Georg Dehio studierte Geschichte an der Kaiserlichen Universität Dorpat und wechselte dann an die Universität Göttingen, wo er 1872 bei Georg Waitz promoviert wurde. 1877 habilitierte er sich in München mit einer Geschichte des Erzbistums Hamburg-Bremen.[1] In der Folgezeit konzentrierte der Historiker seine Arbeit auf die deutsche und europäische Kunstgeschichte.
1883 begann er seine Lehrtätigkeit an der Albertus-Universität in Königsberg sowie an der dortigen Kunstakademie. In Königsberg wurde 1888 auch sein Sohn Ludwig Dehio geboren. Im Jahr 1892 wurde er an das Kunstgeschichtliche Institut nach Straßburg berufen, an dem er bis 1919 als Professor tätig war.
Dehio lebte seit 1921 in Tübingen, wo er 1932 im Alter von 81 Jahren starb und auf dem Stadtfriedhof beerdigt wurde.
Kunsthistorisches Werk
Ein erstes Hauptwerk Dehios war die Herausgabe des zusammen mit dem befreundeten[2]Gustav von Bezold verfassten, grundlegenden Werkes „Die kirchliche Baukunst des Abendlandes“, das in mehreren Bänden 1884–1901 erschien.
Auf Anregung Dehios beschloss der 1900 in Dresden abgehaltene Tag für Denkmalpflege, ein Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler zu veröffentlichen. Das Textschema war durch die „bekannte Kunsttopographie“ von Wilhelm Lotz vorgeprägt, auf die sich Dehio im ersten, 1905 vorgelegten Band seines Handbuchs explizit bezieht.[3] Seit 1929 erscheint der Dehio im Deutschen Kunstverlag. Bis heute, auch über die Teilung Deutschlands hinweg, erscheinen Neubearbeitungen der Bände des Dehio in größeren zeitlichen Abständen. Für die wissenschaftliche Fortführung des Handbuchs sorgt die Dehio-Vereinigung.
Seit 2001 wird das Handbuch von einem Herausgebergremium getragen, das sich aus der Dehio-Vereinigung, der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Stiftung Denkmalschutz zusammensetzt. Bei der Stiftung Denkmalschutz in Bonn haben die Herausgeber eine gemeinsame Geschäftsstelle eingerichtet. In Österreich wird der Dehio seit 1933 vom Bundesdenkmalamt herausgegeben. Ein Teil von Dehios Forschungsarbeit, insbesondere seine Untersuchungen über die Proportionen in der Baukunst des Altertums und des Mittelalters, führte zu Innovationen in der Forschung.[1]
Wirken als Denkmalpfleger
Dehio wandte sich als Denkmalpflege-Theoretiker um 1900, ähnlich wie Alois Riegl, gegen den im 19. Jahrhundert üblichen historisierenden und purifizierenden Umbau alter Baudenkmäler (etwa gotischer Dome). Er verurteilte die damit notwendig verbundene Beseitigung jüngerer Geschichtsspuren als Zerstörungen und restauratorischen Vandalismus, propagierte 1905 den Wahlspruch „Konservieren, nicht Restaurieren“[4] und stellte die Forderung auf, Alt und Neu sollten im Falle von Zubauten erkennbar unterschieden sein. Dehio wirkte damit maßgeblich auf die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dominierenden Konzeptionen des wissenschaftlichen Denkmalschutzes ein, wie sie etwa in der Charta von Venedig kodifiziert wurden.
Gleichwohl setzte er sich aber auch für den Wiederaufbau von verlorenen oder beschädigten Baudenkmalen ein, wie im Falle des 1906 abgebrannten und anschließend bis 1912 rekonstruierten Hamburger Michels.
Dehio war ab 1884 verheiratet mit Charlotte Friedländer (1859–1932), Tochter des Philologen und Altertumsforschers Ludwig Friedländer (1824–1909) und Laura Gutzeit. Sein Sohn war der Historiker und Archivar Ludwig Dehio (1888–1963). Seine Tochter Katharina (1885–1974) heiratete den Archäologen August Frickenhaus (1882–1925). Sein Cousin war der Internist und Rektor der Universität Dorpat Karl Dehio,[5] Vater der Schriftstellerin Else Hueck-Dehio (1897–1976). Seine Nichte Dora Dehio war die Mutter des Biologen Erich von Holst (1908–1962), Gründungsdirektor des Max-Planck-Instituts für Verhaltensphysiologie.[6]
Zitate
Dem Geist des zeitgenössischen Chauvinismus entspricht ein Zitat über seine ursprüngliche Heimat im Jahr 1927:
„Zunächst ist nicht zu vergessen, daß die Esten und Letten keine eigene Kultur besitzen und schwerlich jemals besitzen werden.“[7]
Hartwich von Stade, Erzbischof von Hamburg-Bremen (= Bremisches Jahrbuch. Nr. 6, 1871). Druck von Diercksen & Wichlein, Bremen 1872, OCLC312461468 (Inaugural-Dissertation Universität Göttingen 1872, 122 S.).
Geschichte des Erzbistums Hamburg-Bremen bis zum Ausgang der Mission, von Georg Gottfried Julius Dehio. W. Hertz, Berlin 1877 (Habilitationsschrift 1876); Neudruck: Wenner, Osnabrück 1975, ISBN 3-87898-084-1.
Zur Kunstgeschichte
(Mit Gustav von Bezold): Geschichte der kirchlichen Baukunst des Abendlandes. (2 Bände und Tafelwerke.) Cotta, Stuttgart 1887–1901. (Digitalisate) Nachdrucke: Cotta, Stuttgart 1969.
Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. 1. Auflage. 5 Bände. 1905–1912.
Kunsthistorische Aufsätze. München/Berlin 1914.
Geschichte der deutschen Kunst. 1919–1925.
Zur Denkmalpflege
Was wird aus dem Heidelberger Schloß werden? Karl J. Trübner, Straßburg 1901. (doi:10.11588/diglit.29583, Digitalisat auf digi.ub.uni-heidelberg.de, abgerufen am 1. August 2021)
Denkmalschutz und Denkmalpflege im neunzehnten Jahrhundert [= Festrede an der Kaiser-Wilhelms-Universität zu Straßburg, den 27. Januar 1905], in: Georg Dehio: Kunsthistorische Aufsätze. München/Berlin 1914, S. 263 ff. (Digitalisat, auf deutschestextarchiv.de, abgerufen am 1. August 2021)
Peter Betthausen (Hrsg.) u. a.: Georg Dehio (1850–1932). 100 Jahre Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Deutscher Kunstverlag, München u. a. 2000, ISBN 3-422-03072-7.
Peter Betthausen: Georg Dehio. Ein deutscher Kunsthistoriker. Deutscher Kunstverlag, München u. a. 2004, ISBN 3-422-06399-4.
Norbert Huse (Hrsg.): Denkmalpflege. Deutsche Texte aus drei Jahrhunderten. Verlag C. H. Beck, München 1984, ISBN 3-406-30311-0, S. 124 ff. (Thematisiert die denkmaltheoretische Kontroverse zwischen Alois Riegl und Georg Dehio.)
Einzelnachweise
↑ abErnst Gall: Dehio, Georg Gottfried Julius. In: deutsche-biographie.de. Deutsche Biographie (Online-Ausgabe), 1957, abgerufen am 15. Februar 2022.
↑Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Band I: Mitteldeutschland. Berlin 1905, S. VI.
↑Vgl. dazu Christoph Hellbrügge: „Konservieren, nicht restaurieren“. Bedeutungswandel und Anwendungspraxis eines Prinzips der Denkmalpflege im 20. Jahrhundert. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn, Bonn 1991, S. 47 ff.
↑Im Aufsatz Vom baltischen Deutschtum. In: Mitteilungen der Akademie zur wissenschaftlichen Erforschung und zur Pflege des Deutschtums / Deutsche Akademie. Nr. 10, Febr. 1927: 341–345, hier S. 344.
↑Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Band 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Band 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 66.