer [Frauendorfer] aus Polen. Während Frank öffentlich erklärt, man wolle Polen ein menschenwürdiges freies Dasein geben und während man – vergeblich – die Welt durch die bolschewistischen Morde in Katyn abzulenken sucht, haust die SS in Polen weiter in unvorstellbarer beschämendster Weise. Unzählige Juden werden in besonders dazu gebauten Hallen vergast, jedenfalls Hunderttausende.“[17]
Manfred Asendorf: Ulrich von Hassells Europakonzeption und der Mitteleuropäische Wirtschaftstag. In: Jahrbuch des Instituts für Deutsche Geschichte. Band 7, Hrsg. Walter Grab, Universität Tel-Aviv 1978, S. 387–419. ISSN0334-4606
Fey von Hassell: Niemals sich beugen. Erinnerungen einer Sondergefangenen der SS. Piper, München u. a. 1990, ISBN 3-492-03352-0.
Theodore S. Hamerow: Die Attentäter. Der 20. Juli – von der Kollaboration zum Widerstand. Aus dem Englischen von Matthias Grässlin. Beck, München 1999, ISBN 3-406-44555-1.
Gregor Schöllgen: Ulrich von Hassell. 1881–1944. Ein Konservativer in der Opposition. (= Beck'sche Reihe. 1560). Aktualisierte Neuausgabe. Beck, München 2004, ISBN 3-406-49491-9.
Hans-Christof Kraus: Ulrich von Hassell – Ein Diplomat im Widerstand. In: Matthias Stickler (Hrsg.): Portraits zur Geschichte des deutschen Widerstands. Verlag Marie Leidorf, Rahden/Westf. 2005, ISBN 978-3-89646-838-3, S. 157–173.
↑Susan Sachs: Wolf Ulrich von Hassell, 85, German Ambassador. In: New York Times. 14. März 1999. (online)
↑Ulrich von Hassell: Der Kreis schliesst sich: Aufzeichnungen in der Haft 1944. Hrsg.: Malve von Hassell. 1. Auflage. Band1, Nr.1. Propyläen, Berlin 1994, ISBN 3-549-05158-1, S.203.
↑Tugenden verkörpert Merkur.de vom 26. April 2009, abgerufen am 20. September 2018.
↑Ulrich von Hassell: Der organische Staatsgedanke des Freiherrn von Stein. In: Carl Ludwig Freiherr zu Guttenberg (Hrsg.): Weiße Blätter. Bad Neustadt an der Saale September 1939, S.249–256 (archive.org [PDF; 4,9MB; abgerufen am 15. Juni 2022] Archiviert vom Original).
↑Kurt Schwarzenau: Der Mitteleuropäische Wirtschaftstag. Geschichte und Konzeption einer Monopolorganisation von ihren Anfängen bis 1945.Universität Leipzig, 1974, Dissertation. Band 1, S. 250.
↑Friedrich von Gaertringen (Hrsg.): Die Hassell-Tagebücher 1938–1944. Siedler, Berlin 1989, S. 365.
↑Ferdinand Sauerbruch, Hans Rudolf Berndorff: Das war mein Leben. Kindler & Schiermeyer, Bad Wörishofen 1951; zitiert: Lizenzausgabe für Bertelsmann Lesering, Gütersloh 1956, S. 420 f.