Die Teilnahme der DDR unter eigener Flagge war bis kurz vor Beginn der Wettkämpfe umstritten. Die bundesdeutschen Athleten wurden von Politikern der Bundesrepublik Deutschland sogar zu einem Boykott der Europameisterschaften gedrängt. Der Vorsitzende des Deutschen Leichtathletik-Verbands DLV Max Danz hielt jedoch an der Teilnahme der Athleten seines Verbandes fest. Einen Boykott sollte es dann auf der Grundlage anderer Konstellationen bei den folgenden Europameisterschaften 1969 in Athen geben.[1]
Wettbewerbe
Bei diesen Europameisterschaften gab es keine Änderungen im Wettkampfprogramm. Das sollte sich ab 1969 bei den nachfolgenden Meisterschaften wieder ändern. Im Angebotskatalog für die Frauen gab es noch erheblichen Nachholbedarf und das Frauenprogramm wurde in den kommenden Jahrzehnten sukzessive erweitert, bis es dem der Männer weitgehend entsprach.
Problemfeld Geschlechtsstatus
Diskussionen gab es um die Frage des Geschlechtsstatus: Sind alle Sportlerinnen, die bei den Frauenwettkämpfen antreten, tatsächlich, Frauen? Es hatte in der Vergangenheit vor allem bei zwei sowjetischen Sportlerinnen, den überaus erfolgreichen Geschwistern Tamara und Irina Press, Zweifel gegeben. Die beiden stellten sich den neu eingeführten Geschlechtstests (auch als „Sextests“ bezeichnet) nicht, nahmen somit an diesen Europameisterschaften nicht teil und tauchten von da an nie mehr bei Wettkämpfen auf.[2]
Mit der hier ebenfalls stark auftretenden Polin Ewa Kłobukowska war eine weitere Athletin von diesen Geschlechtstests betroffen. Sie passierte die Überprüfung bei diesen Europameisterschaften ohne Beanstandung, wurde allerdings im Jahr 1967 im Rahmen des Europacups aufgrund ihrer Geschlechtschromosome als Hermaphrodit eingestuft. Dies hatte zur Folge, dass sie von da nicht mehr an Wettbewerben teilnehmen konnte. 1969 strich der Weltleichtathletikverband (damals IAAF) nachträglich alle Weltrekorde, an denen Ewa Kłobukowska beteiligt war. Ihre errungenen Titel und Medaillen durfte sie dagegen behalten. Zur Einordnung dieser Fakten gehört allerdings auch die Tatsache, dass die betroffene Sportlerin später heiratete und einen Sohn gebar.[3][4]
Sportliche Leistungen
Gleich bei ihrer ersten Teilnahme als eigener Verband wurde die DDR mit acht EM-Titeln erfolgreichste Nation. Die Sowjetunion hatte ihre alleinige Vormachtstellung der letzten Jahre in Europa eingebüßt. Hinter der DDR folgten Polen mit sieben EM-Titeln, die UdSSR (sechs Titel) und Frankreich (vier).
Bei den einzelnen Sportlern lag das Leistungsniveau hoch. Welt- und Europarekorde gab es diesmal zwar nicht, aber es wurden zahlreiche Meisterschafts- und Landesrekorde neu aufgestellt oder egalisiert.
In 23 Disziplinen wurde der Europameisterschaftsrekord dreißig Mal eingestellt oder verbessert.
In vierzehn Disziplinen gab es 39 egalisierte oder verbesserte Landesrekorde.
Eine Athletin errang drei Goldmedaillen bei diesen Meisterschaften:
In der Qualifikation am 30. August erzielte der im Finale neuntplatzierte sowjetische Werfer Witautas Jaras mit 57,54 m einen neuen Meisterschaftsrekord.
Zur Orientierung und Einordnung der Leistungen sind zum Vergleich die nach heutigem Wertungssystem von 1985 erreichten Punktzahlen mitaufgeführt. Danach wären die Plätze zwei und drei umgekehrt vergeben worden. Aber diese Vergleiche sind nur Anhaltswerte, denn als Grundlage müssen die jeweils unterschiedlichen Maßstäbe der Zeit gelten.
Einen Doppelsieg für Polen mit klarem Vorsprung gab es im Sprint mit Ewa Kłobukowska (Foto rechts) als Europameisterin.
In der Vorrunde und im Halbfinale hatte die neue Europameisterin den Meisterschaftsrekord von 11,4 s bei jeweils Windstille zweimal egalisiert. Im Finale führte der Gegenwind von 1,1 m/s mit dazu, dass es keine Verbesserungen oder weitere Egalisierungen des EM-Rekords gab.
In der Qualifikation am 2. September hatte Europameisterin Marion Lüttge mit 59,70 m einen neuen Meisterschaftsrekord aufgestellt, der gleichzeitig auch ein deutscher Rekord war.
Gewertet wurde nach der 1962 modifizierten Fünfkampf-Tabelle.
Zur Orientierung und Einordnung der Leistungen sind zum Vergleich die nach heutigem Wertungssystem von 1985 für den Siebenkampf erreichten Punktzahlen mitaufgeführt. Danach hätte einige abweichende Platzierungen gegeben. Aber diese Vergleiche sind nur Anhaltswerte, denn als Grundlage müssen die jeweils unterschiedlichen Maßstäbe der Zeit gelten.
UFA-Wochenschau 528/1966, Kurzvideo zu den Europameisterschaften 1966, 6. September 1966, Bereich: 7:03 min bis 9:19 min auf filmothek.bundesarchiv.de, abgerufen am 20. Juli 2022