Nach der Absetzung des griechischen KönigsOtto aus dem Haus Wittelsbach im Jahre 1862 suchte die griechische Nationalversammlung in Europa nach einem geeigneten Nachfolger. In Übereinstimmung mit den europäischen Großmächten wählte die Nationalversammlung den damals siebzehnjährigen Prinzen Wilhelm am 18. Märzjul. / 30. März1863greg. zum neuen König und verlieh ihm den Herrschernamen Geórgios A' (Georg I.). Angeführt von PremierministerBenizelos Rouphos und Konstantinos Kanaris trug eine griechische Delegation Wilhelm am 6. Juni 1863 die Königswürde an, wodurch die eigentümliche Situation entstand, dass dieser sein Königsamt kurz vor seinem Vater antrat, der erst am 15. November 1863 als Christian IX. dänischer König wurde.
Nach Besuchen an den Höfen in Sankt Petersburg, London und Paris, die seine Kandidatur massiv unterstützt hatten, reiste Georg am 22. Oktober 1863 an Bord des FlaggschiffsHellas vom französischen Mittelmeerhafen Toulon nach Griechenland und zog am 30. Oktober feierlich in Athen ein.
In Griechenland stand zunächst die Ausarbeitung einer neuen Verfassung im Vordergrund. Als Berater und Privatsekretär hatte Georg den Dänen Wilhelm Graf Sponneck berufen, der die Verhandlungen um die Machtverteilung zwischen Parlament und Krone führte. Sponneck stieß jedoch auf den Widerstand der noch unter König Otto eingesetzten Beamten, die ihn mit der Begründung ablehnten, er sei weder Bürger noch Angestellter des Staates. Nachdem Sponneck eingebürgert und als Abgeordneter ins Parlament gewählt worden war, brachten ihm seine Offenheit und Direktheit große Popularität ein, die es ihm ermöglichte, in der neuen Verfassung große Befugnisse zulasten des Parlaments zu erwirken. Am 28. November 1864 leistete Georg den Eid auf die Verfassung, die für damalige Verhältnisse, insbesondere im Hinblick auf das Wahlrecht, moderne demokratische Elemente enthielt. Um seine Rolle als konstitutioneller Monarch zu betonen, wählte Georg den Titel „König der Hellenen“ anstelle von „König von Griechenland“.
Georg war entschlossen, die Fehler seines unbeliebten Vorgängers nicht zu wiederholen. Er erlernte die griechische Sprache und zeigte sich bei Spaziergängen in Athen ohne jegliches Zeremoniell äußerst volksnah. Um das ihm bisher unbekannte Land kennenzulernen, unternahm er ausgedehnte Besichtigungsreisen. Die Ehe mit einer orthodoxen russischen Großfürstin sowie die Erziehung der Nachkommen im selben Glauben stärkten das Zusammengehörigkeitsgefühl der Bevölkerung mit der neuen Dynastie.
Trotz der Verabschiedung einer neuen Verfassung blieb Griechenland innenpolitisch äußerst unruhig. Zwischen 1864 und 1910 gab es 21 Parlamentswahlen und insgesamt 70 meist kurzlebige Regierungen. Die anhaltend instabilen innenpolitischen Verhältnisse, ein korrupter Beamtenapparat und die schlechte wirtschaftliche Lage führten zum Staatsbankrott von 1893, weshalb die staatlichen Einnahmen einer internationalen Finanzkontrolle unterstellt werden mussten.
Außenpolitisch verfolgte Griechenland die Vereinigung sämtlicher von Griechen besiedelter Territorien in einem Staat (Megali Idea), was die natürliche Gegnerschaft zum Osmanischen Reich zur Folge hatte. Ein erster Erfolg war der Beitritt der bisher unter britischem Protektorat stehenden Ionischen Inseln, die 1864 an Griechenland angeschlossen wurden, wodurch die Enosis-Bewegung neuen Zulauf gewann. Als Ergebnis des Russisch-Osmanischen Krieges von 1877/78 wurden Griechenland im Vertrag von Berlin (1881) Thessalien sowie Teile des Epirus zugeschlagen. Als Georg 1885 Pläne vorantrieb, den Epirus militärisch zu erobern, sah er sich der geschlossenen Opposition der europäischen Großmächte gegenüber, worauf der geplante Feldzug abgebrochen wurde. Nach dem Ausbruch eines Aufstands der griechischen Bevölkerungsmehrheit gegen die osmanische Herrschaft auf Kreta unterstützte König Georg die Aufständischen, weshalb es 1897 zum Türkisch-Griechischen Krieg kam, in dessen Verlauf die schlecht ausgerüstete griechische Armee eine vernichtende Niederlage erlitt. Im Vertrag von Konstantinopel wurde Kreta unter internationale Kontrolle gestellt und Griechenland musste hohe Reparationszahlungen leisten.
Während der Regierungszeit Georgs wurden 1896 die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit in Athen veranstaltet, deren Schirmherr er war. Die Eröffnung fand im Athener Panathinaiko-Stadion statt, das Georg durch den Architekten Ernst Ziller, seinen Baumeister des Königs, ausgraben und später rekonstruieren ließ.
1909 zwangen aufständische Offiziere den König zu weitreichenden Reformen (Aufstand von Goudi) und zur Entlassung seiner Söhne aus der Armeespitze. Daneben gab Georg dem Druck der Offiziere nach und ernannte Eleftherios Venizelos zum neuen Premierminister. Dieser sollte in den nächsten Jahren eine dominierende Rolle in der griechischen Politik einnehmen. Venizelos schmiedete den Balkanbund als Gegengewicht zum Osmanischen Reich und zwang diesem im Oktober 1912 den Ersten Balkankrieg auf. In dessen Verlauf gelangen der von Kronprinz Konstantin befehligten griechischen Armee große militärische Erfolge. Im November 1912 zog Georg gemeinsam mit Konstantin und Venizelos feierlich im eroberten Thessaloniki ein.
Ermordung
Am Nachmittag des 18. März 1913 spazierte Georg wie gewöhnlich ohne nennenswerte Schutzmaßnahmen durch Thessaloniki. In Höhe des Weißen Turms schoss ihm aus später ungeklärten Gründen der Attentäter Alexander Schinas aus kurzer Distanz in den Rücken. Georg erlag unmittelbar seinen Schussverletzungen. An Bord der königlichen JachtAmphitrite wurde der Leichnam Georgs nach Athen überführt und in der Kathedrale Mariä Verkündigung eingesegnet.
Beigesetzt wurde er auf dem Königlichen Friedhof im Park des Schlosses Tatoi. Sein ältester Sohn folgte ihm als Konstantin I. auf den Thron. Mit einer Regierungszeit von fast 50 Jahren war König Georg der am längsten amtierende griechische Monarch der Neuzeit.
Peter Mario Kreuter: The Flâneur of Salonica. The First Balkan War in the Private Correspondence of King George I of Greece with Fritz Peter Uldall (1847–1931), in: Romanica et Balcanica. Wolfgang Dahmen zum 65. Geburtstag. Herausgegeben von Thede Kahl, Johannes Kramer und Elton Prifti. München 2015, S. 761–778.