Kesselstadt ist seit 1907 ein Stadtteil von Hanau im Main-Kinzig-Kreis in Hessen und war zuvor eine eigenständige Gemeinde. Im Stadtteilgebiet befindet sich die Mündung der Kinzig in den Main.
Kesselstadt grenzt im Norden an die Hanauer Stadtteile Nordwest, im Osten an die Innenstadt, im Südosten an den Stadtteil Südost, im Süden, auf der gegenüberliegenden Mainseite, an Steinheim. Ebenfalls grenzt Kesselstadt im Südwesten an den Stadtteil Dietesheim von Mühlheim am Main und im Westen an den Stadtteil Dörnigheim der Stadt Maintal.
Geprägt ist der Stadtteil durch den Main im Süden, das Schloss Philippsruhe mit seinem Park, von dem strahlenförmig mehrere Alleen (Philippsruher Allee, Kastanienallee und Burgallee) wegführen und den alten Ortskern um die Friedens- und die Reinhardskirche. Im Westen daran schließt sich eine von Hochhäusern geprägte Neubausiedlung der 60er und 70er Jahre – die Weststadt – und, durch ein Waldgebiet getrennt, das Gewerbegebiet Ost der Stadt Maintal an. Wenig bekannt ist die Tatsache, dass auch die Wohngebiete rund um die Frankfurter Landstraße und die Gustav-Hoch-Straße mit Beethovenplatz und Rosenau einst zur Gemarkung Kesselstadt gehörten. Im Norden befinden sich die einstigen Wilhelmsbader Basaltsteinbrüche (heute teilweise Naturschutzgebiet), die heute als Golfplatz genutzte Fasanerie und die Parkanlagen und Gebäude der historischen Kuranlage Wilhelmsbad.
Geschichte
Vor- und Frühgeschichte
In der Gemarkung von Kesselstadt wurden Gräber und Siedlungsreste aus fast allen Perioden seit der Jungsteinzeit ausgegraben. Am nördlichen Mainufer befand sich im Bereich des alten Ortskerns eine keltische Siedlung. Der Name Kesselstadt, „Castell-Stätte“, geht jedoch auf ein großes römisches Steinkastell aus römischer Zeit zurück, das später einen Teil des mittelalterlichen Ortskerns einnahm. Eine weitere bedeutende römische Siedlung befand sich auf dem „Salisberg“ (Salisweg), wo im späten ersten Jahrhundert n. Chr. zunächst das Kastell Salisberg zum Schutz des Mainübergangs angelegt wurde und sich später eine große Zivilsiedlung entwickelte, die bereits einige Jahrzehnte vor dem Limesfall im dritten Jahrhundert n. Chr. unterging. In einem der Brunnen dieser Siedlung wurde unter anderem die Quittung vom Salisberg gefunden. Sie ist die älteste taggenau datierte Urkunde Deutschlands, eine Quittung auf einer kleinen hölzernen Schreibtafel notiert, die am 5. April130 n. Chr. in Mainz ausgestellt ist. Weiteres Zeugnis dieser Siedlung sind auf dem Kesselstädter Friedhof (im Baumweg) die Fundamente eines römischen Bades.
Mittelalter
Frühe Siedlungsfunde des mittelalterlichen Kesselstadt wurden vor einigen Jahren bei Ausgrabungen des Hanauer Geschichtsvereins an der Friedenskirche gefunden und reichen bis ins 8. und frühe 9. Jahrhundert zurück. In erhaltenen Urkunden der folgenden Jahrhunderte wurde der Ort unter den folgenden Namen erwähnt (in Klammern das Jahr der Erwähnung):[3]Kezelstat (1059, um 1150), Chezsilstat (1059), Keszelstat (1237) und Kesselstat (1247).
Die späteren Reichsgrafen von Kesselstatt kamen ursprünglich aus dem Ort, verlegten jedoch schon im 14. Jahrhundert ihren Schwerpunkt zunächst nach Montabaur und traten später in kurfürstliche Dienste in Trier.
Frühe Neuzeit
Die Reformation setzte sich in der Grafschaft Hanau-Münzenberg in der Mitte des 16. Jahrhunderts zunächst in ihrer lutherischen Ausprägung durch. In einer „zweiten Reformation“, wurde die Konfession der Grafschaft Hanau-Münzenberg erneut gewechselt: Graf Philipp Ludwig II. verfolgte ab 1597 eine entschieden reformierte Kirchenpolitik. Er machte vom Jus reformandi Gebrauch, seinem Recht als Landesherr, die Konfession seiner Untertanen zu bestimmen, und setzte dies für die Grafschaft weitgehend als verbindlich durch, so auch in Kesselstadt. Er baute an der Wende des 16. zum 17. Jahrhundert am Rand des Dorfes auch eine Sommerresidenz, die, ebenso wie das Dorf, im Dreißigjährigen Krieg schwere Schäden erlitt. Im frühen 18. Jahrhundert errichteten die beiden letzten Hanauer Grafen hier das Schloss Philippsruhe. Nach dem Tod des letzten Hanauer Grafen, Johann Reinhard III., 1736, erbte LandgrafFriedrich I. von Hessen-Kassel aufgrund eines Erbvertrages aus dem Jahr 1643 die Grafschaft Hanau-Münzenberg und damit auch das Amt Büchertal und mit diesem Kesselstadt.
Anfang des 18. Jahrhunderts entwickelte sich in Kesselstadt auch wieder eine lutherische Gemeinde, die sich schließlich auch eine eigene Kirche, die heutige Reinhardskirche, baute. Mit der Hanauer Union von 1818 wurde diese konfessionelle Doppelstruktur überflüssig. Die Kirche wurde nun für gottesdienstliche Zwecke aufgegeben und als Schulgebäude und für andere Zwecke genutzt. Heute dient das Gebäude als kommunaler Veranstaltungsraum und kann für private Feierlichkeiten gemietet werden.
Während der napoleonischen Zeit stand Kesselstadt – wie das übrige Amt Büchertal – von 1806 bis 1810 unter französischer Militärverwaltung und gehörte dann von 1810 bis 1813 zum Großherzogtum Frankfurt, Departement Hanau. Anschließend fiel es an Hessen-Kassel, nunmehr „Kurfürstentum Hessen“ genannt, zurück. Hier kam es 1821 zu einer grundlegenden Verwaltungsreform bei der das Dorf dem neu gebildeten Kreis Hanau zugeordnet wurde.
Die für die Entwicklung im Westen von Hanau erforderlichen Infrastrukturmaßnahmen gaben letztendlich den Ausschlag dafür, dass die Gemeinde Kesselstadt zum 1. April 1907 nach Hanau eingemeindet wurde[5]. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg – die Hanauer Innenstadt lag nach den Luftangriffen völlig in Trümmern – nahm Kesselstadt für einige Jahre die Funktionen der Hanauer Innenstadt wahr. Das unzerstörte Schloss Philippsruhe diente bis 1964 als Hanauer Rathaus. 1973–1994 fand für den Ortskern, den historischen Teil von Kesselstadt, eine behutsame Stadterneuerung statt, die das Gebiet erheblich aufwertete.
Am 19. Februar 2020 gab es in Hanau-Innenstadt und -Kesselstadt an drei Tatorten einen rassistischen Anschlag, bei dem zehn Menschen ermordet wurden[6].
Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Kesselstadt 14886 Einwohner. Darunter waren 2421 (16,3 %) Ausländer. Nach dem Lebensalter waren 2484 Einwohner unter 18 Jahren, 5847 zwischen 18 und 49, 3012 zwischen 50 und 64 und 3543 Einwohner waren älter.[7] Die Einwohner lebten in 6981 Haushalten. Davon waren 2718 Singlehaushalte, 1824 Paare ohne Kinder und 1614 Paare mit Kindern, sowie 660 Alleinerziehende und 262 Wohngemeinschaften. In 1701 Haushalten lebten ausschließlich Senioren und in 4533 Haushaltungen lebten keine Senioren.[7]
In den 1960er Jahren entstand als neues Wohnquartier die Weststadt. Deren Einwohnerzahlen betrugen:
1975: 11.092
2008: 11.831
Kesselstadt: Einwohnerzahlen von 1834 bis 2023
Jahr
Einwohner
1834
637
1840
649
1846
683
1852
652
1858
700
1864
805
1871
988
1875
1.079
1885
1.256
1895
1.499
1905
2.670
1939
?
1961
?
1980
?
1990
?
2000
?
2011
14.886
2021
11.556
2022
11.545
2023
11.615
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: Die Bevölkerung der Gemeinden 1834 bis 1967. Wiesbaden: Hessisches Statistisches Landesamt, 1968. Weitere Quellen: LAGIS[3]; Stadt Hanau[1]; Zensus 2011[7]
Die Einwohnerzahl des Stadtteils Kesselstadt betrug am 31. Dezember 2013 insgesamt 14.386 Einwohner (nur Erstwohnsitz).[9]
Verkehr und Infrastruktur
Kesselstadt ist über die A 66 und B 8 sowie die B 43 und B 45 erreichbar und liegt an der L 3328.
Am Schloss Philippsruhe befindet sich ein Schiffsanleger, der im touristischen Verkehr nach Seligenstadt, Aschaffenburg und Frankfurt bedient wird.
Kultur
Vereine
Der heutige Hanauer Stadtteil Kesselstadt verfügt über ein reiches Vereinsleben. Größter Kesselstädter Verein ist der TV Kesselstadt 1860 e.V (TvK). Der Verein wurde 1860 als Turnverein gegründet und beherbergt heute Sportarten wie Handball, Volleyball, Tischtennis und Faustball. Darüber hinaus gibt es Fußballvereine wie den Verein für Rasenspiele (VfR), auch einige Hanauer Sportvereine wie der FC Hanau 93 haben ihr Domizil in Kesselstadt und die Hanau Hornets nutzen für Football-Spiele das Herbert-Dröse-Stadion. Auch der Pfadfinderstamm Wildwasser vom Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP) ist in Kesselstadt vertreten.
Kunst
Rund um Schloss Philippsruhe ist der Skulpturenpark Schloss Philippsruhe entstanden. Mit den Brüder Grimm Festspielen Hanau und dem Amphitheater im Baumgarten des Schlosses sowie dem heute Olof-Palme-Haus genannten Anwesen, der ehemaligen Westerfeldschen Villa, aber auch dem berühmten Jazz-Keller an der Philippsruher Allee und an anderen Orten haben sich zahlreiche Theater- und Musikgruppen in Kesselstadt angesiedelt. Dadurch ist der größte Teil der Hanauer Musik- und Theaterszene hier ansässig.
Heinrich Grunewald (1905–1975), NSDAP-Politiker und Landrat im Landkreis Frankenberg
Literatur
Festschrift zur Einweihung der Friedenskirche in Kesselstadt am 25. September 1904. Hanau 1904.
Hans Griesel: Die Wilhelm-Geibel-Schule Hanau-Kesselstadt. 1965.
Eckhard Meise: Kesselstadt. In: Festschrift des Turnvereins Kesselstadt zu seinem 125-jährigen Jubiläum. 1985.
Peter Jüngling: Hanau-Kesselstadt – Zur Archäologie einer Pfarrkirche in Hanau. 2004. (= Hanauer Schriften zur Archäologie und Geschichte 1)
Peter Jüngling: Kesselstadts Vorgeschichte – Von den ersten Menschen bis zu den Kelten. In: Kesselstadt – Schlaglichter auf zwei Jahrtausende – 950 Jahre Ersterwähnung Kesselstadt. CoCon-Verlag, Hanau 2009, ISBN 978-3-937774-73-2, S. 8–13. (= Stadtzeit 7)
Magistrat der Stadt Hanau: Sanierung Kesselstadt. 2009.
Heinrich Reimer: Historisches Ortslexikon für Kurhessen. Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 14, 1926 S. 277f.
Jakob Rullmann: Versuch einer Geschichte des Pfarrdorfes Kesselstadt. 1881.
Stadtzeit Kesselstadt – Schlaglichter auf zwei Jahrtausende – 950 Jahre Ersterwähnung Kesselstadt. CoCon-Verlag, Hanau 2009, ISBN 978-3-937774-73-2.
↑Uta Löwenstein: Grafschaft Hanau. In: Ritter, Grafen und Fürsten – weltliche Herrschaften im hessischen Raum ca. 900–1806 = Handbuch der hessischen Geschichte 3 = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 63. Marburg 2014. ISBN 978-3-942225-17-5, S. 196–230 (203).
↑Gesetz vom 27. März 1907, Preußische Gesetzsammlung S. 39–46, mit ausführlichem Eingliederungsvertrag.
↑Konrad Litschko: Anschlag in Hanau: Im Terrorwahn. In: Die Tageszeitung: taz. 20. Februar 2020, ISSN0931-9085 (taz.de [abgerufen am 17. Februar 2021]).
↑In den Jahren 1632, 1707 und 1754 wurde in der Grafschaft Hanau die Zahl der Einwohner ermittelt. Die Zahlen sind hier für die Jahre 1632–1754 wiedergegeben nach Erhard Bus: Die Folgen des großen Krieges – der Westen der Grafschaft Hanau-Münzenberg nach dem Westfälischen Frieden. In: Hanauer Geschichtsverein 1844: Der Dreißigjährige Krieg in Hanau und Umgebung. 2011, ISBN 9-783-935395-15-9, S. 277–320 (289ff.). (= Hanauer Geschichtsblätter 45) die übrigen Zahlen nach: Magistrat der Stadt Hanau, S. 11.
↑Incl. der historisch zur Gemarkung Kesselstadt gehörenden Stadtgebiete Rosenau, Richard-Wagner-Straße und Wilhelmsbad, die um 2010 einem künstlich neu geschaffenen Verwaltungsgebilde "Hanau-Nordwest" zugeschlagen wurden.