Der Name Xerxes ist die gemeinsame Form aus dem Griechischen (Xérxēs) und Lateinischen (Xerxes, Xerses). Altpersisch lautet der Name in der von der Wissenschaft vereinbarten Form Xšayaṛšā (x-š-y-a-r-š-a). Der babylonische Name Ḫi-ši-ʾ-ar-šá/ši mit vielen Varianten reflektiert den altpersischen Namen. Die elamische Sprachversion unterscheidet sich mit Kšerša (Ik-še-ir-(iš-)šá) von den anderen Sprachen. Im Aramäischen ist der Name mit ḥšyʾrš, ḥšyrš, ʾḥšyrš übersetzt und im biblisch Aramäischenḥšwrwš, der nicht mit dem irrtümlich weit verbreiteten Aḥašwērōš ausgedrückt werden kann.[1]
Die gekürzte Version Xerxes wird mit einer Fernassimilation von x zu x aus x zu s mit einer kürzeren zweisilbigen Form *Xšairšā oder sogar aus der lautlichen Veränderung (Monophthongierung) *Xšēršā erklärt. Es wird angenommen, dass die verkürzte Version bereits im altpersischen Sprachgebrauch vorhanden war und nicht allein durch das Griechische entstanden ist. Die seit langem vertretene Ansicht, dass die Kurzform Xérxēs über *Xḗrxēs, *Xāˊrxās und das altpersische *Xšāršā auf die bezeugte altpersische Form zurückgeht, musste aus phonologischen Gründen aufgegeben werden. Die bemerkenswerte Ähnlichkeit der elamischen und griechischen Form des Namens wird als gemeinsame Erklärung bevorzugt.[2]
Der altpersische Name Xšayaṛšā ist eine Zusammensetzung des Verbsxšaya- (herrschen) und dem Substantiv*ṛšan- mit der Bedeutung Held/Mann. Der Name wird deshalb mit Über Helden herrschend gedeutet.[3]
Leben
Xerxes wurde um 519 v. Chr. als Sohn des achämenidischen Großkönigs Dareios I. und der Atossa, einer Tochter Kyros’ II., geboren. 486 v. Chr. trat er als Großkönig die Nachfolge seines Vaters an.[5] Zu Beginn seiner Herrschaft bekämpfte er erfolgreich Aufstände in Ägypten, das sich unter Psammetich IV. vom Perserreich gelöst hatte, und Babylonien, bevor er sich 483 v. Chr. Griechenland zuwandte.
Nachdem die Expedition des Dareios gegen Griechenland 490 v. Chr. gescheitert war, führte Xerxes I. die Politik seines Vaters weiter, einen Vergleich an der Nordwest-Grenze des persischen Reichs im Interesse Persiens anzustreben. Nach Herodot basierte die Wiederaufnahme des Krieges auf drei Entscheidungskriterien: dem Rat und der Unterstützung einer thessalischen Familie und einer im Exil lebenden athenischen Tyrannenfamilie und dem Rat von Mardonios, der eng mit den taktischen Schritten in der Ägäis verbunden war. Mardonios drängte Xerxes I. auch deshalb zum Krieg, weil dieser als Führer einer wichtigen Kampagne die Verbindungen von Loyalität und Dienstleistungen seiner Position gegenüber erneuern konnte. Die Wichtigkeit des letzten Punkts zeigt sich in den Zeremonien, die in Kleinasien und Thrakien an entscheidenden strategischen Punkten vom persischen König durchgeführt wurden. Herodot beschreibt auch die immensen Vorbereitungen und die Route, die die Armee einschlagen würde. Die Offenlegung der Pläne hatte zum Ziel, den griechischen Städten die Möglichkeit anzubieten, sich der persischen Oberhoheit zu beugen, eine Taktik, die beachtlichen Erfolg hatte.[6]
Die persische Heeresstärke kann nur geschätzt werden, da die Angaben der antiken Schriftsteller als weit übertrieben angesehen werden müssen. Hans Delbrück, der einen sehr kritischen Ansatz vertrat, ging davon aus, dass es nicht möglich sei, 100.000 Soldaten zu versorgen, zumal die hohe Anzahl der Soldaten nicht der damaligen geringen Bevölkerungszahl entsprochen habe.[8] Delbrück nahm daher an, dass es sich maximal um 20.000 Soldaten handelte, die in die Schlacht zogen. In der modernen Forschung geht man ebenfalls davon aus, dass das persische Heer deutlich kleiner war, als die übertriebenen Angaben in den antiken Quellen vermuten lassen, wenngleich Delbrücks Kalkulation wohl doch zu gering veranschlagt ist.[9]Pierre Briant nimmt ungefähr 60.000 Soldaten an.[10]
Xerxes zog sich nach der Niederlage von Salamis nach Susa zurück und verfolgte die Niederlage seines Landheers bei Plataiai nur noch aus der Ferne, griff aber selbst nicht mehr ins Geschehen ein. Da Xerxes – im Gegensatz zu seinen Vorfahren – nie im Kampf ein Schwert führte, beauftragte er mit der Kriegsführung fähige Strategen, die mit genügend Erfahrung ausgestattet waren, wie beispielsweise Mardonios, dem er das Landheer beim Zug gegen Griechenland anvertraute, oder seinen Halbbruder Achaimenes, der für ihn 484 v. Chr. den Aufstand in Ägypten niederschlug.
Zeitgenössische Geschichtsschreiber und Autoren, so zum Beispiel der griechische Dichter Aischylos, führten die Misserfolge des Xerxes unter anderem auf seine mangelnde Besonnenheit und geringe religiöse Toleranz zurück, deren Ursachen vermutlich die Einflussnahme seiner Mutter Atossa und das Erstarken der Magier waren. Auf seinem Zug nach Griechenland ließ Xerxes I. in Troja haltmachen und sich vom Trojanischen Krieg berichten. Daraufhin sollen 1000 Rinderopfer dargebracht worden sein. Eine Anekdote berichtet davon, dass Xerxes I. bei einem fehlgeschlagenen Brückenbau über die Dardanellen die Meeresenge mit 300 Peitschenhieben bestrafen ließ. Damit wollte er nach Herodot den Hellespont dafür bestrafen, dass seine Brücken kurz nach dem Bau durch ein Unwetter zerstört wurden.[11]
479/478 v. Chr., im achten Regierungsjahr, ließ Xerxes angeblich, wie fälschlich[12] behauptet wurde, den Turm von Babylon und die Marduk-Statue zerstören. Damit sei das Ergreifen der Hände von Marduk unmöglich geworden, welches zur Ernennung als König von Babylon unabdingbar sei. Seither habe es das Königsamt und den Kult des Marduk nicht mehr gegeben. Babylons endgültiges Ende sei damit auch rituell vollzogen worden.
Xerxes widmete sich der Errichtung von Kolossalbauten in Persepolis und Susa. In Persepolis vollendete er den von seinem Vater begonnenen Audienzpalast Apadana und errichtete für sich selbst einen großen Wohnpalast; zudem begann er mit dem Bau des Hundertsäulensaals.[13] Nicht nur in den verschiedenen Residenzen war kein Bauauftrag zu kostspielig, auch der entgegen früher oft vertretener Meinung tatsächlich vollendete Landdurchstich am Isthmus von Athos – der Xerxes-Kanal zur Kriegsvorbereitung 483 bis 480 v. Chr. – zeigt seine Leidenschaft für die Bautätigkeit. Bei der Plünderung Athens 480 v. Chr. ließ er die schönsten Exponate nach Persepolis und Susa überführen und dort aufstellen, darunter die Skulpturen der TyrannenmörderHarmodios und Aristogeiton.
Nach inneren Wirren wurde Xerxes I. von seinem Gardebefehlshaber Artabanos ermordet. Dieser lenkte den Verdacht auf den Kronprinzen und ältesten Sohn des Xerxes, Dareios, welcher daraufhin von seinem jüngeren Bruder Artaxerxes I. ermordet wurde. Ein Anschlag des Artabanos auf Artaxerxes scheiterte jedoch; Artabanos wurde getötet, und Artaxerxes trat die Nachfolge des Xerxes an.
Das Todesdatum des Xerxes konnte durch die Erwähnung einer partiellen Mondfinsternis in einem keilschriftlichen Fragment auf den 4. August 465 v. Chr. festgelegt werden.[14] Auf der gleichen Tontafel ist zu lesen, dass Xerxes I. durch die Hand des Sohns gestorben sei.[15]
Xerxes I. ist im Westen wahrscheinlich die bekannteste Figur der persischen Geschichte. Der Grund liegt in den von den antiken Schriftstellern überlieferten griechischen Schlachten gegen die persischen Invasoren 480 v. Chr. und der persischen Niederlage 479 v. Chr., die über Jahrhunderte weithin gefeiert wurden. Die Perserkriege waren der Beginn der klassischen griechischen Kultur in politischen Diskursen, der Literatur und Kunst. Traditionell wurden sie als entscheidendes Ereignis angesehen, das einen Wendepunkt in der Geschichte Europas bedeutete.[17]
Das Bild von Xerxes I. wurde entscheidend durch die antiken Schriftsteller geprägt, im Besonderen von der TragödieDie Perser von Aischylos, der an den Kriegen teilnahm, und der Fülle an Informationen über die Invasion der Perser von Herodot, dessen Ziel es war, die erfolgreichen Schlachten gegen die Perser der Erinnerung zu erhalten. Xerxes I., der absolute Despot eines großen Reichs im Kontrast zu den kleinen griechischen Städten, die um ihre Ideen von Freiheit kämpften, erscheint als zentrale eher tragische Figur in diesem Bericht über das persische Debakel.[18] Diese mächtigen Bilder und Geschichten haben die Wahrnehmung der Herrschaft von Xerxes I. und seiner Persönlichkeit so sehr geprägt, dass die überlieferten Zeugnisse aus dieser Zeit aus anderen Teilen des Reiches ihnen untergeordnet und so verdreht wurden, so dass sie in die Vorurteile passten.[19]
Die Menge an nicht-griechischen Quellen aus dieser Zeit ist klein. Es existiert zum Beispiel keine einzige altpersische Inschrift zum Thema der Perserkriege.[20] Inzwischen weiß man, dass aus der Sicht des Achämenidenreichs die Kriege als einzelne Episode in einem relativ kleinen Gebiet am Rande des Reichs wahrgenommen wurden. Sie führten weder zu einem Abbruch der Bautätigkeiten noch der Produktion innerhalb einer 21-jährigen Herrschaft. Trotzdem sind die Perserkriege das einzige Ereignis dieser Herrschaft, das überliefert ist und für die Herrschaft des Xerxes definiert werden kann. Sie stellen deshalb das zentrale Stück einer Darstellung der Herrschaft von Xerxes I. Man sollte aber nicht aus den Augen verlieren, dass der einseitige Quellenreichtum zu großen Problemen führt, die Geschichte Persiens während dessen Herrschaft zu verstehen.[21]
Xerxes I. gibt den historischen Hintergrund für die Gestalt des Xerxes in der gleichnamigen Opera seria – bekannt auch unter ihrem italienischen Originaltitel Serse – von Georg Friedrich Händel (HWV 40) ab.
Quellenlage
Die Quellenlage basiert auf einer Zusammenstellung von Amélie Kuhrt.[22]
Josef Wiesehöfer: Der über Helden herrscht. Xerxes I. (ca. 519–465 v. Chr.). In: Stig Förster (Hrsg.): Kriegsherren der Weltgeschichte. 22 historische Portraits. Beck, München 2006, ISBN 3-406-54983-7, S.19–33.
Karl-Wilhelm Welwei: Das klassische Athen. Demokratie und Machtpolitik im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. Primus, Darmstadt 1999, ISBN 3-89678-117-0, S.51ff.
↑Manfred Mayrhofer: Iranisches Personennamenbuch. Band 1: Die altiranischen Namen. Wien 1979, S. II, 30–31; Rüdiger Schmitt: XERXES i. The Name. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica. 30. September 2011 (englisch, iranicaonline.org [abgerufen am 26. März 2023] mit Literaturangaben).
↑Carlo G. Cereti: Die iranischen Sprachen. In: Wilfried Seipel (Hrsg.): 7000 Jahre persische Kunst. Meisterwerke aus dem Iranischen Nationalmuseum in Teheran: Eine Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien und des Iranischen Nationalmuseums in Teheran (Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH, Bonn. Skira editore, Mailand, Kunsthistorisches Museum Wien). Kunsthistorisches Museum, Wien 2001, S. 30–37, hier: S. 30 (Abbildung 1) und S. 33.
↑Die erste Urkunde unter Xerxes stammt vom Dezember 486; André Heller: Das Babylonien der Spätzeit (7.-4. Jh.) in den klassischen und keilschriftlichen Quellen (= Oikumene. Band 7). Verlag Antike, 2010, ISBN 978-3-938032-38-1, S. 271.
↑Amélie Kuhrt: The Persian Empire: A Corpus of Sources from the Achaemenid Empire. Routledge, London / New York 2007, S. 238.
↑Amélie Kuhrt: The Persian Empire: A Corpus of Sources from the Achaemenid Empire. Routledge, London / New York 2007, S. 239.
↑Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte, 1. Teil: Das Altertum. 3. Kapitel: Die griechischen Heereszahlen. Abschluß. Stilke, Berlin 1920, S. 42.
↑Vgl. allgemein George Cawkwell: The Greek Wars. The Failure of Persia. Oxford University Press, Oxford 2005, ISBN 0-19-814871-2, S. 237 ff.
↑Pierre Briant: Histoire de l’empire Perse. Paris 1996, S. 543–544.
↑Ruth Stepper: Die Darstellung der Naturkatastrophen bei Herodot. In: Eckart Olshausen, Holger Sonnabend (Hrsg.): Stuttgarter Kolloquium zur Historischen Geographie des Altertums 6,1996 : „Naturkatastrophen in der Antiken Welt“ (= Geographica historica. Band 10). Steiner, Stuttgart 1998, ISBN 3-515-07252-7, S. 94 f.
↑Josef Wiesehöfer: Die Geschichte Irans von den Achaimeniden bis in frühislamische Zeit. In: Wilfried Seipel (Hrsg.): 7000 Jahre persische Kunst. Meisterwerke aus dem Iranischen Nationalmuseum in Teheran: Eine Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien und des Iranischen Nationalmuseums in Teheran. Kunsthistorisches Museum, Wien 2001, ISBN 3-85497-018-8, S. 55–74, hier: S. 59.
↑Udo Sautter: Die 101 wichtigsten Personen der Weltgeschichte (= Beck’sche Reihe. Band 2193). Beck, München 2002, ISBN 3-406-47993-6, S. 15.
↑André Heller: Das Babylonien der Spätzeit (7.–4. Jh.) in den klassischen und keilschriftlichen Quellen (= Oikumene.. Band 7). Verlag Antike (VA), Berlin 2010, ISBN 978-3-938032-38-1, S. 305.
↑Amélie Kuhrt: The Persian Empire: A Corpus of Sources from the Achaemenid Empire. Routledge, London / New York 2007, S. 306–307.
↑Maria Brosius: Women in ancient Persia, 559–331 BC. Oxford University Press, New York 1996, ISBN 0-19-815009-1.
↑Amélie Kuhrt: The Persian Empire: A Corpus of Sources from the Achaemenid Empire. Routledge, London / New York 2007, ISBN 978-0-415-43628-1, S. 238.