Der Große Preis von Spanien 1975 (offiziell XXI Gran Premio de España) fand am 27. April auf dem Circuit de Montjuïc in Barcelona statt und war das vierte Rennen der Automobil-Weltmeisterschaft 1975.
Berichte
Hintergrund
Fast zwei Monate nach dem Großen Preis von Südafrika stand der Spanien-GP auf dem Programm, der gemäß dem jährlichen Wechsel mit der Rennstrecke Circuito Permanente del Jarama in diesem Jahr erneut auf dem temporären Rennkurs am Montjuïc in Barcelona stattfinden sollte.
In der Zwischenzeit hatten zwei nicht zur Weltmeisterschaft zählende Formel-1-Rennen stattgefunden. Tom Pryce hatte diese Gelegenheit genutzt, um mit einem Sieg beim Race of Champions in Brands Hatch die Konkurrenzfähigkeit des Shadow DN5 unter Beweis zu stellen. Die International Trophy in Silverstone konnte Niki Lauda mit dem neuen Ferrari 312T für sich entscheiden.
Das Team von Frank Williams trat mit einem neuen Wagen und einem neuen Fahrer in Spanien an. Da nämlich Jacques Laffite an einem zeitgleich stattfindenden Formel-2-Rennen auf dem Nürburgring teilnahm, erhielt Tony Brise die Chance auf sein Grand-Prix-Debüt. Es gab zudem noch zwei weitere Debütanten an diesem Wochenende, und zwar Alan Jones, der in einem privaten Hesketh an den Start ging, sowie Roelof Wunderink, der einen neuen Hauptsponsor für Ensign Racing mitbrachte, wodurch dem Team der erste Auftritt in der Saison 1975 ermöglicht wurde.
Graham Hill ließ sich in seinem eigenen Team von François Migault vertreten. Dieser steuerte somit den zweiten nun offiziell als „Hill GH1“ bezeichneten Wagen neben Stammfahrer Rolf Stommelen, wodurch das bisherige Lola-Kundenteam endgültig als eigenständiges Werksteam mit der Bezeichnung „Embassy Hill“ galt.
Training
Gleich zu Beginn des Wochenendes wurde festgestellt, dass die Leitplanken der temporären Rennstrecke nur unzureichend befestigt worden waren und auch die sonstigen Vorbereitungen hinsichtlich der Sicherheit nicht den üblichen Standards entsprachen. Die Fahrervereinigung GPDA beschloss daraufhin unter Federführung des amtierenden Weltmeisters Emerson Fittipaldi, den Grand Prix zu bestreiken.
Von den Stammfahrern nahm daraufhin nur Jacky Ickx, der kein Mitglied der GPDA war, am ersten Training teil. Außer ihm fuhr lediglich Vittorio Brambilla eine gezeitete Runde, die er jedoch bewusst langsam absolvierte. Die Veranstalter sicherten daraufhin zu, die Sicherheitsvorkehrungen im Verlauf der folgenden Nacht zu verbessern. Um dies in der Kürze der Zeit zu ermöglichen, wurden auch vereinzelt Mechaniker der Rennteams zur Mithilfe herangezogen.
Am zweiten Trainingstag waren die Fahrer nach wie vor nicht mit dem Ergebnis der Arbeiten zufrieden und boykottierten das Training weiterhin. Neben Ickx absolvierten am Samstagvormittag lediglich Bob Evans und Neuling Roelof Wunderink offizielle Trainingsrunden. Daraufhin drohte der Veranstalter damit, das gesamte Formel-1-Material, das sich im zum Fahrerlager umfunktionierten Estadi Olímpic de Montjuïc befand, zu beschlagnahmen, sofern die Fahrer sich weiterhin weigerten, das Training aufzunehmen. Als zudem die CSI verlautbarte, dass die Sicherheitsvorkehrungen ausreichend seien, gaben die Teams nach und alle Piloten nahmen an der Qualifikation teil. Einzig Emerson Fittipaldi blieb konsequent, indem er lediglich drei bewusst langsame Runden absolvierte und sich weigerte, am Rennen teilzunehmen.[1]
Die beiden Ferrari-Piloten Niki Lauda und Clay Regazzoni qualifizierten sich für die erste Startreihe. Die zweite Reihe teilte sich James Hunt mit Mario Andretti. Es folgten Vittorio Brambilla und John Watson. Aufgrund der verkürzten Trainingszeit kam es zu einigen ungewohnten Platzierungen. So qualifizierten sich beispielsweise die zum Kreis der Favoriten zählenden Jody Scheckter auf Tyrrell sowie die beiden Brabham von Carlos Reutemann und Carlos Pace lediglich für die Plätze 13, 14 und 15.
Rennen
Kurz nach dem Start versuchte Brambilla den direkt vor ihm gestarteten Andretti zu überholen. Dabei kollidierten die beiden, woraufhin Andretti in das Heck von Laudas Ferrari prallte. Dieser schied aus, nachdem er seinerseits in die Seite von Regazzonis Wagen gedrückt worden war. Dieser schaffte zwar den Weg in die Box und nahm das Rennen nach einem Reparaturstopp wieder auf, lag jedoch aussichtslos zurück. Dadurch gelangte Hunt in die Spitzenposition vor Andretti, Watson, Stommelen, Brambilla und Pace.
Für drei weitere Piloten endete das Rennen bereits nach nur einer Runde, wobei Wilson Fittipaldi und Arturo Merzario bewusst aufgaben, um ihren Protest gegenüber den Veranstaltern zu demonstrieren. Patrick Depailler schied hingegen wegen einer defekten Aufhängung aus.
In der vierten Runde ereignete sich an Jody Scheckters Wagen ein Motorschaden, wodurch Öl auf die Strecke gelangte. Infolgedessen verunfallten Alan Jones sowie Penske-Pilot Mark Donohue an dieser Stelle. Drei Runden später folgte ihnen James Hunt. Andretti führte dadurch vor Watson und Stommelen. Im Laufe der folgenden Runden fiel Watson wegen Handlingproblemen zurück und Andretti schied wegen eines Aufhängungsschadens aus. Rolf Stommelen gelangte dadurch in die Führungsposition vor Carlos Pace, Ronnie Peterson, Jochen Mass und Jacky Ickx. Peterson schied in der 24. Runde im Zuge eines missglückten Überrundungsmanövers gegen François Migault aus.
Zwei Runden später brach der Heckflügel am Wagen des führenden Stommelen. Er prallte unkontrolliert in die Leitplanke und wurde von dieser auf die Strecke zurückgeschleudert. Daraufhin musste der unmittelbar folgende Pace ausweichen, um eine Kollision zu verhindern. Im Zuge dessen verunfallte er, während Stommelens Wagen die Leitplanken auf der gegenüberliegenden Fahrbahnseite berührte und sich über diese hinweg überschlug. Fünf dort stehende Zuschauer starben und Stommelen selbst erlitt schwere Verletzungen. Die mit dieser chaotischen Situation überforderten Veranstalter trafen erst vier Runden später die Entscheidung, das Rennen abzubrechen. Unterdessen war Jacky Ickx von Jochen Mass überholt worden, der somit seinen ersten und einzigen Grand-Prix-Sieg erreichte. Jean-Pierre Jarier kam als Dritter ins Ziel, wurde jedoch mit einer Zeitstrafe belegt, da er zuvor Reutemann unter gelben Flaggen überholt hatte.
Da zum Zeitpunkt des Abbruchs weniger als die Hälfte der geplanten Renndistanz absolviert worden war, erhielten die Fahrer auf den ersten sechs Plätzen zum ersten Mal in der Geschichte der Formel 1 nur die halbe Punktzahl. Darunter befand sich auch Lella Lombardi, die als Sechstplatzierte 0,5 Punkte erhielt. Dabei handelt es sich bis heute um die einzige Punkteplatzierung einer Frau in der Formel 1.[2]
Die Entscheidung von Emerson Fittipaldi, der bereits abgereist war, erwies sich letztendlich als richtig. Als Konsequenz aus den Ereignissen fand seither kein Formel-1-Rennen mehr auf dieser Rennstrecke statt.[3]
Meldeliste
Klassifikationen
Startaufstellung
Pos.
|
Fahrer
|
Konstrukteur
|
Zeit
|
Ø-Geschwindigkeit
|
Start
|
01
|
Osterreich Niki Lauda
|
Italien Ferrari
|
1:23,4
|
163,597 km/h
|
01
|
02
|
Schweiz Clay Regazzoni
|
Italien Ferrari
|
1:23,5
|
163,401 km/h
|
02
|
03
|
Vereinigtes Konigreich James Hunt
|
Vereinigtes Konigreich Hesketh-Ford
|
1:23,8
|
162,816 km/h
|
03
|
04
|
Vereinigte Staaten Mario Andretti
|
Vereinigte Staaten Parnelli-Ford
|
1:23,9
|
162,622 km/h
|
04
|
05
|
Italien Vittorio Brambilla
|
Vereinigtes Konigreich March-Ford
|
1:24,2
|
162,043 km/h
|
05
|
06
|
Vereinigtes Konigreich John Watson
|
Vereinigtes Konigreich Surtees-Ford
|
1:24,3
|
161,851 km/h
|
06
|
07
|
Frankreich Patrick Depailler
|
Vereinigtes Konigreich Tyrrell-Ford
|
1:24,4
|
161,659 km/h
|
07
|
08
|
Vereinigtes Konigreich Tom Pryce
|
Vereinigtes Konigreich Shadow-Ford
|
1:24,5
|
161,467 km/h
|
08
|
09
|
Deutschland Rolf Stommelen
|
Vereinigtes Konigreich Hill-Ford
|
1:24,7
|
161,086 km/h
|
09
|
10
|
Frankreich Jean-Pierre Jarier
|
Vereinigtes Konigreich Shadow-Ford
|
1:25,0
|
160,518 km/h
|
10
|
11
|
Deutschland Jochen Mass
|
Vereinigtes Konigreich McLaren-Ford
|
1:25,2
|
160,141 km/h
|
11
|
12
|
Schweden Ronnie Peterson
|
Vereinigtes Konigreich Lotus-Ford
|
1:25,3
|
159,953 km/h
|
12
|
13
|
Sudafrika 1961 Jody Scheckter
|
Vereinigtes Konigreich Tyrrell-Ford
|
1:25,4
|
159,766 km/h
|
13
|
14
|
Brasilien 1968 Carlos Pace
|
Vereinigtes Konigreich Brabham-Ford
|
1:25,8
|
159,021 km/h
|
14
|
15
|
Argentinien Carlos Reutemann
|
Vereinigtes Konigreich Brabham-Ford
|
1:25,8
|
159,021 km/h
|
15
|
16
|
Belgien Jacky Ickx
|
Vereinigtes Konigreich Lotus-Ford
|
1:26,2
|
158,283 km/h
|
16
|
17
|
Vereinigte Staaten Mark Donohue
|
Vereinigte Staaten Penske-Ford
|
1:26,3
|
158,100 km/h
|
17
|
18
|
Vereinigtes Konigreich Tony Brise
|
Vereinigtes Konigreich Williams-Ford
|
1:26,4
|
157,917 km/h
|
18
|
19
|
Niederlande Roelof Wunderink
|
Vereinigtes Konigreich Ensign-Ford
|
1:26,6
|
157,552 km/h
|
19
|
20
|
Australien Alan Jones
|
Vereinigtes Konigreich Hesketh-Ford
|
1:26,7
|
157,370 km/h
|
20
|
21
|
Brasilien 1968 Wilson Fittipaldi
|
Brasilien 1968 Copersucar-Ford
|
1:27,2
|
156,468 km/h
|
21
|
22
|
Frankreich François Migault
|
Vereinigtes Konigreich Hill-Ford
|
1:27,9
|
155,222 km/h
|
22
|
23
|
Vereinigtes Konigreich Bob Evans
|
Vereinigtes Konigreich B.R.M.
|
1:28,8
|
153,649 km/h
|
23
|
24
|
Italien Lella Lombardi
|
Vereinigtes Konigreich March-Ford
|
1:30,3
|
151,096 km/h
|
24
|
25
|
Italien Arturo Merzario
|
Vereinigtes Konigreich Williams-Ford
|
1:54,3
|
119,370 km/h
|
25
|
26
|
Brasilien 1968 Emerson Fittipaldi
|
Vereinigtes Konigreich McLaren-Ford
|
2:10,2
|
104,793 km/h
|
DNS
|
Rennen
Pos.
|
Fahrer
|
Konstrukteur
|
Runden
|
Stopps
|
Zeit
|
Start
|
Schnellste Runde
|
01
|
Deutschland Jochen Mass
|
Vereinigtes Konigreich McLaren-Ford
|
29
|
0
|
0:42:53,7
|
11
|
1:25,8 (22.)
|
02
|
Belgien Jacky Ickx
|
Vereinigtes Konigreich Lotus-Ford
|
29
|
0
|
+ 1,1
|
16
|
1:26,1 (22.)
|
03
|
Argentinien Carlos Reutemann
|
Vereinigtes Konigreich Brabham-Ford
|
28
|
0
|
+ 1 Runde
|
15
|
1:27,2 (16.)
|
04
|
Frankreich Jean-Pierre Jarier
|
Vereinigtes Konigreich Shadow-Ford
|
28
|
1
|
+ 1 Runde
|
10
|
1:25,4 (25.)
|
05
|
Italien Vittorio Brambilla
|
Vereinigtes Konigreich March-Ford
|
28
|
1
|
+ 1 Runde
|
05
|
1:26,0 (21.)
|
06
|
Italien Lella Lombardi
|
Vereinigtes Konigreich March-Ford
|
27
|
0
|
+ 2 Runden
|
24
|
1:30,2 (08.)
|
07
|
Vereinigtes Konigreich Tony Brise
|
Vereinigtes Konigreich Williams-Ford
|
27
|
0
|
+ 2 Runden
|
18
|
1:26,5 (18.)
|
08
|
Vereinigtes Konigreich John Watson
|
Vereinigtes Konigreich Surtees-Ford
|
26
|
1
|
+ 3 Runden
|
06
|
1:25,5 (17.)
|
–
|
Schweiz Clay Regazzoni
|
Italien Ferrari
|
25
|
1
|
NC
|
02
|
1:25,8 (21.)
|
–
|
Deutschland Rolf Stommelen
|
Vereinigtes Konigreich Hill-Ford
|
25
|
0
|
DNF
|
09
|
1:26,2 (16.)
|
–
|
Brasilien 1968 Carlos Pace
|
Vereinigtes Konigreich Brabham-Ford
|
25
|
0
|
DNF
|
14
|
1:25,8 (25.)
|
–
|
Vereinigtes Konigreich Tom Pryce
|
Vereinigtes Konigreich Shadow-Ford
|
23
|
0
|
DNF
|
08
|
1:26,0 (19.)
|
–
|
Schweden Ronnie Peterson
|
Vereinigtes Konigreich Lotus-Ford
|
23
|
0
|
DNF
|
12
|
1:26,0 (08.)
|
–
|
Niederlande Roelof Wunderink
|
Vereinigtes Konigreich Ensign-Ford
|
20
|
0
|
DNF
|
19
|
1:28,5 (16.)
|
–
|
Frankreich François Migault
|
Vereinigtes Konigreich Hill-Ford
|
18
|
0
|
NC
|
22
|
1:27,1 (11.)
|
–
|
Vereinigte Staaten Mario Andretti
|
Vereinigte Staaten Parnelli-Ford
|
16
|
0
|
DNF
|
04
|
1:25,1 (14.)
|
–
|
Vereinigtes Konigreich Bob Evans
|
Vereinigtes Konigreich B.R.M.
|
7
|
0
|
DNF
|
23
|
1:30,8 (07.)
|
–
|
Vereinigtes Konigreich James Hunt
|
Vereinigtes Konigreich Hesketh-Ford
|
6
|
0
|
DNF
|
03
|
1:25,7 (03.)
|
–
|
Sudafrika 1961 Jody Scheckter
|
Vereinigtes Konigreich Tyrrell-Ford
|
3
|
0
|
DNF
|
13
|
1:27,0 (03.)
|
–
|
Vereinigte Staaten Mark Donohue
|
Vereinigte Staaten Penske-Ford
|
3
|
0
|
DNF
|
17
|
1:29,1 (03.)
|
–
|
Australien Alan Jones
|
Vereinigtes Konigreich Hesketh-Ford
|
3
|
0
|
DNF
|
20
|
1:29,6 (03.)
|
–
|
Frankreich Patrick Depailler
|
Vereinigtes Konigreich Tyrrell-Ford
|
1
|
0
|
DNF
|
07
|
1:46,1 (01.)
|
–
|
Brasilien 1968 Wilson Fittipaldi
|
Brasilien 1968 Copersucar-Ford
|
1
|
0
|
DNF
|
21
|
2:18,8 (01.)
|
–
|
Italien Arturo Merzario
|
Vereinigtes Konigreich Williams-Ford
|
1
|
0
|
DNF
|
25
|
2:23,5 (01.)
|
–
|
Osterreich Niki Lauda
|
Italien Ferrari
|
0
|
0
|
DNF
|
01
|
–
|
WM-Stände nach dem Rennen
Die ersten sechs des Rennens bekamen 9, 6, 4, 3, 2 bzw. 1 Punkt(e). Da weniger als die Hälfte der Renndistanz absolviert war, bekamen die ersten sechs nur die halbe Punktzahl. In der Konstrukteurswertung zählten nur die Punkte des bestplatzierten Fahrers eines Teams. Es zählten nur die besten sieben Ergebnisse aus den ersten acht Rennen und die besten fünf aus den letzten sechs Rennen.
Fahrerwertung
Konstrukteurswertung
Einzelnachweise
- ↑ Kampf am Limit. Die Formel 1 Chronik 1950–2000, hrsg. v. Willy Knupp, RTL Buchedition: Zeitgeist Verlag: Düsseldorf/Gütersloh 2000, ISBN 3-89748-277-0, S. 184
- ↑ 1975: Ein Spanien-Grand-Prix für die Ewigkeit. Abgerufen am 26. Januar 2021.
- ↑ Latest Formula 1 Breaking News - Grandprix.com. Abgerufen am 11. Juni 2024.
Weblinks