Als Land bestand Sachsen-Anhalt erst nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1952 und dann ab 1990. Die sozialdemokratische Tradition seiner Regionen ist jedoch alt und bedeutend. Als Erich Ollenhauer 1901 in Magdeburg geboren wurde, war diese Stadt bereits eine sozialdemokratische Hochburg mit einer besonderen Tradition. 1808 wurde hier der Sozialist Wilhelm Weitling geboren, 1868 gründete Julius Bremer den „Sozialen Reformverein“, der sich 1869 dem Allgemeinen deutschen Arbeiterverein anschloss. 1876 wurde die SPD-Zeitung „Magdeburger Freie Presse“ gegründet, 1878 kandidierte Wilhelm Bracke als erster Sozialdemokrat für den Reichstag, und bereits 1884 wählten die Magdeburger den Sozialdemokraten August Heine als ihren Reichstagsabgeordneten. 1890 wurde die SPD-Zeitung „Volksstimme“ gegründet, und 1901 hatte der ein Jahr zuvor gegründete „Sozialdemokratische Verein für Magdeburg“ bereits 1.115 Mitglieder. Als 1929 – nach 1910 bereits der zweite – sozialdemokratische Parteitag in Magdeburg stattfand, waren es bereits etwa 10.000.
Aber Magdeburg stand nicht allein. Die gute Organisation der Sozialdemokraten während der Zeit des Sozialistengesetzes von 1878 bis 1890 war der Hauptgrund, warum sich die Partei entschloss, ihren ersten wieder in Deutschland möglichen Parteitag 1890 in Halle abzuhalten. Hier erhielt die Partei ihren bis heute geltenden Namen „Sozialdemokratische Partei Deutschlands“.
Im selben Jahr begann der erfolgreiche Aufbau der SPD im damaligen Herzogtum Anhalt, verbunden mit den Namen Heinrich Peus und Heinrich Deist, dessen Sohn gleichen Namens später den wirtschaftspolitischen Teil des Godesberger Programms maßgeblich entworfen hat. Sie gründeten Parteizeitungen, organisierten eine erfolgreiche Gegenökonomie, um Arbeiterfamilien besser zu versorgen und zur Lösung des Wohnungsproblems beizutragen und errangen Reichstagsmandate.[3]
Weimarer Republik und 1933–45
Nach der Novemberrevolution 1918 wurde die SPD in der Stadt Dessau und im Freistaat Anhalt bis 1932 zur dominierenden politischen Kraft mit Heinrich Deist als Ministerpräsidenten und Heinrich Peus als Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung und Präsident des Landtages. Ihnen und dem liberalen Oberbürgermeister Fritz Hesse ist es zu verdanken, dass das Bauhaus nach Dessau kam und Weltgeltung erlangen konnte.
Am Ende der Weimarer Republik war es der Sozialdemokrat Gerhart Seger, der das Land im Reichstag vertrat und entschieden gegen den Nationalsozialismus kämpfte. Noch vor der Abstimmung über das Ermächtigungsgesetz wurde er von den Nazis inhaftiert, doch gelang ihm eine spektakuläre Flucht aus dem KZ Oranienburg. Sein Bericht darüber wurde zu einer weltweit beachteten Anklage des NS-Regimes und die Grundidee für Anna Seghers Roman „Das siebte Kreuz“. Der Reichstagsabgeordnete Franz Peters aus Halle ist nach seinem „Nein“ zum so genannten Ermächtigungsgesetz eines der vielen Opfer der Nationalsozialisten gewesen und starb noch im gleichen Jahr. Auch die langjährige Abgeordnete im Preußischen Landtag aus Halberstadt Minna Bollmann wurde ebenso wie der große Pädagoge Adolf Reichwein aus Halle Opfer der Naziherrschaft.[3]
Nach 1945
Nach der Zwangsvereinigung der 1945 wiedergegründeten SPD mit der KPD im April 1946 konnten bedeutende Sozialdemokraten, die für kurze Zeit hohe Funktionen bekleideten in der Hoffnung, beim Wiederaufbau nach dem Krieg helfen zu können, nur mit großem Risiko und teilweise nach jahrelanger Haft in die Bundesrepublik fliehen: der erste SPD-Landesvorsitzende und Minister Ernst Thape, der Gewerkschafter und Landtagspräsident Adam Wolfram – nach 1990 Aufbauhelfer und Ehrenvorsitzender des Landesparteirates – und der Juraprofessor und Ministerialdirektor Willi Brundert, später Oberbürgermeister von Frankfurt.[3]
Wiedervereinigung
Nach der Herbstrevolution 1989 begann der Neuaufbau „aus dem Nichts heraus“. An mehr als hundert Orten zugleich folgten die neuen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten dem Aufruf zur Parteigründung, der maßgeblich von Markus Meckel, damals Pfarrer im heutigen Sachsen-Anhalt, ausging. Es wurden die beiden Bezirksverbände Halle und Magdeburg gegründet, die sich im August 1990 in Quedlinburg zum Landesverband Sachsen-Anhalt zusammenschlossen. Spitzenkandidat für die erste demokratische Landtagswahl wurde Reinhard Höppner, der sich als Vizepräsident der ersten frei gewählten Volkskammer – in ihr 15 Abgeordnete aus dem heutigen Sachsen-Anhalt – deutschlandweit einen Namen gemacht hatte.
Im gleichen Jahr wurde Wilhelm Polte Oberbürgermeister der Stadt Magdeburg und knüpfte damit an die bedeutende Tradition von Hermann Beims und Ernst Reuter aus den 20er und 30er Jahren an. Zehn Jahre später konnte die Sozialdemokratin Ingrid Häußler als erste Frau in der 1200-jährigen Geschichte der Stadt Halle deren Oberbürgermeisterin werden.
Mehrere SPD-Häuser in Sachsen-Anhalt tragen inzwischen die Namen von Sozialdemokraten: das Ernst-Reuter-Haus in Magdeburg, das Adolf-Reichwein-Haus in Halle, das Heinrich-Peus-Haus in Köthen und das nach Marie Arning – Reichstagsabgeordnete und AWO-Vorsitzende – genannte AWO-Haus in Magdeburg.
Bei der Landtagswahl 2021 verlor die Partei 2,2 Prozentpunkte im Vergleich zur vorherigen Landtagswahl und erreichte mit 8,4 % neun Mandate.
Struktur
Leitungsgremium der Landespartei ist der Landesvorstand, der alle zwei Jahre auf dem Landesparteitag neu gewählt wird. Der jetzige Landesvorstand wurde im September 2015 auf dem Parteitag in Magdeburg gewählt. Ihm gehören insgesamt 17 Personen an: die Landesvorsitzende, ihre drei Stellvertreter, der Schatzmeister sowie zwölf Beisitzer.
Schriftenreihe Beiträge zur Geschichte der Sozialdemokratie in Sachsen-Anhalt der Historischen Kommission des SPD-Landesverbandes Sachsen-Anhalt (Hrsg.)