Das Höchster Becken war, wie andere günstig gelegene Plätze im Mümlingtal, spätestens seit der Jungsteinzeit dauerhaft besiedelt. Zahlreiche steinzeitliche Spuren sowie Funde aus keltischer und römischer Zeit zeugen davon. Im Ortsteil Hummetroth wurde eine römische „villa rustica“ aus dem 2. Jahrhundert freigelegt; sie ist heute als Freilichtmuseum zugänglich (Römische Villa Haselburg).
Die älteste erhaltene schriftliche Erwähnung von Höchst datiert von 1156.[2] Weitere Erwähnungen in Urkunden und Dokumenten erfolgen im Verlauf des Mittelalters und der Frühen Neuzeit unter den Ortsnamen: Hoiste (1156), Hoste(n) (1366/1374), Hoest(e) (1393, 1438), Hest (1485) und Hoegst (1567, 1607) zum heutigen Höchst.[3]
Seit 1857 ist das südöstlich von Höchst gelegene Tal des Obrunnbachs als Obrunnschlucht bekannt und touristisch wechselvoll erschlossen.
Sofort nach der Etablierung des Dritten Reiches begann der Terror gegen Regimegegner. Am Abend des 2. März 1933 wurden der Höchster SPD-Vorsitzende Wilhelm Fröhlich und – aus Versehen – der SA-Mann Andreas Weidt von SA-Männern erschossen.[4] In der Folge wurde der Widerstand der Arbeiterbewegung – in Höchst überwiegend SPD-orientiert, vereinzelt auch Kommunisten – rigoros zerschlagen. Für die Betroffenen bedeutete dies Inhaftierung in Gefängnissen und Zuchthäusern, aber auch Schutzhaft in Gestapo-Gefängnissen und Konzentrationslagern.[5]
Das Schicksal der noch rechtzeitig ausgewanderten und der später in Konzentrationslagern ermordeten Höchster Juden (1933: 102 ; Wohnhäuser: 28 ) versuchte die Arbeitsgemeinschaft zur Erforschung der Höchster Heimatgeschichte unter dem Schriftleiter und späteren Bürgermeister Reiner Guth 40 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg aufzuklären und zu dokumentieren.[6] Außerdem beschloss die Gemeindevertretung, zur Erinnerung an die Zerstörung der Synagoge in der Reichspogromnacht des Jahres 1938 ein Denkmal zu errichten.
Während des Zweiten Weltkriegs wurden in Höchst (einschließlich Ortsteilen) mindestens (Dunkelziffer) 331 ausländische Zwangsarbeiter eingesetzt. 123 stammten aus Polen, 99 aus der Sowjetunion, 72 aus Frankreich. Der Rest kam aus den Niederlanden, Italien, Belgien, Bulgarien, Litauen und Jugoslawien, drei waren Staatenlose. Im Ortsbereich konnten vier Lager lokalisiert werden.[7]
Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Höchst im Odenwald 9928 Einwohner. Darunter waren 1583 (15,9 %) Ausländer, von denen 945 aus dem EU-Ausland, 567 aus anderen Europäischen Ländern und 71 aus anderen Staaten kamen.[11] (Bis zum Jahr 2020 erhöhte sich die Ausländerquote auf p,p %.[12]) Nach dem Lebensalter waren 1791 Einwohner unter 18 Jahren, 3181 zwischen 18 und 49, 2189 zwischen 50 und 64 und 1877 Einwohner waren älter.[13] Die Einwohner lebten in 4188 Haushalten. Davon waren 1218 Singlehaushalte, 1189 Paare ohne Kinder und 1369 Paare mit Kindern, sowie 342 Alleinerziehende und 70 Wohngemeinschaften.[14] In 828 Haushalten lebten ausschließlich Senioren und in 2828 Haushaltungen lebten keine Senioren.[15]
Einwohnerentwicklung
Höchst im Odenwald: Einwohnerzahlen von 1829 bis 2020
Jahr
Einwohner
1829
1.277
1834
1.463
1840
1.547
1846
1.600
1852
1.499
1858
1.522
1864
1.512
1871
1.841
1875
1.768
1885
1.776
1895
1.813
1905
1.998
1910
2.091
1925
2.152
1939
2.405
1946
3.437
1950
3.565
1956
3.707
1961
3.998
1967
4.469
1970
4.657
1973
8.040
1975
8.089
1980
8.382
1985
8.604
1990
9.027
1995
9.676
2000
9.972
2005
9.974
2010
9.778
2011
9.928
2015
10.076
2020
10.209
Datenquelle: Historisches Gemeindeverzeichnis für Hessen: Die Bevölkerung der Gemeinden 1834 bis 1967. Wiesbaden: Hessisches Statistisches Landesamt, 1968. Weitere Quellen: [3]; Hessisches Statistisches Informationssystem[12]; Zensus 2011[11] Ab 1970 einschließlich der im Zuge der Gebietsreform in Hessen eingegliederten Orte.
Nach der hessischen Kommunalverfassung wird der Bürgermeister für eine sechsjährige Amtszeit gewählt, seit dem Jahr 1993 in einer Direktwahl, und ist Vorsitzender des Gemeindevorstands, dem in der Gemeinde Höchst neben dem Bürgermeister ehrenamtlich ein Erster Beigeordneter und neun weitere Beigeordnete angehören.[22] Bürgermeister ist seit dem 1. Januar 2024 Jens Fröhlich (KAH).[23] Er wurde als Nachfolger von Horst Bitsch, der nach zwei Amtszeiten nicht wieder kandidiert hatte,[24] am 10. September 2023 ohne Gegenkandidaten im ersten Wahlgang bei 34,10 Prozent Wahlbeteiligung mit 83,31 Prozent der Stimmen gewählt.[25]
Blasonierung: „In Silber auf blauem Wellenbalken eine dreibogige steinerne rote Brücke, darüber zwei und darunter ein roter Stern.“[28]
Das Wappen wurde der Gemeinde Höchst im Odenwald 1934 genehmigt. Gestaltet wurde es durch den Heraldiker Georg Massoth.
Es zeigt die ehemalige Brücke über die Mümling und symbolisiert so die Lage von Höchst auf beiden Seiten des Flusses. Die Sterne sind aus dem Wappen der Grafen von Erbach entnommen, die früher über den Ort herrschten.
Ursprünglich stand zwischen den beiden oberen Sternen noch ein schwarzes Hakenkreuz, das 1945 entfernt wurde.
Paten- und Partnerschaften
Die Gemeinde Höchst im Odenwald übernahm schon am 2. August 1953 die Patenschaft für die sudetendeutsche Gemeinde Bölten (heute Bělotín in Tschechien) im ehemaligen Regierungsbezirk Troppau, später auch für die sieben anderen Gemeinden des Kirchspiels Bölten mit insgesamt 3765 Einwohnern am 17. Mai 1939: Daub, Hermitz, Kunzendorf, Litschel, Lutschitz, Neudek und Pohl.[29][30] Höchst ist alljährlich Ort der Begegnung für die 1946 mit sechs Aussiedlungstransporten in die amerikanische Besatzungszone Deutschlands vertriebenen Böltener. Dem nach Sandbach im Odenwald gelangten dritten Transport gehörte Heimatpfarrer Franz Polak an.
Den Patengemeinden des Kirchspiels Bölten widmete die Gemeinde Höchst 1987 vor der unter Pfarrer Polak errichteten katholischen Christkönigskirche einen Mahn- und Gedenkstein DEN OPFERN DES KRIEGES UND DER VERTREIBUNG mit einer Darstellung der Böltener St.Georgskirche und der Gravur "Unvergessene Heimat im Osten".[31]
Partnerschaftliche Beziehungen unterhält die Gemeinde Höchst seit 1966 zum französischen Montmélian in Savoyen und (seit 2006) mit dem Kirchspiel Bölten mit Sitz in Höchst zur tschechischen Gemeinde Bělotín und dem ihr verbundenen Universitätschor Ostrava.
Regelmäßige Veranstaltungen
Jedes Jahr um das zweite Mai-Wochenende findet das viertägige Apfelblütenfest statt. Zu diesem Anlass wird eine Apfelblütenkönigin gekürt. 2011 wurde es zum 60. Mal begangen. 2020 und ’21 fiel es aufgrund der Corona-Pandemie aus.
Tradition hat auch der alljährliche Odenwälder Kartoffelmarkt.
Im November findet die jährliche Premiere eines Stückes der Theatergruppe TEGS im Bürgerhaus statt.
Freitags, in der Zeit von 14:30 bis 18:00 Uhr findet auf dem Montmelianer Platz ein Wochenmarkt statt.
Wirtschaft und Infrastruktur
Verkehr
Eisenbahn
Höchst, wie auch Hetschbach und Mümling-Grumbach, haben Bahnhöfe oder Haltepunkte an der Odenwaldbahn. Sie führt von Höchst nördlich nach Hanau und Darmstadt, wobei auch umsteigefreie Verbindungen nach Frankfurt a. M. bestehen. Südlich führt die Odenwaldbahn unter anderem nach Michelstadt, Erbach und endet in dem im Neckartal liegenden Eberbach.
Von lokalpolitischer Bedeutung – aber auch darüber hinaus – war der Umgang mit der denkmalgeschütztenGüterhalle Höchst. Im Streit zwischen der Politik – die die Güterhalle abreißen wollte – und einer Bürgerinitiative – die die Güterhalle erhalten wollte – behielt die Bürgerinitiative das letzte Wort. Die Güterhalle wurde inzwischen denkmalgerecht saniert.[32]
Straße
Aufgrund des steigenden Verkehrsaufkommens auf der Bundesstraße 45, die in Nord-Süd-Richtung mitten durch den z. T. engen Ortskern führte, wurde westlich eine 2,8 km lange Umgehungsstraße gebaut. Der erste Spatenstich durch die parlamentarische Staatssekretärin Angelika Mertens erfolgte am 27. Juli 2005. Die Fertigstellung des Vorhabens sollte nach einigen Verzögerungen im Spätsommer 2009 erfolgen und wurde am 21. Dezember 2009 mit der Verkehrsübergabe vollzogen.[33] Die Baukosten wurden mit 22,8 Millionen Euro veranschlagt.
Radwanderwege
Durch das Stadtgebiet führen folgende Radwanderwege:
An der Mümling verläuft der 225 km lange 3-Länder-Radweg führt als Rundweg durch das Dreiländereck von Hessen, Baden-Württemberg und Bayern. Entlang von Mümling, Neckar und Main erkundet die Route den Odenwald. Teil dieser Route ist der 75 Kilometer lange Mümling-Radweg der Obernburg mit Hirschhorn am Neckar verbindet.
Der Hessische Radfernweg R9 startet in Worms und führt über 82 Kilometern durch den Odenwald an die Mümling und dort bis zur bayrischen Grenze.
Der Hessische Radfernweg R4 beginnt in Hirschhorn am Neckar und verläuft mit einer Gesamtlänge von 385 Kilometern von Süd nach Nord durch Hessen, entlang von Mümling, Nidda und Schwalm nach Bad Karlshafen an der Weser.
Bildung
Direkt an der Mümling befindet sich die Grundschule „Schule an der Mümling“[34], in der gemeinsam mit den Klassen für Lernhilfe ca. 400 Schüler/-innen unterrichtet werden.
Seit 1964 besteht die Ernst-Göbel-Schule, eine kooperative Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe.
Franz Polak (1909–2000), römisch-katholischer Geistlicher (Pfarrer in der bis zum 7. Mai 1945 deutschen Gemeinde Bölten / Ostsudetenland, nach der Vertreibung der Sudetendeutschen in Höchst im Odenwald)
Eduard Kavala, Bürgermeister der tschechischen Partnergemeinde Bělotin, 2019.[35]
Gemeinde Höchst i. Odw. (Hrsg.): Schicksal der Vertreibung. Gedenkbuch zur Patenschaft der Gemeinde Höchst im Odenwald mit den Gemeinden des Kirchspiels Bölten/Ostsudeten. 2. Auflage Bad König 1988, ISBN 3-924388-03-2.
Gemeindevorstand Höchst i. Odw. (Hrsg.): Geschichte und Schicksale der Juden zu Höchst. Höchst im Odenwald 1985, 2. Auflage 1988, ISBN 3-9801204-0-6.
Hartmut Lenz: Aus dem Leben eines Landarztes im 20. Jahrhundert. Tatsachenberichte aus meiner Jugendzeit und der langjährigen Arztpraxis in Höchst im Odenwald. Verein für Heimatgeschichte, Höchst im Odenwald 2000.
↑Hessisches Staatsarchiv Marburg (StA MR, Urkunden R Ia, Stift Fulda 1156); Heinrich Wagner: Die Erstnennung von Höchst im Odenwald 1156. In: Verein für Heimatgeschichte Höchst e. V. (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte von Höchst im Odenwald, Höchst 2006.
↑Wolfgang Stapp: Niemals wieder vergessen! Zum Gedenken Odenwälder Antifaschisten, Teil 3/2: Verfolgung und Widerstand in Höchst: Nach der Blutnacht. In: "gelurt". Odenwälder Jahrbuch für Kultur und Geschichte 2010. Erbach 2009, ISBN 978-3-9805891-7-2, S. 218–232.
↑Siehe das unter Literatur angegebene Werk: „Geschichte und Schicksale der Juden zu Höchst“.
↑Wolfgang Stapp: Verschleppt für Deutschlands Endsieg. Ausländische Zwangsarbeiter im Breuberger Land 1939-1945. 2. überarbeitete, ergänzte und aktualisierte Auflage. Höchst im Odenwald 2004, hier: S. 31–33 und 261–263.
↑Gemeindegebietsreform: Zusammenschlüssen und Eingliederungen von Gemeinden vom 20. Januar 1971. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1971 Nr.6, S.248, Abs. (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 6,2MB]).
↑Hauptsatzung. (PDF; 1,8 MB) § 5. In: Webauftritt. Gemeinde Höchst i. Odw., archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 11. Dezember 2021; abgerufen im Oktober 2020.
↑Schicksal der Vertreibung, Gedenkbuch zur Patenschaft der Gemeinde Höchst im Odenwald mit den Gemeinden des Kirchspiels Bölten/Ostsudeten. 2. Auflage. Bad König 1988, ISBN 3-924388-03-2
↑ Zdo Schreiber: Im Zentrum der Mobilität. In: Hg.: Landesamt für Denkmalpflege Hessen: Denkmalpflege und Kulturgeschichte. ISSN 1436-168X, 4/2019, S. 30f.