Aribert Reimann war der jüngere Sohn des evangelischen Kirchenmusikers Wolfgang Reimann (1887–1971) und der AltistinIrmgard Rühle (1894–1972). Beide Eltern waren auch als Professoren tätig. Bereits als Zehnjähriger komponierte Reimann erste Klavierlieder. Er besuchte ein Gymnasium und nach dem Abitur nahm er eine Tätigkeit als Korrepetitor an der Städtischen Oper Berlin auf. Außerdem begann er 1955 das Studium in den Fächern Komposition, Kontrapunkt und Klavier (unter anderem bei Boris Blacher, Ernst Pepping und Otto Rausch) an der Hochschule für Musik Berlin, wo er bis 1959 eingeschrieben war. 1958 ging Reimann zum Musikwissenschaftsstudium an die Universität Wien. Ende der 1950er Jahre folgten zudem erste Auftritte als Pianist und Liedbegleiter. Anfang der siebziger Jahre wurde Reimann Mitglied der Akademie der Künste (Berlin). Bis 1982 wirkte er als Professor für Interpretation moderner Musik an der Musikhochschule Hamburg. In der Zeit von 1983 bis 1998 übernahm er eine Professur an der Hochschule der Künste Berlin im Fachgebiet Zeitgenössisches Lied. Reimann schrieb Kammermusik, Orchesterwerke, Opern sowie breit gefächerte Vokalmusikwerke vom unbegleiteten Sologesang bis zur Chorsinfonik und wurde so zu einem bedeutenden Komponisten der Gegenwart.
Das dem zeitgenössischen Klarinettisten und Komponisten Jörg Widmann gewidmete Werk Cantus für Klarinette und Orchester wurde am 13. Januar 2006 im großen Sendesaal des WDR in Köln uraufgeführt. Inspiriert wurde Reimann zu diesem Werk durch die Kompositionen für Klarinette von Claude Debussy.
Aribert Reimann lebte und arbeitete in Berlin, wo er im März 2024 im Alter von 88 Jahren starb.[4]
Der Busoni-Kompositionspreis
Der Busoni-Kompositionspreis wurde 1988 von Aribert Reimann gestiftet. Er ist der einzige von der Akademie der Künste vergebene Preis zur Förderung des kompositorischen Nachwuchses. Seit 1992 werden zusätzlich auch Kompositionsstudenten gefördert.
Auszeichnungen
1962: Berliner Kunstpreis für Musik (Junge Generation)
Zyklus nach Texten aus dem Gedichtband Atemwende von Paul Celan für Bariton und Orchester (1971)
Lines für Sopran und Kammerstreichorchester (1973)
Wolkenloses Christfest, Requiem für Bariton, Violoncello und Orchester (1974)
Six Poems by Sylvia Plath (1975)
Fragmente aus „Lear“ für Bariton und Orchester (1976/78)
Chacun sa chimère, Poème visuel von Charles Baudelaire für Tenor und Orchester (1981)
Drei Lieder nach Gedichten von Edgar Allan Poe für Sopran und Orchester (1980/82)
Requiem für Sopran, Mezzosopran, Bariton, gemischten Chor und Orchester (1982)
Finite Infinity nach Gedichten von Emily Dickinson für Sopran und Orchester (1994/95)
Die Pole sind in uns für Bariton und Klavier, nach einem Gedicht von Paul Celan (1995)
Kumi Ori für Bariton und Orchester (1999)
Tarde für Sopran und Orchester (2003)
Vokalmusik
März für Sprecher und Bassflöte (1966), UA 30. Juli 1966 Biswil (CH), Alte Kirche (Günter Grass, Sprecher; Aurèle Nicolet, Flöte)
Entsorgt für Bariton solo (1989)
Shine and Dark nach einem Gedicht von James Joyce, für Bariton und Klavier (linke Hand) (1989)
Eingedunkelt für Alt solo. Neun Gedichte (1992)
Lady Lazarus für Sopran solo (1992)
Nightpiece für Sopran und Klavier (1992)
Fünf Lieder nach Gedichten von Paul Celan für Countertenor und Klavier (1994/2001)
…ni una sombra, Trio für Sopran, Klarinette in A und Klavier, nach einem Gedicht von Friedrich Rückert und Worten von Antonio Porchia (2006)
Ein Blick war’s, der mich ins Verderben riss. Zweiter Monolog der Stella aus dem gleichnamigen Schauspiel von Johann Wolfgang von Goethe, für Sopran und Klavier (2014)
Kammermusik
Reflexionen für sieben Instrumente (1966)
Trovers nach altfranzösischen Troubadour-Texten für Sprechstimme und Ensemble (1967)
Unrevealed für Bariton und Streichquartett (1981)
Gedichte der Maria Stuart von Robert Schumann, op. 135 von 1852 für Mezzosopran und Kammerensemble (1988)
… oder soll es Tod bedeuten? Acht Lieder und ein Fragment von Felix Mendelssohn Bartholdy nach Gedichten von Heinrich Heine (1996) für Sopran und Streichquartett bearbeitet und mit sechs Intermezzi verbunden
Metamorphosen über ein Menuett von Franz Schubert (D 600) für zehn Instrumente (1997)
Drei Gedichte der Sappho, in der deutschen Übertragung von Walter Jens (2000)
Fanfarrias para el público für 15 Blasinstrumente (2004)
Klavier solo
Erste Sonate (1958)
Spektren (1967)
Variationen für Klavier (1979)
Auf dem Weg (1989/93)
Violoncello
Cellokonzert
Cellosonate
Literatur
Albert Gier: Zurück zu Shakespeare! Claus H. Hennebergs Lear-Libretto für Aribert Reimann und seine englische Übersetzung von Desmond Clayton. In: Herbert Schneider/Rainer Schmusch (Hrsg.): Librettoübersetzung: Interkulturalität im europäischen Musiktheater (= Musikwissenschaftliche Publikationen. Bd. 32). Olms, Hildesheim 2009, S. 329–349.
Luigi Bellingardi: Alcune riflessioni sulla „Gespenstersonate“ di Aribert Reimann. In: Sabine Ehrmann-Herfort/Markus Engelhardt (Hrsg.): „Vanitatis fuga, Aeternitatis amor“. Wolfgang Witzenmann zum 65. Geburtstag (= Analecta Musicologica. Bd. 36). Laaber, Laaber 2005, S. 689–695 (italienisch).
Wolfgang Burde: Aribert Reimann. Schott, Mainz 2005.
Ellen Freyberg: „Es sind noch Lieder zu singen jenseits der Menschen“. Studien zur musikalischen Lyrik Aribert Reimanns, Hofheim, Wolke 2019, ISBN 978-3-95593-082-0.
Reimann, Aribert. In: Walter Habel (Hrsg.): Wer ist wer? Das deutsche Who’s who. 24. Ausgabe. Schmidt-Römhild, Lübeck 1985, ISBN 3-7950-2005-0, S. 990.
Arkadi Junold: Methoden der Sprachvertonung in Reimanns Oper „Lear“. Arkadien-Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-940863-02-7.
Kii-Ming Lo: Unsichtbarer Herrscher über ein gehorsames Volk. Aribert Reimanns Oper „Das Schloß“ nach Franz Kafka. In: Peter Csobádi, Gernot Gruber, Ulrich Müller et al. (Hrsg.): „Weine, weine, du armes Volk!“ – Das verführte und betrogene Volk auf der Bühne, „Kongreßbericht Salzburg 1994“. Müller-Speiser, Anif/Salzburg 1995, S. 663–674.
Jürgen Maehder: Aribert Reimanns „Nachtstück“ – Studien zu musikalischer Struktur und Sprachvertonung. In: Aurora („Jahrbuch der Eichendorff-Gesellschaft“) 36/1976. S. 107–121.
Jürgen Maehder: Aribert Reimanns „Lear“ – Anmerkungen zu einigen Strukturproblemen der Literaturoper, Programmheft der Bayerischen Staatsoper München zur Uraufführung. Bayerische Staatsoper, München 1978, S. 61–73.
Jürgen Maehder: Anmerkungen zu einigen Strukturproblemen der Literaturoper. In: Klaus Schultz (Hrsg.): Aribert Reimanns „Lear“. Weg einer neuen Oper. dtv, München 1984, S. 79–89.
Jürgen Maehder: Aribert Reimann and Paul Celan: The Setting of Hermetic Poetry in the Contemporary German Lied. In: Claus Reschke/Howard Pollack (Hrsg.): German Literature and Music. An Aesthetic Fusion: 1890–1989 (= Houston German Studies. Bd. 8). Fink, München 1992, S. 263–292 (englisch).
Jürgen Maehder: Untersuchungen zum Musiktheater Aribert Reimanns. Musikalische Dramaturgie in „Lear“ und „Die Gespenstersonate“. In: Jürgen Kühnel/Ulrich Müller/Oswald Panagl (Hrsg.): Musiktheater der Gegenwart. Text und Komposition, Rezeption und Kanonbildung. Müller-Speiser, Anif/Salzburg 2008, S. 342–373.
Jürgen Maehder: Aribert Reimann et Paul Celan. La mise en musique de la poésie hermétique dans le lied allemand contemporain. In: Antoine Bonnet / Frédéric Marteau (Hrsg.): Paul Celan, la poésie, la musique. „Avec une clé changeante“. Hermann, Paris 2015, S. 351–372 (französisch).
Klaus Schultz (Hrsg.): Aribert Reimanns „Lear“. Weg einer neuen Oper. dtv, München 1984.
Anselm Weyer: Günter Grass und die Musik (= Kölner Studien zur Literaturwissenschaft. Bd. 16). Peter Lang, Frankfurt am Main u. a. 2007, ISBN 978-3-631-55593-4 (Zugleich: Köln, Universität, Dissertation, 2005).
Sigrid Wiesmann (Hrsg.): Für und Wider die Literaturoper (= Thurnauer Schriften zum Musiktheater. Bd. 6). Laaber, Laaber 1982.
↑Anlass zur Veröffentlichung bot die Krankenakte Robert Schumanns, die Reimann im Vorjahr vom Bruder seiner Mutter geerbt hatte, siehe hierzu Aufgewühlte Gedanken. Hinweg!, Konzert vom 8. November 2018 aus der Philharmonie in Berlin, Moderation Stefan Lang, darin Gespräch Reimanns mit dem Moderator. Die Krankenakte befindet sich derzeit als Leihgabe bei der Akademie der Künste in Berlin.