Graf Ernst von Schaumburg beschloss Anfang des 17. Jahrhunderts, seine Residenz vom Schloss Stadthagen ins Schloss Bückeburg zu verlegen. Im Zuge des planmäßigen Ausbaus der beim Schloss entstandenen Ansiedlung beauftragte er im Jahr 1608 Giovanni Maria Nosseni mit dem Bau einer Stadt- und Residenzkirche am anderen Ende der West-Ost-Achse Lange Straße. 1611 wurde mit dem Bau begonnen, der 1615 abgeschlossen war.
Ebenfalls von 1611 bis 1615 arbeiteten die Bildhauer Jonas Wolf und Hans Wolf an der künstlerischen Ausgestaltung der Kirche.[1]
Das Gotteshaus gilt als der bedeutendste Kirchenbau des frühen Protestantismus in Norddeutschland. Graf Ernst wollte mit dem Bau ein Exempel bieten, daher ließ er über der Fassade die Inschrift EXEMPLUM RELIGIONIS NON STRUCTURAE („Beispiel der Frömmigkeit, nicht der Bauweise“) anbringen, deren Anfangsbuchstaben seinen Namen ergeben. Der Bau wurde aus Obernkirchener Sandstein errichtet. Einen ursprünglich geplanten Kirchturm[2] ließ die Statik nicht zu, weil der Untergrund zu sandhaltig ist. Aus den hierfür vorgesehenen Steinen wurde die frühere Schule und jetzige Stadtbücherei errichtet.
Von 1750 bis zu seinem Tod 1795 war Johann Christoph Friedrich Bach als gräflicher Hofmusiker, zuletzt als Hofkapellmeister auch für die Musik in der Stadt- und Residenzkirche verantwortlich.
Im Advent 1962 wurden der Altar und die historische Orgel durch Brandstiftung fast vollständig zerstört. Die Wiederherstellung erfolgte anhand der angebrannten Teile, vorhandener detaillierter Fotografien und vergleichbarer Schnitzarbeiten der Bückeburger Schlosskapelle.
Die Stadtkirche ist der wichtigste Sakralbau der Weserrenaissance. In seiner Grundform folgt er dem Bautypus der spätmittelalterlichen Residenzkirche, so der St.-Martini-Kirche in Stadthagen, bei der in ähnlicher Weise der Hallenraum mit einem Chorumgang kombiniert ist.[6] Der flach-polygonale Abschluss hinter Altar und Orgel dient dabei als Sakristei. Die Kirche ist das Vorbild für die Kirchenbauten des Weserbarock wie in Corvey, die gleichfalls eine Rückorientierung an die Baukunst der Gotik suchten.
Der Altar, über dem sich der prachtvolle Orgelprospekt erhebt, ist mit der Kopie eines italienischen Altarbilds versehen. Das Original[7] wurde um 1683 von Carlo Maratta für die Sakristei der römischen Kirche Santa Maria dell’Anima geschaffen und stellt Mariä Geburt dar. Im Hintergrund links ist Mutter Anna im Wochenbett zu sehen, bei ihr Vater Joachim, der betend zum Himmel blickt; im Vordergrund eine junge Amme mit der neugeborenen Maria; Helferinnen bringen ihr eine Leinenbinde zum Wickeln oder Reinigen des Kindes; über der Szene eine Vorhangdraperie, vor dieser eine Wolke mit geflügelten Puttenköpfen. Das Bild wurde von Graf Friedrich Christian 1685 in Rom gekauft, als die ursprünglichen kirchlichen Auftraggeber den vereinbarten Preis nicht zahlen wollten. Er brachte es ins Bückeburger Schloss.[8] Das Altarbild der Stadtkirche ist eine detailgetreue Kopie. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es durch einen Crucifixus ersetzt, kam aber nach dem Brand von 1962 wieder an seinen ursprünglichen Platz.[3][9]
Grundplatte: Reliefs der vier Tugenden Glaube, Hoffnung, Liebe und Beständigkeit
Schaft: Weltkugel, darauf sitzend zwei kindliche Engel, auf deren Flügeln das Becken ruht; einer der Engel tritt mit einem Fuß auf eine Schlange (Gen 3,15 EU)
Deckel: die vier Evangelisten mit ihren Attributen
Bekrönung: Taufe Jesu durch Johannes den Täufer (Vollplastik)
In den Zugseilen: die Taube des Heiligen Geistes
Fürstenloge
Im Ensemble des originalen Gestühls und der Emporen bildet die Fürstenloge über dem Hauptportal, die „Goldene Prieche“, ein weiteres Schmuckstück der Innenausstattung. Die Herrscherporträts daneben stammen von 1876.[3]
Orgel
Die ursprüngliche Orgel wurde 1617 von dem Wolfenbütteler Orgelbaumeister Esaias Compenius d. Ä. erbaut. Auch sie wurde ein Opfer des Brandes. 1965 wurde das Orgelgehäuse nach historischen Plänen rekonstruiert und eine neue Orgel eingebaut, in Anlehnung an die Disposition der historischen Orgel. Dieses Orgelwerk wurde 1993–1997 durch ein völlig neues Instrument ersetzt, das von dem Orgelbaumeister Rudolf Janke aus Göttingen erbaut wurde. Dabei wurden einige Register der Orgel von 1965 wiederverwendet. Das Schleifladen-Instrument hat 47 Register auf drei Manualen und Pedal. Die Trakturen sind mechanisch.[10][11]
Die Stadtkirche besitzt 4 Glocken. Im offenen Giebelfenster hängt eine historische Bronzeglocke, die als Stundenschlag-Glocke (Ton: gis′) fungiert. Hinter dem Frontgiebel befindet sich die Glockenstube, in der die drei Läuteglocken hängen. Die großen Glocken sind Stahlglocken (Töne: c′, d′, f′). Sie wurden vom Bochumer Verein für Gusstahlfabrikation gegossen.
Literatur
Thorsten Albrecht: Die Bückeburger Stadtkirche. 2. Auflage. Imhof-Verlag, Petersberg 2006, ISBN 3-932526-25-2.
↑Johann Josef Böker: Spätgotische Residenzkirchen im Weserraum. In G. Ulrich Großmann (Hrsg.): Renaissance in Nord-Mitteleuropa, Teil I (Schriften des Weserrenaissance-Museums Schloß Brake, Bd. IV). Deutscher Kunstverlag, München 1991, S. 148–158.
↑Dort blieb es im Privatbesitz der Fürstenfamilie. 2013 wurde es auf der TEFAF in Maastricht versteigert. Der Schätzpreis betrug 4,9 Millionen Dollar, der tatsächlich erzielte Preis lag jedoch darunter (Otto Naumann Ltd. (Memento vom 28. Oktober 2014 im Internet Archive); robbreport.com).