Die Seidelbast-Arten wachsen als laubabwerfende oder immergrüne Sträucher oder Halbsträucher. Die Rinde ist kahl oder flaumig behaart. Die meist wechselständigen, selten gegenständigen Laubblätter sind einfach und kurz gestielt.
Blütenstände und Blüten
Die Blüten stehen in meist end-, selten seitenständigen, kopfigen, kurzen traubigen, rispigen oder ährigenBlütenständen zusammen. Bei Daphne mezereum gehen die Blüten (kauliflor) aus dem Stamm hervor. Manche Arten sind zweihäusig getrenntgeschlechtig (diözisch).
Die zwittrigen oder eingeschlechtigen Blüten sind vier- oder fünfzählig. Fast immer ist ein auffallender, freier Blütenbecher (Hypanthium) vorhanden. Die vier oder fünf Kelchblätter sind zylindrisch, glocken- bis trichterförmig verwachsenen mit vier oder fünf aufrechten oder ausgebreiteten Kelchzipfeln, die abwechselnd größer und kleiner sind. Nach einer zweiten Deutung ist keine Kelchröhre vorhanden, sondern der Blütenbecher ist röhrig bis glockig ausgebildet und die Kelch- und Staubblätter sind an seiner Spitze inseriert.[1] Diese Blütenröhre kann je nach Art behaart oder kahl sein. Die Farben der Kelchblätter reichen von weiß über cremefarben bis gelb und rosafarben. Es werden keine Kronblätter ausgebildet. Es sind zwei Kreise mit je vier oder fünf Staubblättern vorhanden, die untereinander frei sind. Die entweder nur kurzen oder fehlenden Staubfäden ragen nicht aus der Kelchröhre heraus. Der mehr oder weniger ungestielte, eiförmige, oberständige Fruchtknoten ist einfächerig. Der kurze Griffel endet in einer kopfigen Narbe.
Früchte und Samen
Die bei Reife sich meist rot oder gelb färbenden, einsamigen Früchte werden als harte oder trockene und ledrige Beeren oder Steinfrüchte gedeutet; sie sind manchmal vom Kelch umhüllt. Die Samen enthalten kein oder wenig Endosperm und einen Embryo mit zwei fleischigen Keimblättern (Kotyledonen). Die Samenschale (Testa) ist krustenartig.
Giftigkeit
Hauptsächlich in der Rinde ist Daphnetoxin und in den Samen bis 0,1 % Mezerein[2] enthalten. Die Giftaufnahme erfolgt durch Verschlucken, beim Menschen auch über die Haut möglich. Neben einem Zerfressen der Haut kommt es zu schweren Schäden der Niere, des Kreislaufs und des Zentralnervensystems. Maximal fünf Beeren erzeugen nur starke Reizungen. Der Verzehr von zehn Beeren kann für Kinder schon tödlich sein.
Aufgrund der toxischen Wirkung hatte der Seidelbast mit der Ausnahme der Homöopathie keine große Bedeutung in der Pflanzenheilkunde.
In England wurden die Beeren bei Durchfallerkrankungen von Pferden eingesetzt.
Aberglaube
Eine volkskundliche Verwendung ist aus Waldshut-Tiengen belegt: Fuhrleute steckten Seidelbast, der an Mariae Himmelfahrt geweiht worden war, an den Hut, damit Hexen das Fuhrwerk nicht bannen konnten.
Systematik und Verbreitung
Die Seidelbast-Arten sind über Eurasien verbreitet. 52 Arten kommen in China vor.
Der botanische Gattungsname Daphne leitet sich von der NympheDaphne her. Sie wurde von ihrem Vater Peneios in einen Lorbeerbaum verwandelt, um sie vor ihrem Verfolger Apollon zu schützen. Die Blätter einiger, früher auch als Laureola bezeichnete[3] Seidelbast-Arten wie Lorbeer-Seidelbast ähneln denen des Lorbeerbaumes, daher erhielt die Gattung den Namen Daphne.
Arten
Es gibt etwa 70 bis 92 Daphne-Arten (Auswahl):[4][5]
Daphne angustilobaRehder: Diese Art gedeiht in Bergwäldern in Höhenlagen zwischen 3000 und 5000 Meter im südwestlichen und westlichen Sichuan sowie in Myanmar.
Bäumchen-Seidelbast (Daphne arbusculaČelak.); diese Art kommt nur in der mittleren Slowakei an Kalkfelsen in Höhenlagen zwischen 900 und 1300 Metern vor
Daphne aurantiacaDiels: Sie gedeiht in Wäldern und an Kalkfelsen in Höhenlagen zwischen 2600 und 3500 Meter im südwestlichen Sichuan und nordwestlichen Yunnan.
Daphne axillaris(Merrill & Chun) Chun & C.F.Wei: Diese Art gedeiht in dichten Wäldern in Höhenlagen zwischen 600 und 900 Meter in Hainan.
Daphne brevitubaH.F.Zhou ex C.Y.Chang: Dieser Endemit gedeiht in offenen Wäldern, mit Sträuchern bestandenen Hängen und an Felsen in Höhenlagen von etwa 2000 Meter im zentralen und nordwestlichen Yunnan (Heqing, Yimen).
Daphne chingshuishanianaS.S.Ying: Dieser Endemit gedeiht an mit Sträuchern bestandenen Hängen nahe der Berggipfel in Höhenlagen von etwa 2200 Meter nur im östlichen Taiwan (Hualien).
Daphne depauperataH.F.Zhou ex C.Y.Chang: Diese Art gedeiht in dichten Wäldern in Höhenlagen zwischen 2000 und 3200 Meter im westlichen Yunnan.
Daphne emeiensisC.Y.Chang: Dieser Endemit gedeiht in Wäldern und am Waldrand in Höhenlagen zwischen 800 und 1100 Meter in Sichuan (Emei Shan, Pingshan).
Daphne erosilobaC.Y.Chang: Diese Art gedeiht an sonnigen Hängen in Höhenlagen zwischen 3200 und 3800 Meter im westlichen Sichuan.
Daphne esquiroliiH.Léveillé: Diese Art gedeiht in Tälern und an Hängen in Höhenlagen zwischen 700 und 2000 (selten bis zu 3400) Meter im südwestlichen Sichuan und nordöstlichen Yunnan.
Daphne feddeiH.Léveillé: Diese Art gedeiht in Wäldern und strauchigen Hängen in Höhenlagen zwischen 1800 und 2600 Meter in Guizhou, Sichuan und Yunnan.
Daphne gemmataE.Pritzel: Diese Art gedeiht in Höhenlagen zwischen 400 und 1500(selten bis zu 1800) Meter im nordwestlichen und westlichen Sichuan sowie im nördlichen Yunnan.
Daphne genkwaSieb. & Zucc.: Das weite Verbreitungsgebiet liegt in China, Taiwan und Korea.
Nordjapanischer Seidelbast (Daphne jezoensisMaxim., Syn.: Daphne kamtschatica var. jezoensis(Maxim.) Ohwi): Er kommt auf den Kurilen, Sachalin und auf den japanischen Nordinseln vor
Daphne leishanensisH.F.Zhou ex C.Y.Chang; die Art kommt in China (Guizhou) in Höhenlagen zwischen 900 und 1200 Metern vor
Daphne limprichtiiH.Winkler; die Art kommt in China (Südwest-Gansu, West-Sichuan) in Höhenlagen zwischen 3000 und 4400 Metern vor
Daphne longilobata(Lecomte) Turrill (Syn.: Daphne altaica var. longilobataLecomte); die Art kommt in China (Südwest-Sichuan, Ost-Xizang, Nordwest-Yunnan) in Höhenlagen zwischen 1600 und 3500 Metern vor
Daphne longitubaC.Y.Chang; die Art kommt in China (Nordost-Guangxi) in Höhenlagen zwischen 1000 und 1200 Metern vor
Daphne macranthaLudlow; die Art kommt in China (Nordost-Xizang) in Höhenlagen von 4200 bis 4300 Metern zwischen Felsen vor
Echter Seidelbast oder Kellerhals (Daphne mezereumL.): Das weite Verbreitungsgebiet umfasst Europa, den Kaukasus, Sibirien und den Altai.
Daphne miyabeanaMakino: Er kommt in Japan (Hokkaido, Honshu) vor
Daphne modestaRehder; die Art kommt in China (West-Sichuan, Yunnan) in Höhenlagen zwischen 2100 und 2900 Metern vor
Daphne myrtilloidesNitsche; die Art kommt in China (Gansu, Shaanxi, Shanxi) vor
Daphne nanaTagawa; die Art kommt in Ost-Taiwan (Hualian) vor
Daphne odoraThunb.; die Heimat der Art ist vielleicht China oder Japan
Ölbaumähnlicher Seidelbast (Daphne oleoidesSchreb., Syn.: Daphne buxifoliaVahl): Er kommt vom Mittelmeerraum bis zum nördlichen Iran vor.
Daphne pachyphyllaD.Fang; die Art kommt in Südostchina (West-Guangxi) in Höhenlagen von 1200 bis 1300 Metern vor
Daphne papyraceaWall. ex Steud. (Syn.: Daphne odora auct.): Die Art kommt in Indien, Pakistan, Nepal und China (Guangdong, Guangxi, Guizhou, Hubei, Hunan, Sichuan, Yunnan) vor
Daphne pedunculataH.F.Zhou ex C.Y.Chang; die Art kommt in China (Südost-Yunnan) vor
Daphne penicillataRehder; die Art kommt in China (Sichuan) in Höhenlagen von 1200 bis 2500 Metern vor
Daphne pseudomezereumA.Gray; die Art kommt in China (Jilin, Liaoning), Korea und Japan vor
Daphne purpurascensS.C.Huang; die Art kommt in China (Xizang) in Höhenlagen von 2600 bis 3100 Metern vor
Daphne retusaHemsl.: Er ist in China (Gansu, Hubei, Qinghai, Shanxi, Sichuan, Xizang, Yunnan) in Höhenlagen von 3000 bis 3900 Metern, in Nepal, Indien und Bhutan beheimatet.
Daphne rhynchocarpaC.Y.Chang; die Art kommt in China (Südwest-Yunnan) in Höhenlagen um 2500 Meter vor
Daphne rosmarinifoliaRehder; die Art kommt in China (Südwest-Gansu, Südost-Qinghai, Nordwest- und West-Sichuan, Yunnan) und in Myanmar vor
Berg-Seidelbast (Daphne sericeaVahl, Syn.: Daphne collinaDicks. ex Sm.): Er kommt im östlichen Mittelmeerraum vor.
Daphne sureilW.W.Sm. & Cave: Die Art kommt in China (Xizang), Indien, Bangladesch, Nepal und Bhutan vor
Daphne tanguticaMaxim.: Die Art kommt in China (Chongqing, Gansu, Guizhou, West-Hubei, Qinghai, Shaanxi, Shanxi, Sichuan, Xizang, Yunnan) in Höhenlagen von 1000 bis 3800 Metern vor
Daphne tayloriiHalda; die Art kommt in China (Xizang) in Höhenlagen um 3500 Meter vor
Daphne tenuifloraBureau & Franchet; die Art kommt in China (Südwest-Sichuan, Nordwest-Yunnan) in Höhenlagen zwischen 2700 und 3500 Metern vor
Daphne tripartitaH.F.Zhou ex C.Y.Chang; die Art kommt in China (Südwest-Sichuan, Nordwest-Yunnan) in Höhenlagen zwischen 2700 und 3000 Metern vor
Daphne wangeana(Hamaya) Halda; die Art kommt in China (Südost-Xizang) vor
Daphne xichouensisH.F.Zhou ex C.Y.Chang; die Art kommt in China (Südost-Yunnan) in Höhenlagen von 1500 bis 1800 Metern vor
Daphne yunnanensisH.F.Zhou ex C.Y.Chang; die Art kommt in China (Südwest-Yunnan) vor.
Daphne ×transatlanticaC. D. Brickell & A. R. White (= Daphne collina × Daphne caucasica)
Belege
Yinzheng Wang, Michael G. Gilbert, Brian F. Mathew, Christopher Brickell: Daphne. In: Flora of China. Volume 13, S. 230. (online) (Abschnitt Beschreibung, Verbreitung und Systematik)
Literatur
Manfred A. Fischer, Wolfgang Adler, Karl Oswald: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol. 2., verbesserte und erweiterte Auflage. Land Oberösterreich, Biologiezentrum der Oberösterreichischen Landesmuseen, Linz 2005, ISBN 3-85474-140-5.
Bruno P. Kremer: Strauchgehölze. Mosaik-Verlag, Niedernhausen 2002, ISBN 3-576-11478-5.
Gerhard Madaus: Lehrbuch der biologischen Heilmittel. 3. Band, Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1938. Georg Olms, Hildesheim 1979, S. 1906.
Günter Heubl: Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis: Drogen A – K. 5. Ausgabe. Birkhäuser Verlag, 1998, ISBN 3-540-52688-9, S. 489: Daphne. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
D. A. Webb, I. K. Ferguson: Daphne L. In: Thomas Gaskell Tutin u. a.: Flora Europaea. Band 2, Cambridge University Press, 1968, S. 256–258.
The Internazional Plant Name Index. Abgerufen am 7. November 2013.
Einzelnachweise
↑
Lutz Bunninger: Untersuchungen über die morphologische Natur des Hypanthiums bei Myrtales- und Thymelaeales-Familien - II. Martaceae - III. Vergleich mit den Thymelaeaceae. In: Beiträge zur Biologie der Pflanzen. 48 (1), 1972, S. 79–156.
↑C. Görick, M. F. Melzig: Gniditrin is the main diterpenoid constituent in the bark of Daphne mezereum L. In: Pharmazie. 68(7), Jul 2013, S. 640–642. PMID 23923651
↑Otto Zekert (Hrsg.): Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570. Hrsg. vom österreichischen Apothekerverein und der Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie. Deutscher Apotheker-Verlag Hans Hösel, Berlin 1938, S. 145 (Laureola: Daphnearten, Seidelbast).
↑Daphne im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland.
↑
Yinzheng Wang, Michael G. Gilbert, Brian F. Mathew, Christopher Brickell: Daphne. In: Flora of China. Volume 13, S. 230. (online)