Helmut Ammann (* 21. Oktober1907 in Shanghai; † 28. Januar2001 in Pöcking am Starnberger See) war ein SchweizerBildhauer, Maler, Graphiker und Glasmaler. Er lebte seit Anfang der dreißiger Jahre in München, wo er sechzig Jahre lang als freier Bildhauer arbeitete. Der chinesische Geburtsort prägte zeitlebens sein fernöstlich-philosophisches Denken, sein großbürgerliches protestantisches Elternhaus seine tiefe Gläubigkeit. Beides war für seine Arbeiten von großer Wichtigkeit.
Der Schweizer Helmut Ammann, geboren 1907 in Shanghai als Sohn des Gründers und Leiters der dortigen „Deutschen Medizinschule Prof. Dr. Waldemar Ammann“, wuchs in Berlin auf. Schon als Jugendlichen faszinierten ihn Rezitation und Theater, Musik und Malerei, die er zu seinem Beruf machen wollte. Diese musische Grundbildung formte in vielfältiger Weise auch seine späteren Arbeiten. Ein Aufenthalt in Paris ermöglichte ihm 1927 Studien bei Bildhauern wie Émile-Antoine Bourdelle, Ossip Zadkine und Charles Despiau. 1930–1932 folgte ein Studium der Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in Berlin bei Otto Hitzberger und Wilhelm Gerstel, 1933 schlossen sich Grafikstudien an der Akademie der Bildenden Künste in München bei Adolf Schinnerer an. Seit 1942 stand er mit dem Münchner Bildhauer Karl Knappe in einem intensiven künstlerischen Dialog.
Die Jahre 1933 bis 1945
Als Schweizer Staatsbürger war er von den Maßnahmen des NS-Regimes wenig betroffen. Er leistete kurze Wehrübungen in der Schweiz ab und musste nicht in den Krieg ziehen. Er gehörte jedoch zum ferneren Freundeskreis der „Weißen Rose“: Alexander Schmorell, der Bildhauer werden wollte, bewahrte sein Werkzeug in Ammanns Atelier auf. Bei zwei Treffen vor der Verhaftung der studentischen Widerstandsgruppe war das Ehepaar Ammann zusammen mit den Geschwistern Scholl, Christoph Probst und Kurt Huber zu einem geselligen Abend unter Freunden und Künstlern in der Kaulbachstraße eingeladen. Warnungen vor übereiltem, unüberlegtem Vorgehen blieben ungehört. Ein Bombentreffer zerstörte 1943 Ammanns Münchner Atelier, woraufhin er mit seiner Frau Carmen bis 1947 nach Castell in Unterfranken evakuiert wurde.
Reaktionen auf den Krieg
Helmut Ammann sagte, er habe „seine Waffen“ gegen den Krieg erst nach 1945 gefunden. Er schuf einige Werke, die als rückblickende Zeitkommentare zu bewerten sind: Die Klage, der Schmerz, Kain und Abel und andere mehr. Vor allem sein Mahnmal gegen den Krieg in Pöcking am Starnberger See aus dem Jahre 1983 fasst Mahnung und Erinnerung in eine Form. Ein „politischer Künstler“ war er jedoch nicht.
Familie und Freunde
Helmut Ammann war von 1935 bis 1976 mit Carmen Inés Stubenrauch verheiratet, als Tochter deutscher Eltern in Valparaíso, Chile, geboren. Sie war in der Kunst Vorbild für viele seiner Frauengestalten. Nach ihrem Tod lebte Ammann über 20 Jahre mit Gisela Krauss van Erkelens, die auch die Betreuung seiner Werke übernahm.
Ammann pflegte intensive Künstlerfreundschaften, so mit den Malern und Literaten des Seerosenkreises, mit dem Pianisten Claudio Arrau oder dem Maler, Glasfensterkünstler und Musiker Franz Grau; aber auch mit seinem Zeichenlehrer am Gymnasium Berlin-Friedenau, Graphiker und Maler Ernst Zipperer, der ihn früh prägte und mit dem er in enger Freundschaft bis zu dessen Tod 1982 verbunden war. Mit einigen evangelischen Dekanen und Pfarrern wie dem Würzburger Wilhelm Schwinn, Dietrich Barnstein aus Bad Honnef oder dem Theologieprofessor Richard Riess fühlte er sich über das theologische Gespräch und den freundschaftlichen Umgang verbunden. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit Architekten wie Reinhard Riemerschmid (1914–1996) oder Olaf Andreas Gulbransson beim Wiederaufbau von Kirchen basierte auch auf persönlicher Freundschaft.
Werk und Rezeption
Bildnerische und zeichnerische Arbeiten
Helmut Ammann war mit vielen Materialien künstlerisch tätig: Er arbeitete in Holz, Stein und Bronze, er setzte Steinmosaike und Glasfenster, er war Maler und Grafiker und er fertigte zahlreiche Holzschnitte und Radierungen. Zudem entstanden weit über 5000 Skizzen „Anonymer Zeitgenossen“ in der Bahn, in Cafés oder auf Tagungen. Für seine Frau Carmen zeichnete er über 25 Jahre Morgengrüße an Carmen, ein grafisches Tagebuch, von dem etwa 800 Blätter erhalten sind. In der „Seerosenen“-Zeit entstanden von ihm Schüttelverse wie (erinnert von Irene Hallmann(-Strauss)): „Kein Mensch hat zu übertünchen Mut, / was Lothar Diez für München tut.“
Für Helmut Ammann war das Tagebuchschreiben ein Medium der künstlerischen Reflexion: „Aufgabe des Bildhauers ist es, ‚Gegenwart‘ zu schaffen, so dass Vergangenheit und Zukunft in ihr aufgehen. Die Intensität des Handelns im Stoff schafft Spuren der Gegenwärtigkeit, die dann gleich sind der Gegenwärtigkeit des Handelns“. Bei der Arbeit versenkte er sich wie in einer Meditation; das Tagebuch ermöglichte ihm die nötige Distanz. Im Tagebuch notierte Helmut Ammann vielfältige künstlerische Überlegungen, auf die er später zurückgreifen konnte und die ihm ein wichtiger Ideenfundus waren. Zugleich schrieb er zahlreiche Vorträge und Reflexionen zur Kunst, ein umfängliches autobiografisches Romanfragment, zahlreiche Gedichte und Erzählfragmente.
Ausstellungen
Einzelausstellungen
1976: Katholische Akademie in München
1979: „Retrospektive“, Museum Schaffhausen
1982: Presseclub Bonn
1987: „Entwicklungen“, Ignaz-Günther-Haus, München
1987: „Das neue Gesicht“, im Schweizerhaus, München (zum 80. Geburtstag)
1997: „Retrospektive zum 90. Geburtstag“, Kunsträumen der Dresdner Bank, München
Gruppenausstellungen
mit der Neuen Münchner Künstlergenossenschaft im Haus der Kunst (seit 1950; auch Juror für Abt. Skulptur), mit den Künstlern der Seerose, aber auch z. B. auf den Evangelischen Kirchentagen in Nürnberg (1979), Düsseldorf (1985) oder Frankfurt (1987)
Geheime Grundstrukturen und sonderbare Konjunkturen des Zufalls. In: Richard Riess (Hg.): Drei Zeilen trage ich mit mir. Worte, die ein Leben begleiten. Freiburg im Breisgau 1995, S. 178–183.
Werktagebücher, herausgegeben von Erich Kasberger
Der ganze Himmel ist mit tausend Offenbarungen in mich gefallen und ich in ihn … Werktagebücher eines Bildhauers und Malers, Bd. 1, 1921–1965. München 2007.
Spur und Siegel meiner Jahre …. Werktagebücher Bd. 2, 1966–1996. München 2007.
Fragmente, Zyklen, Reflexionen. Werktagebücher Bd. 3, 1966–1996. München 2015.
Morgengrüße an Carmen, Werktagebücher Bd. 4, 1950–1976. München 2009.
GlasFensterKunst, Werktagebücher Bd. 5, 1934–1992. München 2017.
Literatur
Erich Kasberger: Helmut Ammann. Bildhauer, Maler, Grafiker. München 1997.
Erich Kasberger, Marita Krauss: Jakob in der bildenden Kunst am Beispiel von Helmut Ammann. In: Richard Riess (Hg.): Ein Ringen mit dem Engel. Essays, Gedichte und Bilder zur Gestalt des Jakob. Göttingen 2008, S. 205–212.
Ausstellungsobjekte in den Katalogen zu den Großen Kunstausstellungen im Haus der Kunst München, 1950 bis 1960.
Neue Blicke auf die Glasfenster von Helmut Ammann in der Christuskirche München-Neuhausen.Stiftung Christuskirche, München 2015.
Erich Kasberger und Marita Krauss: Vererbte Kunst. Der Bildhauer und Maler Helmut Ammann (1907–2001) und sein Nachlass. In: Catherine Mazellier-Lajarrige / Ina Ulrike Paul / Christina Stange-Fayos (Hrsg.): Geschichte ordnen – L'Histoire mise en ordre. Peter Lang, Berlin 2020 (Zivilisationen & Geschichte; 59), ISBN 978-3-631-79655-9, S. 165–175.