Es gibt ein eigenes Lied nach der Melodie der Marseillaise. Das 'Lied der freyen Wöllsteiner', das den revolutionären Geist der Bürger jener Zeit lobt.[4][5]
In Wöllstein bestand seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts eine Poststation am Niederländischen Postkurs von Brüssel über Rheinhausen und Augsburg nach Innsbruck, Trient und Italien. Erstmals wurde die Poststation Wöllstein im 1563 erschienenen Postreisebuch des Giovanni da l’Herba als „Bilstain ò Vilstain, villa“ (= Dorf) erwähnt.[7] Seit 1578 führte ein Abzweiger des Niederländischen Postkurses von Wöllstein nach Köln. Während der Zahlungsunfähigkeit der Post im späten 16. Jahrhundert und des daraus resultierenden Streiks der Posthalter spielten sowohl der Posthalter Valentin Dill (Till) als auch seine Witwe, die „Postfrau zu Welstein Margarethen“ als Streikführer eine entscheidende Rolle, indem sie die Postfelleisen ab Wöllstein nicht weiterbeförderten.[8] Nach der Konsolidierung und der Gründung der Kaiserlichen Reichspost im Jahre 1597 blieb die Poststation Wöllstein bestehen, verlor aber ab dem späten 17. Jahrhundert wegen Routenverlagerungen und der Einbeziehung der Städte zunehmend an Bedeutung.
20. Jahrhundert
In Wöllstein existierte seit dem 18. Jahrhundert eine jüdische Gemeinde. Anfang 1933 lebten etwa 45 Juden in Wöllstein. Diese lebten überwiegend in sehr einfachen wirtschaftlichen Verhältnissen. Als die antisemitische Verfolgung des Nationalsozialismus einsetzte, die in der Regel mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz begann, versuchten viele Juden, ins Ausland zu flüchten. Das gelang allerdings nur wenigen. Außerdem behinderten oder verhinderten die Nationalsozialisten und die von ihnen beeinflussten Behörden in vielen Fällen die Emigration durch Errichtung bürokratischer Hindernisse oder auch durch die Androhung der ganz oder teilweisen Enteignung im Falle der Emigration. Bei den Novemberpogromen am 9. und 10. November 1938 wurde unter anderem die Synagoge demoliert, die aus einem Betsaal im Haus der Familie May bestand. Auch Häuser von Juden wurden zerstört. Täter waren überwiegend ortsfremde Personen wie bei fast allen Gewaltakten im Rahmen der Novemberpogrome. Aber es waren wohl auch Schüler der damaligen Bürgerschule in Wöllstein bei den Ausschreitungen beteiligt. Bei den Zerstörungen kam es auch zu Gewalt gegen Personen. Vermutlich ortsfremde SS-Leute – nach Ansicht des Historikers Dieter Hoffmann „Männer aus dem Ort“[9] – schnitten dem 74-jährigen langjährigen Vorstandsmitglied der jüdischen Gemeinde und Schächter Adolf May mit seinem Schächtmesser die Kehle durch. In der Presse wurde der Mord als Selbstmord dargestellt. In der Zeit nach den Novemberpogromen wurden 31 jüdische Bürger Wöllsteins, die teilweise in andere deutsche Städte geflüchtet waren, deportiert und ermordet. Nach dem Krieg versuchte die Justiz in Rheinland-Pfalz, die Mörder von Adolf May zu finden. Auf Grund „anhaltenden Schweigens vor Ort“[10] konnten sie nicht ermittelt werden. Der Mord blieb unaufgeklärt.[9][10]
21. Jahrhundert
Am 24. September 2016 wurde das Fernsehexperiment Das ProSieben Auswärtsspiel live im Ort gespielt, bei der Sendung musste der Kandidat (ähnlich wie bei Schlag den Raab) mehrere Aufgaben erfüllen. Das Spiel dauerte über vier Stunden und wurde live im Fernsehen gezeigt. Der Kandidat Markus gewann 100.000 Euro.
Blasonierung: „Durch einen silbernen Faden gespalten von Rot und Blau; rechts ein sechsspeichiges silbernes Rad, links ein rotbewehrter, -gezungter und -gekrönter goldener Löwe im mit silbernen Kreuzen besäten Feld.“[14]
Wappenbegründung: Das Wappen der Ortsgemeinde Wöllstein zeigt das Mainzer Rad und den Kurpfälzer Löwen und bezieht sich damit auf die Zugehörigkeit der Gemeinde zu diesen Territorien bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.
Schultheißen und Bürgermeister
Falkensteiner Bezirk
1625–16??: N. Seibel
16??–1662: Conrad Gutenberger
1663–1682: Peter Dreber
1682–1690: Nicel Heuß
Kurmainzer Bezirk
1689–1709: Andreas Gutenberger
1709–1722: Johannes Ritter
1722–1760: Johann Jacob Schmitt
1760–1762: Carl Anton Wagner
1762–1795: Johann Georg Wagner
Nassauischer Bezirk
1650–1665: N. Maurer
1666–1691: Caspar Adam
1692–1729: Christian Kern
1729–1768: Balthar Wörth
1768–1772: Johannes Germani
1772–1797: Gerhard Wolf
Gesamt-Wöllstein
1797–1800: Nicel Klein
1800–1811: Johann Steinmetz
1811–1813: Franz Seiß
1813–1814: Johann Steinmetz
1814–1849: Jacob Jungk
1849–1852: Georg Glod
1853–1854: Philipp Jungk
1854–1860: Philipp Moller I.
1860–1877: Philipp Jungk
1877–1885: Johann Mattes
1886–1904: Johann Hofmann IV.
1904–1931: Julius Moller
1931–1945: Julius Neubrech (NSDAP)
1945–1969: Jacob Werle (CDU)
1969–1979: Johann Rathgeber (SPD)
1979–1989: Heinrich Frohnhöfer (CDU)
1989–1994: Hans Jürgen Piegacki (SPD)
1994–1999: Heinrich Frohnhöfer (CDU)
1999–2009: Hans Jürgen Piegacki (SPD)
2009–2019: Lucia Müller (CDU)
seit 2019: Johannes Brüchert (SPD)
Bei der Stichwahl am 16. Juni 2019 konnte sich Johannes Brüchert mit einem Stimmenanteil von 56,60 % gegen die bisherige Amtsinhaberin Lucia Müller durchsetzen.[15] Bei der Direktwahl am 9. Juni 2024 konnte er sich mit 68,9 % erneut gegen einen Mitbewerber durchsetzen und wurde somit für weitere fünf Jahre in seinem Amt bestätigt.[16]
Am 11. Oktober 1888 erhielt Wöllstein Eisenbahnanschluss an die von Sprendlingen aus gebaute Bahnstrecke, die als Privatbahn von der Süddeutschen Eisenbahn-Gesellschaft erbaut worden war. Am 5. Oktober 1898 folgte die Verlängerung der Strecke von Wöllstein nach Fürfeld. Der Personenverkehr wurde bereits 1953 eingestellt, der Güterverkehr 1973, danach wurde die Strecke abgebaut.
Des Weiteren besteht Anschluss an die Busverbindungen der ORN und der Verkehrsgesellschaft Bad Kreuznach.
Mehrmals täglich verkehren Linienbusse von Wöllstein über Siefersheim-Wonsheim-Wendelsheim nach Alzey, in der Gegenrichtung vereinzelt Busse nach Wörrstadt. Die Verbindung nach Bad Kreuznach ist im Vergleich zur Verbindung nach Alzey um einiges besser. Hier verkehren werktags stündlich Busse über Volxheim und Hackenheim nach Bad Kreuznach.
Öffentliche Einrichtungen
Seit 2002 befindet sich in Wöllstein die Justizvollzugsanstalt Rohrbach. Außerdem existiert eine Realschule plus sowie eine Grundschule. Zudem verfügt die Gemeinde über zwei Kindergärten.
Persönlichkeiten
Helene Fischer (* 1984), Schlagersängerin, aufgewachsen in Wöllstein
Stefan Jungk (* 1968), Unternehmer und Präsident des Bundesverbandes der deutschen Ziegelindustrie
Tobi Krell (* 1986), Moderator, Reporter, Autor, aufgewachsen in Wöllstein
Adolph Pitthan (1847–1922), hessischer Landtagsabgeordneter und Beigeordneter in Wöllstein
Literatur
Bernd Antweiler: Chronik der Pfarrei St. Remigius Wöllstein. Wöllstein 1991, DNB957805985.
Hans Becher: Georg Heinrich Freiherr von Langsdorff in Brasilien. Forschungen eines deutschen Gelehrten im 19. Jahrhundert. Reimer, Berlin 1987, ISBN 3-496-00849-0.
Thomas Losleben: Das Gräberfeld am Ölberg bei Wöllstein. In: Christopher F. E. Pare (Hrsg.): Bevor die Römer kamen. Kelten im Alzeyer Land. Alzey 2003, ISBN 3-87854-182-1, S. 101–106.
Bernd Antweiler: Reichspogromnacht November 1938 in Wöllstein: wir gedenken der jüdischen Mitbürger und der Opfer des Nationalsozialismus. Hrsg. Ortsgemeinde Wöllstein, 2013. Begleitheft zur gleichnamigen Ausstellung in Wöllstein 2013.
Lutz Ruppersberger: Die Post in Wöllstein. In: Heimat-Jahrbuch für den Landkreis Alzey-Worms. 27 (1992), S. 128–136.
↑Ernst-Otto Simon: Der Postkurs von Rheinhausen bis Brüssel im Laufe der Jahrhunderte. In: Archiv für deutsche Postgeschichte. 1/1990, Tafel S. 17.
↑Martin Dallmeier: Quellen zur Geschichte des europäischen Postwesens 1501–1806. Teil II: Urkunden-Regesten. Verlag Michael Lassleben, Kallmünz 1977, Regest 56, S. 17 sowie Regest 71, S. 34.
↑ abDieter Hoffmann: Die Verfolgung und Vernichtung der Rheinhessischen Juden am Beispiel der Landbevölkerung. In: Hans-Georg Meyer, Hans Berkessel (Hrsg.): Die Zeit des Nationalsozialismus in Rheinland-Pfalz. Band 1: „Eine nationalsozialistische Revolution ist eine gründliche Angelegenheit“. Verlag Schmidt, Mainz 2000, S. 239.