Barsene, Vertraute der Cleonice, heimlich in Alceste verliebt
Fenicio, Reichsrat, Vormund Alcestes und Vater Olintos
Olinto, Reichsrat, Nebenbuhler Alcestes
Mitrane, Hauptmann der königlichen Leibwache und Freund Fenicios
Demetrio ist ein Opern-Libretto in drei Akten von Pietro Metastasio. Erstmals aufgeführt wurde es in der Vertonung von Antonio Caldara am 4. November 1731 zur Feier des Namenstags Kaiser Karls VI. in Wien. Dieses Libretto wurde auch unter den Namen Alceste, Cleonice oder Demetrio, rè della Siria vertont. Mit über fünfzig Ausführungen gehört es zu den beliebtesten Werken Metastasios.[1][2]
Eine deutsche Übersetzung des Librettos von Johann Anton Koch erschien 1769 unter dem Namen Demetrius im ersten Band seiner unvollendet gebliebenen Gesamtausgabe Des Herrn Abt Peter Metastasio Kayserl. Königl. Hofpoetens Dramatische Gedichte.[Digitalisat 1]
„Als Demetrius Soter, König in Syrien, aus seinem eigenem Reiche von dem unrechtmäßigen Beherrscher desselben, dem Alexander Bala vertrieben worden war, starb er als ein Verbannter bey den Cretensern, welche bey dem widrigen Glücke alleine seine Freunde geblieben waren. Vor seiner Flucht aber hat er den kleinen Demetrius, seinen Sohn, als ein unmündiges Kind, dem Phönicius, dem getreuesten seiner Unterthanen, übergeben, damit er demselben zur bequemen Zeit der Rache aufbehalten sollte. Der Königl. Prinz lebte, sich selbst unbekannt, unter dem erdichteten Namen Alcestes eine zeitlang in den Wäldern, wohin ihn die Klugheit des Phönicius vor den Nachstellungen des besagten Alexanders verborgen hatte; nachmals aber lebte er in Seleucia bey den Phönicius selbst, welcher diese Pflicht seiner Treue, unter dem Vorwand einer großmüthigen Neigung zu verbergen wußte. Der vermeindliche Alcestes wurde in kurzem die Bewunderung des ganzen Reiches; also, daß er von seinem Feinde, dem Alexander, zu den ansehnlichsten Kriegswürden erhoben, und von Cleonice, dessen Tochter, einer Prinzeßin, die eines großmüthigen Vaters würdig war, auf das häftigste geliebet wurde. Sobald es nun dem sehr sorgfältigen Phönicius Zeit zu seyn schiene, fieng er an die Gemüther der Unterthanen zu erforschen, indeme er unvermerkt unter das Volk ausstreuen liesse, daß der junge Demetrius, jedoch unbekannt, noch am Leben sey.
Auf dieses Gerichte, welches sich in einem Augenblick ausbreitete, erklärten sich die Cretenser für Beschützer des rechtmäßigen Prinzens. Und Alexander, um das entstandene Feuer, ehe es noch größer wurde, zu dämpfen, suchte dieselben zu bekriegen, wurde aber von deneselben überwunden, und getödtet. In dieser Schlacht befand sich Alcestes vermög seiner Kriegswürde, und hatte man eine geraume Zeit von ihme keine Nachricht in Seleucien; daher der Tod des Alexanders, welchen Phönicius so sehr gewünschet, zu einer, seinen Absichten ungelegnen Zeit eintraf, so wohl weil Alcestes nicht in Seleucien war, als auch weil er bey dieser Gelegenheit erkannte, daß der Hochmuth der Großen des Reichs (da ein jeglicher unter ihnen nach der Krone trachtete) den rechtmäßigen Erben für einen Betrüger ausgeben würde. Derohalben verschob er, nach desselben Wiederkunft seufzend, und in Geheim auf die Hülfe der Cretenser dringend, die Entdeckung seines Geheimnisses. Unterdessen verabredeten sich die Mitwerber um das Reich miteinander, daß die von ihnen als Königin erkannte Cleonice, aus ihnen einen Gemahl erwählen sollte. Diese verschob unter verschiedenen Vorwand die Wahl sehr lange, um die Zurückkunft des Alcestes abzuwarten; welcher eben zu rechter Zeit ankam, als die gequälte Königin in Begrif war zur Wahl zu schreitten. Hierdurch erhielte der, in dem Alcestes, aus verschiedenen Merkmalen erkannte Demetrius, seine väterliche Krone.
Der Schauplatz ist in Seleucien.“
– Pietro Metastasio: Vorwort zum Libretto der Vertonung von Andrea Bernasconi, München 1772[Digitalisat 2]
Die folgende Inhaltsangabe basiert auf dem Libretto der 1734 in Braunschweig aufgeführten Vertonung von Antonio Caldara.[Digitalisat 3]
Erster Akt
Beleuchtetes Kabinett mit Sesseln und einem Tisch, auf dem Krone und Zepter liegen
Seit ihr Vater Alexander in der Schlacht in Kreta gefallen ist, herrscht Cleonice als Königin von Syrien. Das Volk erwartet nun, dass sie bald einen Gatten und damit einen neuen König erwählt. Ihr Reichsrat Olinto bietet sich selbst an, weil er sie schon lange liebt. Cleonice jedoch will nichts davon wissen. Sie liebt bereits den Schäfer Alceste, der aber seit der Schlacht verschollen ist. Cleonice ist sich sicher, dass er noch lebt. Ihre Vertraute Barsene weist sie darauf hin, dass sie ihn sowieso nicht heiraten könne, weil es hunderte verdienstvollere Bewerber gebe.
Mitrane, der Hauptmann der königlichen Leibwache kommt, um sie zu holen. Das Volk stehe kurz vor einem Aufstand und wolle sie endlich sehen. Mitrane liebt Barsene, wird aber von ihr abgewiesen, weil sie heimlich in Alceste verliebt ist.
Olintos Vater Fenicio erzählt Mitrane, dass der tot geglaubte Prinz Demetrio, der Sohn des von Alexander vertriebenen vorherigen Königs Demetrio, noch am Leben ist. Es ist sein Pflegesohn Alceste. Fenicio hat zwar bereits das Gerücht gestreut, dass Demetrio noch lebt, aber vorsichtshalber noch seine Identität geheim gehalten. Um ihn auf den Thron zu setzen, benötigt er auswärtige Hilfe. Diese hofft er von den Kretern zu erhalten. Da Cleonice eine würdige Königin ist, sah sein Plan vor, sie mit Alceste zu vermählen. Leider ist Alceste nicht zu finden, und Cleonice muss einen anderen Gatten wählen. Die beiden beschließen, Cleonices Wahl um jeden Preis bis Alcestes Rückkehr zu verzögern.
Prächtiger Saal mit einem Thron an der Seite
Gegenüber dem Thron Stühle für die Reichsfürsten. Durch den Saal sieht man den Hafen von Seleukia mit vielen beleuchteten und zur Königswahl geschmückten Schiffen.
Cleonice tritt mit den Edelleuten sowie Fenicio und Olinto ein. Sie hat sich immer noch nicht entschieden. Fenicio unterstützt sie und rät ihr, sich noch weitere drei Monate Bedenkzeit zu gönnen. Sein Sohn Olinto hält das angesichts des Volkswillens für falsch – insgeheim hofft er ja, dass sich Cleonice für ihn entscheidet. Bevor sich Cleonice äußern kann, werden sie von Mitranes unterbrochen, der die Ankunft Alcestes meldet. Er steige gerade aus einem kleinen Schiff. Alceste und Cleonice sehen sich endlich wieder. Alceste berichtet nun von seinem Schicksal: Nachdem Cleonices Vater Alexander die Schlacht verloren hatte, wurde nahezu sein gesamtes Heer vernichtet. Er selbst überlebte schwer verwundet und trieb im Wasser, bis er von einem kretischen Fischer gerettet wurde, der ihn gesund pflegte und ihm das Schiff zur Heimfahrt gab. Nach der Erzählung drängt Olinto, endlich mit der Königswahl fortzufahren. Als sich auch Alceste zu ihnen setzen will, versucht er das zu verhindern, da er keinen einfachen Schäfer an seiner Seite sehen möchte. Alceste ist jedoch bereits zum Offizier aufgestiegen, und Cleonice ernennt ihn kurzerhand zum General und Großsiegelbewahrer. Bevor Cleonice nun ihre Wahl bekannt geben will, verlangt sie von den Anwesenden einen Schwur, dass sie ihre Wahl akzeptieren werden – auch wenn es ein Fremder oder jemand von niedrigem Stand sein sollte. Da sich Olinto weigert, erklärt Cleonice, ihre Krone abgeben zu wollen. Sie habe keine echte Freiheit und wolle nicht als Sklavin auf dem Throne sitzen. Sie geht, ohne ihre Wahl bekanntgegeben zu haben. Auch Mitrane, die Edelleute und das Volk verlassen den Saal.
Nur Fenicio, Olinto und Alceste sind geblieben. Fenicio macht seinem Sohn Vorwürfe. Olinto ist enttäuscht, dass er ihn nicht unterstützt, aber Fenicio glaubt nicht, dass er ein guter König sein würde. Er solle sich Alceste als Vorbild nehmen und sich mehr in Geduld üben. Olinto erkennt in Alceste trotz seiner ärmlichen Herkunft einen gefährlichen Rivalen.
Der innere Garten der königlichen Burg
Fenicio berichtet Cleonice und Barsene, dass der Rat Cleonices Rücktritt abgelehnt hat. Alle sind einverstanden, sie ihren Gatten völlig frei wählen zu lassen. Wider Erwarten ist Cleonice jedoch nicht erleichtert. Sie würde es nie wagen, einen Schäfer auf den Thron zu setzen und fürchtet, Alceste endgültig zu verlieren. Dieser kommt nun selbst und versichert ihr seine Liebe. Weil Cleonice das nicht mitanhören kann, verlässt sie den Garten. Als Alceste Barsene nach dem Grund für Cleonices verändertes Verhalten fragt, rät sie ihm, sich eine andere Geliebte zu suchen. Das kommt für ihn aber nicht in Frage.
Zweiter Akt
Eine Galerie mit goldenen Reiterstatuen, die zu den Gemächern der Königin führt
Olinto verweigert Alceste den Zugang zu Cleonice. Alceste glaubt nicht, dass der Befehl von Cleonice selbst kommt und will sich nicht aufhalten lassen. Mitrane bestätigt jedoch den Befehl. Sie habe sogar verboten, seinen Namen zu nennen. Alceste ist sich keiner Schuld bewusst und kann das nicht verstehen. Er geht enttäuscht fort. Olinto macht sich nun wieder Hoffnung auf den Thron. Mitrane rät ihm jedoch davon ab. Die Kunst des Regierens sei nicht einfach. Außerdem habe Olinto bisher Barsene geliebt und müsste sie dann aufgeben. Olinto hält das für ein kleines Opfer, da er nicht an die dauerhafte Liebe glaubt.
Nachdem Olinto gegangen ist, kommen Cleonice und Barsene. Cleonice schreibt einen Abschiedsbrief an Alceste. Fenicio kommt und bittet Cleonice um Mitleid mit Alceste. Er sei fast wahnsinnig vor Qual und wolle sie nur noch einmal sehen und dann sterben. Sie zerreißt den Brief und will Alceste kommen lassen. Olinto kommt zurück. Er hat inzwischen Alceste in Cleonices Namen befohlen, die Stadt zu verlassen, und der sei bereits abgereist. Cleonice befiehlt der Wache, Alceste suchen zu lassen und zurückzubringen.
Olinto fragt Barsene, ob sie ihn noch liebt. Sie antwortet spöttisch, dass er sie ja bereits aufgegeben habe. Sie selbst habe ihre Liebe ebenfalls für einen anderen aufgehoben. Olinto ist entschlossen, sich nicht von seinem Ziel abbringen zu lassen.
Ein Gemach der Königin
Alceste ist zurückgekommen und fragt Cleonice nach dem Grund für ihre Abweisung. Sie erklärt ihm, dass sie sich zum Wohle des Volkes voneinander trennen müssen. Traurig verabschieden sie sich voneinander. Nachdem Alceste gegangen ist, kommen Barsene und Fenicio. Barsene lobt Cleonice für ihr Verhalten, aber Fenicio macht ihr Vorwürfe. Cleonice verlässt verzweifelt das Zimmer. Fenicio wirft Barsene vor, eigene Pläne zu verfolgen und vermutet, dass sie selbst Alceste liebt. Barsene gibt es zu. Fenicio erkennt, dass sich alles seinem Vorhaben widersetzt. Er gibt aber die Hoffnung nicht auf.
Dritter Akt
Vorhof in der Burg; in der Ferne das Meer, auf dem ein Schiff für die Abfahrt Alcestes bereit liegt
Olinto freut sich über die bevorstehende Abreise Alcestes. Fenicio bittet diesen vergeblich, sie noch etwas aufzuschieben. Cleonice gesteht Alceste, dass sie ohne ihn nicht Leben könne. Sie wolle lieber die Krone aufgeben und in einer armseligen Hütte leben, als ihn zu verlieren. Das würde Alceste aber nie zulassen. Cleonice bittet ihn dann, ihr zur Burg zu folgen, wo sie ihren neuen Bräutigam bekanntgeben möchte. Nachdem sie gegangen ist, will sich Olinto von Alceste verabschieden. Die Abreise ist jedoch aufgeschoben, und Alceste wird von der Königin erwartet. Olinto glaubt nun, Cleonice habe sich für Alceste entschieden. Er beschließt, sich zu rächen.
Das Gemach Fenicios in der Burg
Fenicio sorgt sich um das Gelingen seines Plans. Mitrane beruhigt ihn damit, dass die Schiffe der befreundeten Kreter bereits in Sicht seien. Sie können also bald gefahrlos Alcestes wahre Identität bekanntgeben. Fenicio beauftragt Mitrane, im Geheimen ihre Truppen zu versammeln. Da bringt Olinto die Nachricht, dass Cleonice ihren Gemahl erwählt habe. Es sei aber nicht Alceste.
Alceste und zwei Diener bringen Fenicio auf einem goldenen Becken Mantel, Krone und Zepter. Cleonice habe Fenicio erwählt und erwarte ihn im Tempel zur Zeremonie. Trotz des Altersunterschieds hält Alceste das für eine kluge Wahl. Fenicio schickt Olinto zum Tempel, um seine Ankunft anzukündigen. Nachdem dieser gegangen ist, eröffnet Fenicio Alceste, dass er Demetrio, der wahre Erbe Syriens ist. Barsene hofft, dass sich Alceste nun ihr zuwenden werde und gesteht ihm ihre Liebe. Alcestes Gedanken sind jedoch woanders. Barsene gibt ihre Hoffnungen auf ihn auf.
Ein prächtiger der Sonne geweihter Tempel mit einem Altar in der Mitte und einem Thron auf der Seite
Cleonice und Fenicio betreten mit ihrem Gefolge und den beiden Bedienten, die Mantel, Krone und Zepter tragen, den Tempel. Fenicio versichert Cleonice, dass Alceste der wahre Kronerbe Syriens sei. Alceste und Mitrane kommen hinzu. Cleonice bittet nun Alceste, den Thron seiner Vorfahren zu besteigen. Dies will er tun – jedoch nur mit ihr an seiner Seite. Sie gehen an den Altar und geben einander die Hände. Da kommt Barsene und berichtet von Unruhen in der Stadt. Ein Gesandter Kretas sei mit hundert Schiffen angekommen. Olinto habe zudem das Gerücht gestreut, dass Fenicio einen Betrug plane. Fenicio beruhigt sie jedoch.
Olinto kommt mit dem Abgesandten Kretas und bringt einen versiegelten Brief des älteren Demetrio. Dieser habe ihn kurz vor seinem Tod in Kreta geschrieben, und er sei soeben überbracht worden. Olinto liest den Brief vor. Er benennt eindeutig Alceste als den Sohn Demetrios. Fenicio habe ihn unter falschem Namen aufgezogen. Alle bis auf Olinto sind erleichtert. Aber auch dieser erkennt schließlich Alceste als König an und bereut seine vorherigen Ambitionen. Alceste und Cleonice setzen sich auf den Thron. Zum Abschluss der Oper preist der Chor Tugend, Ehre und Liebe des Paares.
Geschichte
Das historische Vorbild von Alceste/Demetrio ist Demetrius II. Nikator. Dessen Geschichte ist im elften Buch von AppiansRhomaika, im 32. Buch der Bibliotheca von Diodor und in Justins Auszug des 35. und 36. Buchs von Pompeius Trogus’ Historiae Philippicae überliefert. Der junge Demetrius wurde von seinem Vater Demetrius Soter ins kretische Exil geschickt, um den Nachstellungen des UsurpatorsAlexander I. Balas zu entgehen. Später konnte er diesen mit Hilfe griechischer Söldner überwinden und seinen Thron zurückerobern.[2]
mehrfach überarbeitet; auch unter dem Namen Cleonice aufgeführt; viele weitere Aufführungen in anderen italienischen Städten; 1737 in Ferrara in einer Bearbeitung von Antonio Vivaldi[7]; am 8. Februar 1740 im Hoftheater in Dresden; 1767 im Theater Kassel
Bearbeitung der Erstfassung von Johann Adolph Hasses Vertonung (1732); Vivaldi komponierte alle Rezitative neu und ersetzte viele Arien durch eigene; nur das Libretto ist erhalten
erste Fassung; auch am 18. Dezember 1748 unter dem Pseudonym „Egidio Lasnel“ (gelegentlich auch seinem Mentor Diego Naselli zugeschrieben) im Teatro San Carlo in Neapel; 1751 im Teatro San Samuele in Venedig; 1753 im Teatro in Lodi
weitere Aufführungen anonymer Vertonungen oder Pasticci 1751 im Palazzo Ducale in Modena; am 18. Mai 1757 im Teatro San Salvatore in Venedig; am 19. August 1769 im Teatro in Lucca; am 26. November 1763 als Cleonice, regina di Siria im King’s Theatre am Haymarket in London
↑ abMetastasio, Pietro in Die Musik in Geschichte und Gegenwart, S. 50861 ff (vgl. MGG Bd. 9, S. 229 ff.) Bärenreiter-Verlag 1986 (Digitale Bibliothek Band 60).
↑David DiChiera und Wilhelm Pfannkuch (Übersetzung): Perez, Davide in Die Musik in Geschichte und Gegenwart, S. 58897 (vgl. MGG Bd. 10, S. 1038 ff.) Bärenreiter-Verlag 1986 (Digitale Bibliothek Band 60).