Produziert wurde die Sendung von 1980 bis in das Jahr 2003 vom Sender Freies Berlin. Danach war das Format bis zu seinem Ende im Jahr 2009 eine Koproduktion der beiden ARD-Anstalten Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) und Bayerischer Rundfunk (BR), hergestellt im halbjährlichen Wechsel in Berlin und München.
Der Scheibenwischer praktizierte eine Annäherung an das Theater, die wegführte von der klassischen, der Stand-up-Comedy nicht unähnlichen Auftrittsform im deutschen politischen Kabarett. In ähnlicher Form entstanden im Umfeld der Mitwirkenden Bühnenstücke wie München Leuchtet und Diridari, die in den Münchner Kammerspielen aufgeführt wurden.
Aufgrund der politischen „Stoßrichtung“ sorgte der Scheibenwischer – insbesondere unter konservativen Politikern – mehrfach für Ärger und Skandale.
Zum Konzept der Sendung gehörten auch Gastauftritte anderer Kabarettisten, wie beispielsweise von Gerhard Polt, Wolfgang Stumph, Andreas Rebers, Hagen Rether, Philipp Weber oder der Musikgruppe Biermösl Blosn und des Liedermachers Konstantin Wecker. Dabei entstanden einige herausragende Sendungen wie Der Rhein-Main-Donau-Kanal, Krieger denk mal! oder Tschernobyl und die Folgen. Ein regelmäßiger Gast im Scheibenwischer war außerdem der Berliner Kabarettist Frank Lüdecke, der seit 2004 in jeder zweiten Sendung vertreten war.
Für den Literaturwissenschaftler Hans Mayer war bereits der Name der Sendung ein idealistisches Programm: „Wenn Sie das Wort Scheibenwischer genau untersuchen, so ist also doch da ein Bemühen spürbar, dass der Dreck weggewischt wird, dass man klare Sicht bekommt, dass man Licht bekommt, das Licht der Aufklärung, und dass der Dreck der Klischees […] weggewischt wird.“[2]
Auftretende Kabarettisten
Dieter Hildebrandt
Mit der Sendung Scheibenwischer aufs engste verbunden ist der Name des Kabarettisten Dieter Hildebrandt, unter dessen Federführung zwischen 1980 und 2003 insgesamt 144 Sendungen ausgestrahlt wurden. Ab dem Jahr 1985 wurde Bruno Jonas regelmäßiger Gast der Sendung, ab 2000 fester Partner neben Hildebrandt.
Nachdem dieser im Oktober 2003 aus Altersgründen aus dem Scheibenwischer ausgeschieden war, wurde die Sendung von Bruno Jonas, Mathias Richling und Georg Schramm weitergeführt. Ab dem 8. Januar 2004 wurden die 10 neuen Folgen ins Spätprogramm verlegt und die Sendezeit auf 30 Minuten gekürzt.[3] In den Sendungen vom Oktober 2004 sowie am 1. September und 29. Dezember 2005 hatte Dieter Hildebrandt noch einmal Gastauftritte im Scheibenwischer.
Am 24. April 2006 gab Schramm bekannt, dass er seinen letzten Auftritt in der Sendung vom 25. Mai 2006 haben werde und das Ensemble auf eigenen Wunsch verlässt.[4] Als Grund wurden unterschiedliche Vorstellungen von der zukünftigen konzeptionellen Ausrichtung des Sendeformats, das ab Herbst 2006 wieder auf 45 Minuten verlängert wurde, zwischen Schramm und seinen Kollegen genannt.[5] Ab dem 29. Juni 2006 nahm Richard Rogler Schramms Platz ein.[6] Schramm wechselte für die nächsten vier Jahre zur Kabarettsendung Neues aus der Anstalt im ZDF, bevor er sich auch von dort als Ensemble-Mitglied zurückzog.
Im Februar 2008 verließ Rogler das Ensemble. Als Grund nannte der RBB zunächst, er wolle sich auf seine Bühnenauftritte konzentrieren.[7] Später erklärte Rogler aber in einem Interview für Eins zu Eins. Der Talk in Bayern 2, er sei von seinen beiden verbliebenen Kollegen gemobbt worden.[8] In der darauffolgenden Sendung am 21. Februar 2008 standen Jonas und Richling vorerst in einer Zweierkonstellation auf der Bühne.
Am 9. April 2008 gab Bruno Jonas seinen Ausstieg aus der Sendung bekannt. Seinen letzten Scheibenwischer-Auftritt absolvierte er am 30. Dezember 2008. Danach übernahm Mathias Richling alleine die Leitung der Nachfolgesendung Satire Gipfel und wurde von verschiedenen Gästen unterstützt.
Das Ende der Sendung
Nachdem Mathias Richling angekündigt hatte, zukünftig auch Comedians in die Sendung zu holen, untersagte Dieter Hildebrandt im März 2009 die weitere Verwendung des Namens Scheibenwischer. Der Kabarettist hatte sich die Namensrechte bereits in den Anfangstagen 1980 sichern lassen. Die zuständigen Sendeanstalten Rundfunk Berlin Brandenburg und der Bayerische Rundfunk akzeptierten dieses Verbot und beschlossen, die Sendung zukünftig Satire Gipfel zu nennen. Diese wurde am 19. März 2009 erstmals ausgestrahlt. Richling reagierte empört, bezeichnete Hildebrandt als „SPD-Wahlkämpfer“[9] und warf ihm vor, in erster Linie parteipolitisch motivierte Satire betrieben zu haben: „Das Problem ist auch, dass Altgenosse Dieter Hildebrandt kein politisches Kabarett kann, sondern immer nur parteipolitisches. Sein Scheibenwischer wurde von der SPD immer angesehen als parteieigene Sendung. Deshalb geht Hildebrandt leider jede Form von Objektivität ab, auch in der Beurteilung von Kollegen.“[10]
Nachdem weitere namhafte Kabarettisten den Satire Gipfel verlassen hatten, legte Richling die Leitung der Sendung zum Jahresende 2010 nieder. 2011 übernahm Dieter Nuhr trotz seines parallelen Engagements bei RTL die Aufgabe; Nuhr verließ das RBB-Studio und zog ins Radialsystem V in Berlin; seither zahlen die Gäste Eintritt. Auch der Satire Gipfel wurde mittlerweile umbenannt in nuhr im Ersten.
Politische Skandale
Im Laufe der Jahre sorgte der Scheibenwischer mehrfach für politische Kontroversen:
Als unter Franz Josef Strauß begonnen wurde, die zentralen Abschnitte des Rhein-Main-Donau-Kanals zu errichten, nahm Hildebrandt dies 1982 zum Anlass, die Ereignisse in der Sendung zu karikieren. Dabei bezog er sich explizit darauf, dass Millionen von Quadratmetern Naturschutzgebiet in Form von Feuchtwiesen dem Vorhaben zum Opfer fallen würden, während zugleich eine große Zahl bayerischer Regierungsmitglieder in der Chefetage der entsprechenden Betreibergesellschaften säßen. In einem Sketch dazu wedelte Gerhard Polt mit Geldscheinbündeln und Gisela Schneeberger verteilte Schecks an Politiker. Die bayerische Staatsregierung protestierte beim SFB wegen Unterstellungen und eines angeblich „bayernfeindlichen Programms“.[11]
1986 blendete sich der Bayerische Rundfunk für die Dauer der Ausstrahlung einer Folge aus dem gemeinsamen Fernsehprogramm der ARD aus.[12] Am 22. Mai 1986, wenige Wochen nach der Katastrophe von Tschernobyl, nahm Helmut Oeller, damaliger Fernsehdirektor des BR, an einigen Passagen des Manuskriptes für die Sendung am nächsten Tag Anstoß – unter anderem an einer von Werner Koczwara geschriebenen Nummer mit dem Titel Der verstrahlte Großvater, die von Lisa Fitz vorgetragen werden sollte. Da er kein Gehör für seine Forderung nach ARD-weiter Absetzung der Folge fand, kam es zu der denkwürdigen Entscheidung der Ausblendung, so dass dieser Scheibenwischer in Bayern nicht zu empfangen war. Dies rief sowohl in Bayern als auch deutschlandweit Proteste hervor und wurde als Akt der Zensur gebrandmarkt. Teilweise wurde diese Folge des Scheibenwischers dann in SPD-Ortsvereinen und den Münchner Kammerspielen[13] auf Video gezeigt. Die Münchner Abendzeitung druckte Auszüge aus dem Manuskript ab.[14] Nach dem Tod Hildebrandts im November 2013 nahm der Bayerische Rundfunk die Sendung in voller Länge in seine Mediathek auf[15], entfernte sie allerdings kurz danach wieder.
Folgen und Gäste (unvollständig)
Die einzelnen Folgen von Scheibenwischer waren nicht betitelt. In einigen Fällen können – kursiv gesetzte – Titel jedoch von zwei DVD-Kompilationen beziehungsweise von Buchausgaben der Texte von Sendungen übernommen werden.
der Redakteur der Zukunft; Gewaltfixierung der Medien; moderne Trauerarbeit; Friedensbewegung und „schweigende Mehrheit“; Helmut Kohl spricht Matthias Claudius
Die Sendung wurde um drei Wochen vorverlegt, weil die Intendanten der ARD mehrheitlich Bedenken gefolgt waren, der ursprünglich geplante Sendetermin 22. Januar läge zeitlich zu nahe an der Bundestagswahl vom 6. März 1983, in deren Vorfeld Dieter Hildebrandt sich als Wahlkampfhelfer der SPD engagierte.[16] Die Entscheidung wurde von den Kabarettisten in der Sendung ausgiebig verspottet.
Vier Tage vor dem geplanten Sendetermin 23. Januar starb Sammy Drechsel, der Regie bei allen bisherigen Scheibenwischer-Folgen geführt hatte. Auf Bitten der Crew um Dieter Hildebrandt kam es deswegen zu einer Verschiebung der Live-Sendung um zwei Wochen.[19] Die Regie beim Scheibenwischer übernahm Cathérine Miville, die diese Aufgabe bis zum Jahr 2000 ausfüllte. Eine weitere Veränderung, die mit dieser Folge eintrat, war die Verlängerung der Sendezeit von 45 auf 60 Minuten. Jedoch gab es statt fünf oder sechs jetzt nur noch vier Folgen pro Jahr.
Diese Folge wurde nicht ausgestrahlt im Sendegebiet des Bayerischen Rundfunks, dessen Fernsehdirektor Anstoß an einigen Texten der Sendung genommen hatte. Kritiker der Entscheidung sprachen von „Zensur“.[20]
Erstmals bestritt Dieter Hildebrandt eine ganze – zudem sechzigminütige – Sendung mit nur einem Kollegen. Der spätere Gastgeber Richard Rogler hinterließ bei seinem Scheibenwischer-Debüt gleich einen bleibenden Eindruck. Sein wiederholter Ausruf „Wahnsinn!“ – eine Veralberung von Karl Moik und dessen Enthusiasmus bei einem Besuch seines Musikantenstadls in Cottbus im Dezember 1989 – entwickelte sich sogar zu einem Markenzeichen des Kabarettisten.[21]
↑Preisträger 1986.Grimme-Institut, 1986 noch Adolf Grimme Institut genannt, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. November 2014; abgerufen am 29. März 2015 (Enthält Begründung).
↑
Elke Reinhard: Warum heißt Kabarett heute Comedy? Metamorphosen in der deutschen Fernsehunterhaltung. LIT-Verlag, Berlin 2006. ISBN 3-8258-9231-X, S. 98.
↑Dieter Hildebrandt, Gerhard Polt, Hanns Christian Müller: Faria Faria Ho! Der Deutsche und sein „Zigeuner“. Das Buch zum Scheibenwischer über Sinti und Roma. Droemer Knaur, München 1985, ISBN 3-426-02179-X.
↑Scheibenwischer-Zensur. Vollständiger Text der Sendung und Dokumentation über die Reaktionen in der Öffentlichkeit. Mit einem Vorwort von Heinrich Albertz. Droemer Knaur, München 1986, ISBN 978-3-426-02188-0.