Das 90e régiment d’infanterie war ein Infanterieregiment, aufgestellt 1691 als Régiment de Chartres im Königreich Frankreich und im Dienst während des Ancien Régime und danach mit einigen Unterbrechungen bis zur Auflösung 1998. Vor der Vereinheitlichung durch die in der Revolution geschaffene Nummerierung trug es zuletzt den Namen des Herzogs von Chartres. Es war somit ein prinzliches Regiment, was für die Einheit mit gewissen Vorteilen verbunden war.
5. Januar 1724: Umbenennung: Nachdem im Jahre 1723 der Regimentsinhaber, Philippe d’Orléans, duc de Chartres, verstorben war und sein Sohn, Louis I. de Bourbon, duc d’Orléans, wenig Interesse am Militär gezeigt hatte, ging das Regiment am 5. Januar 1724 an den bisherigen Colonel-lieutenant Philippe-Charles, marquis d’Étampes, mit dem Namen: Régiment d’Étampes[2].
Als dieser 1731 zum Marquis de La Ferté-Imbault geworden war, bekam das Regiment eine neue Fahne und führte fortan die Bezeichnung Régiment de La Ferté-Imbault.
Am 22. Februar 1737 erhielt es den Namen Chartres und damit die Privilegien eines prinzlichen Regiments zurück – auch wurde die ursprüngliche Fahne wieder übernommen.
1. Januar 1791: Umbenennung in 90e régiment d’infanterie de ligne ci-devant Chartres
23. September 1794: Im Zuge der Premier amalgame wurde das 1. Bataillon zur Aufstellung der 163e demi-brigade de bataille verwendet.
4. Dezember 1794: Das 2. Bataillon wurde zur Aufstellung der 164e demi-brigade de bataille verwendet.
Damit endete zunächst die Traditionslinie, bis sie 1855 mit der Umwandlung des 15e régiment d’infanterie légère in das 90e régiment d’infanterie de ligne fortgeführt wurde. (Diese Einheit hatte allerdings mit dem ehemaligen Regiment nichts mehr zu tun.)
1929: Auflösung
30. Mai 1940: Im Camp La Courtine durch das „Centre Mobilisateur d’infanterie“ (CMI 91) aus verschiedenen Einheiten der 18. Infanteriedivision aufgestellt. Aus den Resten des 66e RI wurde das 1. Bataillon, aus dem 77e RI das 2. Bataillon und aus dem 125e RI das 3. Bataillon gebildet.
Es gehörte dann zur 17. leichten Infanteriedivision. Nach dem Waffenstillstand von Compiègne wurde das Regiment aufgelöst.
1944: Aus dem „Bataillon Comte“ der Armée secrète (Sektor Indre-Nord), aus dem „Bataillon Lalingerie“ (Gruppe Indre-Ouest) und dem Marquis du Luant (AS Indre) zu einem unbekannten Zeitpunkt als „90e régiment d’infanterie“ aufgestellt. Es bestand aus 797 Mann. Am 1. Januar 1945 wurde aus dieser Einheit in Châteauroux das 1er bataillon de chasseurs à pied (1. Jägerbataillon zu Fuß) gebildet. Teile des Regiments wechselten in das „Bataillon de sécurité V/12“ (Sicherungsbataillon V/12).
nach 1945: Am 1. Mai 1963 wurde die Einheit als gekadertes Reserveregiment durch das CM90 (Centre mobilisé 90) wieder aufgestellt. Aufgabe sollte der Schutz des „Centre de transmissions marine“ (Marine-Fernmeldezentrum) in Rosnay sein.
1. Juli 1998: Auflösung
Mestres de camp/Colonels
Mestre de camp war von 1569 bis 1661 und von 1730 bis 1780 die Rangbezeichnung für den Regimentsinhaber und/oder für den mit der Führung des Regiments beauftragten Offizier. Die Bezeichnung „Colonel“ wurde von 1721 bis 1730, von 1791 bis 1793 und ab 1803 geführt.
Nach 1791 gab es keine Regimentsinhaber mehr.
Sollte es sich bei dem Mestre de camp/Colonel um eine Person des Hochadels handeln, die an der Führung des Regiments kein Interesse hatte, so wurde das Kommando dem „Mestre de camp lieutenant“ (oder „Mestre de camp en second“) respektive dem Colonel-lieutenant oder Colonel en second überlassen.
14. November 1691: Colonel-lieutenant Chevalier d’Estrades
10. August 1692: Colonel-lieutenant Marquis de Pluvaux
27. Februar 1695: Colonel-lieutenant Louis marquis d’Arpajon (1667–1736)
23. April 1709: Colonel Philippe-Charles, marquis d’Étampes
3. Februar 1731: Mestre de camp lieutenant Philippe-Charles d’Étampes, marquis de La Ferté-Imbault
28. März 1737: Mestre de camp lieutenant Louis-Auguste, comte d’Étampes
19. Juni 1741: Mestre de camp lieutenant Charles-Auguste de La Cour, comte de Balleroy
Das Regiment führte eine Leibfahne und fünf Ordonnanzfahnen: „tous rouges, avec une bordure bleue autour de chaque Drapeau, & croix blanches“[1] (ganz in Rot mit einem blauen Rand und einem weißen Kreuz). Philippe-Charles d’Étampes, marquis de La Ferté-Imbault, führte in seiner Zeit als Regimentskommandant von 1731 bis 1737 eine abweichende Fahne. Mit der Reorganisation vom 1. Januar 1791 wurden neue Fahnen ausgegeben.
1692: Den ersten Einsatz hatte die Einheit bei der Belagerung von Namur. Danach konnte sie sich in der Schlacht bei Steenkerke auszeichnen. Zunächst in der Reserve des linken Flügels, kämpfte es dann zusammen mit dem 2. Bataillon des Régiment de Bourbonnais in der ersten Linie. Der Regimentsinhaber, der Duc de Chartres, konnte nur mit Mühe davon abgehalten werden, sich in die erste Linie zu stellen. Trotzdem wurde er leicht verwundet. Das Regiment hatte in dieser Schlacht sieben Offiziere, 11 Sergents und 65 Mannschaften an Gefallenen zu beklagen. 125 Mann, darunter neun Offiziere und der Colonel-lieutenant d’Estrades, wurden verwundet – letzterer so schwer, dass er einige Tage später verstarb.
1693: In der Schlacht bei Neerwinden musste der Colonel Duc de Chartres wiederum mit sanfter Gewalt aus der vordersten Linie ferngehalten werden. Bei der Belagerung von Charleroi konnte die Einheit am 29. September einen Ausfall der Belagerten abwehren. Dabei wurde der Colonel-lieutenant de Pluvaux tödlich verwundet.
1701: Am 1. Februar übernahm das aus zwei Bataillonen bestehende Regiment Teile der Milizen von Metz. Im Mai wurde Namur für den König von Spanien besetzt.
1702: Der Armee des Duc de Bourgogne zugeteilt, wurden bei Nimwegen die Holländer in die Flucht geschlagen. Am 8. Juni verließ das Regiment die Niederlande und marschierte zum Rhein, wo es in der Armee von Maréchal de Villars in der Schlacht bei Friedlingen eingesetzt wurde.
1705: Die Feldzüge in diesem Jahr fanden ohne „Chartres“ statt. Es lag weiterhin im Fort-Louis und besetzte zwischenzeitlich Drusenheim, Lauterbourg und die Rheininsel Marquisat.
1706: Mitte des Jahres erfolgte die Abkommandierung nach Flandern, wo die Einheit in der Schlacht bei Ramillies eingesetzt war. Danach wurde „Chartres“ nach Thionville befohlen.
1707: Wieder in Flandern, bildete es mit dem Régiment de Poitou eine Brigade, war aber an keinen Kampfeinsätzen beteiligt.
1708: Im Brigadeverband mit dem Régiment de Piémont in der Schlacht bei Oudenaarde. Es griff fünfmal an, der Colonel-lieutenant d’Arpajon erlitt zwei schwere Verwundungen. „Chartres“ marschierte dann nach Gent, das es aber bald wieder verließ.
1719: „Chartres“ war im Feldzug in den Pyrenäen eingesetzt und wurde zu den Belagerungen von Fontarabie und San Sebastian abgestellt. Am 28. August verließ das Regiment Navarra und marschierte nach Katalonien, wo es bei der Einnahme von Castel-Ciudad und Urgell beteiligt war.
1742: „Chartres“ wurde an die Grenze nach Flandern verlegt.
1743: Verlegung zur Armee von Maréchal de Noailles an den Rhein. Nach der Schlacht bei Dettingen wurde der Feldzug im Elsass im Feldlager von Lauterbourg und Haguenau beendet. Wie alle anderen Einheiten hatte auch das „Régiment de Chartres“ in diesem Jahr einen hohen Blutzoll zu entrichten. Sechs Offiziere und 60 Soldaten waren gefallen, der Colonel-lieutenant de Balleroy, weitere 17 Offiziere und 110 Soldaten waren verwundet.
1744: „Chartres“ stand in Flandern und war bei der Belagerung von Menen, Ypern und Furnes eingesetzt. Bei der Belagerung von Ypern konnte es am 22. Juni zusammen mit dem Régiment d’Artois die Redoute de l’Inondation erobern. Der Feldzug des Jahres wurde von der Einheit im Feldlager bei Cortrai beendet.
1745: An der Schlacht bei Fontenoy war das Regiment nicht beteiligt, da es währenddessen zusammen mit dem Régiment d’Orléans zur Bewachung der Belagerungsgräben vor Tournai eingesetzt war. Bis zur Einnahme der Stadt blieb es vor Ort und kämpfte dann bei der Eroberung von Dendermonde, Oudenaarde und Ath.
1746: Während der Belagerung von Brüssel lag das Regiment in Wilworde und zog am 5. März in die eroberte Stadt ein, wo es als Garnisonstruppe verwendet wurde.
1756: Das Regiment wurde im Feldlager von Honfleur auf den Kriegsfuß gestellt.
1757: Im März erfolgte die Verlegung nach Lüttich, dann nach Stockheim, wo es mit der Armee des Maréchal d’Estrées zusammengeführt wurde. Es war in der Schlacht bei Hastenbeck sowie bei den Aufklärungsunternehmungen nach Kloster Zeven eingesetzt und lag am Ende des Jahres Im Feldlager bei Halberstadt.
1758 bis 1763: Zu Beginn des Jahres 1785 an den Rhein kommandiert, war es bis Kriegsende nur noch zu Sicherungsaufgaben eingesetzt.
Friedenszeit
Bei Kriegsende verlegte das Regiment nach Douai, im Mai 1763 nach Aire und Béthune, im August 1765 nach Tours, im Oktober 1765 nach Berghes und Gravelines, im November 1767 nach Dünkirchen, im September 1768 nach Quesnoy und im Juli 1769 in das Feldlager von Verberie. Danach erfolgte die Verlegung in die Zitadelle von Straßburg und in die Zitadelle von Sedan im Oktober 1773. Im Oktober 1774 wurde das Regiment nach Quesnoy, im Juni 1776 nach Condé, im September 1776 nach Lille, im März 1777 nach Landerneau und Morlaix, im Oktober 1778 nach Douai, im April 1779 nach Arras, im Juli 1778 nach Saint-Omer und Gravelines, im August des gleichen Jahres nach Eu, im Dezember nach Dünkirchen, im November 1781 nach Valenciennes, im Oktober 1785 nach Quesnoy, im Oktober 1786 nach Philippeville und Charlemont, im Juni 1787 nach Givet, im März 1788 nach Landrecies und Avesnes, im Juli des gleichen Jahres nach Blois, im Oktober nach Avesnes, im April 1789 nach Givet und Charlemont, im Juni 1790 nach Avesnes und im Oktober nach Douai kommandiert. Am 15. April 1791 verließ es die Stadt und marschierte nach Berghes, danach verlegte es noch einmal zu Beginn des Jahres 1792 nach Lille.
Das „90e régiment d’infanterie de ligne“ war in den Feldzügen der Jahre 1792 bis 1794 der Armée du Nord eingesetzt. Teilnahme an der Kanonade bei Valmy, Feldzug nach Trier.
Bei der Mobilisierung lag das Regiment in der Kaserne Bertrand in Châteauroux, es gehörte von August 1914 bis November 1918 zur 33. Infanteriebrigade der 17. Infanteriedivision im 9. Armeekorps. Es stellte sein Reserveregiment, das „290e régiment d'infanterie“, auf.
1914: Kämpfe bei Gedine, La Sormonne, Bethoncourt, Schlacht an der Marne, Schlacht an der Yser
1915: Kampfe im Artois, bei Roclincourt, Loos, Les Cornouailles (Liévin) und Neuville-St-Vaast
1918: Angriffskämpfe an der Somme bei der Ferme d’Anchin, Angriffskämpfe an der Aisne bei Ravin de Mareuil, Orme de Montécouvé, Froidmont-Cohantelle und Bauvré
Zwischenkriegszeit
Das Regiment wurde im Mai 1929 aufgelöst.
Zweiter Weltkrieg
Die hastig aus Trümmern anderer Regimenter erst am 30. Mai 1940 zusammengestellte Einheit kämpfte im Rahmen ihrer Möglichkeiten vom 1. bis zum 30. Juni 1940. Nach dem Ende der Kampfhandlungen erfolgte die Auflösung.
Regimentsfahnen seit Napoleonischer Zeit
Auf der Rückseite der Regimentsfahne sind (seit Napoleonischer Zeit) in goldenen Lettern die Feldzüge und Schlachten aufgeführt, an denen das Regiment ruhmvoll teilgenommen hat.[4][5][6]
Auszeichnungen
Das Fahnenband ist mit dem Croix de guerre 1914–1918 mit zwei Palmenzweigen für zweimalige lobende Erwähnung im Armeebefehl und einem vergoldeten Stern für eine lobende Erwähnung im Korpsbefehl dekoriert.
Bei einer Wiedererrichtung haben die Angehörigen des Regiments das Recht, die Fourragère in den Farben des Croix de guerre zu tragen.
Literatur
Général Serge Andolenko: Recueil d’historiques de l’infanterie française. Eurimprim, Paris 1969.
Historique du 90e Régiment d’infanterie de ligne, ex – 15e léger. Ch. Tanera, Paris 1875 (Digitalisat auf Gallica).
Jean Dalat: Les 66e et 90e R.I. au combat en 1939–1940. Imprimerie P. Oudin, Poitiers 1961 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Ordonnance du Roy. Pour mettre le Régiment d’Infanterie de Chartres sous le nom du Sr Marquis d’Estempes. Du 5 janvier 1724. Imprimerie Royale, Paris 1724 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
M. Pinard: Chronologie historique-militaire. Band 5 (Digitalisat), 7 (Digitalisat) und 8 (Digitalisat). Claude Hérissant, Paris 1762, 1764 und 1778.
↑ abPierre Lemau de la Jaisse: Cinquième abrégé de la carte générale du militaire de France, sur terre et sur mer. Depuis Novembre 1737 jusqu’en Décembre 1738. Gandouin et al., Paris 1739, OCLC458013263.
↑Ordonnance du Roy. Pour mettre le Régiment d’Infanterie de Chartres sous le nom du Sr Marquis d’Estempes. Du 5 janvier 1724. Imprimerie Royale, Paris 1724, S. 1 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑« Décision n°12350/SGA/DPMA/SHD/DAT du 14 septembre 2007 relative aux inscriptions de noms de batailles sur les drapeaux et étendards des corps de troupe de l’armée de terre, du service de santé des armées et du service des essences des armées, Bulletin officiel des armées, n°27, 9 novembre 2007 » (deutsch: „Bestimmung n°12350/SGA/DPMA/SHD/DAT vom 14. September 2007 über das Aussehen der Inschriften auf den Fahnen und Standarten der Truppenkörper des Heeres, des Sanitätsdienstes und der Treibstoffversorgungsbranche. Veröffentlicht mit dem offiziellen Armeebulletin Nr. 27 vom 9. November 2007“)
↑« Arrêté relatif à l’attribution de l'inscription AFN 1952–1962 sur les drapeaux et étendards des formations des armées et services, du 19 novembre 2004 (A) NORDEF0452926A Michèle Alliot-Marie » (deutsch: „Auftrag AFN 1952–1962 über die Zuweisung der Inschriften auf den Fahnen und Standarten der Formationen der Armee und der Dienste vom 19. November 2004 (A) NORDEF0452926A Michèle Alliot-Marie“)
↑Dies gilt auch für bereits aufgelöste Einheiten, da sie (theoretisch) jederzeit wieder in den aktiven Dienst genommen werden können
Französische Infanterie-Regimenter des Ancien Régime (aufgestellt bis 1790)