Clausthalit, veraltet auch als Selenblei bekannt, ist ein eher selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ mit der chemischen Zusammensetzung PbSe, besteht also zu gleichen Teilen aus Blei und Selen. Das Mineral ist damit chemisch gesehen ein Bleiselenid.
Clausthalit kristallisiert im kubischen Kristallsystem, entwickelt jedoch keine mit bloßem Auge sichtbaren Kristalle, sondern findet sich überwiegend in Form körniger bis massiger Mineral-Aggregate und Einsprenglinge von bleigrauer bis bläulicher Farbe.
Bereits in der veralteten, aber teilweise noch gebräuchlichen 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Clausthalit zur Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort zur Abteilung der „Sulfide mit M : S = 1 : 1“ (PbS-Typus und Verwandte), wo er zusammen mit Alabandin, Altait, Galenit, Niningerit und Oldhamit die „Galenit-Reihe“ mit der System-Nr. II/B.11 bildete.
Im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser klassischen Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. II/C.15-50. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Abteilung „Sulfide mit Metall : S,Se,Te ≈ 1 : 1“, wo Clausthalit zusammen mit Alabandin, Altait, Crerarit, Galenit, Keilit, Niningerit und Oldhamit eine eigenständige, aber unbenannte Gruppe bildet.[6]
Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) bis 2009 aktualisierte[7]9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Clausthalit ebenfalls in die Abteilung der „Metallsulfide, M : S = 1 : 1 (und ähnliche)“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach den in der Verbindung vorherrschenden Metallen (Kationen), so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „mit Zinn (Sn), Blei (Pb), Quecksilber (Hg) usw.“ zu finden ist, wo es zusammen mit Alabandin, Altait, Galenit, Keilit, Niningerit und Oldhamit die „Galenitgruppe“ mit der System-Nr. 2.CD.10 bildet.
Clausthalit bildet mit Galenit eine Mischkristall-Reihe, die bei 300 °C lückenlos ist.[2] Aus diesem Grund sind in vielen Galenit-Vorkommen einige Prozente Selen enthalten.
Kristallstruktur
Clausthalit kristallisiert im kubischen Kristallsystem in der RaumgruppeFm3m (Raumgruppen-Nr. 225)Vorlage:Raumgruppe/225 und ist isotyp zur Natriumchlorid-Struktur. Der Gitterparametera beträgt 6,121 Å[3]. Die Elementarzelle weist etwas längere Achsen als beim ebenfalls isotypen Galenit (PbS, 5,936 Ångström) auf. Das ist auf den etwas größeren Ionenradius der Selenid-Ionen (Se2−) im Clausthalit verglichen mit den Sulfid-Ionen (S2−) im Galenit zurückzuführen. Da Schwefel und Selen sich oft gegenseitig in Kristallstrukturen ersetzen können, kann der Gitterparameter eines Mischkristalls Pb(S,Se), je nach Anteil des entsprechenden Elements, zwischen den oben genannten Werten liegen.
Eigenschaften
Clausthalit lässt sich mit Schwefel- und Salpetersäure lösen. Weiterhin entwickelt er beim Erhitzen vor dem Lötrohr einen starken, rettichartigen bis fauligen Geruch, der bei dieser Methode typisch für Selen und Selenverbindungen ist.
Modifikationen und Varietäten
Die Varietät Lerbachit (Hg,Pb)Se, typlokal nach dem Bergort Lerbach benannt, besteht aus einem Gemenge von Clausthalit und Tiemannit.
Nur in Clausthalit ist das Mikromineral Roterbärit enthalten.[9][10]
Als eher seltene Mineralbildung kann Clausthalit an verschiedenen Fundorten zum Teil zwar reichlich vorhanden sein, insgesamt ist er aber wenig verbreitet. Bisher (Stand 2017) sind rund 270 Fundorte[11] bekannt. Neben seiner Typlokalität Grube St.Lorenz nahe Clausthal-Zellerfeld trat das Mineral in Deutschland noch an anderen Stellen in Niedersachsen, Baden-Württemberg (Schwarzwald), Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt (Harz) und Sachsen (Erzgebirge) auf.
In Österreich fand man das Mineral bisher nur in einem unbenannten Steinbruch beim Judenbauer (Gemeinde Kirchschlag in der Buckligen Welt) in Niederösterreich, am Eselberg bei Altenberg an der Rax in der Steiermark und in einem Kalksteinbruch bei Lorüns in Vorarlberg.
In der Schweiz konnte Clausthalit bisher vor allem in den Kantonen Aargau und Wallis entdeckt werden.
Weitere Fundorte liegen unter anderem in Argentinien, Australien, Belgien, Bolivien, Brasilien, Bulgarien, China, Finnland, Frankreich, Griechenland, Grönland, Italien, Japan, Kanada, der Demokratischen Republik Kongo, Japan, Marokko, Mexiko, Norwegen, Polen, Rumänien, Russland, Simbabwe, der Slowakei, Spanien, Südafrika, Schweden, Tansania, der Türkei, Tschechien, Usbekistan, im Vereinigten Königreich (UK) und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA).[12]
Verwendung
Aus Clausthalit werden sowohl Blei als auch Selen gewonnen, das gesamte Mineral kann also verarbeitet werden. Clausthalit ist insbesondere bedeutend als Selenerz, als Bleierz ist Galenit bedeutender. Bei der Bleigewinnung wird das enthaltene Selenid abgetrennt und dient als Quelle für elementares Selen und andere Selenverbindungen.
F. S. Beudant: Traité Élémentaire de Minéralogie. Claushalie, plomb sélénié. 2. Auflage. Chez Verdière Libraire-Éditeur, Paris 1832, S.531–534.
Robert G. Coleman: The natural occurence of Galena-Clausthalite solid solution series. In: American Mineralogist. Band44, Nr.1–2, 1959, S.166–175 (minsocam.org [PDF; 649kB; abgerufen am 28. Dezember 2016]).
Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie. Dörfler Verlag GmbH, Eggolsheim 2002, ISBN 978-3-89555-076-8, S.35.
↑ ab
Y. Noda, K. Masumoto, S. Ohba, Y.Saito, K. Toriumi, Y. Iwata, I. Shibuya: Temperature dependence of atomic thermal parameters of lead chalcogenides, PbS, PbSe and PbTe-. In: Acta Crystallographica. C43, 1987, S.1443–1445, doi:10.1107/S0108270187091509 (englisch).
↑ abcd
Clausthalite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 59kB; abgerufen am 23. August 2019]).
↑
Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.