Benz gehört dem wissenschaftlichen Beirat des von Farid Hafez herausgegebenen Jahrbuchs für Islamophobieforschung an.[13]
Vergleich von Antisemitismus und Islamfeindlichkeit
Im Dezember 2008 leitete Benz eine eintägige Konferenz am Berliner Zentrum für Antisemitismusforschung zum Thema „Feindbild Muslim – Feindbild Jude“.[14] Gegenüber Kritik am Tagungskonzept betonte er, als Vorurteilsforscher zum Antisemitismus müsse man lernen, „ob nicht mit demselben Mechanismus auch gegenüber anderen Minderheiten […] Unheil gestiftet werden kann“. Der Hass gegen das Judentum und den Islam ähnele sich vor allem in Verschwörungsfantasien und Behauptungen von religiösen Geboten: So wie man Juden Aussagen des Talmud vorhalte, halte man Muslimen Aussagen des Koran vor. Beide Religionen würden beschuldigt, bösartig und inhuman zu sein und unmoralisches Verhalten gegenüber Andersgläubigen zu verlangen. Die Vorwürfe, Juden betrachteten sich als auserwählt und müssten feindselig gegen Nichtjuden sein, gebe es auch gegen Muslime.[15]
Vor der Tagung wurde eine gefährliche Gleichsetzung von Antisemitismus mit Islamfeindlichkeit befürchtet.[16] Der Politikwissenschaftler Matthias Küntzel kritisierte, schon durch den Vergleich werde der Holocaust trivialisiert, die Gefährdung Israels durch das iranische Atomprogramm und der Judenhass von Islamisten verharmlost. Diese Kritik wies Benz in Medien als „völlig lachhaft“ zurück. Bei der Tagung blieb eine Diskussion mit Küntzel aus.[17]
Außerhalb Deutschlands wurde das Verhältnis zwischen Antisemitismus und Islamfeindlichkeit seit 1988 wissenschaftlich diskutiert, verstärkt durch die Folgen der Terroranschläge am 11. September 2001. In Deutschland sehen Juliane Wetzel, Salomon Korn, Sabine Schiffer, Constantin Wagner und Micha Brumlik wie Benz strukturelle und konkrete Analogien zwischen dem Judenhass des 20. Jahrhunderts und heutigem Islamhass. Historische und qualitative Unterschiede betonen dagegen Matti Bunzl, Monika Schwarz-Friesel, Evyatar Friesel und andere. Julius H. Schoeps und Matthias Küntzel betonen vor allem, dass es im Islamhass keine zum Antisemitismus analoge Verschwörungstheorie vom Weltjudentum gebe.[18]Norbert Frei gab Benz hinsichtlich der sozialpsychologischen Vergleichbarkeit heutiger Islamfeindlichkeit mit der Judenfeindschaft seit etwa 1880 Recht.[19]
Benz vertiefte den Vergleich in seinem 2010 veröffentlichten Werk Die Feinde aus dem Morgenland. Wie die Angst vor den Muslimen unsere Demokratie gefährdet. Gemeinsam sei antisemitischen wie islamophoben Vorurteilen „die Einteilung in Gut und Böse sowie das Phänomen der Ausgrenzung“. Ein grundlegender Unterschied sei, dass es „heute nicht mehr um die Emanzipation der Juden, sondern um die Integration der Muslime“ gehe.[20] Benz betonte später, er habe nie Islamfeindlichkeit und Antisemitismus gleichgesetzt, sondern „die Methoden der Ausgrenzung verglichen“. So wie es eine Methode „irgendwelcher ‚Experten‘“ gewesen sei, Judenfeindschaft zunächst mit Inhalten des Talmud und später aus rassistischer Sicht durch „jüdische“ Gene zu begründen, die Juden „zum Bösen geführt“ hätten, gebe es heute Experten, die ähnlich argumentierten: „Was früher Talmud-Hetze war, ist jetzt Koran-Hetze. Man stigmatisiert eine Minderheit als gefährlich, weil es ihr angeblich die Religion befiehlt.“[21] So beurteilte Benz auch die Aussagen von Thilo Sarrazin zur genetischen Disposition von Juden und anderen Gruppen als rassistisch.[22] Auch den Verschwörungstheoretiker Udo Ulfkotte kritisierte Benz scharf. Ulfkotte beschwöre eine „muslimische Weltrevolution“ und einen „geheimen Plan zur Unterwanderung nichtmuslimischer Staaten“. Dies entspringe nur seiner Fantasie, genüge den Fremdenfeinden aber als Versicherung, so wie die Protokolle der Weisen von Zion Antisemiten genügten.[23]
Anlässlich seiner Emeritierung wurde Benz die Goldene Ehrennadel der TU Berlin verliehen. Charlotte Knobloch würdigte Benz für „seine hervorragenden Leistungen auf dem Gebiet der Antisemitismusforschung“, sie seien „in Europa singulär und haben weltweit Maßstäbe gesetzt“. Mordechay Lewy bescheinigte ihm „aufklärerische Berufung, […] den Leugnern der Shoa effektiv entgegenzutreten“.[29]
2012 erhielt er den Preis Gegen Vergessen – Für Demokratie für seine Verdienste „für die Erinnerungskultur in Deutschland und sein gesellschaftliches Engagement gegen Vorurteile und gegen Fremdenfeindlichkeit“.[30]
Schriften (Auswahl)
Monographien
Süddeutschland in der Weimarer Republik. Ein Beitrag zur deutschen Innenpolitik 1918–1923 (= Beiträge zu einer historischen Strukturanalyse Bayerns im Industriezeitalter. Band 4). Duncker und Humblot, Berlin 1970, DNB456070109 (zugleich: Dissertation, Universität München 1968).
Potsdam 1945. Besatzungsherrschaft und Neuaufbau im Vier-Zonen-Deutschland. dtv, München 1986; 4. Auflage 2005, ISBN 3-423-34230-7.
Herrschaft und Gesellschaft im nationalsozialistischen Staat. Studien zur Struktur- und Mentalitätsgeschichte. Fischer, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-596-24435-8.
Dimension des Völkermords. Die Zahl der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus (= Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte. Band 33). Oldenbourg, München 1991, ISBN 3-486-54631-7; als Taschenbuch: dtv 4690 dtv Wissenschaft, München 1996, ISBN 3-423-04690-2.
Deutsche Juden im 20. Jahrhundert: eine Geschichte in Porträts. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-62292-2.
Antisemitismus und „Islamkritik“, Bilanz und Perspektive. Metropol, Berlin 2011, ISBN 978-3-86331-012-7.
Ansturm auf das Abendland? Zur Wahrnehmung des Islam in der westlichen Gesellschaft (= Wiener Vorlesungen im Rathaus. Band 170). Picus, Wien 2013, ISBN 978-3-85452-570-7.
Schweigen, Verweigern, Bewältigen. Vom Umgang mit nationalsozialistischer Vergangenheit. In: Claudia Brunner, Uwe von Seltmann: Schweigen die Täter, reden die Enkel. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main 2004, S. 175–190, ISBN 3-7632-5443-9; als Taschenbuch: Fischer TB 16760, Frankfurt am Main 2006, ISBN 978-3-596-16760-9.
Überleben im Dritten Reich. Juden im Untergrund und ihre Helfer. Beck, München 2003, ISBN 3-406-51029-9 (Rezension, Institut für Friedenspädagogik Tübingen e. V.).
Selbstbehauptung und Opposition. Kirche als Ort des Widerstandes gegen staatliche Diktatur. Metropol, Berlin 2003, ISBN 3-936411-32-8.
Der Hass gegen die Juden. Dimensionen und Formen des Antisemitismus. Metropol, Berlin 2008 (= Positionen, Perspektiven, Diagnosen. Band 2), ISBN 978-3-938690-82-6.
mit Angelika Königseder: Das Konzentrationslager Dachau. Geschichte und Wirkung nationalsozialistischer Repression. Metropol, Berlin 2008, ISBN 978-3-940938-10-7.
Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. 8 Bände in 9 Teilbänden. De Gruyter / Saur, Berlin 2008–2015:
mit Juliane Wetzel: Antisemitismus und radikaler Islamismus. Klartext, Essen 2007, ISBN 978-3-89861-714-7 (= Antisemitismus. Geschichte und Strukturen. Band 4).
Literatur
Wolfgang Benz. In: Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender 2003. 19. Ausgabe. Band I: A–J. Bio-bibliographisches Verzeichnis deutschsprachiger Wissenschaftler der Gegenwart. K. G. Saur, München 2003, ISBN 3-598-23607-7, S. 199.
Mona Körte, Marion Neiss (Hrsg.): Von Schöpfern und Schurken: to B. or not to be. Metropol, Berlin 2006, ISBN 978-3-938690-40-6 (Eine Anthologie für Wolfgang Benz, Festschrift zu seinem 65. Geburtstag mit mehr als hundert Beiträgen[35]).
↑Wolfgang Benz: Zeitgeschichte als demokratischer Auftrag. In: Christof Dipper, Heinz Duchhardt: Generation im Aufbruch. Die Geschichtswissenschaft in Deutschland im Spiegel autobiographischer Porträts. Köln u. a. 2024, S. 335–349, hier S. 335.
↑Michel Dormal: Terror und Politik. Eine politische Analyse des Islamismus aus Sicht einer kritischen Theorie von Antisemitismus und totaler Herrschaft (= Politische Theorie, Bd. 10), LIT Verlag, Münster 2009, S. 24.
↑Wissenschaft als Ärgernis. Zentrum für Antisemitismusforschung, Newsletter Nr. 37, Januar 2009 (Tagungsbericht).
↑Thorsten Gerald Schneiders (Hrsg.): Islamfeindlichkeit: Wenn die Grenzen der Kritik verschwimmen. Springer VS, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-531-92385-7, S. 9 f.
↑Benjamin Weinthal: Dangerous equation. In: Haaretz, 26. Dezember 2008 (kostenpflichtig).