Ab 1910 lebte die Familie in Lennep im Bergischen Land. Dort besuchte Kurt Thomas von 1913 bis 1922 das Röntgen-Gymnasium. Anschließend, am 21. April 1922, wurde er für die Fächer Rechtswissenschaften und Musik an der Universität Leipzig immatrikuliert. Er beendete sein Studium 1925 und arbeitete als Dozent für Musiktheorie am Landeskonservatorium der Musik zu Leipzig. 1927 erhielt er für sein Opus 1 „Messe in a-Moll“ den Beethovenpreis der Preußischen Akademie der Künste. 1928 wurde er durch Vermittlung Karl Straubes zum Kompositionslehrer und Leiter der Kantorei des Kirchenmusikalischen Instituts Leipzig berufen. Später reiste er mit dem in „Kurt-Thomas-Kantorei“ umbenannten Madrigalchor durch Deutschland.[1] Von 1934 bis 1939 wirkte Thomas als Professor für Chorleitung an der Akademischen Hochschule für Musik in Berlin.
Seine Nähe zum nationalsozialistischen System geht unter anderem aus einer Beschwerde vom 6. November 1935 bei der Reichsmusikkammer hervor, worin er betonte, dass er, obwohl im Sinne der Nürnberger Gesetze „Vollarier“, in Brückners Musikalischem Juden-ABC stand, während „100prozentige Vertreter jüdischer Unkultur, wie z. B. Kurt Weill fehlten“.[2] 1936 komponierte er im Rahmen eines Musikwettbewerbs der Reichsmusikkammer anlässlich der Olympischen Spiele eine Olympische Kantate, die von Goebbels mit einer Silbermedaille ausgezeichnet wurde.[2] 1940 trat Kurt Thomas der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 7.463.935).[2]
Im Jahre 1956 wurde Kurt Thomas als Nachfolger von Günther Ramin zum Thomaskantor an die Thomaskirche nach Leipzig berufen. Er trat die Stelle am 1. April 1957 an. Hier führte er als Neuerung die Aufstellung des Chores hinter dem Orchester ein.[3] Nach vier Jahren beendete er diese Tätigkeit, als dem Chor aus undurchsichtigen, aber politisch motivierten Gründen eine für den Dezember 1960 geplante Konzertreise nach Westdeutschland untersagt wurde.[4] Thomas kehrte im November desselben Jahres von einer Reise nach Westdeutschland nicht mehr in die DDR zurück, nachdem seine bereits vor seinem Amtsantritt erklärten Bedingungen für die Ausübung des Thomaskantorats von Seiten der Regierung der DDR weiterhin nicht erfüllt worden waren. Einen Vertrag hatte er bis dato von der Regierung der DDR nicht erhalten.[5] Er leitete in Köln von 1961 bis 1968 die Chorkonzerte des Bach-Vereins Köln. Daneben übernahm er 1961 die Leitung der anstelle der Kantorei der Dreikönigskirche neu gegründeten Frankfurter Kantorei. 1969 erfolgte der Rücktritt als Dirigent dieses Chores.
Als Komponist wurde Kurt Thomas vor allem mit Chorwerken bekannt (Messe in a-Moll, 1924; Markuspassion, 1927). Sein kompositorisches Schaffen gilt in seiner Rückbesinnung auf das Erbe abendländischer Geschichte in Verbindung mit der Tonsprache der Spätromantik als wegbereitend für die evangelische Kirchenmusik des 20. Jahrhunderts. Er nahm an dem Kompositionswettbewerb zu den Olympischen Spielen 1936 in Berlin teil. In der Gruppe „Kompositionen für Solo- oder Chorgesang mit oder ohne Klavier- oder Instrumentalbegleitung“ errang Thomas mit der „Kantate zur Olympiade 1936“ op. 28, die silberne Medaille. Der Text zu der Kantate stammte von dem Nürnberger Karl Bröger.
Kurt Thomas ist der Verfasser eines dreibändigen Lehrbuchs der Chorleitung, das wieder aufgelegt wurde, seit 1991 allerdings in ergänzter und revidierter Form.
Umstritten ist Thomas’ Rolle während der Zeit des Nationalsozialismus wegen seiner Position als Direktor des Musischen Gymnasiums in Frankfurt am Main (1939–1945), das als Eliteschule und Vorzeigeprojekt der Nazis galt. Aus diesem Grund wurden 2004 die Benennung eines Probensaals im neuen Haus der Chöre in Frankfurt sowie die Anbringung einer Gedenkplakette an der Frankfurter Dreikönigskirche zunächst verhindert. Die Rolle von Kurt Thomas während der Zeit des Nationalsozialismus ist derzeit nicht abschließend geklärt. Am 8. Mai 2006 wurde vorübergehend auf Beschluss des Kirchenvorstandes der Dreikönigsgemeinde dann doch eine Informationstafel (lila) an der Dreikönigskirche angebracht, die auch auf das Wirken von Kurt Thomas an der Kirche hinwies.
Thomas wurde auf dem Friedhof von Berlebeck bei Detmold beigesetzt.
Werner Heldmann: Musisches Gymnasium Frankfurt am Main 1939–1945. Eine Schule im Spannungsfeld von pädagogischer Verantwortung, künstlerischer Freiheit und politischer Doktrin. Peter Lang, Frankfurt 2004, ISBN 3-631-51987-7.
Manfred Kluge (Hrsg.): Chorerziehung und neue Musik. Für Kurt Thomas zum 65. Geburtstag. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 1969.
Über Thomas-Aufführungen des Dresdner Kreuzchores, in: Matthias Herrmann (Hrsg.): Dresdner Kreuzchor und zeitgenössische Chormusik. Ur- und Erstaufführungen zwischen Richter und Kreile, Marburg 2017, S. 54–56, 287–288, 298, 300, 303–305 (Schriften des Dresdner Kreuzchores, Bd. 2). ISBN 978-3-8288-3906-9.
Corinna Wörner: Zwischen Anpassung und Resistenz. Der Thomanerchor Leipzig in zwei politischen Systemen (= Studien und Materialien zur Musikwissenschaft, Bd. 123). Georg Olms Verlag, Hildesheim 2023, ISBN 978-3-487-16232-4. (Abstract)
Briefe von Kurt Thomas befinden sich im Bestand des Leipziger Musikverlages C. F. Peters im Staatsarchiv Leipzig.
Einzelnachweise
↑Neithard Bethke: Kurt Thomas. Studien zum Leben und Werk. Merseburger, Kassel 1989, S. 41 ff.
↑ abcErnst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 611–612.
↑Georg Christoph Biller: Die Jungs vom hohen C. S. 104.