Schliersee liegt mit seinem Hauptort am Nordostufer des gleichnamigen Sees; dieser Hauptort ist ein bekannter Urlaubsort in den bayerischen Alpen, mit langer Tradition im Tourismus – einer der Orte in Bayern, an denen im 19. Jahrhundert sowohl der sommerliche Berg- als auch der winterliche Skitourismus begannen. Vom Ort Schliersee bietet sich ein freier Blick auf die Berge Aiplspitz, Jägerkamp, Brecherspitz und Bodenschneid, die zum Mangfallgebirge gehören.
Der Markt Schliersee ist seit 1975 staatlich anerkannter Luftkurort.[2]
Der südlich gelegene Gemeindeteil Spitzingsee liegt 1.090 Meter hoch und ist ein bekanntes Wintersport- und Bergwanderzentrum.
Die Gesteine der Molassezone im Norden der Gemeinde gehören der Unteren Brackwassermolasse und der Unteren Meeresmolasse aus dem Oligozän an.[7] Zur ersteren zählen die Cyrenen-Schichten, die aus Mergeln und karbonatischenSandsteinen bestehen und eingeschaltete Pechkohleflöze enthalten, die im benachbarten Hausham von 1860 bis 1966 abgebaut wurden.
Die Gesteine der Flyschzone bauen die meist bewaldeten Kuppen um die nördliche Seehälfte auf: Huberspitz, Rainer Berg, Auer Berg (Tristel-Formation), Gindelalmschneid, Aschberg, Krainsbergkogel, Schliersberg und Breitenberg (Kalkgraben-Formation). Auch die Seeschwelle mit der Insel Wörth ist aus Material der Kalkgraben-Formation aufgebaut. Die Kalkgraben-Formation hat als Typlokalität den ehemaligen Steinbruch Kalkgraben am Schatzelweg im Schlierseer Ortsteil Kalkgraben.[8] Das Geotop heißt Typlokalität, weil es in charakteristischer Weise die Ausprägung der Gesteinsformation repräsentiert und die Formation deshalb nach ihm benannt ist. Es gehört zu den regional bedeutenden Geotopen[9] und ist auch in der Liste der Geotope im Landkreis Miesbach verzeichnet.
In einer Urkunde des Hochstifts Freising vom 21. Januar 779 wird bestätigt, dass fünf Brüder am „Slyrse“ eine klösterliche Zelle samt einer kleinen vom Bischof Arbeo geweihten Kirche gegründet haben. Dieses Kloster lag auf dem Kirchbichl nördlich der heutigen Gemeinde. Während der Ungarneinfälle im 10. Jahrhundert wurde es vermutlich vernichtet, von Bischof Otto von Freising aber im Jahre 1141 am Ort der heutigen Kirche St. Sixtus in Schliersee neu gegründet und um 1260 in ein Kollegiatstift umgewandelt. Die Kanoniker wohnten auf kleinen Höfen, die um die Kirche lagen und mit denen sie ihren Lebensunterhalt sicherten. 1493/95 wurde das Stift gegen den Widerstand der Kanoniker an die Frauenkirche nach München verlegt und dort 1803 durch die Säkularisation aufgehoben.
Als weltliche Macht bildete sich ab dem 12. Jahrhundert die Grafschaft Hohenwaldeck heraus. In diese Zeit fällt auch die Bedeutung der Burg Hohenwaldeck oberhalb des Schliersees. Im 15. Jahrhundert konnte dem Bistum Freising die Oberherrschaft über das Gebiet abgerungen und 1454 die Reichsunmittelbarkeit erreicht werden. Hauptort der Grafschaft war allerdings Miesbach mit Schloss Wallenburg. Aber bereits 1483 erlosch das Geschlecht der Grafen von Waldeck. Nach Erbstreitigkeiten erwarb schließlich Wolfgang von Maxlrain 1516 das Gebiet. Die Herrschaft der Maxlrainer über Schliersee hielt bis 1734 an. Danach fiel die Grafschaft und mit ihr das Gebiet um Schliersee an das Kurfürstentum Bayern. Allmählich schwanden auch die Vorrechte der Grundherrschaften Kirche, Frauenstift München sowie der Maxlrainer. Die Bewohner konnten Grund und Boden erwerben oder verkaufen, neue Häuser wurden gebaut, die Bevölkerungsstruktur wandelte sich, und es bildete sich nach und nach ein Gemeinwesen.
Ab der Gemeindegründung
Im Zuge der Umsetzung der bayerischen Verfassung von 1808 durch das erste Gemeindeedikt wurde Schliersee in diesem Jahr selbständige Landgemeinde. 1919 wurde Schliersee zum Markt erhoben.
Auch Ansätze von Industrie gab es in der Gemeinde Schliersee. Von 1867 bis 1914 produzierte in Breitenbach eine Glashütte.
Im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts entdeckten Münchner Künstler den stillen und romantischen Schliersee, und es verbreitete sich der Ruf Schliersees als idyllischer Urlaubsort. Am 1. August 1869 bekam Schliersee Eisenbahnanschluss nach München, was zu einem Aufschwung des Fremdenverkehrs führte. Es wurden Wanderwege angelegt, Badeanstalten errichtet, neue Gaststätten und Hotels entstanden, Freizeitanlagen wurden gebaut. 1888 entstand der örtliche Trachtenverein und 1892 das Schlierseer Bauerntheater als erstes bayerisches Bauerntheater.
Ende der 1880er Jahre brachten Münchner das neue Wintervergnügen des Skilaufens in die Schlierseer Berge.[10][11] Um die Wende zum 20. Jahrhundert entwickelte sich der bayerische Wintersport mit Schliersee als Vorreiter. 1902 wurde der erste offizielle Langlauf durchs Dorf organisiert, vier Jahre später entstand der örtliche Skiclub. Ebenfalls 1906 fand die erste „Bayrische Ski-Meisterschaft“ mit einer Distanz von 25 km im „Dauerlauf auf Skiern“ im Gebiet um Schliersee statt.[12] In Schliersee schlug auch die Geburtsstunde des Bergrettungsdienstes beim Roten Kreuz: Eine Gruppe von Skifahrern gründete dort 1911 die „Erste deutsche skifahrende freiwillige Sanitätskolonne“.[13]
Im 20. Jahrhundert wählten zahlreiche Prominente Schliersee als Haupt- oder Zweitwohnsitz. Insbesondere in den 1930er-Jahren wurde die Gemeinde, wie auch das gesamte Schlierseer Tal ein Teil des als „Bonzenregion“ bezeichneten benachbarten Tegernsees. Zur Jahreswende 1937/38 wurde in Schliersee die SA-Gruppenschule eingerichtet, die gegen Kriegsende zum Ausweichquartier der Obersten SA-Führung wurde. Während des Zweiten Weltkriegs dienten die Hotels und Pensionen zur Unterbringung verwundeter Soldaten und aus den Großstädten ausquartierter Mütter mit Kindern.
Einwohnerentwicklung
Zwischen 1988 und 2018 wuchs der Markt von 6191 auf 6941 Einwohner bzw. um 12,1 Prozent.
Nach der Erhebung Schliersees zum Markt im Jahre 1919 bewarb sich der Markt um die Genehmigung zur Führung der Ortsfarben Kornblumenblau/Goldgelb. Das stieß jedoch auf Schwierigkeiten, da nach Stellungnahme des Bayerischen Hauptstaatsarchivs die Hauptfarben des Schlierseer Wappens Blau/Weiß und nicht Kornblumenblau/Goldgelb sind.
Daraufhin beauftragte der Markt Prof. Otto Hupp, das Wappen zu überarbeiten und in den Wappenfarben so zu gestalten, dass die Führung der gewünschten Flaggenfarben möglich sei. Am 24. August 1926 genehmigte der Marktgemeinderat das neue Wappen.
Dieses neue Gemeindewappen und die Ortsfarben „Kornblumenblau/Goldgelb“ wurden mit Entschließung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 27. November 1926 genehmigt.
Im Schlierseer Heimatmuseum ist in einem der ältesten Häuser des Ortes (erbaut um 1450) das bäuerliche Leben und Arbeiten der letzten 500 Jahre dargestellt. Neben den Wohn- und Schlafräumen sind im Museum eine offene Rauchkuchel, ein Richtersaal und ein Gefängnis zu sehen. Die Sammlung umfasst Möbel und Gebrauchsgegenstände sowie eine Sammlung von Glaserzeugnissen aus der Glashütte Schliersee.
Auf dem Weinberghügel steht die gotische KapelleSt. Georg aus dem 14. Jahrhundert mit einem barocken Hochaltar von 1624. An der Nordwand stehen die Figuren des hl. Sixtus und der hl. Barbara. An der Außenfassade befindet sich eine Gedenktafel für die deutschen Gefallenen der Kämpfe am Annaberg 1921. Vom Weinberg aus hat man auch einen schönen Blick auf den Ort und den See. Am nördlichen Ortseingang befindet sich die Barockkirche St. Martin mit dem Jennerwein-Grab. Schließlich befindet sich im Ortszentrum die 1712 bis 1715 erbaute Pfarrkirche St. Sixtus mit Werken von Jan Polak, Erasmus Grasser und Johann Baptist Zimmermann.
Schlierseer-Advent mit bayerischer Adventsmusik und Hirtenspiel (1. und 2. Advent-Samstag)
Freizeit
Seit Ende 2008 existiert am Seeufer die vitalwelt Schliersee. In dem ehemaligen Kurzentrum befindet sich heute neben der Tourist-Info, dem Restaurant „Charivari“ und einem Fitnessstudio das monte mare mit Hallenbad, Sauna- und Wellnessbereich.
Literatur
Über den bekannten Schlierseer Einwohner und Wildschützen Georg Jennerwein wurden mehrere Romane verfasst.
Der äußere Eindruck von Schliersee und seiner Teilorte wird neben den (vielfach umgenutzten) Bauernhäusern und Wohngebäuden bestimmt von Gebäuden und Einrichtungen, die dem Tourismus dienen (Häuser zur Unterbringung und Verpflegung von Gästen, Kur- und Freizeitanlagen, Dienstleistungen wie Boots-, Ski- und Fahrradverleih u. v. a.), und auch alltägliche Dienstleistungsbranchen wie Einzelhandel, Bäckereien u. ä. sowie die Verkehrsinfrastruktur sind erkennbar auf den Tourismus ausgerichtet.
Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten hat von 2014 bis 2019 kontinuierlich zugenommen, von 1590 auf 1754 (bei dieser Statistik werden Beschäftigte in der Landwirtschaft in der Regel nicht erfasst). Von den 1754 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Jahr 2019 arbeiteten 688 (39,2 %) in Handel, Verkehr und Gastgewerbe, 517 (29,5 %) für öffentliche und private Dienstleister und 204 (11,6 %) für Unternehmensdienstleister, die übrigen für Betriebe des Produzierenden Gewerbes und der Bauwirtschaft[18].
Als besonderer Betrieb des Verarbeitenden Gewerbes ist in der Gemeinde die Slyrs Bavarian Malt Whisky-Destillerie beheimatet.[19]
Landwirtschaft
Die Landnutzung im Gemeindegebiet von Schliersee wird vor allem bestimmt von der Wiesen- und Weidewirtschaft und von der Forstwirtschaft. Gemäß der amtlichen Flächenerhebung waren 2019 83 % der gesamten Bodenfläche land- oder forstwirtschaftlich genutzt (64,7 % Wald und 18,3 % Landwirtschaft, letztere ausschließlich für Dauergrünland)[20]. Weitere Ergebnisse der Agrarstatistik zeigen die Dominanz der Rinderhaltung innerhalb der Landwirtschaft: 2016 wurden 776 Rinder gezählt (darunter 278 Milchkühe) und nur 6 Schweine, 43 Schafe, 53 Pferde und 100 Hühner.[21]
Von großer Bedeutung ist – als Teilbereich der Grünlandwirtschaft – die extensiveAlmwirtschaft, die in ökologisch angepasster Weise saisonal die Potenziale der Höhenregionen für die Viehzucht nutzt. Das Almverzeichnis des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern listet für 2021 für die Gemeinde Schliersee 28 Almen auf.[22] Die Almen prägen ganz wesentlich die Kulturlandschaft der Berggebiete. Auf den Almen werden vor allem Jungtiere gehalten, die nicht gemolken werden müssen; daher auch der vergleichsweise geringe Anteil der Milchkühe an den Rindern insgesamt in der Gemeinde.
Rolf Singer (1906–1994), deutsch-US-amerikanischer Mykologe und Hochschulprofessor
Markus Wasmeier (* 1963), Skisportler. Er wurde 1985 Weltmeister im Riesenslalom in Bormio (Italien), 1994 war er zweifacher Olympiasieger in Lillehammer (Norwegen) im Super-G und Riesenslalom
Helmut Weber (* 1950), Eisspeedwayfahrer und Team-Weltmeister
Weitere Persönlichkeiten
Josef Achmann (1885–1958), Maler, lebte von 1940 bis zu seinem Tod in Schliersee.
Michael Ande (* 1944), Schauspieler, lebt in Schliersee.
Georg Vogelsang (1883–1952), Volksschauspieler, starb in Schliersee
Literatur
Reinhold Friedrich: Spuren des Nationalsozialismus im bayerischen Oberland: Schliersee und Hausham zwischen 1933 und 1945, Hausham 2011
Ignaz Joseph von Obernberg: Zur Geschichte der Kirchen und Ortschaften Agatharied, Fischhausen und Josephsthal. In: Oberbayerisches Archiv für vaterländische Geschichte, Band 2, München 1840, S. 297–308 (online)
Ilka von Vignau: Tegernsee, Schliersee, Leitzachtal. München: Prestel, 1980, 3. Auflage 1992, S. 349–415
↑ abStefan Glaser, Ulrich Lagally, Georg Loth, Hubert Schmid, Klaus Schwerd: Geotope in Oberbayern. Erdwissenschaftliche Beiträge zum Naturschutz. Band 6. Bayerisches Landesamt für Umwelt, Augsburg 2008, S. 140–149: Miesbach.
↑Stefan Glaser, Ulrich Lagally, Georg Loth, Hubert Schmid und Klaus Schwerd: Geotope in Oberbayern. Erdwissenschaftliche Beiträge zum Naturschutz, Band 6. Augsburg: Bayerisches Landesamt für Umwelt, 2008, S. 147: Steinbruch Kalkgraben