Die Befugnisse und Aufgaben des Verfassungsgerichtshofes sind im Fünften Abschnitt des Dritten Teils der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen geregelt: Der Verfassungsgerichtshof entscheidet[1]
über den Ausschluss von Vereinigungen und Personen von der Beteiligung an Wahlen und Abstimmungen,
über Beschwerden im Wahlprüfungsverfahren bei Landtagswahlen,
über Beschwerden von Vereinigungen gegen ihre Nichtanerkennung als Partei für die Wahl zum Landtag,
über die Auslegung der Landesverfassung aus Anlass von Streitigkeiten zwischen obersten Landesorganen oder Teilen dieser Organe (Organstreitigkeiten),
bei Meinungsverschiedenheiten oder Zweifeln über die Vereinbarkeit von Landesrecht mit der Landesverfassung (abstrakte Normenkontrolle),
über die Vereinbarkeit eines Gesetzes mit der Landesverfassung auf Vorlage eines Gerichts, für dessen Entscheidung es auf die Gültigkeit des Gesetzes ankommt (konkrete Normenkontrolle),
über Verfassungsbeschwerden von Gemeinden und Kreisen, mit denen diese eine Verletzung ihres durch die Landesverfassung eingeräumten Rechts auf Selbstverwaltung geltend machen (kommunale Verfassungsbeschwerde),
über Verfassungsbeschwerden von Bürgerinnen und Bürgern (Individualverfassungsbeschwerde) und
in sonstigen durch Gesetz zugewiesenen Fällen.
Verfassungsbeschwerden von Bürgern
Bürger und Einwohner haben seit dem 1. Januar 2019 die Möglichkeit, vor dem Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen eine Verfassungsbeschwerde mit der Behauptung zu erheben, durch einen Akt aller drei Gewalten des Landes Nordrhein-Westfalen in einem durch die Landesverfassung gewährleisteten Grundrecht verletzt zu sein.[2] Hiervon ausgenommen sind Entscheidungen, die aufgrund von Bundesrecht getroffen worden sind, es sei denn, es geht um die Anwendung von Prozessrecht des Bundes durch ein Gericht des Landes.[3]
Der Verfassungsgerichtshof hat in den Monaten Januar bis Juni 2019 neun Verfahren entschieden und veröffentlicht, darunter vier Eilverfahren.[4]
Bekannte Entscheidungen
Individualverfassungsbeschwerden
Die 1. Verfassungsbeschwerde erhob am 7. Februar 2019 ein Beschwerdeführer in Untersuchungshaft, der vortrug, die Strafgerichte hätten nicht hinreichend geprüft, dass für ihn keine Fluchtgefahr bestünde und ihre Entscheidungen nicht ausreichend begründet. Der Verfassungsgerichtshof teilte diese Kritik nicht und wies die Beschwerde zurück.[5]
Erfolgreich war die 2. Verfassungsbeschwerde, die eine blinde Beschwerdeführerin erhob. Sie wollte Blindengeld vor den Verwaltungsgerichten erstreiten, die ihr aber Prozesskostenhilfe versagten. Auf die Verfassungsbeschwerde hin hob der Verfassungsgerichtshof die Entscheidungen erster und zweiter Instanz auf und verwies das Verfahren an das Verwaltungsgericht Köln zur erneuten Prüfung zurück.[6]
Kommunale Verfassungsbeschwerden
Klage gegen Stärkungspaktgesetz
Im Mai 2016 wurde die Klage von 70 Städten und Gemeinden gegen das Stärkungspaktgesetz Stadtfinanzen vom Verfassungsgerichtshof wegen Eingriffs in die Finanzhoheit der Kommunen abgewiesen, weil die finanziellen Belastungen für die betroffenen Gemeinden zumutbar seien.[7][8]
Zusammensetzung
Regeln für die Zusammensetzung
Die Zusammensetzung des Verfassungsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen ist in Artikel 76 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen geregelt:
Der Verfassungsgerichtshof setzte sich bis 2017 aus dem Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts, den beiden lebensältesten Oberlandesgerichtspräsidenten des Landes und vier vom Landtag auf die Dauer von sechs Jahren gewählten Mitgliedern (von denen die Hälfte die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst haben musste) zusammen.
Seit dem 1. Juli 2017 werden alle sieben Mitglieder und ihre Stellvertreter vom Landtag mit Zweidrittelmehrheit für zehn Jahre gewählt, wobei die Wiederwahl ausgeschlossen ist und nur Personen mit Befähigung zum Richteramt gewählt werden können. Drei Mitglieder und ihre Stellvertreter müssen Berufsrichter sein. Die Amtszeit der unmittelbar vor Inkrafttreten der Änderung amtierenden Richter bleibt unberührt.[9]
Seit Juni 2021 ist Barbara Dauner-Lieb Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs.
Aktuelle Mitglieder
Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs (Stand: Juni 2021)[9]
Die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs und ihre Stellvertreter üben ihre Tätigkeit nebenamtlich aus[11]. Sie erhalten eine monatliche Entschädigung und ein Sitzungsgeld pro Sitzungstag, sowie Reisekostenvergütung (VerfGHG NW, §9).
Sitz und Geschäftsstelle
Das Gericht hat seinen Sitz in der westfälischen Universitätsstadt Münster.
Das Gebäude am Aegidiikirchplatz 5 teilt es sich mit dem Oberverwaltungsgericht (OVG). Gemäß § 11 Verfassungsgerichtsgesetz kann der VGH auf die Geschäftseinrichtungen des OVG zurückgreifen. Nach § 3 der Geschäftsordnung hat der VGH von diesem Recht Gebrauch gemacht. Der VGH lässt seine Geschäftsstelle von der des OVG unterstützen.