Nach einer eventuellen Ausbildung bei dem niederländischen Bildhauer Willem van Tetrode (um 1525 – nach 1588), arbeitete er in den frühen 1580er Jahren in der Werkstatt des Florentiner Bildhauers Giovanni da Bologna genannt Giambologna.[2] Dessen Skulpturen entsprechen dem Ideal der manieristischen „figura serpentinata“, die de Vries vor allem in den ersten Jahren nachahmte.
Nach einem kürzeren Aufenthalt in Rom und bei dem Bildhauer Pompeo Leoni (1533–1608) in Mailand war de Vries seit 1588 tätig für Herzog Karl Emanuel I. von Savoyen in Turin. 1593 fertigte er erste Arbeiten für Kaiser Rudolf II. (Merkur und Psyche; Psyche von Putten getragen). Für die Stadt Augsburg entstanden 1599 und 1602 in Zusammenarbeit mit dem Gießer Wolfgang Neidhardt seine wohl bekanntesten Werke: der Merkurbrunnen und der Herkulesbrunnen.
1601 wurde de Vries endgültig als kaiserlicher Kammerbildhauer an den Hof Rudolfs nach Prag berufen, wo er u. a. eine Bildnisbüste des Kaisers (1603) und z. T. eher kleinformatige Arbeiten für die Kunstkammer auf dem Hradschin schuf. Nach dem Tod des Kaisers blieb er in Prag, wo er Aufträge unter anderem für Kaiser Matthias, Fürst Ernst von Schaumburg-Holstein, König Christian IV. von Dänemark und Albrecht von Wallenstein ausführte.
Die im Auftrag Wallensteins für den Garten seines Prager Palais Waldstein geschaffenen Spätwerke waren dort ursprünglich als Brunnen geplant, kamen dann aber entlang einer Achse vor der Loggia zur Aufstellung. Die Bronzefiguren sind selbstbewusste Interpretationen klassischer Vorbilder des Belvederegartens im Vatikan. Sämtliche Figuren de Vries’ wurden gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges im Jahr 1648 bei der Plünderung Prags durch schwedische Truppen als Kriegsbeute nach Stockholm verbracht und befinden sich heute im Garten des königlichen Schlosses Drottningholm (und teilweise in einem dort eingerichteten Adriaen-de-Vries-Museum). Nur die Venus kehrte 1889 nach Prag zurück und befindet sich seither in der Prager Burggalerie. Im Garten des Waldsteinpalais wurden Anfang des 20. Jahrhunderts Abgüsse der originalen Skulpturen aufgestellt. Ähnlich erging es einer großen Brunnengruppe für den Neptunbrunnen vor dem königlich dänischen Schloss Frederiksborg, die Christian IV. in Auftrag gegeben hatte. Bei einer schwedischen Besetzung wurde der Brunnen 1659 von schwedischen Truppen abgebrochen, Teile gelangten nach Stockholm. 1888 erfolgte in Frederiksborg eine phantasievolle, aber historisch ungenaue Rekonstruktion des Brunnens.
Stilistische Entwicklung
In seinen frühen Arbeiten war Adriaen de Vries noch stark geprägt von Giovanni da Bologna, versuchte aber bald diesen in der Art der „imitatio und aemulatio“ zu übertreffen und emanzipierte sich schließlich immer mehr von seinem Lehrer. Dies äußerte sich in seiner im Gegenteil zu Giovanni da Bologna bevorzugten Technik des direkten Bronzegusses (oder auch Guss mit verlorener Form), besonders seiner im Laufe seines Lebens immer freier werdenden Oberflächenmodellierung des für das Modell verwendeten Wachses und zudem sparsamer verwendeten nachträglichen Ziselierungen. Während seiner Tätigkeit als Hofbildhauer wurde er (kurz nach 1600) durch seine Prager Künstlerkollegen (v. a. Hans von Aachen, Bartholomäus Spranger und Paulus van Vianen) beeinflusst, sodass er sich zeitweilig einen in dieser Umgebung gängigen, von Schlankheit und Eleganz geprägten Figurentypus aneignete. In seinen expressiv gestalteten Spätwerken, die z. T. nach seinem Tode auch von seinen Gehilfen vollendet wurden, wie er es in seinem Testament ausdrücklich gewünscht hatte, erreichte er die Schwelle zum Frühbarock.
Bemerkenswert ist, dass er selbst großformatige, komplizierte und aus mehreren Figuren bestehende Bronzegruppen im direkten Verfahren und darüber hinaus in einem Stück zu gießen pflegte.[3]
1615–18: Triton (Dauerleihgabe des Nationalmuseums Stockholm im Rijksmuseum Amsterdam)
1616–17: Neptunbrunnen für Schloss Frederiksborg (Überreste im Park von Schloss Drottningholm und dortigem Adriaen de Vries Museum, eine Rekonstruktion vor Schloss Frederiksborg)
1620–21: Venus und Adonis und Der Raub der Sabinerin, für Fürst Ernst von Holstein-Schaumburg, ursprünglicher Standort die Terrasse von Schloss Bückeburg (beide heute in der Skulpturensammlung Berlin, Abgüsse auf der Bückeburger Schlossbrücke)
1622–25: Figuren für den Garten des Waldsteinpalais in Prag, u. a. Laokoongruppe, Sieg der Tugend über das Laster, Venus und Adonis, Ringergruppe, Apollon mit Bogen, Bacchus mit Satyrknaben, Neptun mit Hund, Sitzender Triton, Najade mit Gans (Park von Schloss Drottningholm bzw. dortiges Adrian de Vries Museum, Abgüsse im Garten des Waldstein Palais)
Jane Bassett: The Craftsman Revealed. Adriaen de Vries. Sculptor in Bronze. Los Angeles 2008.
Dorothea Diemer: Adriaen de Vries: Neue Forschungen und eine bedeutende Ausstellung. In: Kunstchronik 52, 1999, S. 242–259.
Schaumburger Landschaft (Hrsg.): Neue Beiträge zu Adriaen de Vries. Vorträge des Adriaen de Vries Symposiums vom 16. bis 18. April 2008 in Stadthagen und Bückeburg [= Kulturlandschaft Schaumburg 14], Bielefeld 2008, ISBN 978-3-89534-714-6.
Björn R. Kommer [Hrsg.]: Adriaen de Vries: 1556–1626; Augsburgs Glanz – Europas Ruhm. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung der Städtischen Kunstsammlungen Augsburg, 11. März – 12. Juni 2000, Stadt Augsburg, 2000, ISBN 3-8295-7024-4.
Lars Olof Larsson: Adrian de Vries. Adrianus Fries Hagiensis Batavus 1545–1626, Wien/München/Frankfurt am Main 1967.
Quellen
Filippo Baldinucci: Notizie dei professori del Disegno da Cimabue in qua 2, Firenze 1846.
↑zur Diskussion um das Geburtsjahr vgl. Diemer, S. 245
↑Baldinucci, S. 580: „Multi furon i discepoli di Gio. Bologna [...] di questi il primo e principale fu Pietro Frankavilla fiammingo, Anzirevelle tedesco, Adriano fiammingo [...]“
↑eine sehr ausführlich beschriebene und anschaulich bebilderte Beschreibung dieser Technik bietet Bassett.