Obwohl bereits unmittelbar nach dem gescheiterten Misstrauensvotum vom April 1972 feststand, dass die Koalition ihre Mehrheit verloren hatte, zögerte Brandt in Übereinkunft mit der Opposition die Vertrauensfrage bis zum Herbst hinaus. Offizieller Grund waren die Olympischen Sommerspiele im August/September, deren Organisation man weder durch einen Wahlkampf, eine Regierungsbildung noch gar einen Regierungswechsel überlagern wollte. Auch organisatorische Fragen spielten bei allen Parteien eine Rolle. Für die SPD kam überdies hinzu, dass die Umfragewerte im Frühjahr katastrophal ausfielen und erst durch die von Albrecht Müller maßgeblich geplante Kampagne ein Stimmungsumschwung möglich wurde.
Für die Unionsparteien trat der CDU-Parteichef und Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Rainer Barzel als Kanzlerkandidat an. Es war ein emotional geführter Wahlkampf mit hoher Wahlbeteiligung, denn es ging um die Bestätigung oder Ablehnung der ersten sozialliberalen Koalition der Bundesgeschichte und ihrer kontrovers aufgenommenen Ostpolitik. Die SPD profitierte von ihrer guten Mitgliederstruktur und Stärke auf Basis der Ortsvereine, die die CDU noch nicht besaß.[3]
Erstmals durften auch junge Menschen im Alter von 18 bis 20 Jahren an der Bundestagswahl teilnehmen, nachdem am 31. Juli 1970 das Wahlalter für das aktive Wahlrecht von 21 auf 18 Jahre gesenkt wurde, also erstmals und zugleich das einzige Mal unter das jeweilige Volljährigkeitsalter, das damals noch bei 21 Jahren lag. Außerdem wurde das Mindestalter für das passive Wahlrecht von bisher 25 Jahren auf 21 Jahre gesenkt, indem es gesetzlich an die Volljährigkeit gekoppelt wurde.[4] Es war die einzige Bundestagswahl, bei der das Mindestalter für das passive Wahlrecht bei 21 Jahren lag, denn mit der Herabsetzung des Volljährigkeitsalters von 21 auf 18 Jahre am 1. Januar 1975 wurde auch das erforderliche Alter für das passive Wahlrecht zum Bundestag auf 18 Jahre automatisch weiter abgesenkt, sodass das aktive und passive Wahlrecht seit der darauffolgenden Bundestagswahl 1976 altersmäßig zusammenfallen und zugleich seitdem bei Bundestagswahlen mit der Volljährigkeit verknüpft sind.
Die Wahlbeteiligung von 91,1 % war die höchste jemals bei Bundestagswahlen verzeichnete Beteiligung. Die SPD konnte erstmals die stärkste Bundestagsfraktion bilden, dies war vorher immer nur der Unionsfraktion aus CDU und CSU gelungen.
Für die FDP war schon im Wahlkampf klar, dass sie nur für die Sozialliberale Koalition zur Verfügung stand. So wurde Brandt im Dezember 1972 als Bundeskanzler von der SPD/FDP-Mehrheit im Bundestag wiedergewählt, die Koalition hatte dieses Mal, im Gegensatz zur Wahl von 1969, die absolute Mehrheit der Wählerstimmen und eine klare Mehrheit im Bundestag erreichen können. Barzel blieb zunächst CDU/CSU-Oppositionsführer, trat aber bereits ein halbes Jahr später zurück. Mit Annemarie Renger (SPD) wurde erstmals eine Frau in das Amt des Bundestagspräsidenten gewählt. Sie war gleichzeitig das erste SPD-Mitglied, das diesen Posten innehatte.