Die Ursprünge und Traditionslinien der Jazz-Posaune
Die Posaune begann als Rhythmus- und Harmonie-Instrument: In den frühen Tagen des Jazz war sie kaum mehr als ein geblasener Kontrabass; sie gab den Melodieinstrumenten den harmonischen Untergrund, über den sie sich frei bewegen konnten.[1] In den Big Bands wurden Trompeten und Posaunen in der brass section zusammengefasst, der die reed section, die Saxophongruppe gegenüberstand.
Der Jazzkritiker Joachim-Ernst Berendt sah in Kid Ory (1886–1973) den größten Posaunisten des New Orleans Jazz (Ory baute auf Zue Robertson auf,[2] dessen Spiel jedoch nur vereinzelt dokumentiert ist). Weitere Posaunisten dieser frühen Richtung waren Honoré Dutrey (1894–1935) und Preston Jackson (1902–1983). Berendt sah in der ersten Ausgabe seines Jazzbuchs von 1953 von diesen Musikern sowie dem weißen Posaunisten George Brunies aus vier Hauptlinien des Posaunenspiels in der Jazzmusik.
Von Preston Jackson läuft eine zweite Linie über Jimmy Archey (1902–1967), der in Luis Russells Orchester spielte und später in der New Orleans Revival-Bewegung aktiv war, zu Vic Dickenson (1906–1984); dieser war ein weiteres Vorbild für J. J. Johnson.
Eine vierte Entwicklungslinie sieht Berendt ausgehend von Honoré Dutrey über den früh verstorbenen Charlie Green (um 1895–1936), der in Fletcher Hendersons Orchester spielte, zu den legendären Posaunisten des Duke Ellington Orchesters, Tricky Sam Nanton (1904–1946), Juan Tizol (1900–1984) und Lawrence Brown (1907–1988). Andre Asriel stellte der aus New Orleans stammenden rauen Tailgate-Posaune die melodisch-respondierende Blues-Spielweise von Charlie Green gegenüber und betonte die Rolle von Tricky Sam Nanton, der die Growl-Technik von der Trompete übernahm. Seit Jimmy Harrison wird nach seiner Ansicht die Posaune melodiöser geblasen.[3]
J. J. Johnson gilt als wichtigster Posaunist des Bebop; später war er stilbildend mit seiner erfolgreichen Kooperation mit dem Posaunisten Kai Winding (1922–1983) als Jay and Kai sowie den Four Trombones-Projekt mit Winding; Eddie Bert, Willie Dennis und Urbie Green. Durch einen immer schlanker werdenden Ton und eine bis dahin ungeahnte Beweglichkeit konnte sich die Posaune nun in ihren Spielmöglichkeiten deutlich dem Saxophon annähern.[3]
Grachan Moncur III (1937–2022) gilt als der erste Posaunist, der Mitte der 1960er Jahre aus dem Schatten von J. J. Johnson treten konnte.[7] Er war mehr an Sounds und Klängen als instrumentaler Technik interessiert. Ein weiterer Avantgarde-Jazz-Posaunist ist Roswell Rudd (1935–2017); Richard Cook und Brian Morton bezeichnen ihn als einen der phantasievollsten Posaunisten seit J. J. Johnson. Julian Priester (* 1935) war prägend als Jazzrock-Posaunist im Herbie Hancock Sextett; er spielte u. a. auch in dem pianolosen Max Roach Quintett. George Lewis (* 1952) ging als herausragender Posaunist aus dem ChicagoerAACM-Kreis hervor. Dort wirkte auch Joseph Bowie (* 1953); er trug die Free-Jazz-Posaune in den Funk-Jazz.