Rust war zweimal verheiratet. Seine erste Frau, mit der er ab 1910 verheiratet war, verstarb 1919. 1920 heiratete er Anna-Sofie Dietlein. Er hatte einen Sohn aus erster Ehe und drei Töchter in der zweiten Ehe.[3]
Während des Ersten Weltkrieges erlitt er als Infanterieleutnant eine schwere Kopfverletzung und wurde zweimal verschüttet. Im Dezember 1918 verließ er im Rang eines Oberleutnants der Reserve und hoch dekoriert das Militär. Ob die Verwundungen dauerhafte Beeinträchtigungen hinterließen, ist unklar. Im Schuldienst fiel er immer wieder krankheitsbedingt aus; 1933 wurde eine Trigeminusneuralgie diagnostiziert. Rust trank daraufhin regelmäßig Alkohol und wurde von Außenstehenden als alkoholsüchtig eingestuft.[4]
Preußischer Kultusminister und Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung
Am 2. Februar 1933 wurde Rust kommissarischer preußischer Kultusminister und am 30. April 1934 mit Bildung des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung in PersonalunionReichsminister. Qua Amt war er Mitglied im Preußischen Staatsrat. Aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums verloren unter Rusts Leitung etwa tausend Hochschullehrer, vor allem Juden, Sozialdemokraten und Liberale, Stellung und Beruf. Dies hatte für die bislang sehr starke deutsche Stellung im Bereich Naturwissenschaften gravierende Folgen. Ungezählte hochrangige Wissenschaftler emigrierten aus Deutschland meist nach Amerika, unter ihnen etwa ein Dutzend Nobelpreisträger. Rust selber äußerte sich zu diesem Prozess: „Wir brauchen eine neue arische Rasse an den Universitäten, oder wir werden die Zukunft verlieren […] die Hauptaufgabe der Erziehung ist es, Nationalsozialisten zu bilden.“ Zu seinen frühen Aktionen gehörte unter anderem die Entlassung des Berliner Reformpädagogen Fritz Karsen am 21. Februar 1933 und die beginnende Gleichschaltung der von Karsen geleiteten Karl-Marx-Schule (Berlin-Neukölln).
Im 17. Mai 1933 wurde durch Kultusminister Rust das Institut für menschliche Erblehre und Eugenik (Institut für Vererbungswissenschaft) an der Universität Greifswald begründet und im Dezember 1933 an Günther Just als Direktor übergeben.[8][9]
Die neue Verfassung für die deutschen Universitäten und Hochschulen vom April 1935 zielte auf die Zentralisierung und v. a. Beschränkung der akademischen Selbstverwaltung. Die Rektoren waren fortan „Führer der Hochschule“ und direkt Rust unterstellt. Auf die Frage, warum die Ausbildung der Lehrer nur an eigens geschaffenen Lehrerbildungsanstalten (z. B. Bernhard-Rust-Hochschule in Braunschweig) und nicht an Universitäten stattfinden solle, antwortete Rust, er könne nicht dulden, „daß die künftigen Erzieher des Volkes ihre Ausbildung an diesen liberalistischen Irrgärten erhielten“.[10] Rust setzte die Ideologisierung des Fachunterrichts (z. B. im Erlass Vererbungslehre und Rassenkunde im Unterricht vom 15. Januar 1935) durch und erwirkte unter Bruch des Reichskonkordats das Verbot der katholischen Schulen mit dem Schuljahr 1939/40. In allen Schulen wurden Elternbeiräte und Schülermitverwaltung abgeschafft.
Ab 1935 bemühte sich Bernhard Rust, am Nationalsozialismus orientierte Forschungs- und Bildungsinstitutionen zu schaffen. So verfolgte er den Plan, eine eigene Auslands-Hochschule aufzubauen. Das Ziel war, die Ausbildung von Sprach- und landeskundlichen Experten zu forcieren. Der Weg dazu sollte sein, alle bis dahin in Berlin tätigen dezentralen Auslandsinstitute unter einem Dach zusammenzuführen und mit einem einheitlichen nationalsozialistischen Profil zu versehen. Ergänzend war beabsichtigt, die bisher beim Osteuropa-Institut in Breslau unterhaltene Bibliothek mit ca. 30.000 Bänden nach Berlin zu überführen. Alle von ihm eingeschlagenen Schritte scheiterten, vor allem am Willen der einzelnen Institutionsleiter, sich auf diesem Weg unterordnen zu lassen. Nach Widerständen und Rückschlägen griff 1937 der Sicherheitsdienst des Reichsführers SS diese Idee auf und vollendete die begonnenen Schritte mit dem unter der Tarnbezeichnung „Institut für Altertumsforschung“ geführten Wannsee-Institut. Mit diesem sollte, die Wissenschaft als Instrument nutzend, der Krieg in Richtung Osten und die NS-Rassenpolitik in „Perfektion“ umgesetzt werden.[11]
Daneben war Rust am 1. Juli 1935 Gründer des rassenideologischenReichsinstituts für Geschichte des Neuen Deutschlands, das am 19. Oktober 1935 eröffnet wurde.[6] Seit 1940 war Rust SA-Gruppenführer.[6] Im Jahr 1940 folgte der Reichsminister Rust dem General der Artillerie und Chef des Heereswaffenamtes Karl Becker als Präsident des im März 1937 innerhalb der Deutschen Forschungsgemeinschaft als Forschungsrat gegründeten Reichsforschungsrates (Nachfolger wurde 1942 der Reichsmarschall Hermann Göring).[12]
Geringe Reputation, abnehmender Einfluss
An den Hochschulen genoss Rust nur wenig Ansehen. Bei einer Rektorenkonferenz, die 1943 in Salzburg stattfand, verspottete der Straßburger Rektor Karl Schmidt ihn sogar als „missgeratenen Treuhänder der Wissenschaft.“[13] Seine Reputation in der NS-Elite war ebenfalls sehr gering. Für den Sicherheitsdienst der SS war er ein „völliger Versager“. Alfred Rosenberg beschrieb ihn als „haltlos“, „alt“ und „krank“. Propagandaminister Joseph Goebbels notierte über Rust: „Er ist faul, kann nichts und besitzt wenig Intelligenz.“ Und der Reichsfinanzminister Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk urteilte über seinen Ministerkollegen: „Da er weder einen starken Willen noch allzu viel Verstand besaß, wurde er von Menschen, die härter waren und über Tatkraft verfügten, leicht überspielt. In seinem eigenen Ressort hatte er von Jahr zu Jahr weniger zu sagen und zu Hitler kaum noch Zutritt“.[14]
Rusts Einfluss im polykratischen Gefüge des nationalsozialistischen Deutschen Reiches nahm daher im Laufe der Jahre deutlich ab. Er musste immer mehr Zuständigkeiten an konkurrierende Organisationen abtreten, etwa an die SS, die Hitlerjugend oder die Deutsche Arbeitsfront. Sein Vorhaben, das deutsche Schulsystem im nationalsozialistischen Geiste grundlegend umzugestalten, scheiterte nicht zuletzt an den kriegsbedingten Unterrichtsbeeinträchtigungen wie Kinderlandverschickung, Lehrkräfte- und Raummangel.[15] Auch die angestrebte Monopolisierung der Zuständigkeit für Hochschulpolitik in seinem Ministerium gelang nicht.[16]
Tod zum Kriegsende
Bernhard Rust setzte sich Ende April 1945 in den Sonderbereich Mürwik ab, wo sich die Regierung Dönitz niedergelassen hatte. Aufgrund der von ihm offenbar als hoffnungslos eingeschätzten Lage versuchte er sich mit Schlaftabletten zu vergiften, doch er wurde gerettet und in der Psychiatrie in Schleswig untergebracht. Von dort entwich er in der Nacht zum 8. Mai 1945, dem Tag der bedingungslosen Kapitulation. Er erschoss sich in der Feldmark des nahegelegenen Ortes Berend bei Nübel.[17] Rusts Sekretärin identifizierte den Leichnam am folgenden Tag in der Nübeler Marienkirche; hier wurde er am 11. Mai auf dem Friedhof beigesetzt.[18]
Rust bereitete eine Reform der deutschen Rechtschreibung vor. Eine recht weitgehende Version, die in manchem den Vorstellungen der Rechtschreibreformer der 1970er Jahre entsprach (gemäßigte Kleinschreibung, Weglassung der Dehnungszeichen), scheiterte bereits intern am Widerstand des Reichsinnenministeriums. Ein weiterer Versuch 1944 scheiterte ebenfalls. Die Regeln seiner Rechtschreibreform lagen bereits in einer Million Exemplaren für den Schulgebrauch gedruckt vor, in verschiedenen Zeitungen erschienen Einführungsartikel. Die Auslieferung wurde aber durch Führerbefehl vom 25. August 1944 gestoppt.[19]
Publikationen
Die beiden großen Reden auf der Reichstagung des N.S.L.B. in Frankfurt a. M. 1934, gemeinsam mit Hans Schemm, Fichte Verlag München 1934
Festschrift zum NSDAP Parteitag Hannover : 23. bis 25. Februar 1934; Gau Süd-Hannover-Braunschweig, Niedersächsischer Beobachter Hannover 1934
Das Preußische Kultusministerium seit der nationalen Erhebung, 1935
Das nationalsozialistische Deutschland und die Wissenschaft : Heidelberger Reden, Hanseatische Verlagsanstalt Hamburg 1936
Ich möchte nie darauf verzichten, eine deutsche Studentenschaft zu haben, 1937
Die Zeitung im Unterricht, gemeinsam mit Ernst Erichsen, Max Amann u. Weitere, Gauverlag Bayrische Ostmark Bayreuth 1938
Deutsche Wissenschaft : Arbeit und Aufgabe, Hirzel Verlag Leipzig 1939
Reichsuniversität und Wissenschaft : zwei Reden, gehalten in Wien am 6. November 1940, Deutsche Forschungsgemeinschaft Berlin 1940
Der Einsatz der Erzieher im Ostland und ihre Aufgaben : Stimmen aus Praxis und Wissenschaft, 1940
Aufgaben der deutschen Kolonialforschung, gemeinsam mit Franz von Epp u. Weiteren, W. Kohlhammer Verlag Stuttgart 1942
Hanno Birken-Bertsch, Reinhard Markner: Rechtschreibreform und Nationalsozialismus. Ein Kapitel aus der politischen Geschichte der deutschen Sprache. Wallstein-Verlag, Göttingen 2000, ISBN 3-89244-450-1.
Rolf Eilers: Die nationalsozialistische Schulpolitik. Eine Studie zur Funktion der Erziehung im totalitären Staat. Westdeutscher Verlag, Köln u. a. 1963 (= Staat und Politik 4, ZDB-ID 521520-1, zugleich Dissertation an der Universität Bonn 1962, DNB451070917)
Joachim Lilla, Martin Döring, Andreas Schulz: Statisten in Uniform. Die Mitglieder des Reichstags 1933–1945. Ein biographisches Handbuch. Unter Einbeziehung der völkischen und nationalsozialistischen Reichstagsabgeordneten ab Mai 1924. Droste, Düsseldorf 2004, ISBN 3-7700-5254-4, S. 532–533.
Anne Christine Nagel: Hitlers Bildungsreformer: Das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung 1934–1945. Band 19425 von Fischer Taschenbücher Allgemeine Reihe Zeit des Nationalsozialismus. Fischer, Frankfurt am Main 2012, ISBN 978-3-596-19425-4.
↑Uwe Lohalm: Völkischer Radikalismus. Die Geschichte des Deutschvölkischen Schutz- und Trutz-Bundes. 1919–1923. Leibniz-Verlag, Hamburg 1970, ISBN 3-87473-000-X, S. 325.
↑Ute Felbor: Rassenbiologie und Vererbungswissenschaft in der Medizinischen Fakultät der Universität Würzburg 1937–1945. Königshausen & Neumann, Würzburg 1995, ISBN 3-88479-932-0 (= Würzburger medizinhistorische Forschungen. Beiheft 3. Zugleich: Dissertation Würzburg 1995), S. 149 f. und 164.
↑Uwe Sandfuchs: Universitäre Lehrerausbildung in der Weimarer Republik und im Dritten Reich, Bad Heilbrunn 1978, S. 360.
↑Gabriele Camphausen: Die wissenschaftlich historische Rußlandforschung im Dritten Reich 1933–1945.
Frankfurt am Main 1990, S. 45 ff.
↑Ernst Klee: Deutsche Medizin im Dritten Reich. Karrieren vor und nach 1945. S. Fischer, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-10-039310-4, S. 166–167, Anm. 25.
↑Michael Grüttner: Talar und Hakenkreuz. Die Universitäten im Dritten Reich, München 2024, S. 127.
↑Zitate aus: Michael Grüttner: Talar und Hakenkreuz. Die Universitäten im Dritten Reich, München 2024, S. 126 f.
↑Harald Scholtz: Erziehung und Unterricht unterm Hakenkreuz. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1985, S. 61–69, 131 ff. u. ö.
↑Ulf Pedersen: Bernhard Rust. Ein nationalsozialistischer Bildungspolitiker vor dem Hintergrund seiner Zeit (Steinhorster Schriften und Materialien zur regionalen Schulgeschichte und Schulentwicklung, Bd. 6), Braunschweig/Gifhorn 1994, S. 21.
↑Hanno Birken-Bertsch, Reinhard Markner: Rechtschreibreform und Nationalsozia-lismus: Ein Kapitel aus der politischen Geschichte der deutschen Sprache. Wallstein, Göttingen 2000, ISBN 3-89244-450-1, S. 118.