Cobalt ist ein silbergraues, hartes und eher sprödes Metall, welches bereits seit 1739 bekannt ist. Es wird in Akkumulatoren, Katalysatoren, blauen Pigmenten (die u. a. benutzt werden, um Kobaltglas herzustellen) sowie in Legierungen verwendet. Als Bestandteil von Vitamin B12 ist Cobalt zudem für alles menschliche und tierische Leben essenziell. Darüber hinaus ist Cobalt wie seine Nachbarn Eisen und Nickelferromagnetisch.
Cobalterze und Cobaltverbindungen sind seit langer Zeit bekannt und wurden als Cobaltblau (Thénards Blau und Zaffer) vorwiegend zum Färben von Glas und Keramik verwendet. Im Mittelalter wurden sie häufig für wertvolle Silber- und Kupfererze gehalten. Da sie sich aber nicht verarbeiten ließen und wegen des Arsengehalts beim Erhitzen schlechte Gerüche abgaben, wurden sie als verhext angesehen. Angeblich hätten Kobolde das kostbare Silber aufgefressen und an seiner Stelle wertlosere silberfarbene Erze ausgeschieden. Neben Cobalt waren dies auch Wolfram- und Nickelerze. Diese Erze wurden von den Bergleuten dann mit Spottnamen wie Nickel, Wolfram (etwa „Wolfs-Schaum“, lat.lupi spuma) und eben Kobolderz, also Cobalt belegt.[16] 1735 entdeckte der schwedische Chemiker Georg Brandt bei der Aufbereitung von Kobalterzen das bis dahin unbekannte Metall, beschrieb seine Eigenschaften und gab ihm seinen heutigen Namen. 1780 entdeckte Torbern Olof Bergman bei der genaueren Untersuchung der Eigenschaften, dass Cobalt ein Element ist.[15]
Vorkommen
Cobalt ist ein seltenes Element mit einer Häufigkeit in der Erdkruste von 0,004 Prozent.[2] Damit steht es in der Liste der nach Häufigkeit geordneten Elemente an dreißigster Stelle.[7] Elementar kommt es nur äußerst selten in Meteoriten sowie im Erdkern vor. In vielen Mineralen ist Cobalt vertreten, kommt jedoch meist nur in geringen Mengen vor. Das Element ist stets mit Nickel, häufig auch mit Kupfer, Silber, Eisen oder Uran vergesellschaftet. Nickel ist dabei etwa drei- bis viermal so häufig wie Cobalt. Beide Metalle zählen zu den siderophilen Elementen und sind für basische und ultrabasische Magmatite charakteristisch.
Cobalt findet sich als Spurenelement in den meisten Böden. Es gibt eine Reihe Cobalterze, in denen sich das Cobalt durch Verwitterung oder andere Prozesse angereichert hat. Die wichtigsten sind: Cobaltit (veraltet Kobaltglanz; CoAsS), Linneit und Siegenit (veraltet und irreführend Kobaltnickelkies[17]; (Co,Ni)3S4), Erythrin (veraltet Kobaltblüte), Asbolan (veraltet Erdkobalt), Skutterudit (Speiskobalt, Smaltin, CoAs3) und Heterogenit (CoOOH). Der Cobaltgehalt der sulfidischen Erze ist aber gering, meist nur 0,1–0,3 Prozent.[18]
Aufgrund der Bedeutung von Cobalt bei der Herstellung von elektronischen Geräten könnte es in den kommenden Jahren zu einer Verknappung des Angebots kommen.[23] So wurden im Dezember 2020 Bestrebungen von den Unternehmen Lockheed Martin, Deep Green und DEME bekannt, sich Zugriff auf Rohstoffe der Tiefsee, darunter auch Kobalt, zu verschaffen, deren Abbaurechte bei kleinen Inselstaaten im Südpazifik liegen. Problematisch ist, dass für den Tiefseebergbau noch keine globalen Umweltregeln bestehen.[24]
Gewinnung und Darstellung
Cobalt wird überwiegend aus Kupfer- und Nickelerzen gewonnen. Die genaue Gewinnungsart ist von der Zusammensetzung des Ausgangserzes abhängig. Zunächst wird ein Teil der vorhandenen Eisensulfide (FeS und FeS2) durch Rösten in Eisenoxid umgewandelt und mit Siliciumdioxid als Eisensilicatverschlackt. Es entsteht der sogenannte Rohstein, der neben Cobalt noch Nickel, Kupfer und weiteres Eisen als Sulfid oder Arsenid enthält. Durch weiteres Abrösten mit Natriumcarbonat und Natriumnitrat wird weiterer Schwefel entfernt. Dabei bilden sich aus einem Teil des Schwefels und Arsens Sulfate und Arsenate, die mit Wasser ausgelaugt werden. Es bleiben die entsprechenden Metalloxide zurück, die mit Schwefel- oder Salzsäure behandelt werden. Dabei löst sich nur Kupfer nicht, während Nickel, Cobalt und Eisen in Lösung gehen. Mit Chlorkalk kann anschließend selektiv Cobalt als Cobalthydroxid ausgefällt und damit abgetrennt werden. Durch Erhitzen wird dieses in Cobalt(II,III)-oxid (Co3O4) umgewandelt und anschließend mit Koks oder Aluminiumpulver zu Cobalt reduziert:
Der größte Teil von Cobalt wird durch Reduktion der Cobalt-Nebenprodukte des Nickel- und Kupferabbaus und der Schmelze gewonnen.[25][26] Weil Cobalt in der Regel als Nebenprodukt anfällt, hängt die Cobaltversorgung in hohem Maße von der wirtschaftlichen Durchführbarkeit des Kupfer- und Nickelabbaus in einem bestimmten Markt ab.[27]
Es gibt verschiedene Methoden, um Cobalt von Kupfer und Nickel zu trennen, abhängig von der Cobaltkonzentration und der genauen Zusammensetzung des verwendeten Erzes. Eine Methode ist die Schaumflotation, bei der Tenside an verschiedene Erzbestandteile binden, was zu einer Anreicherung von Cobalterzen führt. Durch anschließendes Rösten werden die Erze in Cobalt(II)-sulfat umgewandelt und Kupfer und Eisen oxidiert. Durch Auswaschen mit Wasser wird das Sulfat zusammen mit den Arsenaten extrahiert. Die Rückstände werden weiter mit Schwefelsäure ausgelaugt, was eine Kupfersulfatlösung ergibt. Cobalt kann auch aus der Kupferschmelze ausgelaugt werden.[28]
Förderung
Staaten mit der größten Fördermenge
Die Demokratische Republik Kongo ist der größte Produzent von Kobalt. Laut einer Reportage des Fachmagazins „Illuminem“ sind die Hauptproduzenten Unternehmen mit Sitz in Großbritannien (Eurasian Natural Resources) und China (China Molybdenum und Metorex). Die chinesischen Anteilseigner wiederum kontrollieren die beiden Unternehmen, auf die 13,8 % der weltweiten Produktion und etwa 24 % der Produktion großer, bekannter und aktiver Unternehmen entfallen. Unternehmen mit Sitz in der Demokratischen Republik Kongo kontrollieren dagegen nur 3,5 % der weltweiten Produktion.[29]
Vielfach wird Cobalt nicht in den Ländern raffiniert, in denen Cobalterze gefördert werden. Die folgende Tabelle des Cobalt Development Instituts (CDI)[34] listet die Produzenten von metallischem Cobalt sowie Cobaltsalzen und deren Produktionsmengen in Tonnen auf:[35][36][37]
↑beinhaltet keine Mengen von Herstellern, die ihre Produktion nicht veröffentlichen
Arbeitsbedingungen
Wie bei vielen anderen Erzen erfolgt der Abbau teils unter prekären Bedingungen (insbesondere Kinderarbeit in den oft ungesicherten Minen im Kongo).[38][39][40] So wird geschätzt, dass im Kongo, wo gut die Hälfte des globalen Cobalts gefördert wird, etwa 20 % des Cobalts per Hand geschürft werden.[41]
Als typisches Metall leitet es Wärme und elektrischen Strom gut, die elektrische Leitfähigkeit liegt bei 26 Prozent von der des Kupfers.[18] Nicht passiviertes Cobaltmetallpulver ist dunkelgrau und kann sich auch selbst entzünden. Das Metall in kompakter Form ist nicht brennbar.[12]
Eine Besonderheit stellt die Atommasse des natürlich vorkommenden Cobalts dar; sie ist mit 58,93 größer als die mittlere Atommasse von Nickel mit 58,69, dem nächsten Element im Periodensystem. Diese Besonderheit gibt es auch bei Argon und Kalium sowie bei Tellur und Iod.
Chemische Eigenschaften
Im chemischen Verhalten ist es dem Eisen und Nickel ähnlich, an der Luft durch Passivierung beständig; es wird nur von oxidierend wirkenden Säuren gelöst. Cobalt zählt mit einem Normalpotential von −0,277 V zu den unedlen Elementen. In Verbindungen kommt es vorwiegend in den Oxidationsstufen +II und +III vor. Es sind jedoch auch die Oxidationsstufen −I, 0, +I, +II, +III, +IV und +V in Verbindungen vertreten. Cobalt bildet eine Vielzahl von meist farbigen Komplexen. Darin ist, im Gegensatz zu kovalenten Verbindungen, die Oxidationsstufe +III häufiger und stabiler als +II.
Isotope
Es sind insgesamt 30 Isotope und 18 weitere Kernisomere zwischen 47Co und 77Co bekannt. Natürliches Cobalt besteht dabei vollständig aus dem Isotop 59Co. Das Element ist daher eines der 22 Reinelemente.[48] Dieses Isotop lässt sich durch die NMR-Spektroskopie untersuchen.
Das Nuklid 57Co zerfällt über Elektroneneinfang zu 57Fe. Die beim Übergang in den Grundzustand des Tochterkerns emittierte Gammastrahlung hat eine Energie von 122,06 keV (85,6 %) und 14,4 keV (9,16 %).[49] Hauptanwendung von 57Co ist die Mößbauerspektroskopie, z B. zum Nachweis kleinster Energie- oder Frequenzverschiebungen wie etwa zur Unterscheidung von zweiwertigem und dreiwertigem Eisen.
Cobalt-60
Das langlebigste der instabilen Isotope ist 60Co (Cobalt-60, Spin 5+), das mit einer Halbwertszeit von 5,27 Jahren unter Betazerfall zunächst in einen angeregten Zustand von 60Ni (Spin 4+) und anschließend unter Aussendung von Gammastrahlung (zwei Gammaquanten der Energie 1,17 und 1,33 MeV[50]) in den Grundzustand (Spin 0+) dieses Nuklids zerfällt. Aus diesem Grund wird 60Co als Gammastrahlungsquelle zur Sterilisierung oder Konservierung von Lebensmitteln, zur Materialuntersuchung (Durchstrahlungsprüfung) und in der Krebstherapie („Kobaltkanone“) verwendet.[51] In der Medizin können auch andere Isotope wie 57Co oder 58Co als Tracer verwendet werden.[52]60Co wird ausschließlich künstlich durch Neutronenaktivierung aus 59Co gewonnen. Als Neutronenquelle für die Herstellung kleinerer Mengen dienen Spontanspaltungsquellen wie 252Cf; zur Herstellung größerer Mengen werden 59Co-Pellets dem Neutronenfluss in Kernreaktoren ausgesetzt. Größter Produzent ist Kanada, dessen Schwerwasserreaktoren vom Typ CANDU exzellent für die Produktion von Cobalt-60 geeignet sind.[53][54] Aufgrund der – gerade im Licht der COVID-19-Pandemie – weiter steigenden Nachfrage wird auch in Rumänien (Kernkraftwerk Cernavodă)[55] sowie in China (Kernkraftwerk Qinshan)[56] in dortigen CANDUs über eine Produktionsaufnahme nachgedacht bzw. ist diese erfolgt. Auch in anderen Reaktortypen wird oder soll Cobalt-60 produziert werden: 2018 nahm Russland am Kernkraftwerk Kursk (Typ RBMK) die Produktion von Cobalt-60 auf.[57] Des Weiteren arbeiten die Hersteller Framatome (EPR)[58] und Westinghouse (AP1000)[59] daran, in bestehenden oder noch zu bauenden Druckwasserreaktoren Cobalt-60 zu produzieren. Da Leichtwasserreaktoren deutlich häufiger und in mehr Ländern gebaut wurden als Reaktoren des CANDU-Typs, könnte eine erfolgreiche Produktion von Cobalt-60 in diesen Reaktoren helfen, die Versorgung zu verbessern.
Die Entstehung von 60Co aus 59Co unter Neutronenstrahlung könnte potentiell auch zur Verstärkung der Wirkung von Kernwaffen benutzt werden, bei denen Neutronenstrahlung entsteht, indem diese mit Cobalt ummantelt würden (Cobaltbombe). Bei der Detonation würde dann der starke Gammastrahler gebildet, durch den die Umgebung stärker kontaminiert würde als durch die Kernexplosion allein.[60] Wird 60Co nicht sachgerecht entsorgt, sondern mit anderem Cobalt eingeschmolzen und zu Stahl verarbeitet, können daraus gefertigte Stahlteile in schädlichem Maß radioaktiv sein.[61][62] Da Reaktordruckbehälter beständig dem Neutronenfluss ausgesetzt sind, kann sich – je nach Zusammensetzung des Stahls – in ihnen Cobalt-60 bilden.[63] Da der größte Teil des Eisens 56Fe ist und somit drei aufeinander folgende Neutroneneinfänge zur Erzeugung von 59Co und dann einen weiteren Neutroneneinfang im gebildeten 59Co benötigen würde, ist der Effekt in cobaltfreien Stählen allerdings sehr gering.[64]
Superlegierungen auf Cobaltbasis haben in der Vergangenheit den größten Teil des erzeugten Cobalt verbraucht.[25][26] Die Temperaturstabilität dieser Legierungen macht sie für Turbinenschaufeln von Gasturbinen und Flugzeugtriebwerken geeignet, obwohl Einkristalllegierungen auf Nickelbasis ihre Leistung übertreffen.[67] Cobaltbasierte Legierungen sind auch korrosions- und verschleißfest, sodass sie wie Titan zur Herstellung von orthopädischen Implantaten verwendet werden können, die sich mit der Zeit nicht abnutzen. Die Entwicklung verschleißfester Cobaltlegierungen begann im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts mit den Stellitlegierungen, die Chrom mit unterschiedlichen Anteilen an Wolfram und Kohlenstoff enthielten. Legierungen mit Chrom- und Wolframcarbiden sind sehr hart und verschleißfest.[68] Spezielle Cobalt-Chrom-Molybdän-Legierungen wie Vitallium werden für Prothesenteile verwendet.[69] Cobaltlegierungen werden auch für Zahnersatz als nützlicher Ersatz für Nickel verwendet, das möglicherweise allergen ist.[70] Einige Schnellarbeitsstähle enthalten auch Cobalt, um die Wärme- und Verschleißfestigkeit zu erhöhen. Die speziellen Legierungen von Aluminium, Nickel, Cobalt und Eisen, bekannt als Alnico, sowie von Samarium und Cobalt (Samarium-Cobalt-Magnet) werden in Dauermagneten verwendet.[71]
Durch den Nachfrageanstieg bei Elektroautos stieg die Nachfrage nach Cobalt an. Auch wenn der Cobaltanteil neuer Batterien rückläufig ist, wird die Nachfrage die nächsten Jahre voraussichtlich zunehmen, wenn die Verbreitung von Elektrofahrzeugen zunimmt. 2017 entfielen 8,2 % des globalen Cobaltverbrauchs auf die Elektromobilität; inklusive aller weiteren Anwendungsbereiche war die Batterieproduktion für rund 46 % des Cobaltverbauchs verantwortlich.[75]
Moderne Batterien enthielten mit Stand 2019 aufgrund besserer Zellkonstruktionen nur noch einen Bruchteil früherer Konstruktionen. Bestanden die Kathoden ursprünglich zu etwa einem Drittel aus Cobalt, sind es mit Stand 2023 nur noch 3 bis 6,5 %.[76]LiFePO4-Batterien (LFP), wie sie etwa für Batteriespeicher verwendet werden, benötigen hingegen wie die Rezepturen LMO und LTO überhaupt kein Cobalt.[77] Die etwas schwereren und billigeren LFP-Zellen werden seit 2020 auch im in China produzierten Tesla Model 3 SR+ eingesetzt.[78] Mit Stand 2023 lag der Marktanteil von kobaltfreien LPF-Akkus bei mehr als 30 %, Tendenz stark steigend.[76] Im Jahr 2021 begann die Firma SVOLT mit der Produktion von cobaltfreiem Kathodenmaterial für Lithium-Ionen-Batterien, das auf Nickel und Mangan basiert.[79] Als sehr interessant gilt zudem der Umstieg auf Natrium-Ionen-Akkumulatoren, die ebenfalls kobaltfrei sind und gegenüber Lithium-Ionen-Akkus deutlich günstigere Kosten erwarten lassen.[76]
In einer Studie von 2021 wurde der Verbrauch von Cobalt und anderen Ressourcen durch deutsche PKW für die Zukunft bis ins Jahr 2035 abgeschätzt: unter der Annahme, dass dann nur noch elektrische Fahrzeuge zugelassen werden, ergibt sich ein stark erhöhter Bedarf an Kupfer, Nickel, Cobalt, Lithium und Seltenen Erden.[80]
Bei der Hydrodesulfurierung von Erdöl wird ein Katalysator verwendet, der von Cobalt und Molybdän abgeleitet ist. Dieses Verfahren hilft, das Erdöl von Schwefelverunreinigungen zu reinigen, die die Raffination flüssiger Brennstoffe beeinträchtigen.[83]
Im Bereich der organischen Synthese spielt die [2+2+2]-Cobalt-Zyklisierung, eine bedeutsame Rolle beim schnellen Aufbau komplexer Molekülstrukturen. Hierbei kann Ethin als grundlegender Baustein in Verbindung mit funktionalisierten Indolen unter Normaldruckbedingungen und η5-Cyclopentadienylbisethylenecobalt(I) direkt zu Carbazol-Derivaten umgesetzt und zur totalsynthetischen Darstellung, z. B. von Strychnin, verwendet werden.[84]
Radionuklide
60Co ist bei weitem das bedeutendste Radionuklid des Cobalts und eines der wichtigsten künstlichen Radionuklide überhaupt. Gründe dafür sind neben der vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten der Gammastrahlung, welche beim Zerfall von Cobalt-60 anfällt, die Einfachheit der Herstellung und die relative chemische und physikalische Beständigkeit von Cobalt. Trotz der relativ hohen Zerfallsenergie ist die Halbwertszeit von 60Co mit 5,27 Jahren verhältnismäßig hoch, so dass entsprechende Quellen relativ lange „halten“ – ein weiterer Vorteil des 60Co.
Cobalt-60 wird überwiegend in Kernreaktoren hergestellt, dabei – im Gegensatz zu manch anderem industriell oder medizinisch genutzten Radionuklid – nicht vornehmlich in Forschungsreaktoren, sondern in kommerziellen Schwerwasserreaktoren vom Typ CANDU.[85] Bei der Herstellung erweisen sich zwei Eigenschaften natürlichen Cobalts als sehr vorteilhaft: zum einen ist das Element mononuklidisch, besteht also ausschließlich aus dem stabilen Isotop 59Co. Zum anderen ist der Wirkungsquerschnitt für den Neutroneneinfang bei Cobalt-59 relativ hoch. Wird natürliches Cobalt also Neutronenstrahlung, wie sie im Inneren eines laufenden Kernreaktors anfällt, ausgesetzt, so wird nach und nach ein Teil des stabilen natürlichen Cobalts durch Einfang eines Neutrons zu radioaktiven 60Co umgewandelt.
Durch die besondere Bauform und Funktionsweise der mit natürlichem Uran betriebenen CANDU Reaktoren eignen sich diese besonders zur Produktion von 60Co. Zum Beispiel ist die Geschwindigkeit der Neutronen im Durchschnitt geringer als bei Leichtwasserreaktoren, wodurch Einfänge wahrscheinlicher werden. Dazu kommt die Fähigkeit, bei laufendem Betrieb Teile des Reaktorkerns auszutauschen, was es erlaubt, je nach Bedarf Cobalt- oder „herkömmliche“ Kontrollstäbe zur Verringerung des Neutronenflusses einzusetzen und „fertiges“ 60Co aus dem Reaktorkern zu entfernen auch wenn der Brennstoff noch nicht „abgebrannt“ ist.[86]
Cobalt-60 findet Anwendung vor allem in der nicht-thermischen Desinfektion von medizinischen Geräten – sensible Instrumente, die die Hitze im Autoklav nicht überstehen, können so sicher und ohne die Gefahr chemischer Rückstände sterilisiert werden. Auch beim Bestrahlen von Nahrungsmitteln zur Haltbarmachung wird 60Co angewandt. Vorteilhaft auch gegenüber anderen Formen der Bestrahlung ist dabei auch die große Eindringtiefe der Gammastrahlung, die es erlaubt Lebensmittel bzw. medizinische Geräte auch in der Verpackung zu bestrahlen. Rund 40 % der weltweit im Einsatz befindlichen medizinischen Geräte zum einmaligen Gebrauch werden mit Cobalt-60 aus nur einem einzigen Kernkraftwerksstandort sterilisiert – Bruce am Huronsee in Kanada.[87]
Prinzipiell denkbar wäre auch der Einsatz von 60Co als Radionuklidbatterie. Mit einer spezifischen Leistung von 13,6 W/g ist die Leistungsdichte sogar deutlich höher als bei Strontium-90 oder Plutonium-238, jedoch ist der hohe Anteil dieser Leistung, der in Form von Gammastrahlung frei wird, ebenso problematisch wie die – verglichen mit 90Sr oder 238Pu – deutlich geringere Halbwertszeit.
Physiologie
Cobalt ist Bestandteil von Vitamin B12, dem Cobalamin, das für den Menschen lebensnotwendig ist. Beim gesunden Menschen kann dieses Vitamin möglicherweise von Darmbakterien direkt aus Cobaltionen gebildet werden. Allerdings muss Cobalamin von dem im Magen produzierten Intrinsic Factor gebunden werden, um im Ileum aufgenommen werden zu können.[88] Da der Produktionsort des vom Menschen hergestellten Cobalamin jedoch im Dickdarm liegt,[89] ist eine Resorption nach aktuellem Wissensstand nicht möglich. Das Vitamin muss also zwingend durch die Nahrung aufgenommen werden. Es wird dennoch eine tägliche Zufuhr von 0,1 μg Cobalt als Spurenelement für den täglichen Bedarf für Erwachsene angegeben. Der Mangel an Vitamin B12 kann zu einer gestörten Erythropoese und damit zu Blutarmut führen.[90] Bei Wiederkäuern beruht ein solcher Mangel überwiegend auf unzureichender Cobaltzufuhr[91], die daraus resultierende Erkrankung wird als „Semper“, „Hinsch“ oder „Dörre“ bezeichnet und war vor allem im Schwarzwald häufig.[92] In der Tierproduktion wird dem Futter in Spuren Cobalt hinzugefügt, falls die Tiere von cobaltarmen Weideflächen ernährt werden müssen. Hierüber soll Wachstums- und Laktationsstörungen, Blutarmut und Appetitlosigkeit entgegengewirkt werden.[93] Cobalt und seine Verbindungen werden seit einiger Zeit zur Leistungssteigerung als Dopingmittel im Leistungs- und Pferdesport eingesetzt.[94][95] Daher gewinnen Verfahren zum sicheren Nachweis der Cobaltverbindungen an Bedeutung.[96]Bakterien im Magen von Wiederkäuern wandeln Cobaltsalze in Vitamin B12 um, eine Verbindung, die nur von Bakterien oder Archaeen produziert werden kann. Eine minimale Anwesenheit von Cobalt in Böden verbessert daher die Gesundheit weidender Tiere erheblich.[97]
Obwohl weitaus seltener als andere Metalloproteine (z. B. Zink und Eisen), sind neben B12 auch andere Cobaltoproteine bekannt. Diese Proteine umfassen Methionin-Aminopeptidase 2, ein Enzym, das beim Menschen und anderen Säugetieren vorkommt und den Corrin-Ring von B12 nicht verwendet, sondern Cobalt direkt bindet. Ein weiteres nichtkorriniertes Cobaltenzym ist die Nitrilhydratase, ein Enzym in Bakterien, das Nitrilemetabolisiert.[100]
Mitte der 1960er Jahre kam es in Kanada und den USA zu einer Reihe von Fällen einer cobalt-induzierten Kardiomyopathie (Cobalt-Kardiomyopathie). In Quebec wurden 49, in Omaha 64 Patienten registriert. Die Symptome umfassten unter anderem Magenschmerzen, Gewichtsverlust, Übelkeit, Atemnot und Husten. Die Letalitätsrate betrug 40 Prozent. Autopsien ergaben schwere Schädigungen an Herzmuskel und Leber. Alle Patienten waren starke Biertrinker mit einem Konsum von 1,5 bis 3 Liter pro Tag. Sie konsumierten bevorzugt Sorten von lokalen Brauereien, die etwa einen Monat zuvor angefangen hatten, dem Bier Cobalt(II)-sulfat als Schaumstabilisator beizumischen.[101] Die Grenzwerte für Cobalt in Lebensmitteln wurden hierbei nicht überschritten. Das Auftreten der Krankheitsfälle kam unmittelbar zum Stillstand, nachdem die Brauereien die Cobalt(II)-sulfat-Beimischungen eingestellt hatten.[102][103]
Cobalt(II)-Salze aktivieren die hypoxie-induzierbaren Transkriptionsfaktoren (HIF) und steigern die Expression HIF-abhängiger Gene. Hierzu gehört das Gen für Erythropoietin (EPO). Cobalt(II)-Salze könnten von Sportlern missbraucht werden, um die Bildung roter Blutzellen zu fördern.[104] Das Unternehmen Cassella Farbwerke Mainkur hatte in den 1950er Jahren ein die zur Vitamin B-12-Gruppe gehörende Kobaltverbindung Methylcobalamin enthaltendes Präparat namens Cobaltin forte als Arzneimittel „bei Anämien verschiedenster Genese“ angeboten.[105][106]
Gelegentlich treten Cobaltvergiftungen durch schadhafte Metallimplantate auf.[107][108]
Toxikologie
Kontakt mit kobalthaltigen Materialien kann beim Menschen zu Hautrötungen, juckenden Hautausschlägen oder Akne führen. Außerdem kann Kobalt wie Nickel eine allergische Kontakt-Dermatitis (Hautentzündung mit Ekzem) verursachen.[109]
Im Tierversuch zeigen anorganische Cobaltsalze, sofern das Anion nicht einen zusätzlichen Beitrag liefert (z. B. Fluorid), ähnliche Daten bei der akuten oralen Toxizität bezogen auf den Cobaltgehalt.[110]
Akute orale Toxizität von Cobaltsalzen in Wistar-Ratten.[110]
Eine relativ aussagekräftige Vorprobe für Cobalt ist die Phosphorsalzperle, die von Cobaltionen intensiv blau gefärbt wird. Im Kationentrennungsgang kann es neben Nickel mit Thiocyanat und Amylalkohol nachgewiesen werden, es bildet beim Lösen im Amylalkohol blaues Co(SCN)2. Das in Wasser rotviolette Cobalt(II)-thiocyanat wird beim Versetzen mit Aceton ebenfalls blau.[111]
Cobalt tritt in seinen Verbindungen meist zwei- oder dreiwertig auf. Diese Verbindungen besitzen oft kräftige Farben. Wichtige Cobaltverbindungen sind:
Cobalt(III)-oxid ist ein grau-schwarzer Feststoff, welcher praktisch unlöslich in Wasser ist. Bei einer Temperatur über 895 °C spaltet es Sauerstoff ab, wobei sich Cobaltoxide wie Co3O4 und CoO bilden.
Halogenide
Cobalt(II)-chlorid ist ein im wasserfreien Zustand blaues, als Hexahydrat rosafarbenes Salz. Es hat eine trigonale Kristallstruktur vom Cadmium(II)-hydroxid-Typ mit der RaumgruppeP3m1 (Raumgruppen-Nr. 164)Vorlage:Raumgruppe/164. Wasserfreies Cobalt(II)-chlorid ist sehr hygroskopisch und nimmt leicht Wasser auf. Dabei ändert es sehr charakteristisch seine Farbe von blau nach rosa. Der entgegengesetzte Farbwechsel von rosa auf blau ist ebenfalls möglich, indem man das Hexahydrat auf Temperaturen oberhalb 35 °C erhitzt.[114] Wegen des typischen Farbwechsels diente es als Feuchtigkeits-Indikator in Trockenmitteln wie etwa Kieselgel. Mit Hilfe von Cobalt(II)-chlorid lässt sich Wasser auch in anderen Lösungen nachweisen. Auch wird es als sogenannte Geheimtinte benutzt, da es als Hexahydrat in wässriger Lösung auf dem Papier kaum sichtbar ist, wenn es aber erhitzt wird, tritt tiefblaue Schrift hervor.
Daneben können sich auch verschiedene Chloroammincobalt(III)-komplexe bilden, wie Chloropentaammincobalt(III)-chlorid oder Dichlorotetraammincobalt(III)-chlorid. Teilweise fallen diese Verbindungen aus der Lösung aus. Daneben existieren auch Amminkomplexe von Cobalt(II)-salzen, wie das Hexaammincobalt(II)-sulfat, das durch Überleiten von Ammoniakgas über wasserfreies Cobalt(II)-sulfat hergestellt werden kann.
Neben den Amminkomplexen existieren eine Vielzahl von Verbindungen mit unterschiedlichen Liganden. Beispiele sind das Kaliumhexacyanocobaltat(II) (K4[Co(CN)6]), das Kaliumtetrathiocyanatocobaltat(II) (K2[Co(SCN)4]), das Kaliumhexanitritocobaltat(III) (Fischers Salz, Cobaltgelb), sowie Komplexe mit organischen Liganden wie Ethylendiamin oder dem Oxalation.[111]
Bemerkenswert ist eine Eigenschaft von [Co(NH3)5(NO2)]Cl(NO3). Bei Bestrahlung mit UV-Licht springen die mikrometer- bis millimetergroßen Kristalle in dieser Cobalt-Koordinationsverbindung und legen dabei Distanzen zurück, die dem tausendfachen ihrer Größe entsprechen. Ursache dafür sind Isomerisierungen des Nitrit-Ligands (NO2), was zu Spannungen im Kristall führt. Diese Umwandlung von Licht- in mechanische Energie wurde von Wissenschaftlern der Vereinigten Arabischen Emirate und Russlands untersucht.[123]
Harry H. Binder: Lexikon der chemischen Elemente – das Periodensystem in Fakten, Zahlen und Daten.S. Hirzel Verlag, Stuttgart 1999, ISBN 3-7776-0736-3.
Weblinks
Commons: Cobalt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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