Die Bundestagswahl 2002 fand am 22. September 2002 statt. Bei der Wahl zum 15. Deutschen Bundestag waren etwa 61,4 Millionen Deutsche wahlberechtigt. Ungewöhnlich am Wahlausgang war die nur geringe Differenz von etwa 6.000 Zweitstimmen (0,01 %) zwischen SPD und CDU/CSU. Als Ergebnis der Wahl kam es zur Fortsetzung der seit 1998 regierenden rot-grünen Koalition: Gerhard Schröder blieb Bundeskanzler und bildete das Kabinett Schröder II.
Die Anzahl der Kandidaten, der Sitze im Bundestag sowie der Wahlkreise war im Vergleich zur Bundestagswahl 1998 geringer. 3542 Kandidaten (1998: 5062), von denen etwa 29 % Frauen waren, bewarben sich um ein Mandat für den auf 598 Abgeordnete (1998: 656) verkleinerten Bundestag. Die Zahl der Wahlkreise wurde um 29 auf 299 verringert.
Die FDP nominierte zur Wahl 2002 – zum ersten Mal in ihrer Geschichte – ihren Spitzenkandidaten, Parteichef Guido Westerwelle, als Kanzlerkandidaten. Dies war Teil des „Projekt 18“, der Wahlkampfstrategie der FDP 2002. Sie wollte mit neuen Wählerschichten ihren Stimmanteil auf 18 Prozent steigern und als liberale Partei eine Äquidistanz zu Union und SPD schaffen, weswegen sie auch einmalig keine Koalitionsaussage machte. Der erhoffte Stimmenanteil konnte nicht erreicht werden. Dieses Auftreten war – auch innerparteilich – starker Kritik ausgesetzt.
Weiteren Einfluss hatte die Bewertung des Krisenmanagements beim Elbhochwasser 2002: Als einer der Gründe für den knappen Wahlsieg der rot-grünen Regierung unter Kanzler Schröder gilt dessen gutes und medienwirksames Krisenmanagement; ihre Teilnahmslosigkeit kostete Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber und FDP-Spitzenkandidat Guido Westerwelle dagegen viel Sympathie.
Es gab zum ersten Mal zwei Fernsehduelle der Kanzlerkandidaten Schröder und Stoiber. Das Bundesverfassungsgericht wies eine Verfassungsbeschwerde der FDP auf eine Teilnahmeberechtigung ihres Kandidaten Westerwelle wegen nicht hinreichender Aussicht Westerwelles auf Wahl zum Kanzler ab.[3]
In den Meinungsumfragen lag bis zum Sommer die Union noch weit vor der SPD und ein Regierungswechsel schien durchaus möglich. Erst in den letzten Wochen konnte die SPD (und die Grünen) aufholen und somit das Blatt doch noch wenden. Die FDP verlor im Jahresverlauf kontinuierlich an Zustimmung.[4]
Von den fünf Überhangmandaten entfielen zwei bis zum Ende der Wahlperiode, eine SPD-Abgeordnete starb und ein weiterer SPD-Abgeordneter verzichtete auf sein Mandat.
Nach Schließung der Wahllokale um 18:00 Uhr sah in der ersten Prognose die ARD Rot-Grün hinter Schwarz-Gelb, das ZDF beide gleich auf und RTL wiederum sah eine Mehrheit für Rot-Grün.
Am frühen Abend ging Edmund Stoiber davon aus, dass die beabsichtigte schwarz-gelbe Koalition von CDU/CSU und FDP die Wahl gewonnen habe. In den Hochrechnungen der ARD war zu diesem Zeitpunkt tatsächlich Schwarz-Gelb vorne. Dies änderte sich im Verlauf des Abends jedoch mehr und mehr zugunsten eines knappen Wahlsieges für Rot-Grün.
Das vorläufige amtliche Wahlergebnis und die daraus folgende Sitzverteilung wurde noch in der Wahlnacht in Berlin im Reichstagsgebäude bekannt gegeben. Die SPD lag mit 6027 Zweitstimmen vor den Unionsparteien. Für die Regierungsbildung war der knappe Unterschied zwischen SPD und CDU/CSU allerdings nicht ausschlaggebend, da die Grünen vor der FDP landeten, so dass SPD und Grüne zusammen elf Sitze mehr als Union und FDP und aufgrund des Scheiterns der PDS an der Sperrklausel auch eine Mehrheit im Bundestag erreichten. Auf SPD und Grüne entfielen zusammen etwa 577.000 Zweitstimmen mehr als auf CDU/CSU und FDP zusammen.
Das endgültige amtliche Wahlergebnis wurde vom Bundeswahlausschuss am 9. Oktober festgestellt.
Wahlprüfungsbeschwerden
Aufgrund einiger Wahlprüfungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht gegen den Beschluss des Deutschen Bundestages über Wahleinsprüche gegen die Gültigkeit der Bundestagswahl 2002 fand Mitte Januar 2005 eine Neuauszählung in den beiden von den PDS-Kandidatinnen (Petra Pau und Gesine Lötzsch) gewonnenen Berliner Wahlkreisen statt. Sie sollte eine Mandatserheblichkeit der Zweitstimmen derjenigen Wähler überprüfen, die mit ihrer Erststimme die PDS-Kandidatinnen und mit ihrer Zweitstimme eine andere Landesliste gewählt haben. Damit erzielten sie einen doppelten Erfolgswert ihrer Stimmen. Eine Mandatserheblichkeit wurde jedoch nicht festgestellt.
Wenn das Bundesverfassungsgericht diese Stimmen vom Ergebnis der für die Sitzverteilung zu berücksichtigenden Stimmen der einzelnen Parteien abzöge, wäre die wahrscheinlichste mandatserhebliche Folge gewesen, dass die SPD durch Verlust von z. B. 54.000 Stimmen noch einen zusätzlichen Sitz erhalten hätte – eine Folge des von Wahlrechtlern kritisierten negativen Stimmgewichts des Bundestagswahlsystems.
Vor der Wahl sprachen sich SPD und Grüne für eine Fortsetzung ihrer amtierenden rot-grünen Koalition aus. Am Wahlabend schien diese Mehrheit nicht erreicht und die Union lag vor der SPD, deswegen war der Wahlausgang lange unklar. Im Laufe des Abends stellte sich heraus, dass die amtierende Regierung erneut die Mehrheit erlangt hatte. Bereits in der Wahlnacht trafen sich SPD und Grüne für erste Koalitionsverhandlungen. Am 16. Oktober stand der neue Koalitionsvertrag. Gerhard Schröder wurde am 22. Oktober zum Bundeskanzler gewählt.
Vito Cecere: Regierungspartei im Richtungswahlkampf. Zur Kommunikationsstrategie der SPD im Bundestagswahlkampf 2002. Jürgen Dittberner: Der Bundestagswahlkampf 2002 der FDP und die Folgen: Funktionspartei oder liberale Renaissance? Florian Hartleb, Eckhard Jesse: Ein Blick zurück und nach vorne: Faktor „Zufall“ oder kalkulierte Kanzlerstrategie? Die SPD in den Bundestagswahlkämpfen 2002 und 2005. In: Axel Balzer, Marvin Geilich, Shamim Rafat (Hrsg.): Politik als Marke. Politikvermittlung zwischen Kommunikation und Inszenierung. Lit Verlag, Münster 2005, ISBN 3-8258-8146-6.
Manfred Güllner, Hermann Dülmer, Markus Klein, Hans-Dieter Klingemann, Dieter Ohr, Markus Quandt, Ulrich Rosar: Die Bundestagswahl 2002: Eine Untersuchung im Zeichen hoher politischer Dynamik. VS Verlag, Wiesbaden 2005, ISBN 978-3-531-14004-9.
Richard Hilmer: Bundestagswahl 2002. Eine zweite Chance für Rot-Grün. In: ZParl, 1/2003, S. 187–219.
Christina Holtz-Bacha (Hrsg.): Die Massenmedien im Wahlkampf. Die Bundestagswahl 2002. VS Verlag, Wiesbaden 2003, ISBN 978-3-531-14028-5.
Tomas Jerkovic: TV-Duelle 2002. Theatrale Politik in der Erlebnisgesellschaft. Wissenschaftlicher Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-86573-141-4.
Eckhard Jesse (Hrsg.): Bilanz der Bundestagswahl 2002. Voraussetzungen, Ergebnisse, Folgen. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2003, ISBN 978-3-531-14172-5.
Gero Neugebauer, Richard Stöss: Mit einem blauen Auge davongekommen. Eine Analyse der Bundestagswahl 2002. Berlin 2002.