Inheiden

Inheiden
Stadt Hungen
Koordinaten: 50° 28′ N, 8° 54′ OKoordinaten: 50° 27′ 30″ N, 8° 53′ 34″ O
Höhe: 137 (128–142) m ü. NHN
Fläche: 4,76 km²[1]
Einwohner: 1226 (31. Dez. 2022) HW+NW[2]
Bevölkerungsdichte: 258 Einwohner/km²
Eingemeindung: 1. Januar 1977
Postleitzahl: 35410
Vorwahl: 06402
Luftbild von Inheiden (2020)
Luftbild von Inheiden (2020)

Inheiden ist ein Stadtteil der Stadt Hungen im mittelhessischen Landkreis Gießen.

Geografische Lage

Inheiden liegt südlich direkt an Hungen. Durch den Ort führt die Bundesstraße 489 und die Kurze Hessen, die Frankfurt am Main mit Eisenach verbindet. Am Ortsrand liegen mehrere Seen. Einer davon ist der Trais-Horloffer See, der im Volksmund auch Inheidener See genannt wird. Er gilt als der größte See Oberhessens.

Ortsgeschichte

Mittelalter

Besiedelt wurde die Gegend um das heutige Inheiden bereits zu römischer Zeit. Darauf weist der zwischen Hungen und Inheiden verlaufende Limes hin. Als „Kastell Inheiden“ wird ein ehemaliger römischer Kastellplatz an der nördlichen Wetteraustrecke des Obergermanisch-Rätischen Limes bezeichnet, der im Jahre 2005 den Status des UNESCO-Weltkulturerbes erlangte. Das Bodendenkmal befindet sich östlich von Inheiden, einem Stadtteil von Hungen.

Erstmals urkundlich erwähnt wurde der Ort im Jahre 1141: „predium in Inheiden“ (Besitz in Inheiden).[3] Ebenfalls wird zwischen 1145 und 1153 Deutschordensbesitz „predia in Gineheiden et Ouerenhouen“ (Besitz in Inheiden und Obbornhofen) angeführt.[4] 1290 „in villa Inheyden“[5] Im Jahr 1294 werden in einer Urkunde des Klosters Arnsburg „Happele de Steynheim, Ludwicus de Inheiden“ (Happel von Steinheim, Ludwig von Inheiden) genannt.[6] 1302 wird „Ludovicus de Ineheide“ und 1312 als „Ludovicus de Heneheydin“ erwähnt.[7] „Zu Enheiden“ heißt es 1420 in einer Urkunde.[8] In der Ortsnamenforschung wird Inheiden als „Siedlung im Ödland“ gedeutet.[9]

Neuzeit

1912 wurde durch die Regierung Oberhessens ein Wasserwerk gebaut, welches Teile der Stadt Frankfurt und auch andere Orte mit Trinkwasser versorgt. Weil die Gemeinde für den Bau der Wasserversorgung Grundstücke verkaufte, erhielt sie ein „Wasserprivileg“, welches ihr für alle Zeiten eine kostenlose Wasserversorgung sicherte. Diese begrenzt sich auf 120 Liter pro Kopf und Tag.[10]

Im Zuge der Gebietsreform in Hessen wurde am 1. Januar 1977 kraft Landesgesetz die bis dahin selbstständige Gemeinde Inheiden in die Kleinstadt Hungen eingegliedert.[11] Für Inheiden wie für alle Stadtteile wurde ein Ortsbezirk eingerichtet.[12]

Verwaltungsgeschichte im Überblick

Die folgende Liste zeigt die Staaten und Verwaltungseinheiten,[Anm. 1] denen Inheiden angehört(e):[1][13][14]

Gerichte seit 1803

In der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt wurde mit Ausführungsverordnung vom 9. Dezember 1803 das Gerichtswesen neu organisiert. Für das Fürstentum Oberhessen (ab 1815 Provinz Oberhessen) wurde das „Hofgericht Gießen“ eingerichtet. Es war für normale bürgerliche Streitsachen Gericht der zweiten Instanz, für standesherrliche Familienrechtssachen und Kriminalfälle die erste Instanz. Übergeordnet war das Oberappellationsgericht Darmstadt. Die Rechtsprechung der ersten Instanz wurde durch die Ämter bzw. Standesherren vorgenommen und somit war für Inheiden ab 1806 das „Patrimonialgericht der Grafen Solms-Laubach“ in Utphe zuständig. Nach der Gründung des Großherzogtums Hessen 1806 wurden die Aufgaben der ersten Instanz 1821–1822 im Rahmen der Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung auf die neu geschaffenen Land- bzw. Stadtgerichte übertragen. Ab 1822 ließen die Grafen Solms-Laubach ihre Rechte am Gericht durch das Großherzogtum Hessen in ihrem Namen ausüben. „Landgericht Laubach“ war daher die Bezeichnung für das erstinstanzliche Gericht, das für Inheiden zuständig war. Auch auf sein Recht auf die zweite Instanz, die durch die Justizkanzlei in Hungen ausgeübt wurde, verzichtete Graf Karl 1823.[19] Erst infolge der Märzrevolution 1848 wurden mit dem „Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren“ vom 15. April 1848 die standesherrlichen Sonderrechte endgültig aufgehoben.[20] Mit dem 1. November 1848 wurde Inheiden an das Landgericht Hungen abgegeben.[21]

Anlässlich der Einführung des Gerichtsverfassungsgesetzes mit Wirkung vom 1. Oktober 1879, infolge derer die bisherigen großherzoglichen Landgerichte durch Amtsgerichte an gleicher Stelle ersetzt wurden, während die neu geschaffenen Landgerichte nun als Obergerichte fungierten, kam es zur Umbenennung in „Amtsgericht Hungen“ und Zuteilung zum Bezirk des Landgerichts Gießen.[22] Am 1. Juni 1934 wurde das Amtsgericht Hungen aufgelöst und Utphe dem Amtsgericht Lich zugeteilt.[23] Am 1. Juni 1934 wurde das Amtsgericht Lich aufgelöst und Inheiden dem Amtsgericht Gießen zugeteilt.[24]

Bevölkerung

Einwohnerstruktur 2011

Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Inheiden 1128 Einwohner. Darunter waren 15 (1,3 %) Ausländer. Nach dem Lebensalter waren 189 Einwohner unter 18 Jahren, 489 zwischen 18 und 49, 222 zwischen 50 und 64 und 225 Einwohner waren älter.[25] Die Einwohner lebten in 480 Haushalten. Davon waren 126 Singlehaushalte, 150 Paare ohne Kinder und 156 Paare mit Kindern, sowie 36 Alleinerziehende und 9 Wohngemeinschaften. In 93 Haushalten lebten ausschließlich Senioren und in 321 Haushaltungen lebten keine Senioren.[25]

Einwohnerentwicklung

• 1631: 46 Untertanen[1]
Inheiden: Einwohnerzahlen von 1830 bis 2020
Jahr  Einwohner
1830
  
358
1834
  
361
1840
  
366
1846
  
397
1852
  
388
1858
  
322
1864
  
326
1871
  
335
1875
  
350
1885
  
357
1895
  
388
1905
  
389
1910
  
425
1925
  
482
1939
  
636
1946
  
838
1950
  
834
1956
  
792
1961
  
796
1967
  
896
1971
  
966
1987
  
948
1991
  
1.138
2000
  
1.148
2005
  
1.205
2011
  
1.128
2015
  
1.104
2020
  
1.184
Datenquelle: Histo­risches Ge­mein­de­ver­zeich­nis für Hessen: Die Be­völ­ke­rung der Ge­mei­nden 1834 bis 1967. Wies­baden: Hes­sisches Statis­tisches Lan­des­amt, 1968.
Weitere Quellen: [1]; nach 1970 Stadt Hungen[26]; Zensus 2011[25]

Historische Religionszugehörigkeit

• 1830: 345 evangelische und 13 jüdische Einwohner[1]
• 1961: 556 evangelische, 100 katholische Einwohner[1]

Historische Erwerbstätigkeit

• 1961: Erwerbspersonen: 99 Land- und Forstwirtschaft, 202 Prod. Gewerbe, 52 Handel, Verkehr und Nachrichtenübermittlung, 31 Dienstleistung und Sonstiges[1]

Politik

Für den Stadtteil Inheiden besteht ein Ortsbezirk (Gebiete der ehemaligen Gemeinde Inheiden) mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung.[12] Der Ortsbeirat besteht aus sieben Mitgliedern. Bei den Kommunalwahlen in Hessen 2021 betrug die Wahlbeteiligung zum Ortsbeirat 59,98 %. Dabei wurden gewählt: Je ein Mitglied der CDU, der SPD, des Bündnis 90/Die Grünen und der „Bürgerliste Pro Hungen“ (ProH), sowie drei Mitglieder der „Freien Wähler Hungen“.[27] Der Ortsbeirat wählte Wendelin Weil (FW) zum Ortsvorsteher.[28]

Infrastruktur

Anmerkungen und Einzelnachweise

Anmerkungen

  1. Bis zur Trennung der Rechtsprechung von der Verwaltung waren die Ämter und frühen Gerichte sowohl Gericht als auch Verwaltungsorgan.
  2. Mediatisierung infolge der Rheinbundakte.
  3. Patrimonialgericht: Standesherrliches Amt Utphe des Grafen Solms-Laubach.
  4. Trennung zwischen Justiz (Landgericht Laubach; 1822 gingen die Rechte des „standesherrlichen Amts Laubach“ an das Landgericht über, wo sie im Namen der Standesherren ausgeübt wurden) und Verwaltung.
  5. Der Norddeutsche Bund war der erste deutsche Bundesstaat unter der Führung Preußens. Er war die geschichtliche Vorstufe des Deutschen Reichs. Infolge des Deutschen Krieges wurde die Provinz Oberhessen dort zwangsweise Mitglied.
  6. Im Zuge der Gebietsreform 1938 wurde die Provinz Oberhessen aufgelöst.
  7. Infolge des Zweiten Weltkriegs.
  8. Am 1. Januar 1977 als Ortsbezirk zur Stadt Hungen.

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g Inheiden, Landkreis Gießen. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 15. März 2018). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  2. Einwohnerzahlen inkl. Nebenwohnsitze. In: Internetauftritt. Stadt Hungen, abgerufen im März 2024.
  3. Arthur Wyss: Urkundenbuch der Deutschordens−Ballei Hessen. Band I − III. Leipzig 1879 − 1899. Band III, Nr. 1332, S. 306.
  4. Arthur Wyss: Deutschorden III, Nr. 1332, S. 306.
  5. Ludwig Baur: Urkundenbuch des Klosters Arnsburg in der Wetterau. Darmstadt 1851. Nr. 230, S. 225.
  6. Ludwig Baur: Arnsburger Urkundenbuch. Nr. 1335, S. 310.
  7. Ludwig Baur: Arnsburger Urkundenbuch, Nr. 303, S. 225; Nr. 412, S. 282.
  8. Ludwig Baur: Hessische Urkunden aus dem Großherzoglich Hessischen Haus− und Staatsarchive. Band I −V. Darmstadt 1860 − 1873. Band IV. Nr. 77, S. 64.
  9. Lutz Reichardt: Die Siedlungsnamen der Kreise Gießen, Alsfeld und Lauterbach. Namenbuch. Dissertation. Göppingen 1973. S. 198 −200. Hier S. 199.
  10. Ulla Sommerlad: Kippt Inheidens Wasserprivileg? in: Wetterauer Zeitung Nr. 288. S. 28 vom 10. Dezember 2024.
  11. Gesetz zur Neugliederung des Dillkreises, der Landkreise Gießen und Wetzlar und der Stadt Gießen (GVBl. II 330–28) vom 13. Mai 1974. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 1974 Nr. 17, S. 237 ff., § 8 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 1,2 MB]).
  12. a b Hauptsatzung der Stadt Hungen (2. Änderung). Abgerufen im März 2024.
  13. Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  14. Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 13. G. Jonghause’s Hofbuchhandlung, Darmstadt 1872, OCLC 162730471, S. 12 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  15. Wilhelm von der Nahmer: Handbuch des Rheinischen Particular-Rechts: Entwickelung der Territorial- und Verfassungsverhältnisse der deutschen Staaten an beiden Ufern des Rheins : vom ersten Beginnen der französischen Revolution bis in die neueste Zeit. Band 3. Sauerländer, Frankfurt am Main 1832, OCLC 165696316, S. 22, 439 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  16. Neuste Länder und Völkerkunde. Ein geographisches Lesebuch für alle Stände. Kur-Hessen, Hessen-Darmstadt und die freien Städte. Band 22. Weimar 1821, S. 425 (online bei Google Books).
  17. Georg W. Wagner: Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen: Provinz Oberhessen. Band 3. Carl Wilhelm Leske, Darmstadt 1830, S. 135 (online bei Google Books).
  18. Gesetz über die Aufhebung der Provinzen Starkenburg, Oberhessen und Rheinhessen vom 1. April 1937. In: Der Reichsstatthalter in Hessen Sprengler (Hrsg.): Hessisches Regierungsblatt. 1937 Nr. 8, S. 121 ff. (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 11,2 MB]).
  19. Theodor Hartleben (Hrsg.): Allgemeine deutsche Justiz-, Kameral- und Polizeifama, Band 2, Teil 1. Johann Andreas Kranzbühler, 1832, S. 271 (online bei Google Books).
  20. Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren vom 7. August 1848. In: Großherzog von Hessen (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1848 Nr. 40, S. 237–241 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 42,9 MB]).
  21. Bekanntmachung, verschiedene Veränderungen in der Bezirkseintheilung der Landgerichte Laubach, Hungen, Lich und Butzbach betreffend vom 5. Oktober 1848 (Hess. Reg.Bl. S. 366)
  22. Verordnung zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze vom 14. Mai 1879. In: Großherzog von Hessen und bei Rhein (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1879 Nr. 15, S. 197–211 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 17,8 MB]).
  23. Verordnung über die Umbildung von Amtsgerichtsbezirken vom 11. April 1934. In: Der Hessische Staatsminister (Hrsg.): Hessisches Regierungsblatt. 1934 Nr. 10, S. 63 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 13,6 MB]).
  24. Verordnung über die Umbildung von Amtsgerichtsbezirken vom 11. April 1934. In: Der Hessische Staatsminister (Hrsg.): Hessisches Regierungsblatt. 1934 Nr. 10, S. 63 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 13,6 MB]).
  25. a b c Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1,1 MB) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt, S. 6 und 46, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 27. Oktober 2020;.
  26. Einwohner mit Nebenwohnsitzen: 1999–2007; 1971–2015 2020
  27. Ortsbeiratswahl Ortsbezirk Inheiden. In: Votemanager. Stadt Hungen, abgerufen im März 2024.
  28. Ortsbeirat Inheiden. In: Ratsinformationssystem. Stadt Hungen, abgerufen im März 2024.
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