Am 18. April 1910 wurde er von der Stadtverordnetenversammlung in Schöneberg zum besoldeten Stadtrat gewählt[2] und am 6. Juni 1910 in sein Amt eingeführt.[4] In seiner Amtszeit unter den Oberbürgermeistern Rudolph Wilde und Alexander Dominicus unterstand ihm das Verwaltungsdezernat in allen Verkehrsangelegenheiten, einschließlich der Untergrundbahn (der heutigen U-Bahn-Linie U4),[5] die sich damals noch im Bau befand. Er war Vorsitzender der Verkehrsdeputation[5] und hatte in seiner Funktion als Stadtrat großen Anteil an der Lösung der schwierigen Groß-Berliner Verkehrsprobleme jener Zeit.
Darüber hinaus wurde Böß am 18. September 1911 zu einem von fünf Vertretern der Stadt Schöneberg beim Zweckverband Groß-Berlin gewählt.[6]
Kämmerer von Berlin
Aufgrund seiner fachlichen Kompetenz und seiner organisatorischen Fähigkeiten, wurde er auf Vorschlag der Liberalen am 2. Mai 1912 zum Kämmerer der Stadt Berlin gewählt.[7] Das Amt trat er am 23. Mai 1912 an.[8] Seine Amtszeit, die in die Zeit des Ersten Weltkrieges fiel, war vor allem durch große Schwierigkeiten geprägt. Zum einen strapazierten vor allem die Kriegs- und Nachkriegsjahre in hohem Maße die städtischen Finanzen, zum anderen war unter den Bedingungen der nachfolgenden Inflation eine gesunde Haushaltsführung kaum möglich.
Auch nach der Bildung Groß-Berlins am 1. Oktober 1920 war er weiterhin als Kämmerer der Stadt tätig. So wurde er am 22. September 1920 erneut in dieses Amt gewählt.[9] Die Amtseinführung fand jedoch erst am 12. November 1920 statt,[10] da die Wahl der Magistratsmitglieder noch nicht bestätigt werden konnte.[11] Bis dahin war er als Mitglied des alten Magistrats kommissarisch im Amt.[10]
Böß setzte sich dabei für eine stärkere Zentralisierung der Berliner Verwaltung ein, die allerdings immer wieder von den Bezirksämtern erfolgreich abgewehrt werden konnte. Er engagierte sich für den Spiel- und Sportstättenbau und die Schaffung von Parks, die zum Teil durch die Berliner Wirtschaft finanziert wurden. So war er Initiator der 1921 gegründeten Stiftung Park, Spiel und Sport, mit deren Hilfe Sponsorengelder eingeworben wurden, die unter anderem für die Fortführung des Baus des Volksparks Jungfernheide verwendet wurden, und eine Reihe weiterer Park- und Sportanlagen finanziert werden konnten.[14][15] Darüber hinaus wurden in seiner Amtszeit das Poststadion, das Deutsche Sportforum mitsamt dem Annaheim, die Sportplätze in Charlottenburg, am Rande des Grunewaldes und im Volkspark Jungfernheide, der Dominicus-Sportplatz im heutigen Sportzentrum Schöneberg und das Mommsenstadion gebaut.
1925 wurde im Rahmen der Berliner Turn- und Sportwoche die erste schwimmende Jugendherberge in Dienst gestellt und in Anerkennung seiner Leistungen, insbesondere für die Jugend, nach ihm benannt.[16] Sie trug den Namen „Schwimmende Jugendherberge I. Oberbürgermeister Böß“.[17]
Daneben unterstützte er den Kunstbetrieb, etwa durch die Umwandlung des „Deutschen Opernhauses“ in eine Städtische Oper und die Förderung junger Künstler durch die seit 1924 regelmäßig veranstalteten Rathauskonzerte.
In seine Zeit fielen außerdem große Bauprojekte wie die Messe Berlin und der Flughafen Tempelhof, sowie die Aktionswoche Berlin im Licht vom 13. bis 16. Oktober 1928.[18] 1925 schuf der Berliner Bildhauer Karl Trumpf eine ausdrucksstarke Bronzebüste von Bürgermeister Böß, von der ein Exemplar im gleichen Jahr vom Berliner Magistrat erworben wurde.
Pelzmantelaffäre
Gustav Böß entschied sich am 7. November 1929, einen Tag nach seiner Unschuldserklärung in der Presse, auf Grund des im Zuge des Sklarek-Skandals verlorenen Vertrauens sein Amt niederzulegen. Darin hatten die Brüder Sklarek sich illegal durch verbilligte Bekleidung an Politiker und Beamte ein Belieferungsmonopol für Krankenhäuser und Fürsorgeeinrichtungen verschafft und Kreditbetrug begangen. Böß war in den Skandal verwickelt, weil seine Frau einen kostbaren Pelzmantel für den Bruchteil des eigentlichen Preises erhalten hatte. Die Differenz zum Gesamtwert des Pelzmantels von 1000 RM hatte Böß im Anschluss einem wohltätigen Zweck zugeführt. Er kaufte für 800 RM ein Bild (bzw. ließ für diesen Preis ein Bild von sich selbst anfertigen) und ließ 200 RM zwei notleidenden Schwägerinnen zukommen. Eine Mitteilung darüber an die Firma Sklarek erfolgte nicht.[19]
Aufgrund dieser sogenannten Pelzmantelaffäre wurde ein Verfahren gegen Böß mit dem Vorwurf eines Dienstvergehens bei der Leitung der Stadtverwaltung eingeleitet, das in erster Instanz in einer Verurteilung zur Dienstentlassung mündete, die allerdings später wieder aufgehoben wurde. Im darauf folgenden Berufungsverfahren am Preußischen Oberverwaltungsgericht wurde ein Dienstvergehen bei der Leitung der Stadtverwaltung verneint. Der Weg der Begleichung der Rechnung für den Pelzmantel wurde jedoch durch das Gericht als Dienstvergehen gewertet, wofür Böß zu einer Geldbuße in Höhe eines Monatsgehaltes verurteilt wurde. Im Anschluss an das Berufungsverfahren ließ sich Böß aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand versetzen. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde 1933 ein neues Verfahren gegen Böß angestrengt. Ihm wurde nun vorgeworfen, zu hohe Bezüge kassiert und zu hohe Kosten für den Umbau einer Dienstwohnung verursacht zu haben. Da die Vorwürfe sich als unbegründet erwiesen, wurde letztlich keine Anklage erhoben und Böß wurde nach neun Monaten wieder aus der Untersuchungshaft entlassen.[20]
Bürgermeister Böß, Bürgermeister Böß, denke nicht mehr an die Zeiten, als Du warst im Amt, gingst in Seid´ und Samt, konntest Deutschlands Zukunft leiten, Stellung ging passé, Sklarek sagt adé, schöner Nerz, du liegst in Fransen, und da kriegst Du noch zum Lohn eine klotzige Pension, nun geh und lass das Streiten.
Ehrungen
1925 wurde die erste schwimmende Jugendherberge in Dienst gestellt und ihm zu Ehren der Name „Schwimmende Jugendherberge I. Oberbürgermeister Böß“ verliehen.
1929 erhielt er das Ehrenbürgerrecht der Stadt New York.[21]
Beiträge zur Berliner Kommunalpolitik. Herausgegeben und eingeleitet von Christian Engeli (= Verein für die Geschichte Berlins [Hrsg.]: Schriften des Vereins für die Geschichte Berlins. Heft 62). Neues Verlags-Comptoir, Berlin 1981.
Ruth Wimmer: Die Wirtschaftspolitik des Berliner Magistrats unter der Amtsführung des Oberbürgermeisters Gustav Böß 1921–1929. Dissertation, Humboldt-Universität zu Berlin, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät. Berlin (DDR) 9. Dezember 1965.
Ruth Wimmer: Charakteristika der Berliner Kommunalpolitik in den Jahren der Weimarer Republik, untersucht an der wirtschaftspolitischen Konzeption des Berliner Oberbürgermeisters Gustav Böß (1921 bis 1929). In: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte. Band1. Berlin (DDR) 1969, S.75–109.
Christian Engeli: Gustav Böß. Oberbürgermeister von Berlin 1921–1930 (= Schriftenreihe des Vereins für Kommunalwissenschaften e. V. Berlin. Band31). W. Kohlhammer, Stuttgart / Berlin / Köln / Mainz 1971.
Hans Joachim Reichardt: Berlin in der Weimarer Republik. Die Stadtverwaltung unter Oberbürgermeister Gustav Böß (= Berliner Forum. Nr.7/79). Presse- und Informationsamt des Landes Berlin, Berlin 1979.
Christian Engeli: Gustav Böß. In: Wolfgang Ribbe (Hrsg.): Stadtoberhäupter. Biographien Berliner Bürgermeister im 19. und. 20. Jahrhundert (= Berlinische Lebensbilder. Band7). Stapp Verlag, Berlin 1992, ISBN 3-87776-212-3.
↑6. Sitzung vom 22. September 1920.Stenographische Berichte über die öffentlichen Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Berlin, 47. Jahrgang, 1920, S. 149–151.
↑Christian Engeli: Gustav Böß Oberbürgermeister von Berlin 1921 bis 1930 (schriftenreihe des Vereins für Kommunalwissenschaften e. V. Berlin). W. Kohlhammer, Stuttgart / Berlin / Köln / Mainz 1971, S.226ff.
↑Christian Engeli: Gustav Böß Oberbürgermeister von Berlin 1921 bis 1930 (schriftenreihe des Vereins für Kommunalwissenschaften e. V. Berlin). W. Kohlhammer, Stuttgart / Berlin / Köln / Mainz 1971, S.247ff.