Die Zeitschrift definierte nach Meinung ihrer Anhänger verbindlich den urbanen Lebensstil der jungen Generation. Thematisch befasste sich Tempo mit Themen zwischen Konsum und Rebellion, AIDS und Armani sowie Popkultur und Hochkultur.
Großes Aufsehen erregte die Zeitschrift mit einer gefälschten Ausgabe der Zeitung Neues Deutschland, die 1988 in Ost-Berlin kostenlos verteilt und in die Post gegeben wurde. Die Ausgabe berichtete vom angeblich neuen politischen „Glasklar-Kurs“ der damaligen DDR-Regierung, die durch den Glasnost-Kurs des sowjetischen Regierungschefs Gorbatschow unter Druck geraten war. Der Bericht war vollkommen frei erfunden, es gab nie eine derartige Strategie seitens der DDR-Führung. Die Aktion wollte versuchen, den Druck auf die Regierung zu erhöhen. Schließlich war das Neue Deutschland das publizistische Organ der Staats- und Regierungspartei SED. Die Falschzeitung wurde einer Tempo-Ausgabe beigelegt, um die Aktion für die westdeutschen Tempo-Leser zu dokumentieren. Aufgrund dieser Aktion wurde das Magazin in die »Liste der Feindlichen Stellen und Kräfte im Operationsgebiet« des Ministeriums für Staatssicherheit aufgenommen.[7]
Im April 1996 wurde Tempo eingestellt. Die Einbrüche im Anzeigengeschäft durch das Privatfernsehen und Konkurrenzobjekte wie Max, Coupé und die deutsche Ausgabe des österreichischen Lifestyle-Magazins Wiener hatten Tempo finanziell schwer angeschlagen. Häufige Richtungswechsel durch wechselnde Chefredakteure hatten das Blatt Leser gekostet.
Jubiläumsausgabe
Zum zwanzigsten Gründungsjubiläum erschien am 8. Dezember 2006 eine einmalige Sondernummer.[8] Als Startauflage wurden 240.000 Exemplare gedruckt und der Heftumfang wurde wegen der großen Nachfrage aus der Werbewirtschaft auf 388 Seiten erweitert, hiervon sind 115 Seiten Anzeigen.
Das Heft erschien erst nach einer zweiten Verschiebung, geplant war ursprünglich der 24. November 2006. Hier knüpft man an eine alte Tradition an: Unter Chefredakteur Peichl ist das Heft so gut wie nie pünktlich am Markt gewesen. Dieser Umstand kostete ihn auch seinen Chefredakteursposten.
Der ehemalige Chefredakteur und „Erfinder“ von Tempo, Markus Peichl, produzierte die Ausgabe mit einem Team, das aus ehemaligen Journalisten und neuen, jüngeren Autoren bestand, in eigener Regie und brachte das Magazin gemeinsam mit dem Jahreszeiten Verlag heraus, wo es von 1986 bis 1996 erschienen war.[8]
Stil und Auswirkung
Für die traditionellen Journalisten und Popkritiker war Tempos Methode, ernsthafte Inhalte mit anarchischem Gonzo-Journalismus, opulenter Optik und Pop-Intellektualismus zu kombinieren, journalistischer Frevel. Anfang der 1990er Jahre begann allerdings Die Zeit, aus ihrem Magazin eine Art Tempo für die ältere Generation zu machen. Die Süddeutsche Zeitung brachte das Jugendmagazin jetzt heraus, das sich eng an Tempo anlehnte. Der Stil der Tempo-Autoren fand viele Nachahmer und prägte nachhaltig ein neues „junges“ Feuilleton.
Chefredakteure und Autoren
Unter Leitung Markus Peichls arbeiteten Autoren wie:
Die meisten Mitarbeiter gingen nach dem Ende des Magazins zu anderen Medien:
+ Markus Peichl hatte mit 0137 die erste tägliche Talkshow sowie mit der deutschen Version von MTVsThe Real World das Realityfernsehen nach Deutschland gebracht und produziert heuteQuelle? Talkshows.
Maxim Biller, Christian Kracht, Michael Althen und Claudius Seidl schreiben für die FAZ
Christian Schlottau (Verlagsleiter und Anzeigen-Bereichsleiter von 1985 bis 1993) ging zum Spiegel (1995–2009) und wurde danach Marketing-Direktor der BURDA News Group. Michael Kramer (Polygram Songs Musikverlag) übernahm die Verlagsleitung 1991 von Christian Schlottau, konnte sich aber mit seinem Diversifizierungskonzept (TEMPO Musiclabel) beim Verleger Thomas Ganske nicht durchsetzen und verließ den Jahreszeitenverlag nach 18 Monaten wieder. Nach vielen Jahren in der Geschäftsleitung der TBWA Werbeagentur leitet Kramer heute seine eigene Kommunikationsagentur brand X GmbH. Ove Saffe – unter Schlottau und Kramer Anzeigenleiter Tempo – wechselte zunächst als Anzeigenleiter in den Heinrich Bauer Verlag, später Berliner Verlag und Spiegel, bevor er im April 2004 zum Verlagsgeschäftsführer Stern, GEO und art bei Gruner & Jahr ernannt wurde. Seit September 2008 ist Saffe Geschäftsführer SPIEGEL-Verlag und Geschäftsführer manager magazin Verlagsgesellschaft.
Kritik
Der Vorwurf, als Vorreiter der Spaßgesellschaft die Ernsthaftigkeit der deutschen Medienwelt „verraten“ zu haben, haftet Tempo bis heute an. Der „New Journalism“, der in den USA seit den 1960er Jahren als literarischer Journalismus in Magazinen wie New Yorker, Vanity Fair oder Atlantic Monthly gepflegt wird, gilt in Deutschland sowohl in der Literatur als auch im Journalismus weiterhin als unseriös. Ein Vorwurf, den der Skandal um die gefälschten Hollywoodinterviews, die der Ex-Tempo-Autor Tom Kummer an mehrere deutschsprachige Zeitschriften verkauft hatte, bei den Traditionalisten nur noch zementierte.
Andreas Hentschel: Zeitgeistjournalismus: Zur Vorgeschichte deutschsprachiger Popliteratur: Das Magazin »Tempo« Tempo (1986–1996) – Eine Dekade aus der Perspektive eines populären Zeitgeistmagazins. Magisterarbeit, 2000.
Andreas Hentschel: Tempo (1986–1996) – Eine Dekade aus der Perspektive eines populären Zeitgeistmagazins.Grin Verlag, 21. August 2001.
Kristin Steenbock: Zeitgeistjournalismus. Zur Vorgeschichte deutschsprachiger Popliteratur: Das Magazin »Tempo«. Transcript Verlag, Bielefeld 2020.
Jens Schröder: Tempo. retromedia.de, 8. Dezember 2006
Einzelnachweise
↑ZEITSCHRIFTEN Mehr knallen, Chefredakteur Markus Peichl, ein Österreicher, hat sich mit „Tempo“ im deutschen Recht verstrickt. Der Spiegel 25. August 1986.
↑Zeitschriften: Lächelnde Leiche. In: Der Spiegel. Nr.16, 1996 (online).
↑Kristin Steenbock: Zeitgeistjournalismus zur Vorgeschichte deutschsprachiger Popliteratur – Das Magazin "Tempo". 1. Auflage. Transcript, Bielefeld 2020, ISBN 978-3-8376-5129-4, S.89 (google.de): „Das inhaltliche sowie visuelle Konzept von Tempo orientiert sich an Vorbildern wie den britischen Magazinen The Face (1980–2004), Blitz (1980–1991), i-D (seit 1980), der amerikanischen Tradition von Esquire (seit 1933) und zum Teil an der französischen Zeitschrift Actuel (1967–1994).“
↑Schreiben vom 15. Februar 1985 in der Fassung vom 14. Oktober 1988, Anlage 2 (Passive Überwachung durch die ZAIG). Vgl. Hubertus Knabe: West-Arbeit des MfS. Berlin 1999, S. 430 ff., hier 448.