Karl Otten war der Sohn eines Zollbeamten. Von 1890 bis 1905 wuchs er auf in Köln, danach Dortmund, Bochum und Aachen (von 1907 an), dort war er Schüler des Kaiser-Wilhelm-Gymnasiums, wo er einem Kreis literaturbegeisterter Gleichaltriger angehörte; weitere Mitglieder waren Walter Hasenclever und Ludwig Strauss sowie Philipp Keller und Julius Talbot Keller. Mit Hasenclever und J. Talbot Keller gab er 1910 den „Aachener Almanach“ heraus. In Aachen machte er Bekanntschaft mit den sozialreformerischen Ideen des katholischen Priesters Carl Sonnenschein, des Begründers und Leiters des „Volksvereins für das katholische Deutschland“, die ihn stark beeinflussten.
Otten übersiedelte 1918 mit seiner ersten Ehefrau, der österreichischen Malerin und Designerin Maria Rosalie Friedmann, genannt Mitzi,[1] mit der er seit 1916 verheiratet war, nach Wien. Das Paar hatte einen Sohn, Hugo Julian.
Von Wien aus beteiligte sich Otten an mehreren Zeitschriftenprojekten, die den revolutionären Umsturz in Deutschland propagierten. So gab er zusammen mit Julian Gumperz im Malik-Verlag die Blätter zur Kritik der ZeitDer Gegner heraus, in dessen ersten Heft sein Jugendfreund Julius Talbot Keller das Pamphlet Was sind Revolutionen? veröffentlichte.[2]
Er hatte Kontakt zu Joseph Roth, Alfred Polgar, Robert Musil und zu Sigmund Freud. Nachdem Otten sich von seiner Frau getrennt hatte, ging er 1922 nach Berlin, wo er als Journalist für verschiedene republiktreue Zeitungen und Zeitschriften tätig war. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifungemigrierte er am 12. März 1933, wobei er über Paris nach Barcelona floh und von dort nach Cala Ratjada auf Mallorca, wo er am 27. März 1933 eintraf. Die beiden folgenden Winter, den Winter 1933/34 und 1934/35, hielt er sich in Paris auf. Ab 1935 war sein ständiger Wohnort das Fischerdorf Cala Ratjada.[3]
Nach dem Beginn des Spanischen Bürgerkriegs gelang ihm die Flucht vor der drohenden spanischen Internierung; über Frankreich gelangte er schließlich nach Großbritannien. In den nächsten Jahren arbeitete er in London für die BBC sowie für deutsch- und englischsprachige Zeitschriften. Nach seiner vollständigen Erblindung im Jahre 1944 war er bei der Fortsetzung seiner journalistischen Arbeit auf die Unterstützung seiner zweiten Ehefrau, der Übersetzerin Ellen Otten (1909–1999), geborene Kroner, die er 1930 kennengelernt und 1939 geheiratet hatte, angewiesen.[4] Ab 1947 war Otten britischer Staatsbürger. 1958 übersiedelte er nach Minusio bei Locarno im schweizerischenKanton Tessin, wo er seine letzten Lebensjahre verbrachte.
Im Laufe der 1920er-Jahre entstanden weitere erzählerische Werke, und im Anschluss an seine Flucht aus Spanien schrieb Otten mit Torquemadas Schatten einen wichtigen Roman über den Spanischen Bürgerkrieg. Während seines Exils in Großbritannien wurde er vor allem durch die englische Übersetzung seiner soziologischen Analyse des Nationalsozialismus bekannt, die 1942 unter dem Titel A combine of aggression erschien (das deutsche Original wurde erst 1989 als Geplante Illusionen veröffentlicht).
Der „Karl-Otten-Preis für Expressionismus und Exilforschung“ wird durch das Deutsche Literaturarchiv in Marbach am Neckar verliehen.
Werke
Die Reise durch Albanien 1912, München 1913
Neuauflage als Die Reise durch Albanien und andere Prosa, Zürich 1989
Neuauflage herausgegeben und mit einer Einleitung von Elisabeth Pfurtscheller, Eutin 2014, ISBN 978-1-4991-0401-1
Der Sprung aus dem Fenster, Leipzig 1918
Die Thronerhebung des Herzens, Berlin-Wilmersdorf 1918
Lona, Wien 1920
Der Fall Strauss, Berlin 1925
Prüfung zur Reife, Leipzig 1928
Die Expedition nach San Domingo. Schauspiel in acht Bildern, Berlin 1931
Der schwarze Napoleon – Toussaint Louverture und der Negeraufstand auf San Domingo. Roman, Berlin 1931
Paris 6. Mai 1932. Schauspiel in fünf Akten, Berlin 1932 (zusammen mit Stephan Fingal)
Torquemadas Schatten, Stockholm 1938
Neuauflage im Konkret-Literatur Verlag 1980 in der Bibliothek der verbrannten Bücher. Hamburg 1980, ISBN 3-922144-07-1.
Torquemadas Schatten: Ein Mallorca-Roman aus dem Spanischen Bürgerkrieg, herausgegeben von Hartmut Ihnenfeldt, Reisebuch Verlag 2014 (E-Book und Taschenbuchausgabe)
A combine of aggression : masses, elite and dictatorship in Germany. Transl. by Eden Paul & F. M. Field (from the author's German manuscript [hitherto unpublished]). London : Allen & Unwin 1942. Auf Deutsch erschienen als:
Geplante Illusionen – eine Analyse des Faschismus. Mit einem Nachw. von Lothar Baier, Luchterhand-Literaturverl., Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-630-86706-5
Der ewige Esel, Zürich [u. a.] 1949
Die Botschaft, Darmstadt [u. a.] 1957
Der Ölkomplex, Emsdetten (Westf.) 1959
Herbstgesang, Neuwied a. Rh. 1961
Wurzeln – Roman. Mit einem Abschiedsgruss von Kasimir Edschmid. Neuwied a. Rhein 1963
Der unbekannte Zivilist, Stuttgart 1981
Herbst 1939, Marbach am Neckar 1988
Das tägliche Gesicht der Zeit, Aachen 1989
Die Reise nach Deutschland, Bern [u. a.] 2000
Karl Otten Lesebuch. Zusammengestellt und mit einem Nachwort versehen von Enno Stahl. Köln 2007 (= Nylands kleine rheinische Bibliothek, Bd. 1). ISBN 978-3-936235-17-3
Geschichten aus Cala Ratjada, herausgegeben und z. T. übersetzt von Hartmut Ihnenfeldt, reisebuch.de 2013
Ausgewählte Gedichte
Lied des Hirten (Wo ist mein Lamm das ich herzte)
Nußbäume (Von kühler Säure schwer und undurchsichtig)
Heimweh (Heimweh quält mich nach einer anderen Welt)[5]
Ahnung und Aufbruch. Expressionistische Prosa. Herausgegeben und eingeleitet von Karl Otten. Luchterhand, Darmstadt 1957 (Digitalisat im Internet Archive)
Das leere Haus – Prosa jüdischer Dichter. Stuttgart 1959
Schrei und Bekenntnis. Expressionistisches Theater. Herausgegeben und eingeleitet von Karl Otten. Luchterhand, Darmstadt 1959 (Digitalisat im Internet Archive)
Georg Kreisler: Zwei alte Tanten tanzen Tango … und andere Lieder, Zürich 1961
Expressionismus – grotesk, Zürich 1962
Georg Kreisler: Der guate alte Franz und andere Lieder, Zürich 1962
Schofar – Lieder und Legenden jüdischer Dichter., Neuwied a. Rh. 1962
Ego und Eros- : Meistererzählungen des Expressionismus. Mit einem. Nachwort von Heinz Schöffler. Die bio-bibliographische Notizen besorgte Ellen Otten, Goverts, Stuttgart 1963
Gregor Ackermann: 'Die Verwandlungen des Delphin'. Roman von Karl Otten. Bibliographische Grillen 1. In: Juni. Magazin für Kultur & Politik, Nr. 18, Mönchengladbach, 1993, S. 145–148.
Werner Jung: Karl Otten. Ein Porträt. In: Juni. Magazin für Kultur & Politik am Niederrhein, Nr. 4/87. Mönchengladbach: Juni-Verlag, 1987. ISSN0931-2854.
Bernhard Zeller (Hrsg.): Karl Otten. Werk und Leben. Texte – Berichte – Bibliographie. Mainz: Verlag von Hase und Koehler, 1982. ISBN 3-7758-1017-X.
Fritz und Sieglinde Mierau (Hrsg.): Almanach für Einzelgänger. Hamburg: Edition Nautilus, 2001. ISBN 3-89401-366-4.
Otten, Karl, in: Werner Röder; Herbert A. Strauss (Hrsg.): International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933–1945. Band 2,2. München : Saur, 1983, ISBN 3-598-10089-2, S. 881
Dorit Krusche: Kulturindustrie und Nationalsozialismus (Artikelreihe „Bausteine für ein Museum des Exils“, Teil 10). In: FAZ vom 1. September 2012 (abgerufen am 8. März 2020)