Die 1669 gegründete Leopold-Franzens-Universität Innsbruck (kurz: LFU oder LFUI, lateinischUniversitas Leopoldino-Franciscea Oenipontana) ist die größte Bildungs- und Forschungseinrichtung in Westösterreich. Sie gilt als Landesuniversität der österreichischen Bundesländer Tirol und Vorarlberg. Historisch übte sie diese Funktion auch für Südtirol, Welschtirol (Trentino), Liechtenstein und Luxemburg[3][4] aus, was aber infolge der Gründung eigener Hochschulen in diesen Ländern heute nicht mehr der Fall ist. Gemessen an den Studierendenzahlen ist sie Tirols größte Bildungseinrichtung vor Trient und Bozen.
1562 wurde in Innsbruck von den Jesuiten ein Gymnasium errichtet. Finanziert durch eine Sondersteuer auf das Haller Salz, wurde am 15. Oktober 1669 durch Kaiser Leopold I. darauf aufbauend eine Volluniversität mit vier Fakultäten gegründet, darunter 1671/72 die juridische und 1674/75 die medizinische Fakultät.[5] Am 29. November 1781 durch Joseph II. wieder auf ein Lyzeum reduziert, erfolgte 1826 die Wiedererrichtung der Universität Innsbruck durch Kaiser Franz I. Um 1900 waren etwa 1.000 Studierende immatrikuliert.[6] Zu Ehren beider Gründungsväter führt die Universität Innsbruck die Bezeichnung Leopold-Franzens-Universität Innsbruck.
Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde sie im März 1941 auf Vorschlag des damaligen Rektors Raimund von Klebelsberg in Deutsche Alpenuniversität umbenannt. Es kam, wie an allen Universitäten, zu „Säuberungsaktionen“. Gegner der Nationalsozialisten wurden entmachtet und vom wissenschaftlichen Betrieb ausgeschlossen.[7] 1945 wurde sie nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs unter dem Namen Universität Innsbruck wiedereröffnet.[8]
Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts brachte weitere Ausbauschritte der Universität: 1969 die Fakultät für Bauingenieurwesen und Architektur und 1976 die Geisteswissenschaftliche und die Sozial- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, die aus den Rechts- und Staatswissenschaften hervorgingen. 2004 wurde die Medizinische Fakultät ausgegliedert, 2012 die School of Education gegründet, die 2018 in Fakultät für LehrerInnenbildung umbenannt wurde. Im Jahr 2021 betreuten 5.573 Mitarbeiter an der Universität insgesamt 28.106 Studierende.[9]
Jochen Zenthöfer kritisierte die Universität 2022 in der FAZ für ihren Umgang mit Plagiaten: Zwischen 2006 und 2021 gab es 31 Verdachtsfälle zu Verstößen gegen die gute wissenschaftliche Praxis, in keinem einzigen Fall wurde ein akademischer Grad aberkannt.[10]
Stellung in Österreich und in Europa
In den THE World University Rankings liegt die Universität Innsbruck 2021 in der Platzgruppe 351–400.[11] Grundlage der Auswertung ist ein Beurteilungssystem, in dem insbesondere Forschung, Lehre und der internationale Ruf der Universitäten bewertet werden. Besonders positiv ist die Bewertung in der internationalen Sichtbarkeit der Forschungsergebnisse.[12] In den QS World University Rankings (QS-Ranking) rangiert sie regelmäßig in den Rängen zwischen 260 und 280.[13] Im Shanghai-Ranking platziert sie sich als zweitbeste österreichische Hochschule in den Rängen zwischen 201 und 300.[14] Im Handelsblatt-Ranking 2015 zählte die betriebswirtschaftliche Fakultät zu den 15 besten betriebswirtschaftlichen Fakultäten im deutschsprachigen Raum.[15] Diese Einschätzung wurde durch das Ranking der Wirtschaftswoche 2019 und 2022 bestätigt.[16][17]
Das von der EU initiierte Hochschulranking U-Multirank erstellt keine Rankings, macht die Universitäten aber über 34 verschiedene Indikatoren vergleichbar. Hier gehört die Universität Innsbruck zu den österreichischen Hochschulen mit den meisten Höchstnoten.[18] Im Leiden Ranking, das auf bibliometrischen Daten basiert, schneidet die Leopold-Franzens-Universität bei den „Collaboration indicators“ besonders gut ab. Gemessen an der Anzahl jener Publikationen, die mit ausländischen Partnern verfasst wurden, wird die Universität Innsbruck im Jahr 2020 weltweit auf Platz 12 gelistet und zeigt hohe internationale Vernetzung.[19] Im Ranking 2022 von Research.com belegt die Fakultät für Betriebswirtschaft in der Kategorie Business and Management in Österreich den ersten Platz.[20]
Die Universität Innsbruck ist seit 2019 Mitglied des Universitätsnetzwerkes Aurora und kooperiert mit verschiedenen Universitäten aus Deutschland, Spanien und den Niederlanden.[21] Im Rahmen des Forschungsnetzwerkes „Africa-UniNet“ werden Forschungsprojekte mit den forschungsstärksten afrikanischen Universitäten durchgeführt.[22] Ferner ist die Universität Innsbruck eine von mehreren europäischen Unis und Forschungseinrichtungen, die mit dem IBM Quantencomputer-Netzwerk kooperieren.[23]
Fakultät für LehrerInnenbildung (vormals bis Februar 2018 „School of Education“ genannt)[24]
Die ursprünglich sechs Fakultäten wurden 2004 in 15 Fakultäten gegliedert. 2012 wurde die School of Education als 16. Fakultät eingerichtet; dieser Schritt diente als Basis für den weiteren Ausbau der Lehrer-Ausbildung.[25]
Im Rahmen der Umsetzung des Universitätsgesetzes 2002 wurde die frühere Medizinische Fakultät 2004 als Medizinische Universität Innsbruck ausgegliedert. Die Universität Innsbruck ist seither keine Volluniversität im klassischen Sinn mehr. Da diese Trennung gegen den Willen der Fakultät zustande kam,[26] wird die Wiedereingliederung immer wieder diskutiert.[27]
Im Jahr 2019 wurde die interfakultäre Organisationseinheit Digital Science Center (DiSC) gegründet.[28] Sie hat zum Ziel, die Digitalisierung der Forschung zu bündeln und voranzutreiben, um so neue Forschungsrichtungen einzuschlagen und die Qualität der Wissenschaft zu stärken.
Die Gebäude der Universität Innsbruck verteilen sich über das Stadtgebiet, sie ist also keine „Campus-Universität“.
Campus Innrain: Das 1924 eröffnete Hauptgebäude (Rohbau 1914/15, der Weiterbau wurde kriegsbedingt unterbrochen) ist Sitz des Rektorats und der Rechtswissenschaftlichen Fakultät. Das nebenan am Innrain 50 befindliche Gebäude der Universitätsbibliothek wurde 1912/1914 errichtet. Neben dem Hauptgebäude hinter der Universitätsbibliothek befindet sich Richtung Inn der 1981 eröffnete Neubau mit dem Geiwi-Turm, dem Bruno-Sander-Haus und dem Josef-Möller-Haus beherbergt geistes-, natur- und rechtswissenschaftliche Institute. 2023 wurde das Ágnes-Heller-Haus in Betrieb genommen. Es beherbergt die archäologischen und altertumswissenschaftlichen Institute, die ab 2008 im Zentrum für Alte Kulturen am Langen Weg untergebracht waren[29][30] und das Institut für Erziehungswissenschaft. Ebenfalls am Innrain befindet sich der Hauptstandort der Universitätsbibliothek. Zum Campus gehört zudem das Forschungsinstitut Brenner-Archiv in der benachbarten Josef-Hirn-Straße.
Campus Universitätsstraße: Das ehemalige Jesuitengymnasium und das angrenzende, seit 1766 als Universität genutzte Gebäude bei der Jesuitenkirche werden heute von der Katholisch-Theologischen Fakultät genutzt. Gegenüber wurde 1997 auf dem Gelände der ehemaligen Fenner-Kaserne die Sozial- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät eröffnet.[31] Seit Januar 2023 werden unmittelbar daneben im südwestlichen Teil des Hotels Grauer Bär, das verkleinert weiter betrieben wird, umgebaute Zimmer u. a. für das Institut für Medien, Kommunikation und Gesellschaft sowie für das Institut für Psychologie genutzt.[32]
Campus Technik: Im Stadtteil Hötting West wurde 1969 ein großer Gebäudekomplex errichtet, in dem heute zahlreiche naturwissenschaftliche Institute sowie Architektur, Technik und Informatik untergebracht sind.
Campus Sport: Beim Flughafen Innsbruck sind das Sportinstitut und das Universitätssportzentrum untergebracht.
Centrum für Chemie und Biomedizin: 2012 wurde das von den Innsbrucker Universitäten gemeinsam genutzte Gebäude am Innrain eröffnet. Es beherbergt chemische, pharmazeutische und biomedizinische Einrichtungen der beiden Innsbrucker Universitäten.[33]
Die Universität Innsbruck ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts mit dem Recht der Selbstverwaltung und wird von einem Rektorat geleitet. Ihm zur Seite stehen der Universitätsrat und der Senat.
Senat: Der Senat besteht aus 26 Personen: 13 Vertretern gehören zur Kurie der Universitätsprofessoren, sechs zur Kurie der Universitätsdozenten und der wissenschaftlichen Mitarbeitern im Forschungs- und Lehrbetrieb, ein Mandatar vertritt die allgemeinen Universitätsbediensteten, und sechs Studierende vertreten die Studentenschaft. Senatsvorsitzender war von 2003 bis 2005 Christian Smekal und von 2005 bis 2019 Ivo Hajnal. 2019 wurde Walter Obwexer als Nachfolger von Ivo Hajnal zum Senatsvorsitzenden gewählt und 2022 wiedergewählt, Stellvertreterin ist Monika Fink-Naumann.[40][41]
Studium
An der Universität Innsbruck studieren rund 28.000 Studierende, sie zählt damit neben der Universität Wien und der Universität Graz zu den größten Universitäten in Österreich. Jedes Jahr beginnen über 4.000 Personen ein neues Studium. Etwa gleich viele schließen pro Jahr ein Studium an der Universität Innsbruck ab. Pro Studienjahr werden in den unterschiedlichen Fächern rund 4000 Lehrveranstaltungen angeboten.[9]
Studienfächer
Die Universität versteht sich – trotz der 2004 erfolgten Ausgliederung der Medizinischen Universität Innsbruck – als Volluniversität und deckt mit rund 150 Studiengängen an 16 Fakultäten ein breites Fächerspektrum ab: Von Architektur bis Zoologie.
Die Universität bietet 41 Bachelorstudien inklusive den Lehramtsstudien, 60 Masterstudiengänge, 4 Diplomstudien und 26 PhD/Doktoratsstudien (Stand: Studienjahr 2021/22) in den Bereichen Architektur, Geisteswissenschaften, Naturwissenschaften, Rechtswissenschaften, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften sowie Theologie und Technische Wissenschaften an.[42]
Für die Bachelorstudien Architektur, Biologie, Informatik, Pharmazie, Psychologie, Wirtschaftswissenschaften, die Lehramtsstudien, das Diplomstudium Internationale Wirtschaftswissenschaften und die Masterstudien Psychologie, Pharmaceutical Sciences und Peace and Conflict Studies gelten spezielle Aufnahmeregelungen vor der allgemeinen Zulassung. Für einen Großteil dieser Studien sind die Aufnahmeverfahren derzeit aber ausgesetzt.[43]
Viele Studien können mit frei wählbaren Wahlpaketen zu unterschiedlichen Schwerpunkten wie Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Medien oder Unternehmenskommunikation ergänzt werden. Mit einem zweisemestrigen Erweiterungsstudium können die fachlichen Kompetenzen thematisch erweitert werden. Aktuell bietet die Universität Erweiterungsstudien für Entrepreneurship, Informatik und Scientific Computing an.[44]
Das Digital Science Center (DiSC), gegründet 2019, vermittelt Studierenden digitale Kompetenzen. Diese reichen von Programmiersprachen über Kenntnisse im Datenmanagement und in der Datenanalyse bis hin zu nichttechnischen Aspekten der Digitalisierung.[45]
Nach der Abtrennung der Medizinischen Fakultät im Jahr 2004 wird das Medizinstudium an der Medizinischen Universität Innsbruck angeboten.
Studierendenvertretung
Die Österreichische Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft (ÖH) ist die gesetzliche Interessenvertretung aller Studentinnen und Studenten in Österreich. Alle Studierenden sind automatisch Mitglieder der ÖH und leisten einen ÖH-Beitrag von 22,70 Euro (inkl. 0,70 Euro für Haftpflicht- und Unfallversicherung) pro Semester (WS2023/2024), der gemeinsam mit dem Studienbeitrag von der Studienabteilung eingehoben wird.[46]
Studienbeitrag
Ordentliche Studierende mit einer Staatsbürgerschaft aus der EU/EWR/CH und ihnen Gleichgestellte, die für ein Bachelor-, Diplom-, Master- oder Doktoratsstudium zugelassen werden, bezahlen zu Beginn des neuen Studiums nur den ÖH-Beitrag. Nach Überschreitung der beitragsfreien Studiendauer wird ein Studienbeitrag von 363,36 Euro (A, EU/EWR, CH) bzw. für Drittstaatenangehörige 726,72 Euro pro Semester eingehoben.[46]
Persönlichkeiten
Nobelpreisträger mit Bezug zur Universität Innsbruck
Andreas Bösche: Zwischen Kaiser Franz Joseph I. und Schönerer. Die Innsbrucker Universität und ihre Studentenverbindungen 1859–1918. StudienVerlag, Innsbruck/Wien/Bozen 2008.
Margret Friedrich: Regionale Bedarfe, landesfürstliche Planungen, Austausch von Wissen. Universität und Räume im 18. Jahrhundert und beginnenden 19. Jahrhundert am Beispiel der Universität Innsbruck. In: Geschichte und Region/Storia e regione, Nr. 2/2017, S. 44–71.
Margret Friedrich, Dirk Rupnow (Hrsg.): Geschichte der Universität Innsbruck 1669–2019. 2 Bände. Innsbruck University Press, Innsbruck 2019, ISBN 978-3-903187-67-2.
Michael Gehler: Studenten und Politik. Der Kampf um die Vorherrschaft an der Universität Innsbruck 1918–1938. Haymon, Innsbruck 1990.
Peter Goller, Georg Tidl: Jubel ohne Ende. Die Universität Innsbruck im März 1938. Zur Nazifizierung der Tiroler Landesuniversität. Löcker-Verlag, Wien 2012.
Gisela Hormayr: Verfolgung, Entrechtung, Tod. Studierende der Universität Innsbruck als Opfer des Nationalsozialismus. StudienVerlag, Innsbruck/Wien/Bozen 2019, ISBN 978-3-7065-5940-9.
Franz Huter: Die Fächer Mathematik, Physik und Chemie an der Philosophischen Fakultät zu Innsbruck bis 1945 (= Veröffentlichungen der Universität Innsbruck, 66 = Forschungen zur Innsbrucker Universitätsgeschichte. 10). Universität Innsbruck, Innsbruck 1971.
Franz Huter, Gerhard Oberkofler, Peter Goller (Bearb.): Die Matrikel der Universität Innsbruck. Mehrbändiges Werk. Universitätsverlag Innsbruck, Innsbruck 1975ff.
Tilmann Märk (Hrsg.): Leopold-Franzens-Universität Innsbruck. Universitas semper reformanda. innsbruck university press, Innsbruck 2016, ISBN 978-3-903122-03-1.
Gerhard Oberkofler: Bericht über die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Innsbruck. In: Zeitgeschichte, Heftsammlung 1980/81 (8. Jg.), S. 142–149. Online verfügbar auf ÖNB-ANNO.
Gerhard Oberkofler, Peter Goller: Geschichte der Universität Innsbruck (1669–1945). Lang-Verlag, Frankfurt a. M./Wien 1996.
Gerhard Oberkofler: Universitätszeremoniell. Ein Biotop des Zeitgeistes. Passagen Verlag, Wien 1999.
Österreichische HochschülerInnenschaft (Hrsg.): Österreichische Hochschulen im 20. Jahrhundert. Austrofaschismus, Nationalsozialismus und die Folgen. Facultas, Wien 2013.
Günther Pallaver, Michael Gehler (Hrsg.): Universität und Nationalismus: Innsbruck 1904 und der Sturm auf die italienische Rechtsfakultät. Museo Storico del Trentino, Trient 2013.
↑Hannes Obermair: Frühes Wissen. Auf der Suche nach vormodernen Wissensformen in Bozen und Tirol. In: Hans Karl Peterlini (Hrsg.): Universitas Est, Bd. I: Essays zur Bildungsgeschichte in Tirol/Südtirol vom Mittelalter bis zur Freien Universität Bozen. Bozen: Bozen/Bolzano University Press 2008, ISBN 978-88-7283-316-2, S. 35–87, Bezug S. 80–83.
↑Aufgrund von Fehlplanungen musste das Glasdach des Gebäudes bis 2009 aufwendig saniert werden. Geplant wurde der umstrittene Gebäudekomplex, in dem auch das MCI (Management Center Innsbruck) sowie Wohnungen und Geschäftslokale untergebracht sind, von henke und schreieck Architekten aus Wien.