Das quadratische Reziprozitätsgesetz, gelegentlich auch Gaußsches Reziprozitätsgesetz, ist ein grundlegendes Gesetz aus der Zahlentheorie, einem Teilgebiet der Mathematik. Es beschäftigt sich mit der Frage, ob es zu einer ungeraden Primzahl p {\displaystyle p} und einer durch diese nicht teilbaren ganzen Zahl a {\displaystyle a} eine Quadratzahl m 2 {\displaystyle m^{2}} gibt, sodass die Differenz m 2 − a {\displaystyle m^{2}-a} durch p {\displaystyle p} teilbar ist. Genau genommen gibt es, zusammen mit den beiden unten genannten Ergänzungssätzen, ein Verfahren an, um zu entscheiden, ob eine Zahl quadratischer Rest oder Nichtrest einer Primzahl ist. Die Entdeckung des quadratischen Reziprozitätsgesetzes durch Leonhard Euler und der Beweis durch Gauß (Disquisitiones Arithmeticae 1801, er hatte aber bereits 1796 einen Beweis) waren die Ausgangspunkte der Entwicklung der modernen algebraischen Zahlentheorie.
Um die genaue Aussage des quadratischen Reziprozitätsgesetzes zu verstehen, sind lediglich die Konzepte der Quadratzahlen, der Primzahlen und der Teilbarkeit ganzer Zahlen mit Rest vonnöten. Seine Formulierung beginnt mit der Auswahl zweier ungerader, ungleicher Primzahlen p {\displaystyle p} und q {\displaystyle q} , etwa p = 5 {\displaystyle p=5} und q = 19 {\displaystyle q=19} . Im Zentrum steht die folgende Fragestellung:
Innerhalb dieser Fragestellung haben die beiden Primzahlen p {\displaystyle p} und q {\displaystyle q} eine unterschiedliche Stellung ( p {\displaystyle p} ist „Teiler“ und q {\displaystyle q} ist „Subtrahend“). Das Wort „Reziprozität“ (von „reziprok“, also wechselseitig) deutet nun an, dass dieselbe Frage ebenfalls unter Vertauschung der Rollen beider Primzahlen gefragt werden kann: Gibt es also eine (zweite) Quadratzahl n 2 {\displaystyle n^{2}} , sodass q {\displaystyle q} wiederum die Differenz n 2 − p {\displaystyle n^{2}-p} teilt? Das quadratische Reziprozitätsgesetz formuliert eine einfache Regel, die die Lösbarkeit der zwei Aufgaben, die durch Vertauschen der Rollen beider Primzahlen entstehen, miteinander in Beziehung setzt. Es unterscheidet:
In Termen des Legendre-Symbols drückt sich dieser Sachverhalt für ungerade Primzahlen p ≠ q {\displaystyle p\not =q} aus durch
Das quadratische Reziprozitätsgesetz ist aus mathematischer Sicht unter anderem von Interesse, da es einen Zusammenhang zwischen scheinbar verschiedenen Fragestellungen herstellt. Das führt dazu, dass die Lösung einer mitunter sehr schweren Aufgabe auf das Lösen einer leichten Aufgabe zurückgeführt werden kann, weshalb es für konkrete Berechnungen von Nutzen ist. Zahlreiche Anwendungen findet es in der Zahlentheorie, der Theorie diophantischer Gleichungen, aber auch in praktischen Gebieten wie der Kryptographie.
Gauß selbst hat acht methodisch verschiedene Beweise für das quadratische Reziprozitätsgesetz vorgelegt. Da er die Bedeutung des Resultats bereits als außerordentlich hoch erkannte, bezeichnete er sein Resultat als „Fundamentaltheorem“ bzw. „Theorema aureum“ (deutsch: „Goldener Satz“) der Zahlentheorie. Die Bezeichnung „Reziprozitätsgesetz“ geht indes auf Adrien-Marie Legendre zurück, der im Jahr 1785 einen unvollständigen Beweis lieferte. Spätere (vollständige) Beweise stammen unter anderem von Gotthold Eisenstein, Peter Gustav Lejeune Dirichlet, Richard Dedekind und Jegor Iwanowitsch Solotarjow. Bis heute sind mehr als 300 verschiedene Beweise publiziert worden. Trotz elementarer Beweise liegt das Wesen der „Reziprozität“, wie schon Gauß vermutete, relativ tief, nämlich in der Primfaktorzerlegung in den Kreisteilungskörpern.
Das quadratische Reziprozitätsgesetz macht Aussagen über die Lösbarkeit quadratischer Gleichungen in der modularen Arithmetik. Die Frage nach der Lösbarkeit von Gleichungen höheren Grades führt auf die höheren Reziprozitätsgesetze, was eine der treibenden Kräfte der algebraischen Zahlentheorie seit Gauß war. Den Fall dritten Grades, das kubische Reziprozitätsgesetz, behandelte Gotthold Eisenstein, den Fall vierten Grades Gauß, wobei jedoch Carl Gustav Jacobi den ersten vollständigen Beweis vorlegte. Eine moderne, sehr viel tiefer liegende, Verallgemeinerung findet sich in den Grundlagen der Klassenkörpertheorie.
Das quadratische Reziprozitätsgesetz motiviert sich aus der Aufgabe, schnell über die Lösbarkeit quadratischer Kongruenzen entscheiden zu können. Im Falle von Primzahlen entspricht dies einer quadratischen Gleichung über einem endlichen Körper. Für ein genaues Verständnis seiner Aussage werden die folgenden Grundlagen zusammengefasst.
In der Mathematik bezeichnet ein Körper eine Menge, innerhalb der, einfach gesprochen, mit den vier Grundrechenarten gerechnet werden kann. Dabei sollen die aus der Schulmathematik bekannten Regeln des Kommutativgesetzes (Vertauschbarkeit bei „Plus“ und „Mal“), Assoziativgesetzes (Vertauschbarkeit von Klammern bei „nur Plus“ oder „nur Mal“) und Distributivgesetzes („Ausklammern“ und „Ausmultiplizieren“) gelten. Außerdem muss stets das Element 0 {\displaystyle 0} (neutrales Element der Addition) und 1 {\displaystyle 1} (neutrales Element der Multiplikation) Teil eines Körpers sein. Insbesondere soll durch jede Zahl ungleich der 0 {\displaystyle 0} dividiert werden können. Wichtige Beispiele sind der Körper der reellen Zahlen (Bezeichnung: R {\displaystyle \mathbb {R} } ) oder der Körper der rationalen Zahlen (Bezeichnung: Q {\displaystyle \mathbb {Q} } ).
Eine wichtige Forderung ist, dass keine der erlaubten Rechenoperationen dazu führt, dass man die den Körper definierende Zahlenmenge verlässt. So ist es etwa in Körpern im Allgemeinen nicht erlaubt, Quadratwurzeln zu ziehen. Es ist 2 {\displaystyle 2} ein Element von Q {\displaystyle \mathbb {Q} } , kurz 2 ∈ Q {\displaystyle 2\in \mathbb {Q} } , aber 2 {\displaystyle {\sqrt {2}}} ist eine irrationale Zahl, also 2 ∉ Q {\displaystyle {\sqrt {2}}\notin \mathbb {Q} } . Ähnlich besitzt − 1 {\displaystyle -1} keine Quadratwurzel in den reellen Zahlen. Grundsätzlich ist das Konzept einer Quadratwurzel in einem Körper aber indirekt erklärt, da die umgekehrte Operation, nämlich die Multiplikation einer Zahl mit sich selbst, in Körpern definiert ist, wobei die Existenz eine andere Frage ist.
Eine Fragestellung aus der Algebra ist, wie Körper aussehen können, also in welchen Typen von Mengen ein „abgeschlossenes Rechnen“ möglich ist. So kann man weitere nichtrationale Zahlen zu Q {\displaystyle \mathbb {Q} } hinzunehmen, um größere Körper zu konstruieren. Ein Beispiel ist der Körper Q ( 2 ) {\displaystyle \mathbb {Q} ({\sqrt {2}})} , der aus allen Zahlen x + 2 y {\displaystyle x+{\sqrt {2}}y} mit x , y ∈ Q {\displaystyle x,y\in \mathbb {Q} } besteht (siehe auch: Zahlkörper, und zum Beispiel Quadratischer Zahlkörper).[1] Rechnungen wie
sind Prototypen für die Abgeschlossenheit der vier Grundrechenarten in Q ( 2 ) {\displaystyle \mathbb {Q} ({\sqrt {2}})} . Es ist Q ( 2 ) {\displaystyle \mathbb {Q} ({\sqrt {2}})} , zusammen mit Q {\displaystyle \mathbb {Q} } und R {\displaystyle \mathbb {R} } , ein weiteres Beispiel für einen Körper mit unendlich vielen Elementen. Bemerkenswert ist es aber, dass auch Körper K {\displaystyle \mathbb {K} } mit nur endlich vielen Elementen existieren. Das Rechnen in diesen Bereichen weicht, obwohl die Gesetze letztlich die gleichen sind, von der „klassischen Anschauung“ ab. Das beginnt damit, dass die Elemente[Anm. 1]
nicht alle verschieden sein können, da K {\displaystyle \mathbb {K} } nur endlich viele Elemente hat. Da man stets 0 ≠ 1 {\displaystyle 0\not =1} hat (sonst wäre K = { 0 } {\displaystyle \mathbb {K} =\{0\}} , und diesen trivialen Fall schließt man aus), gibt es damit eine kleinste natürliche Zahl p > 1 {\displaystyle p>1} , sodass
in K {\displaystyle \mathbb {K} } erstmals erfüllt ist.[Anm. 2] Diese Kennzahl wird Charakteristik des Körpers K {\displaystyle \mathbb {K} } genannt, also c h a r ( K ) = p {\displaystyle \mathrm {char} (\mathbb {K} )=p} . Sie ist stets eine Primzahl,[2] denn wäre zum Beispiel c h a r ( K ) = 2 ⋅ 3 {\displaystyle \mathrm {char} (\mathbb {K} )=2\cdot 3} zusammengesetzt, so müsste 2 ⋅ 3 = 0 {\displaystyle 2\cdot 3=0} sein, und es wäre bereits 2 = 1 + 1 = 0 {\displaystyle 2=1+1=0} oder 3 = 1 + 1 + 1 = 0 {\displaystyle 3=1+1+1=0} , also c h a r ( K ) ≤ 3 {\displaystyle \mathrm {char} (\mathbb {K} )\leq 3} , was der Annahme c h a r ( K ) = 6 {\displaystyle \mathrm {char} (\mathbb {K} )=6} wegen der Minimalität der Charakteristik direkt widerspräche.
Um das Rechnen in endlichen Körpern genau zu verstehen, ist der Umgang mit Resten bei Divisionsaufgaben notwendig. Nichttriviale Reste entstehen bei Divisionen, die nicht aufgehen. Etwa ist 19 {\displaystyle 19} geteilt durch 5 {\displaystyle 5} gleich 3 {\displaystyle 3} mit Rest 4 {\displaystyle 4} . In den einfachsten Beispielen endlicher Körper wird mit genau diesen Resten gerechnet. Dies kann anhand eines Beispiels demonstriert werden: Es gibt genau fünf mögliche Reste bei der Division durch 5 {\displaystyle 5} , und diese korrespondieren zu
mit Z = {\displaystyle \mathbb {Z} =} Menge der ganzen Zahlen, und 5 Z = { … , − 10 , − 5 , 0 , 5 , 10 , … } {\displaystyle 5\mathbb {Z} =\{\ldots ,-10,-5,0,5,10,\ldots \}} (d. h. alle ganzen Vielfache der Zahl 5 {\displaystyle 5} ). Dabei bedeuten die Über-Striche, dass alle Zahlen, die bei Division mit 5 {\displaystyle 5} den entsprechenden Rest haben, gemeinsam bzw. gebündelt betrachtet werden. Etwa besteht
aus genau jenen Zahlen, die bei Division mit 5 {\displaystyle 5} den Rest 4 {\displaystyle 4} haben. Die Zahlen von 0 {\displaystyle 0} bis 4 {\displaystyle 4} sind ferner lediglich Repräsentanten einer ganzen Restklasse,[3] zum Beispiel gelten die Gleichheiten
Die jeweiligen Repräsentanten ergeben bei Division durch 5 {\displaystyle 5} alle denselben Rest 4 {\displaystyle 4} und gehören so zur selben Restklasse. Man sieht damit, dass additive Vielfache von 5 {\displaystyle 5} in diesem Beispiel für die Zugehörigkeit zur gleichen Restklasse stets keine Rolle spielen. Mit anderen Worten: Während eine ganze Zahl stets erst durch ihre Zählgröße vollständig bestimmt ist, handelt es sich bei Restklassen um reduzierte Zahlen. Nur noch der Rest ist entscheidend, nicht mehr die Größe.
Mit Restklassen modulo 5 {\displaystyle 5} kann nun in den vier Grundrechenarten gerechnet werden. Dabei gelten im Grunde dieselben Regeln wie beim Rechnen in den ganzen Zahlen Z {\displaystyle \mathbb {Z} } : Zum Beispiel ist
Wichtig ist an dieser Stelle, zu zeigen, dass dies wohldefiniert ist, dass also bei der Auswahl anderer Repräsentanten stets das gleiche Ergebnis herauskommt. Da die Differenz zweier Repräsentanten aber stets durch 5 {\displaystyle 5} teilbar ist, liegt dies auf der Hand: Zum Beispiel ist (vgl. oberes Beispiel)
aber auch
Ganz ähnliche Überlegungen gelten bei der Wohldefiniertheit der Multiplikation.
Auch die Division ist innerhalb von { 0 ¯ , 1 ¯ , 2 ¯ , 3 ¯ , 4 ¯ } {\displaystyle \left\{{\overline {0}},{\overline {1}},{\overline {2}},{\overline {3}},{\overline {4}}\right\}} möglich (schließt man 0 ¯ {\displaystyle {\overline {0}}} aus), denn um allgemein dividieren zu können, ist für jedes a {\displaystyle a} lediglich die Existenz eines Inversen b {\displaystyle b} mit
vonnöten (wie etwa 3 {\displaystyle 3} und 1 3 {\displaystyle {\tfrac {1}{3}}} im Fall der rationalen Zahlen). Für den Nachweis, dass es stets ein Inverses gibt, ist entscheidend, dass 5 {\displaystyle 5} eine Primzahl ist: Teilt eine Primzahl ein Produkt m n {\displaystyle mn} zweier ganzer Zahlen, muss bereits mindestens einer der Faktoren durch diese teilbar sein. Hat man dies zur Hand, ist die Argumentation die folgende: Für ein Element a ¯ ∈ { 1 ¯ , 2 ¯ , 3 ¯ , 4 ¯ } {\displaystyle {\overline {a}}\in \left\{{\overline {1}},{\overline {2}},{\overline {3}},{\overline {4}}\right\}} , das man invertieren möchte, betrachtet man alle möglichen Vielfachen (ungleich Null):
Die Restklasse 0 ¯ {\displaystyle {\overline {0}}} taucht in dieser Liste nicht auf, denn keine der Zahlen 1 a , 2 a , 3 a , 4 a {\displaystyle 1a,2a,3a,4a} ist durch 5 {\displaystyle 5} teilbar.[Anm. 3] Ferner sind alle Einträge der Liste paarweise verschieden, denn es ist m ¯ ⋅ a ¯ = n ¯ ⋅ a ¯ {\displaystyle {\overline {m}}\cdot {\overline {a}}={\overline {n}}\cdot {\overline {a}}} gleichbedeutend damit, dass ( m ¯ − n ¯ ) ⋅ a ¯ = 0 ¯ {\displaystyle ({\overline {m}}-{\overline {n}})\cdot {\overline {a}}={\overline {0}}} , ergo 5 | ( m − n ) a {\displaystyle 5|(m-n)a} . Da a {\displaystyle a} nicht durch 5 {\displaystyle 5} teilbar ist, muss m − n {\displaystyle m-n} durch 5 {\displaystyle 5} teilbar sein. Die Differenz m − n {\displaystyle m-n} liegt nach Wahl der obigen Repräsentanten 1 ≤ m , n ≤ 4 {\displaystyle 1\leq m,n\leq 4} im Intervall − 3 ≤ m − n ≤ 3 {\displaystyle -3\leq m-n\leq 3} , und nur die 0 {\displaystyle 0} ist dort durch 5 {\displaystyle 5} teilbar. Also ist m = n {\displaystyle m=n} . Es muss also die Restklasse 1 ¯ {\displaystyle {\overline {1}}} irgendwo in der obigen Liste auftauchen und ein Inverses ist gefunden.[Anm. 4] Zum Beispiel ist 2 ¯ {\displaystyle {\overline {2}}} ein Inverses zu 3 ¯ {\displaystyle {\overline {3}}} modulo 5 {\displaystyle 5} , da 2 ¯ ⋅ 3 ¯ = 6 ¯ = 1 ¯ {\displaystyle {\overline {2}}\cdot {\overline {3}}={\overline {6}}={\overline {1}}} .[Anm. 5] Da im Wesentlichen „weiterhin in den ganzen Zahlen gerechnet wird“, bleiben Kommutativgesetz, Assoziativgesetz und Distributivgesetz erhalten, womit die Restklassenmenge F 5 := { 0 ¯ , 1 ¯ , 2 ¯ , 3 ¯ , 4 ¯ } {\displaystyle \mathbb {F} _{5}:=\left\{{\overline {0}},{\overline {1}},{\overline {2}},{\overline {3}},{\overline {4}}\right\}} in der Tat einen Körper bildet.
Diese ganze Argumentation beschränkt sich nicht auf die Primzahl 5 {\displaystyle 5} , sondern es kann zu jeder Primzahl p {\displaystyle p} ein entsprechender endlicher Körper angegeben werden:
usw. Dabei müssen die durch die Über-Striche angedeuteten Restklassen natürlich stets auf die betroffene Primzahl angewendet werden.[4]
Die modulare Arithmetik bezeichnet im Wesentlichen das Rechnen mit Restklassen, und damit verbundene Themenfelder, wie etwa Gleichungen. Für eine natürliche Zahl N {\displaystyle N} , den „Modul“,[5] bezeichnet man zwei ganze Zahlen a {\displaystyle a} und b {\displaystyle b} als kongruent modulo N {\displaystyle N} , falls N {\displaystyle N} deren Differenz teilt, also in Zeichen
Man schreibt in diesem Falle die Kongruenz auch als
gelesen als: „ a {\displaystyle a} kongruent b {\displaystyle b} modulo N {\displaystyle N} “. Zum Beispiel gilt
denn es teilt 5 {\displaystyle 5} die Differenz 3 − 8 = − 5 {\displaystyle 3-8=-5} . Sind zwei ganze Zahlen kongruent modulo N {\displaystyle N} , gehören sie zur selben Restklasse bei der Division durch N {\displaystyle N} (und umgekehrt). Man schreibt dann a ¯ = b ¯ {\displaystyle {\overline {a}}={\overline {b}}} , und mit Restklassen kann wie gewohnt gerechnet werden (siehe vorheriger Abschnitt in Bezug auf endliche Körper). Ist N {\displaystyle N} eine Primzahl, so bildet die Menge der Restklassen modulo N {\displaystyle N} einen Körper F N {\displaystyle \mathbb {F} _{N}} . Ist N > 1 {\displaystyle N>1} hingegen zusammengesetzt, handelt es sich lediglich um einen kommutativen Ring.[6][Anm. 6] Kommutative Ringe ähneln in ihren Eigenschaften den Körpern (algebraische Strukturen mit Addition und Multiplikation), jedoch ist nicht immer eine Division möglich. Ein Beispiel ist Z / 4 Z := { 0 ¯ , 1 ¯ , 2 ¯ , 3 ¯ } {\displaystyle \mathbb {Z} /4\mathbb {Z} :=\left\{{\overline {0}},{\overline {1}},{\overline {2}},{\overline {3}}\right\}} ,[Anm. 7] also die Menge der Restklassen modulo 4 {\displaystyle 4} (es ist 4 {\displaystyle 4} keine Primzahl!). Es ist hier keine Division durch 2 ¯ {\displaystyle {\overline {2}}} möglich, denn 2 ¯ ⋅ 2 ¯ = 4 ¯ = 0 ¯ {\displaystyle {\overline {2}}\cdot {\overline {2}}={\overline {4}}={\overline {0}}} . Aus einer „Division“ beider Seiten durch 2 ¯ {\displaystyle {\overline {2}}} folgte dann 2 ¯ = 0 ¯ {\displaystyle {\overline {2}}={\overline {0}}} , was nicht sein kann, da 2 {\displaystyle 2} nicht durch 4 {\displaystyle 4} teilbar ist. Elemente eines Rings, durch die trotzdem dividiert werden kann (dazu zählt immer die Eins), heißen auch Einheiten (des Rings).[7] Die Einheiten des Rings der ganzen Zahlen Z {\displaystyle \mathbb {Z} } sind { ± 1 } {\displaystyle \{\pm 1\}} , und des Rings Z / 4 Z {\displaystyle \mathbb {Z} /4\mathbb {Z} } gleich { 1 ¯ , 3 ¯ } {\displaystyle \left\{{\overline {1}},{\overline {3}}\right\}} (wie gesehen, ist neben 0 ¯ {\displaystyle {\overline {0}}} auch 2 ¯ {\displaystyle {\overline {2}}} modulo 4 {\displaystyle 4} keine Einheit, denn durch beide Elemente kann nicht dividiert werden).
Eine quadratische Gleichung ist eine Gleichung der Form
mit einer Unbekannten x {\displaystyle x} . Es handelt sich also um einen Spezialfall einer algebraischen Gleichung, bei der die Unbekannte x {\displaystyle x} einfach mit sich selbst multipliziert werden kann. Grundsätzlich können algebraische Gleichungen, die sich auf der Anwendung der vier Grundrechenarten zusammensetzen, über Körpern studiert werden, wo all diese Rechenoperationen einen Sinn ergeben. In der Schulmathematik wird beispielsweise der Körper R {\displaystyle \mathbb {R} } zugrunde gelegt. Es ist also a , b , c ∈ R {\displaystyle a,b,c\in \mathbb {R} } , und man ist an Lösungen x {\displaystyle x} von a x 2 + b x + c = 0 {\displaystyle ax^{2}+bx+c=0} in den reellen Zahlen interessiert. Allerdings kann die obere Gleichung, falls a , b , c ∈ Q {\displaystyle a,b,c\in \mathbb {Q} } auch lediglich nur über den rationalen Zahlen betrachtet werden. Zum Beispiel hat die Gleichung x 2 − 2 = 0 {\displaystyle x^{2}-2=0} über den reellen Zahlen die Lösungen x = ± 2 {\displaystyle x=\pm {\sqrt {2}}} , aber über den rationalen Zahlen keine Lösung. In Algebra und Zahlentheorie ist man vor allen Dingen an einem schnellen Verfahren interessiert, zu entscheiden, ob eine algebraische Gleichung über ihrem Körper überhaupt lösbar ist. Es bietet sich an, hier über „Kennzahlen“ zu arbeiten. Der obigen quadratischen Gleichung kann die Zahl
zugeordnet werden, die sich aus den Koeffizienten a , b {\displaystyle a,b} und c {\displaystyle c} schnell berechnen lässt. Diese wird auch als Diskriminante (lateinisch discriminare = unterscheiden) der Gleichung Q {\displaystyle Q} bezeichnet. Über die Mitternachtsformel, die potenzielle Lösungen als
identifiziert,[Anm. 8] erkennt man, dass die Gleichung Q {\displaystyle Q} genau dann Lösungen im betreffenden Körper hat, falls es Sinn macht, die Quadratwurzel aus der Diskriminante zu ziehen. Genauer gilt: Es hat Q {\displaystyle Q}
Im Fall des Körpers R {\displaystyle \mathbb {R} } sind also lediglich die Fälle D Q > 0 {\displaystyle D_{Q}>0} , D Q = 0 {\displaystyle D_{Q}=0} und D Q < 0 {\displaystyle D_{Q}<0} zu unterscheiden, da eine reelle Zahl ungleich 0 {\displaystyle 0} genau dann eine Quadratwurzel in R {\displaystyle \mathbb {R} } hat, wenn sie positiv ist. Bei den rationalen Zahlen hingegen ist die Unterscheidung subtiler. Wie bereits oben gesehen, hat die Gleichung x 2 − 2 = 0 {\displaystyle x^{2}-2=0} keine rationalen Lösungen, und in der Tat ist ihre Diskriminante D = 0 2 − 4 ⋅ 1 ⋅ ( − 2 ) = 8 {\displaystyle D=0^{2}-4\cdot 1\cdot (-2)=8} zwar positiv, aber kein Quadrat einer rationalen Zahl. Dies ist ein erster Hinweis darauf, dass die Arithmetik in den reellen Zahlen einfacher ist als jene in den rationalen Zahlen.
Neben den reellen oder rationalen Zahlen, können quadratische Gleichungen des Typs
über dem Körper F p {\displaystyle \mathbb {F} _{p}} (mit p > 2 {\displaystyle p>2} ) studiert werden. Das quadratische Reziprozitätsgesetz kann dabei helfen, schnell zu entscheiden, ob Lösbarkeit vorliegt, oder nicht. Dabei muss der Fall Charakteristik 2 (insbesondere F 2 {\displaystyle \mathbb {F} _{2}} ) gesondert betrachtet werden, da in der Mitternachtsformel durch 2 a {\displaystyle 2a} , also in solchen Körpern durch 0 {\displaystyle 0} dividiert wird, was nicht erlaubt ist. Daher ist die Theorie quadratischer Gleichungen in solchen Körpern anders.[Anm. 9]
Um zu entscheiden, ob eine quadratische Gleichung a x 2 + b x + c = 0 {\displaystyle ax^{2}+bx+c=0} mit a , b , c ∈ F p {\displaystyle a,b,c\in \mathbb {F} _{p}} über F p {\displaystyle \mathbb {F} _{p}} mit einer Primzahl p > 2 {\displaystyle p>2} lösbar ist, reicht es aus, zu entscheiden, ob die Diskriminante b 2 − 4 a c {\displaystyle b^{2}-4ac} ein Quadrat in F p {\displaystyle \mathbb {F} _{p}} ist. Der Fall p = 2 {\displaystyle p=2} spielt eine Sonderrolle, da in der Mitternachtsformel durch 2 a {\displaystyle 2a} geteilt wird, womit man im Fall p = 2 {\displaystyle p=2} aber durch Null teilen würde, was nicht zulässig ist. Dies motiviert den Begriff des quadratischen Rests. Damit sind jene Elemente des endlichen Körpers F p {\displaystyle \mathbb {F} _{p}} gemeint, die ungleich Null sind und durch Quadrieren eines (anderen) Elements aus F p {\displaystyle \mathbb {F} _{p}} entstehen. Mit anderen Worten, eine zu p {\displaystyle p} teilerfremde Zahl n {\displaystyle n} ist genau dann quadratischer Rest modulo p {\displaystyle p} , falls eine Quadratzahl m 2 {\displaystyle m^{2}} existiert, sodass n − m 2 {\displaystyle n-m^{2}} durch p {\displaystyle p} teilbar ist. Aus quadratischen Resten kann im betroffenen Körper eine Quadratwurzel gezogen werden, was bei der Auflösung quadratischer Gleichungen von Bedeutung ist. Elemente aus F p {\displaystyle \mathbb {F} _{p}} , die nicht Null und keine quadratischen Reste sind, bezeichnet man auch als quadratische Nichtreste.
Ist zum Beispiel p = 11 {\displaystyle p=11} , so bekommt man durch Quadrieren der Restklassen { 1 ¯ , 2 ¯ , 3 ¯ , 4 ¯ , 5 ¯ , 6 ¯ , 7 ¯ , 8 ¯ , 9 ¯ , 10 ¯ } {\displaystyle \left\{{\overline {1}},{\overline {2}},{\overline {3}},{\overline {4}},{\overline {5}},{\overline {6}},{\overline {7}},{\overline {8}},{\overline {9}},{\overline {10}}\right\}} modulo 11 {\displaystyle 11} :[8]
Es sind also die Elemente 1 ¯ , 3 ¯ , 4 ¯ , 5 ¯ {\displaystyle {\overline {1}},{\overline {3}},{\overline {4}},{\overline {5}}} und 9 ¯ {\displaystyle {\overline {9}}} die quadratischen Reste modulo 11 {\displaystyle 11} . Somit ist zum Beispiel die Gleichung
nicht in F 11 {\displaystyle \mathbb {F} _{11}} lösbar, denn
ist quadratischer Nichtrest modulo 11 {\displaystyle 11} , und folglich kann in der Mitternachtsformel über F 11 {\displaystyle \mathbb {F} _{11}} keine Quadratwurzel aus der Diskriminante gezogen werden. Im Gegensatz dazu ist
in F 11 {\displaystyle \mathbb {F} _{11}} lösbar, denn es ist
quadratischer Rest modulo 11 {\displaystyle 11} . In der Tat ist etwa x = 5 ¯ {\displaystyle x={\overline {5}}} eine Lösung, denn 5 ¯ 2 − 5 ¯ + 2 ¯ = 22 ¯ = 0 ¯ {\displaystyle {\overline {5}}^{2}-{\overline {5}}+{\overline {2}}={\overline {22}}={\overline {0}}} modulo 11 {\displaystyle 11} .
Bemerkenswerterweise spaltet sich die Menge der quadratischen Reste und Nichtreste in genau zwei gleich große Mengen mit der Anzahl der Elemente p − 1 2 {\displaystyle {\tfrac {p-1}{2}}} , wenn die Primzahl p {\displaystyle p} ungerade ist.[9] Wie oben gesehen im Fall p = 11 {\displaystyle p=11} , sind es die Mengen { 1 ¯ , 3 ¯ , 4 ¯ , 5 ¯ , 9 ¯ } {\displaystyle \{{\overline {1}},{\overline {3}},{\overline {4}},{\overline {5}},{\overline {9}}\}} und { 2 ¯ , 6 ¯ , 7 ¯ , 8 ¯ , 10 ¯ } {\displaystyle \{{\overline {2}},{\overline {6}},{\overline {7}},{\overline {8}},{\overline {10}}\}} mit je fünf Elementen. Allgemein lassen sich die quadratischen Reste modulo p > 2 {\displaystyle p>2} , wie oben, durch Betrachtung der Elemente
vollständig bestimmen.[8][Anm. 10] Weitere Reste lassen sich folgender Tabelle entnehmen, die für alle Primzahlen bis 50 {\displaystyle 50} vollständig ist:
Verlässt man die modulare Arithmetik und geht wieder zu den ganzen Zahlen über, so ist a ∈ Z {\displaystyle a\in \mathbb {Z} } genau dann quadratischer Rest modulo einer Primzahl p {\displaystyle p} , falls eine Quadratzahl m 2 {\displaystyle m^{2}} existiert, sodass m 2 − a {\displaystyle m^{2}-a} durch p {\displaystyle p} teilbar ist.[Anm. 11]
Aus mathematischer Sicht ist es sinnvoll, die quadratischen Reste von den Nichtresten zu „trennen“. Dabei wird der 0 ¯ {\displaystyle {\overline {0}}} eine besondere Rolle zugeordnet. Zu diesem Zweck definiert man das Legendre-Symbol, benannt nach Adrien-Marie Legendre. Dieses ist eine mathematische Funktion F p → { − 1 , 0 , 1 } {\displaystyle \mathbb {F} _{p}\to \{-1,0,1\}} mit Definitionsbereich F p {\displaystyle \mathbb {F} _{p}} und Zielmenge { − 1 , 0 , 1 } {\displaystyle \{-1,0,1\}} , die einem quadratischen Rest den Wert 1 {\displaystyle 1} („positiv“), einem Nichtrest − 1 {\displaystyle -1} („negativ“) und der 0 ¯ {\displaystyle {\overline {0}}} den Wert 0 {\displaystyle 0} zuordnet. In Symbolen setzt man:[9]
Hierbei bedeutet g g T {\displaystyle \mathrm {ggT} } den größten gemeinsamen Teiler. Es ist ( n p ) {\displaystyle ({\tfrac {n}{p}})} nicht als Bruch zu verstehen. In der Literatur wird deshalb gelegentlich auch die Notation ( n | p ) {\displaystyle (n|p)} genutzt, um Verwechslungen zu vermeiden.[8] Auf natürliche Weise kann das Legendre-Symbol auch als Funktion auf den ganzen Zahlen aufgefasst werden, die dann, wegen ihrer ursprünglichen Definition auf Restklassen, p {\displaystyle p} -periodisch ist. Es ist dann ( n ¯ p ) = ( n p ) , {\displaystyle ({\tfrac {\overline {n}}{p}})=({\tfrac {n}{p}}),} und letzterer Ausdruck wird am häufigsten verwendet.
Es gelten die folgenden sehr wichtigen Regeln:
Anstatt in Resten und Nichtresten zu denken, kann durch diese Regeln auch zu + 1 {\displaystyle +1} und − 1 {\displaystyle -1} übergegangen werden. Analog werden in dieser Sichtweise die Regeln 1 ⋅ 1 = 1 {\displaystyle 1\cdot 1=1} , 1 ⋅ ( − 1 ) = ( − 1 ) ⋅ 1 = − 1 {\displaystyle 1\cdot (-1)=(-1)\cdot 1=-1} und ( − 1 ) ⋅ ( − 1 ) = 1 {\displaystyle (-1)\cdot (-1)=1} respektiert. Das Legendre-Symbol dient nun als ein „Übersetzer“ zum Beispiel der Regel „Nichtrest mal Nichtrest gleich Rest“ in „negativ mal negativ gleich positiv“.[Anm. 12] Insbesondere folgt, dass das Legendre-Symbol vollständig multiplikativ ist, es gilt also für alle a , b ∈ Z {\displaystyle a,b\in \mathbb {Z} } die Rechenregel[10]
Es wird das Beispiel p = 17 {\displaystyle p=17} betrachtet. Etwa ist 13 {\displaystyle 13} ein quadratischer Rest modulo 17 {\displaystyle 17} , denn es ist die Zahl
durch 17 {\displaystyle 17} teilbar. Die Kurzform über Restklassen lautet 8 2 ≡ 13 ( mod 17 ) {\displaystyle 8^{2}\equiv 13{\pmod {17}}} oder 8 2 ¯ = 13 ¯ {\displaystyle {\overline {8^{2}}}={\overline {13}}} . In der Notation des Legendre-Symbols bedeutet dies
Im Gegensatz dazu ist 5 {\displaystyle 5} quadratischer Nichtrest modulo 17 {\displaystyle 17} . Für keine Quadratzahl m 2 {\displaystyle m^{2}} ist m 2 − 5 {\displaystyle m^{2}-5} durch 17 {\displaystyle 17} teilbar. Dies überprüft man zum Beispiel durch Bilden aller Reste 1 − 5 ¯ , 4 − 5 ¯ , 9 − 5 ¯ , . . . , 64 − 5 ¯ {\displaystyle {\overline {1-5}},{\overline {4-5}},{\overline {9-5}},...,{\overline {64-5}}} modulo 17 {\displaystyle 17} , bei denen niemals 0 ¯ {\displaystyle {\overline {0}}} herauskommt, also keine Division durch 17 {\displaystyle 17} möglich ist. Über das Legendre-Symbol ausgedrückt ist also
Das Produkt aus einem Rest und einem Nichtrest ist nun wieder ein Nichtrest. Es ist 5 ⋅ 17 = 85 ≡ 14 ( mod 17 ) {\displaystyle 5\cdot 17=85\equiv 14{\pmod {17}}} , also gilt
Damit ist 14 {\displaystyle 14} ein quadratischer Nichtrest modulo 17 {\displaystyle 17} . Im letzten Schritt wurde verwendet, dass das Legendre-Symbol ( ⋅ 17 ) {\displaystyle \left({\tfrac {\cdot }{17}}\right)} auf Restklassen modulo 17 {\displaystyle 17} definiert, und damit 17 {\displaystyle 17} -periodisch ist.
Im Folgenden bezeichnet ( a p ) {\displaystyle \left({\tfrac {a}{p}}\right)} mit einer ganzen Zahl a {\displaystyle a} und einer Primzahl p {\displaystyle p} das Legendre-Symbol. Das quadratische Reziprozitätsgesetz gibt für zwei verschiedene ungerade Primzahlen p {\displaystyle p} und q {\displaystyle q} eine einfache Formel, die beiden Größen ( p q ) {\displaystyle ({\tfrac {p}{q}})} und ( q p ) {\displaystyle ({\tfrac {q}{p}})} ineinander umzurechnen. Damit kann die Frage, ob p {\displaystyle p} ein quadratischer Rest modulo q {\displaystyle q} ist, durch Beantwortung der „reziproken“ Frage, ob q {\displaystyle q} ein quadratischer Rest modulo p {\displaystyle p} ist, ggf. schnell beantwortet werden.
Das quadratische Reziprozitätsgesetz besagt, dass für zwei verschiedene ungerade Primzahlen p {\displaystyle p} und q {\displaystyle q} gilt:[11] ( p q ) ( q p ) = ( − 1 ) p − 1 2 q − 1 2 = ( ∗ ) { 1 p ≡ 1 ( mod 4 ) oder q ≡ 1 ( mod 4 ) , − 1 p ≡ 3 ( mod 4 ) und q ≡ 3 ( mod 4 ) . {\displaystyle \left({\frac {p}{q}}\right)\left({\frac {q}{p}}\right)=(-1)^{{\frac {p-1}{2}}{\frac {q-1}{2}}}\quad {\overset {(*)}{=}}\quad {\begin{cases}1&\qquad p\equiv 1{\pmod {4}}\ {\text{oder}}\ q\equiv 1{\pmod {4}},\\-1&\qquad p\equiv 3{\pmod {4}}\ {\text{und}}\ q\equiv 3{\pmod {4}}.\end{cases}}} Erklärung zu ( ∗ ) {\displaystyle (*)} : Der Faktor p − 1 2 {\displaystyle {\tfrac {p-1}{2}}} ist genau dann eine gerade Zahl, wenn die ungerade Zahl p {\displaystyle p} bei Division durch 4 {\displaystyle 4} den Rest 1 {\displaystyle 1} hat. Zum Beispiel ist 5 − 1 2 = 2 {\displaystyle {\tfrac {5-1}{2}}=2} (gerade), aber 7 − 1 2 = 3 {\displaystyle {\tfrac {7-1}{2}}=3} (ungerade), und es hat 5 {\displaystyle 5} den Rest 1 {\displaystyle 1} bzw. 7 {\displaystyle 7} den Rest 3 {\displaystyle 3} bei Division durch 4 {\displaystyle 4} . Ein Produkt m n {\displaystyle mn} aus ganzen Zahlen ist schließlich genau dann gerade, wenn mindestens ein Faktor gerade ist, und ( − 1 ) m n {\displaystyle (-1)^{mn}} ist demnach genau dann positiv, wenn mindestens einer der Faktoren m {\displaystyle m} oder n {\displaystyle n} gerade ist.[Anm. 13]
Zudem existieren zwei sog. Ergänzungssätze, die eine direkte Berechnung der Werte ( − 1 p ) {\displaystyle \left({\tfrac {-1}{p}}\right)} bzw. ( 2 p ) {\displaystyle \left({\tfrac {2}{p}}\right)} für ungerade Primzahlen p {\displaystyle p} ermöglichen.
1. Ergänzungssatz: Für jede ungerade Primzahl p {\displaystyle p} gilt:[11] ( − 1 p ) = ( − 1 ) p − 1 2 = { 1 p ≡ 1 ( mod 4 ) , − 1 p ≡ 3 ( mod 4 ) . {\displaystyle \left({\frac {-1}{p}}\right)=(-1)^{\frac {p-1}{2}}={\begin{cases}1&\qquad p\equiv 1{\pmod {4}},\\-1&\qquad p\equiv 3{\pmod {4}}.\end{cases}}}
2. Ergänzungssatz: Für jede ungerade Primzahl p {\displaystyle p} gilt:[11] ( 2 p ) = ( − 1 ) p 2 − 1 8 = ( ∗ ∗ ) { 1 p ≡ ± 1 ( mod 8 ) , − 1 p ≡ ± 3 ( mod 8 ) . {\displaystyle \left({\frac {2}{p}}\right)=(-1)^{\frac {p^{2}-1}{8}}\quad {\overset {(**)}{=}}\quad {\begin{cases}1&\qquad p\equiv \pm 1{\pmod {8}},\\-1&\qquad p\equiv \pm 3{\pmod {8}}.\end{cases}}} Erklärung zu ( ∗ ∗ ) {\displaystyle (**)} : Es gilt nach der dritten binomischen Formel p 2 − 1 = ( p − 1 ) ( p + 1 ) {\displaystyle p^{2}-1=(p-1)(p+1)} . Da p {\displaystyle p} ungerade ist, ist einer der Faktoren p ± 1 {\displaystyle p\pm 1} durch 4 {\displaystyle 4} teilbar, und der andere durch 2 {\displaystyle 2} . Somit ist p 2 − 1 8 {\displaystyle {\tfrac {p^{2}-1}{8}}} stets eine ganze Zahl. Mit p ≡ ± 1 ( mod 8 ) {\displaystyle p\equiv \pm 1{\pmod {8}}} kann aber erreicht werden, dass der Faktor p ∓ 1 {\displaystyle p\mp 1} sogar durch 8 {\displaystyle 8} teilbar ist, womit p 2 − 1 8 {\displaystyle {\tfrac {p^{2}-1}{8}}} eine gerade Zahl ist. In den Fällen p ≡ ± 3 ( mod 8 ) {\displaystyle p\equiv \pm 3{\pmod {8}}} kann dies nicht erreicht werden, und p 2 − 1 8 {\displaystyle {\tfrac {p^{2}-1}{8}}} ist ungerade.
Sind p {\displaystyle p} und q {\displaystyle q} zwei verschiedene ungerade Primzahlen, so gilt folglich:[12]
Denn aus ( p q ) ∈ { − 1 , 1 } {\displaystyle \left({\tfrac {p}{q}}\right)\in \{-1,1\}} folgt bereits ( p q ) − 1 = ( p q ) {\displaystyle \left({\tfrac {p}{q}}\right)^{-1}=\left({\tfrac {p}{q}}\right)} .
Die ersten Andeutungen des quadratischen Reziprozitätsgesetzes finden sich in den Arbeiten von Pierre de Fermat. Fermats Ergebnisse über die Darstellung ganzer Zahlen als Summe zweier Quadrate führten direkt zu dem Problem der Bestimmung des quadratischen Charakters von − 1 {\displaystyle -1} , also dem Auffinden von ( − 1 p ) . {\displaystyle \left({\tfrac {-1}{p}}\right).} Fermat konnte diejenigen ungeraden Primzahlen charakterisieren, die sich als Summe gewisser Kombinationen aus Quadratzahlen schreiben lassen. So zeigte er[Anm. 14]
Zum Beispiel zeigen die Gleichungen
die ersten ungeraden Primzahlen, die als Summe zweier Quadrate geschrieben werden können. Es handelt sich dabei genau um die Primzahlen, die bei Division durch 4 {\displaystyle 4} den Rest 1 {\displaystyle 1} besitzen. Fermat untersuchte allgemeiner auch die Darstellung von Primzahlen durch quadratische Formen der Form q ( x , y ) = x 2 + n y 2 {\displaystyle q(x,y)=x^{2}+ny^{2}} , wobei n ∈ { ± 2 , ± 3 , − 5 } {\displaystyle n\in \{\pm 2,\pm 3,-5\}} . Er behauptete etwa, dass
deutete mögliche Beweise allerdings nur an.[13] Wenn n ∈ { 2 , 3 } {\displaystyle n\in \{2,3\}} , kann also gezeigt werden, dass eine Primzahl p {\displaystyle p} , die x 2 + n y 2 {\displaystyle x^{2}+ny^{2}} teilt, dabei aber weder x {\displaystyle x} noch y {\displaystyle y} teilt, selbst die Form p = a 2 + n b 2 {\displaystyle p=a^{2}+nb^{2}} für ein Paar von ganzen Zahlen a {\displaystyle a} und b {\displaystyle b} hat. Aus dieser Tatsache kann gefolgert werden, dass p {\displaystyle p} genau dann durch die quadratischen Formen x 2 + 2 y 2 {\displaystyle x^{2}+2y^{2}} oder x 2 + 3 y 2 {\displaystyle x^{2}+3y^{2}} dargestellt werden kann, wenn − 2 {\displaystyle -2} bzw. − 3 {\displaystyle -3} ein quadratischer Rest von p {\displaystyle p} ist. Zum Beispiel ist die Primzahl p = 79 {\displaystyle p=79} von der Form x 2 + 3 y 2 {\displaystyle x^{2}+3y^{2}} , denn
In der Tat ist − 3 {\displaystyle -3} ein quadratischer Rest modulo 79 {\displaystyle 79} , denn es teilt 79 {\displaystyle 79} die Zahl 32 2 + 3 = 1 027 = 13 ⋅ 79 {\displaystyle 32^{2}+3=1\,027=13\cdot 79} . Aus diesem Grund waren auch die expliziten Ausdrücke ( − 2 p ) {\displaystyle \left({\tfrac {-2}{p}}\right)} und ( − 3 p ) {\displaystyle \left({\tfrac {-3}{p}}\right)} schon bei Fermat von Bedeutung.[14]
Erstmals entdeckt wurde das quadratische Reziprozitätsgesetz von Leonhard Euler, der es durch empirische Nachforschungen als richtig befand, jedoch keinen Beweis vorlegen konnte. Leopold Kronecker hat darauf verwiesen, dass es unter anderem schnell aus einer Vermutung Eulers aus dessen Schrift Theoremata circa divisores numerorum in hac forma p a 2 ± q b 2 {\displaystyle pa^{2}\pm qb^{2}} contentorum (1744–1746) folgt.[15] Anschließend widmete Euler sich über zwei Jahrzehnte anderen Themen. Erst die Forschungen von Joseph-Louis Lagrange in den Jahren 1773 bis 1775, insbesondere seine Arbeiten zu einer allgemeinen Theorie der binären quadratischen Formen, bewegten Euler schließlich dazu, sich wieder mit dem Studium der quadratischen Reste detailliert zu befassen. Lagrange wollte die Forschung zu den von Fermat und Euler angestoßenen mathematischen Ideen weiter vorantreiben. Durch explizite Bestimmung von ( ± 2 p ) {\displaystyle \left({\tfrac {\pm 2}{p}}\right)} , ( ± 3 p ) {\displaystyle \left({\tfrac {\pm 3}{p}}\right)} und ( ± 5 p ) {\displaystyle \left({\tfrac {\pm 5}{p}}\right)} für ungerade Primzahlen p {\displaystyle p} , konnte er die Primzahlen mit Darstellung x 2 + 5 y 2 {\displaystyle x^{2}+5y^{2}} sowie 2 x 2 + 2 x y + 3 y 2 {\displaystyle 2x^{2}+2xy+3y^{2}} charakterisieren.[16] Zum Schluss seiner Ausführungen fasste Lagrange dann alles zusammen, was er über quadratische Reziprozität sagen konnte. Er formulierte seine Resultate stets in Termen des sog. Euler-Kriteriums
das eine Verallgemeinerung des kleinen Satzes von Fermat darstellt. Er hielt fest, dass für eine Primzahl p {\displaystyle p} von der Form 8 n ± 1 {\displaystyle 8n\pm 1} der Wert 2 p − 1 2 − 1 {\displaystyle 2^{\frac {p-1}{2}}-1} bereits durch p {\displaystyle p} teilbar und für solche der Form 8 n ± 3 {\displaystyle 8n\pm 3} entsprechend 2 p − 1 2 + 1 {\displaystyle 2^{\frac {p-1}{2}}+1} durch p {\displaystyle p} teilbar ist.[17] Lagrange gilt damit als Entdecker des 2. Ergänzungssatzes.[18] In seinem Paper Observationes circa divisionem quadratorum per numeros primos, das 1783 posthum veröffentlicht wurde, gab Euler schließlich eine Formulierung des quadratischen Reziprozitätsgesetzes, die der heute am häufigsten verwendeten sehr nahe kommt. In moderner Notation lautete sie:
Dies besagt, dass der Wert ( a p ) {\displaystyle \left({\tfrac {a}{p}}\right)} des Legendre-Symbols nur von der Restklasse p {\displaystyle p} modulo 4 a {\displaystyle 4a} abhängt, und dass der Wert für alle Primzahlen gleich ist, die bei Division durch 4 a {\displaystyle 4a} denselben Rest r {\displaystyle r} bzw. 4 a − r {\displaystyle 4a-r} haben.[14] Es konnte elementar gezeigt werden, dass diese von Euler formulierte Version äquivalent zum quadratischen Reziprozitätsgesetz ist.[19]
Noch im selben Jahrhundert wurde das quadratische Reziprozitätsgesetz von Adrien-Marie Legendre wiederentdeckt[20] und 1785 in seiner Arbeit Recherches d’Analyse Indéterminée veröffentlicht. Legendre konnte es mit Hilfe seines in dieser Arbeit publizierten Beweises des Satzes von Legendre in Spezialfällen zeigen. Sein Satz befasst sich mit hinreichenden und notwendigen Bedingungen für die Existenz von ganzzahligen Lösungen ( x , y , z ) ≠ ( 0 , 0 , 0 ) {\displaystyle (x,y,z)\not =(0,0,0)} einer Gleichung
Er konnte unter Betrachtung der speziellen Gleichung
mit Primzahlen p ≡ 1 ( mod 4 ) {\displaystyle p\equiv 1{\pmod {4}}} und q ≡ 3 ( mod 4 ) {\displaystyle q\equiv 3{\pmod {4}}} zeigen, dass falls q {\displaystyle q} ein quadratischer Rest modulo p {\displaystyle p} ist, auch p {\displaystyle p} quadratischer Rest modulo q {\displaystyle q} ist.[21] Legendre war ferner nachweislich von Lagrange beeinflusst, jedoch formulierte er den zweiten Ergänzungssatz auf andere Weise. So sprach er nicht über „Teilbarkeit von 2 p − 1 − 1 {\displaystyle 2^{p-1}-1} durch p {\displaystyle p} “, sondern benutzte die Notation 2 p − 1 = 1 {\displaystyle 2^{p-1}=1} , wobei er jedoch die Leser warnte, dass diese Gleichheit nur bis auf Vielfache von p {\displaystyle p} zu verstehen sei. Nach diesen Ausführungen zum Spezialfall des 2. Ergänzungssatzes formulierte Legendre die, abgesehen von der Notation, heute geläufige Fassung des quadratischen Reziprozitätsgesetzes:
Der Beweis von Legendre enthielt jedoch Lücken. Offenbar unzufrieden über die bisherigen Ergebnisse, veröffentlichte Legendre 1798 eine weit ambitioniertere Arbeit mit dem Titel Essai sur la Théorie des Nombres, in der er unter anderem die bis heute geläufige Notation ( a p ) {\displaystyle \left({\tfrac {a}{p}}\right)} für das Legendre-Symbol einführte. Im Kapitel mit dem Titel „Satz, der ein Gesetz der Reziprozität enthält, das zwischen zwei beliebigen Primzahlen besteht“, formulierte Legendre schließlich die Regel
von der die heutige Notation abstammt. Jedoch beinhaltete der Essai lediglich eine Wiederholung des unvollständigen Beweises von 1785.[22] Dieser beruhte auf der Annahme, es gebe zu jeder Primzahl p {\displaystyle p} der Form 4 n + 1 {\displaystyle 4n+1} eine andere Primzahl q {\displaystyle q} der Form 4 n + 3 {\displaystyle 4n+3} , sodass ( p q ) = − 1 {\displaystyle \left({\tfrac {p}{q}}\right)=-1} .[23] Legendre konnte diese Behauptung aber nicht beweisen. Der Name „Reziprozitätsgesetz“ („Loi de reciprocité“)[23] ist ebenfalls auf Legendre zurückzuführen.[24]
Den ersten vollständigen Beweis lieferte Carl Friedrich Gauß im Jahr 1801 in seiner für die moderne Zahlentheorie wegweisenden Schrift Disquisitiones Arithmeticae. Jedoch hatte Gauß nachweislich bereits 1796, im Alter von neunzehn Jahren, über einen solchen verfügt. Dies geht aus Gauß’ mathematischem Tagebuch hervor, in dem er den Beweis auf den 8. April 1796 datierte. Er schrieb sinngemäß: „Wir haben das Fundamentaltheorem durch Induktion im März des Jahres 1795 entdeckt. Wir haben den ersten Beweis, derjenige in diesem Abschnitt, im April 1796 gefunden“. Da Gauß diesem Resultat eine zentrale Bedeutung zuwies, wählte er die Benennung „Fundamentaltheorem“, und er schrieb: „Da fast alles, das über quadratische Reste gesagt werden kann, von diesem Theorem abhängt, sollte die Bezeichnung Fundamentaltheorem, die wir ab jetzt benutzen werden, akzeptabel sein.“ Der von Gauß angekündigte Beweis war Gegenstand der Paragraphen 135–144 in den Disquisitiones. Ein Grund, weshalb Gauß dabei die von Legendre eingeführte Notation vollständig ignorierte, war, dass seine Forschungen unabhängig abliefen.[25]
Allein Gauß werden mindestens acht methodisch verschiedene Beweise zugeschrieben.[26][14] Gauß selber verwendete nie den Begriff „quadratisches Reziprozitätsgesetz“.[25] Stattdessen bezeichnete er den Satz neben Fundamentaltheorem als „Theorema aureum“ (deutsch: „Goldener Satz“) der Zahlentheorie.[27]
Das quadratische Reziprozitätsgesetz war nur der Ausgangspunkt für die Entdeckung einer ganze Reihe, teils viel tiefer reichender, höherer Reziprozitätsgesetze. Diese Initiative wurde noch von Gauß selbst vorangetrieben.[28] So beschäftigte er sich auch mit kubischer und biquadratischer Reziprozität, und obwohl er einiges nicht veröffentlichte, gilt es als plausibel, dass er über entsprechende Beweise zu seinen Behauptungen verfügte.[29] Lediglich zum biquadratischen Fall, also zum Fall vierten Grades, existieren Veröffentlichungen von Gauß aus den Jahren 1828 und 1832.[30] Die ersten vollständigen publizierten Beweise zur kubischen bzw. biquadratischen Reziprozität stammen von Gotthold Eisenstein bzw. Carl Gustav Jacobi.[31] In den folgenden Jahrzehnten wurden die letztlich sehr tief reichenden Strukturen hinter der quadratischen Reziprozität mit der Entwicklung der sog. Klassenkörpertheorie aufgedeckt. Das sehr allgemeine und umfassende Artinsche Reziprozitätsgesetz (benannt nach Emil Artin) konnte zu Beginn des 20. Jahrhunderts schließlich alle bis dato gekannten Reziprozitätsgesetze miteinander vereinen und lieferte eine Teilantwort auf das neunte Hilbertsche Problem. Mit den Werkzeugen der Klassenkörpertheorie konnte letztlich die bereits unter anderem von Fermat, Euler, Lagrange, Legendre und Gauß intensiv studierte Frage nach Darstellungen von Primzahlen der Form x 2 + n y 2 {\displaystyle x^{2}+ny^{2}} in voller Allgemeinheit, also für alle natürlichen Zahlen n {\displaystyle n} , beantwortet werden.[32]
Bis heute wurden mehr als 300 Beweise veröffentlicht. Zu historischen Hintergründen mancher dieser Beweise siehe im gleichnamigen Abschnitt.
Das quadratische Reziprozitätsgesetz liefert eine Möglichkeit, das Legendre-Symbol ( a p ) {\displaystyle \left({\tfrac {a}{p}}\right)} schnell zu berechnen und damit zu entscheiden, ob a {\displaystyle a} quadratischer Rest modulo p {\displaystyle p} ist oder nicht. Dafür ist allerdings erforderlich, a {\displaystyle a} in vernünftiger Zeit in seine Primfaktoren zerlegen zu können. Bei dem Verfahren werden Multiplikativität und Periodizität des Legendre-Symbols sowie das quadratische Reziprozitätsgesetz samt Ergänzungssätzen in Kombination genutzt.
Ein Beispiel ist die Berechnung von ( 219 383 ) {\displaystyle \left({\tfrac {219}{383}}\right)} , um zu entscheiden, ob 219 {\displaystyle 219} ein quadratischer Rest modulo der Primzahl 383 {\displaystyle 383} ist. Zuerst zerlegt man 219 {\displaystyle 219} in seine Primfaktoren 219 = 3 ⋅ 73 {\displaystyle 219=3\cdot 73} . Mit der Multiplikativität des Legendre-Symbols erhält man damit
Es macht nun Sinn, beide Faktoren auf der rechten Seite getrennt zu betrachten. Mit dem quadratischen Reziprozitätsgesetz sowie der 3 {\displaystyle 3} -Periodizität des Legendre-Symbols ( ⋅ 3 ) {\displaystyle \left({\tfrac {\cdot }{3}}\right)} gilt nun einerseits
Dabei wurde im vorletzten Schritt genutzt, dass 2 {\displaystyle 2} kein quadratischer Rest modulo 3 {\displaystyle 3} ist (was, etwa durch Ausprobieren, klar ist, und nicht mehr bewiesen werden muss). Andererseits gilt wieder mittels des quadratischen Reziprozitätsgesetzes und der 73 {\displaystyle 73} -Periodizität von ( ⋅ 73 ) {\displaystyle \left({\tfrac {\cdot }{73}}\right)} , dass
Mit 18 = 2 ⋅ 3 2 {\displaystyle 18=2\cdot 3^{2}} hat man unter Verwendung des 2. Ergänzungssatzes
Insgesamt folgt also
Damit ist 219 {\displaystyle 219} ein quadratischer Rest modulo 383 {\displaystyle 383} .[33] Zum Beispiel ist
durch 383 {\displaystyle 383} teilbar.[Anm. 15]
Quadratische Reste, und auch das quadratische Reziprozitätsgesetz, können in der Kryptographie für ein Null-Wissen-Beweis-Verfahren verwendet werden.
Ein Null-Wissen-Beweis kann mit hoher Wahrscheinlichkeit nachweisen, dass man ein Geheimnis weiß, ohne das Geheimnis zu verraten. Es basiert auf der Kommunikation zweier Parteien, dem Beweiser und dem Verifizierer. Dabei versucht also der Beweiser den Verifizierer davon zu überzeugen, dass er über eine geheime Information verfügt, ohne diese preiszugeben. Der Verifizierer kann dann, je nach Zweck des Verfahrens, seine Schlüsse ziehen. Zum Beispiel könnte er sich relativ sicher sein, dass er mit einer ganz bestimmten Person kommuniziert, etwa kurz vor einer Geldtransaktion, da nur diese eine Person das Geheimnis kennen kann. Grundlage ist dabei stets, dass es anhand der Informationen, die der Beweiser der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt, für Außenstehende nicht möglich ist, mit vernünftigem Zeitaufwand an das Geheimnis zu kommen.
Das Geheimnis muss an sich keine „brisante Information“, etwa ein Staatsgeheimnis, sein. Es kann sich lediglich um einen Zahlencode handeln, von dem aber angenommen wird, dass ihn nur der Beweiser mit Namen Alice kennt, da er sich ausschließlich in ihrem Tresor befindet. Möchte Verifizierer Bob sich nun vergewissern, dass es sich tatsächlich um Alice handelt, kann er abprüfen, dass die Person am anderen Ende der Leitung tatsächlich den Code kennt. Dafür kann wie folgt verfahren werden.[34]
Dieses Verfahren wurde im Jahr 1985 von Adi Shamir entwickelt.[36]
Bob verfügt zu Beginn über die Zahlen n = 1891 {\displaystyle n=1891} und v = I = 391 {\displaystyle v=I=391} . Er möchte testen, ob Alice wirklich über die Zahl u {\displaystyle u} verfügt. Dafür kann folgende Testschleife beliebig oft wiederholt werden, bis sich Bob hinreichend sicher ist:
Nur wenn Alice über u {\displaystyle u} verfügt, kann sie gleichzeitig über r {\displaystyle r} und s {\displaystyle s} verfügen, denn nach Konstruktion gilt r s ≡ u ( mod n ) {\displaystyle rs\equiv u{\pmod {n}}} . Dementsprechend ist es wichtig, dass Bob stets nur eine dieser Zahlen erhält, damit er nicht selbst u {\displaystyle u} berechnen kann.
Da Alice die Primfaktorzerlegung n = p ⋅ q {\displaystyle n=p\cdot q} kennt, muss sie, um eine Quadratwurzel aus v {\displaystyle v} ziehen zu können, lediglich die simultanen Kongruenzen x 2 ≡ v ( mod p ) {\displaystyle x^{2}\equiv v{\pmod {p}}} und x 2 ≡ v ( mod q ) {\displaystyle x^{2}\equiv v{\pmod {q}}} lösen. Teilen nämlich sowohl p {\displaystyle p} als auch q {\displaystyle q} die Zahl x 2 − v {\displaystyle x^{2}-v} , so auch deren Produkt n {\displaystyle n} (zum Beispiel ist eine durch 2 {\displaystyle 2} und 3 {\displaystyle 3} teilbare Zahl stets durch 6 {\displaystyle 6} teilbar). Für die Lösbarkeit muss ( v p ) = ( v q ) = 1 {\displaystyle \left({\tfrac {v}{p}}\right)=\left({\tfrac {v}{q}}\right)=1} gelten, was ggf. mit dem quadratischen Reziprozitätsgesetz nachgerechnet werden kann (die Erfolgschance liegt bei etwa 50 Prozent). Trifft dies zu, kann im Falle p ≡ q ≡ 3 ( mod 4 ) {\displaystyle p\equiv q\equiv 3{\pmod {4}}} schnell wie folgt verfahren werden: Mit dem Euler-Kriterium gilt
also gilt
und analog
Mit dem Chinesischen Restsatz kann jetzt die simultane Kongruenz
schnell gelöst werden, und eine Quadratwurzel u {\displaystyle u} von v {\displaystyle v} modulo n {\displaystyle n} ist gefunden.[36] Es existieren auch schnelle, aber kompliziertere, Algorithmen für den Fall, dass mindestens eine der Primzahlen ≡ 1 ( mod 4 ) {\displaystyle \equiv 1{\pmod {4}}} ist.[37]
Das quadratische Reziprozitätsgesetz kann an der entscheidenden Stelle benutzt werden, an der der Beweiser den aus seiner ID I {\displaystyle I} erzeugten quadratischen Rest v {\displaystyle v} erzeugen muss. Hierfür muss berechnet werden, ob tatsächlich
gilt. Kennt der Beweiser eine Primfaktorzerlegung von v {\displaystyle v} , etwa weil v {\displaystyle v} nicht allzu groß ist, ist dies ein durchaus effizientes Mittel.[38] Allerdings wird die Notwendigkeit einer Primfaktorzerlegung von v {\displaystyle v} für große Werte zunehmend zum Problem. Jedoch existiert ein alternativer Algorithmus, um das Legendre-Symbol schnell zu berechnen, ohne v {\displaystyle v} in seine Primfaktoren zerlegen zu müssen. Dieser ähnelt dem Euklidischen Algorithmus. Aber das quadratische Reziprozitätsgesetz spielt bei der Verifikation dieser Methode eine bedeutende Rolle.[39]
Das schnelle Berechnen von Legendre-Symbolen mittels des quadratischen Reziprozitätsgesetzes kann dabei helfen, rasch zu entscheiden, ob eine quadratische Kongruenz der Form
mit a , b , c ∈ Z {\displaystyle a,b,c\in \mathbb {Z} } und g g T ( p , a ) = 1 {\displaystyle \mathrm {ggT} (p,a)=1} lösbar ist, wobei p {\displaystyle p} eine ungerade Primzahl ist. Diese kann als quadratische Gleichung
über dem endlichen Körper F p = { 0 ¯ , … , p − 1 ¯ } {\displaystyle \mathbb {F} _{p}=\{{\overline {0}},\dotsc ,{\overline {p-1}}\}} interpretiert werden. Die Diskriminante D = b ¯ 2 − 4 a c ¯ {\displaystyle D={\overline {b}}^{2}-{\overline {4ac}}} muss ein Quadrat in F p {\displaystyle \mathbb {F} _{p}} sein, damit es eine Lösung gibt. Genauer gibt es
Lösungen.[40] Mit dem quadratischen Reziprozitätsgesetz kann nun, wenn eine Primfaktorzerlegung von b 2 − 4 a c {\displaystyle b^{2}-4ac} gefunden werden kann, das Legendre-Symbol ( b 2 − 4 a c p ) {\displaystyle \left({\tfrac {b^{2}-4ac}{p}}\right)} schnell berechnet werden.
Ist man in der Lage, zu entscheiden, ob quadratische Kongruenzen modulo beliebiger Primzahlen eine Lösung besitzen, kann dies in einigen Fällen auch für Kongruenzen mit beliebigem Modul m {\displaystyle m} erreicht werden. Wird also die Kongruenz
betrachtet, so ist diese, falls m = p 1 c 1 ⋯ p r c r {\displaystyle m=p_{1}^{c_{1}}\cdots p_{r}^{c_{r}}} (mit c j ≥ 1 {\displaystyle c_{j}\geq 1} ), genau dann lösbar, falls es jede der „lokalen“ Kongruenzen
ist. Dies ist eine Folgerung aus dem sog. Chinesischen Restsatz, und damit ist das Problem bereits auf den Fall von Primpotenzen reduziert. Im Fall, dass g g T ( b 2 − 4 a c , m ) = 1 {\displaystyle \mathrm {ggT} (b^{2}-4ac,m)=1} sowie m {\displaystyle m} ungerade ist, sind diese Kongruenzen genau dann lösbar, wenn es sämtliche der Kongruenzen
sind. Für gerade m {\displaystyle m} oder den Fall, dass die Diskriminante D = b 2 − 4 a c {\displaystyle D=b^{2}-4ac} nicht teilerfremd zu m {\displaystyle m} ist, ist dies nicht mehr uneingeschränkt richtig, und es muss anders vorgegangen werden.[41]
Schon Euler stellte fest, dass die Abbildung
auf den Primzahlen nur von der Restklasse der Primzahl p {\displaystyle p} modulo 4 a {\displaystyle 4a} abhängt. Es definiert diese Abbildung einen sog. quadratischen Dirichlet-Charakter modulo 4 | a | {\displaystyle 4|a|} , indem man sie als 0 {\displaystyle 0} auf p = 2 {\displaystyle p=2} definiert und dann über die Primfaktorzerlegung multiplikativ auf alle ganzen Zahlen fortsetzt. Ist also m = p 1 r 1 ⋯ p ℓ r ℓ {\displaystyle m=p_{1}^{r_{1}}\cdots p_{\ell }^{r_{\ell }}} , so definiert man
wobei die Werte ( a p 1 ) , … , ( a p ℓ ) {\displaystyle \left({\tfrac {a}{p_{1}}}\right),\ldots ,\left({\tfrac {a}{p_{\ell }}}\right)} bereits alle durch das Legendre-Symbol erklärt sind. Um dem Phänomen der 4 | a | {\displaystyle 4|a|} -Periodizität gerechter zu werden, nutzt man, dass 4 {\displaystyle 4} eine Quadratzahl ist, also multiplikativ nichts am Legendre-Symbol ändert, und betrachtet alternativ ( 4 a m ) = ( a m ) {\displaystyle \left({\tfrac {4a}{m}}\right)=\left({\tfrac {a}{m}}\right)} . Im Fall, dass a {\displaystyle a} quadratfrei ist, handelt es sich hierbei um einen sog. primitiven reellen Charakter (und es wird 4 a {\displaystyle 4a} als Fundamentaldiskriminante bezeichnet).[42]
Diese Aussage Eulers ist, wie man heute weiß, äquivalent zum quadratischen Reziprozitätsgesetz und hat unmittelbare Konsequenzen für die Verteilung quadratischer (Nicht-)Reste. So ist zum Beispiel 7 {\displaystyle 7} ein quadratischer Nichtrest modulo 11 {\displaystyle 11} , aber damit auch modulo der Primzahl 11 + 2 ⋅ 28 = 67 {\displaystyle 11+2\cdot 28=67} (es ist 28 = 4 ⋅ 7 {\displaystyle 28=4\cdot 7} ), es gilt also
Diverse Aussagen über die „Häufigkeit“ quadratischer Reste können mittels des quadratischen Reziprozitätsgesetzes gezeigt werden. Während ein Beweis der Tatsache, dass es zu einer ganzen Zahl a ≠ 0 {\displaystyle a\not =0} unendlich viele Primzahlen p {\displaystyle p} gibt, sodass a {\displaystyle a} quadratischer Rest modulo p {\displaystyle p} ist, noch ohne das quadratische Reziprozitätsgesetz auskommt,[43] kann erst mit seiner Hilfe gezeigt werden, dass jede Zahl a ∈ Z {\displaystyle a\in \mathbb {Z} } , die keine Quadratzahl ist, unendlich oft quadratischer Nichtrest einer Primzahl p {\displaystyle p} ist.[44] Die Eigenschaft, eine Quadratzahl zu sein, ist darüber hinaus sowohl hinreichend als auch notwendig dafür, dass diese Zahl für alle (bis auf endlich viele) Primzahlen p {\displaystyle p} quadratischer Rest modulo p {\displaystyle p} ist.[45]
Diese Aussagen lassen sich, ebenfalls unter Verwendung des quadratischen Reziprozitätsgesetzes, in manchen Fällen auf Asymptotiken für endliche Mengen hochheben. Dabei bezogen sich die oberen Fälle immer auf einelementige Mengen { a } {\displaystyle \{a\}} . Dafür muss der Begriff der asymptotischen Dichte einer Menge Π ⊂ P {\displaystyle \Pi \subset \mathbb {P} } innerhalb der Menge aller Primzahlen P {\displaystyle \mathbb {P} } erklärt werden. Diese ist, falls vorhanden, gegeben durch
wobei π ( x ) {\displaystyle \pi (x)} die Anzahl aller Primzahlen bis zur Größe x {\displaystyle x} ist.[46] Es gilt naturgemäß stets 0 ≤ δ ( Π ) ≤ 1 {\displaystyle 0\leq \delta (\Pi )\leq 1} . Ist Π 0 {\displaystyle \Pi _{0}} zum Beispiel lediglich eine endliche Menge von Primzahlen, so folgt aus dem Satz des Euklid bereits δ ( Π 0 ) = 0 {\displaystyle \delta (\Pi _{0})=0} . Andererseits gilt δ ( P ) = 1 {\displaystyle \delta (\mathbb {P} )=1} . Michael Filaseta und David Richman konnten 1989 unter Verwendung des quadratischen Reziprozitätsgesetzes und der starken Form des Dirichletschen Primzahlsatzes zeigen, dass für jede nichtleere endliche Menge P ⊂ P {\displaystyle P\subset \mathbb {P} } und jede Funktion ε : P → { − 1 , 1 } {\displaystyle \varepsilon \colon P\to \{-1,1\}} die asymptotische Dichte der Menge
den Wert 1 2 | P | {\displaystyle {\tfrac {1}{2^{|P|}}}} hat.[47] Ist zum Beispiel P = { 29 } {\displaystyle P=\{29\}} und ε ( 29 ) := 1 {\displaystyle \varepsilon (29):=1} , so hat die Menge der ungeraden Primzahlen, bezüglich derer 29 {\displaystyle 29} ein quadratischer Rest ist, also
die asymptotische Dichte 1 2 {\displaystyle {\tfrac {1}{2}}} , denn es hat P {\displaystyle P} wegen | P | = | { 29 } | = 1 {\displaystyle |P|=|\{29\}|=1} nur ein Element. Also hat asymptotisch betrachtet durchschnittlich jede zweite Primzahl die Primzahl 29 {\displaystyle 29} als quadratischen Rest. Die folgende Tabelle visualisiert die Situation für die ersten Primzahlen 3 ≤ p ≤ 197 {\displaystyle 3\leq p\leq 197} :
Analog hat zum Beispiel durchschnittlich jede vierte Primzahl p {\displaystyle p} die Eigenschaft, dass gleichzeitig
erfüllt ist. Zu bemerken ist, dass es genau vier Möglichkeiten gibt, die Werte 29 {\displaystyle 29} und 61 {\displaystyle 61} auf ± 1 {\displaystyle \pm 1} abzubilden.[Anm. 16] Die folgende Tabelle visualisiert die Situation für die ersten Primzahlen 3 ≤ p ≤ 197 {\displaystyle 3\leq p\leq 197} :
Allgemeiner gibt es 2 | P | {\displaystyle 2^{|P|}} Möglichkeiten, die endliche Menge P {\displaystyle P} in { ± 1 } {\displaystyle \{\pm 1\}} abzubilden. Daher sagt das Resultat stets eine langfristige Gleichverteilung innerhalb aller Möglichkeiten voraus.
In der Frage nach der Existenz von quadratischen Nichtresten in gewissen Bereichen konnten mit Hilfe des quadratischen Reziprozitätsgesetzes Fortschritte erzielt werden. So kann mit seiner Hilfe gezeigt werden, dass es für jede Primzahl q > 3 {\displaystyle q>3} bereits eine Primzahl 2 < p < 8 ( q + 1 ) {\displaystyle 2<p<8({\sqrt {q}}+1)} gibt, sodass ( q p ) = − 1 {\displaystyle \left({\tfrac {q}{p}}\right)=-1} . Somit kann es nicht vorkommen, dass q {\displaystyle q} ein quadratischer Rest für „beliebig viele Primzahlen“ ist. Für den Beweis dieser Tatsache wird neben dem quadratischen Reziprozitätsgesetz auch die Abschätzung[Anm. 17]
benötigt, wobei gefordert wird, dass keine zwei ganzen Zahlen in den endlichen Mengen S , T ⊂ Z {\displaystyle S,T\subset \mathbb {Z} } kongruent modulo p {\displaystyle p} sind.[48]
Gauß bemerkte, dass im Fall von Primzahlen q ≡ 1 ( mod 8 ) {\displaystyle q\equiv 1{\pmod {8}}} die Existenz einer Primzahl 2 < p < 2 q + 1 {\displaystyle 2<p<2{\sqrt {q}}+1} mit ( q p ) = − 1 {\displaystyle \left({\tfrac {q}{p}}\right)=-1} auch ohne Verwendung des quadratischen Reziprozitätsgesetzes nachgewiesen werden kann.[49]
Das quadratische Reziprozitätsgesetz kann, nach seiner Formulierung durch Legendre, wie folgt visualisiert werden. In folgender Tabelle sind in Zeilen und Spalten die ersten Primzahlen eingetragen. In den Zeilen bestimmt die Primzahl den Modulus, und es ist farblich markiert, ob die Primzahl in der entsprechenden Spalte ein quadratischer Rest oder Nichtrest ist. Die blauen und grünen Felder sind exakt symmetrisch entlang der Diagonalen; sie entsprechen den Fällen, dass mindestens eine der Primzahlen bei Division durch 4 {\displaystyle 4} den Rest 1 {\displaystyle 1} hat. In der Tat gilt in diesem Fall
womit in beiden Fällen entweder Reste oder Nichtreste vorliegen müssen: In der Tat, da das Ergebnis von ( p q ) ( q p ) {\displaystyle \left({\tfrac {p}{q}}\right)\left({\tfrac {q}{p}}\right)} positiv ist, müssen beide Faktoren entweder den Wert + 1 {\displaystyle +1} oder den Wert − 1 {\displaystyle -1} haben. Also werden die Fragen nach quadratischen Resten in beiden Fällen simultan entweder mit „Ja“ oder mit „Nein“ beantwortet. Erzeugen hingegen beide Primzahlen bei Division durch 4 {\displaystyle 4} den Rest 3 {\displaystyle 3} , so gilt
und es muss stets genau ein Rest und genau ein Nichtrest vorliegen, also beide Terme haben unterschiedliches Vorzeichen ± 1 {\displaystyle \pm 1} . Daher wird hier ein rotes Feld zu einem orangen Feld an der Diagonale gespiegelt, und umgekehrt.
Zum Beispiel ist 37 {\displaystyle 37} ein quadratischer Rest modulo 11 {\displaystyle 11} (in der Tabelle vierte Zeile und elfte Spalte), denn es ist
durch 11 {\displaystyle 11} teilbar. Das R ist grün hinterlegt, denn es ist 37 ≡ 1 ( mod 4 ) {\displaystyle 37\equiv 1{\pmod {4}}} . Umgekehrt befindet sich in der elften Zeile und vierten Spalte, also bei ( 37 , 11 ) {\displaystyle (37,11)} , wieder ein grünes Feld, so wie es das quadratische Reziprozitätsgesetz vorhersagt.
Das quadratische Reziprozitätsgesetz kann zur direkten Untersuchung von Primzahlen verwendet werden.
Die Fermat-Zahlen sind definiert durch die Folge
Die ersten Fermat-Zahlen sind explizit gegeben durch
Mit dem quadratischen Reziprozitätsgesetz kann gezeigt werden, dass jede Primzahl p {\displaystyle p} , die F n {\displaystyle F_{n}} mit n ≥ 2 {\displaystyle n\geq 2} teilt, von der Form
für ein k ∈ N {\displaystyle k\in \mathbb {N} } sein muss.[50]
Dies kann wie folgt gesehen werden: Es ist wegen p | F n {\displaystyle p|F_{n}} bereits 2 2 n ≡ − 1 ( mod p ) {\displaystyle 2^{2^{n}}\equiv -1{\pmod {p}}} , und nach beidseitigem Quadrieren 2 2 n + 1 ≡ 1 ( mod p ) . {\displaystyle 2^{2^{n+1}}\equiv 1{\pmod {p}}.} Folglich ist die p {\displaystyle p} -Ordnung von 2 {\displaystyle 2} in der Gruppe ( Z / p Z ) × {\displaystyle (\mathbb {Z} /p\mathbb {Z} )^{\times }} der Ordnung φ ( p ) = p − 1 {\displaystyle \varphi (p)=p-1} genau 2 n + 1 {\displaystyle 2^{n+1}} , was nach dem Satz von Lagrange 2 n + 1 | ( p − 1 ) {\displaystyle 2^{n+1}|(p-1)} zur Folge hat. Wegen n ≥ 2 {\displaystyle n\geq 2} ist daher p ≡ 1 ( mod 8 ) {\displaystyle p\equiv 1{\pmod {8}}} . Mit dem zweiten Ergänzungssatz des quadratischen Reziprozitätsgesetzes folgt, dass 2 {\displaystyle 2} ein quadratischer Rest modulo p {\displaystyle p} ist. Also gibt es ein a ∈ Z {\displaystyle a\in \mathbb {Z} } , sodass a 2 ≡ 2 ( mod p ) {\displaystyle a^{2}\equiv 2{\pmod {p}}} , ergo ist die Ordnung von a {\displaystyle a} sogar gleich 2 n + 2 {\displaystyle 2^{n+2}} . Damit folgt 2 n + 2 | ( p − 1 ) {\displaystyle 2^{n+2}|(p-1)} .[50]
Das quadratische Reziprozitätsgesetz gibt also eine starke Einengung für die möglichen Primfaktoren dieser Zahlen. Es liefert eines der wenigen bekannten theoretischen Hilfsmittel zum Finden von Primteilern von Fermat-Zahlen.[51] Zum Beispiel ist jeder Primteiler p {\displaystyle p} der Zahl
von der Form p = 128 k + 1 {\displaystyle p=128k+1} . Die ersten Zahlen mit dieser Eigenschaft sind
Von diesen sind nur F 3 = 257 {\displaystyle F_{3}=257} und 641 {\displaystyle 641} tatsächlich Primzahlen. Mit elementaren Mitteln kann gezeigt werden, dass zwei verschiedene Fermat-Zahlen teilerfremd sind, also keine gemeinsamen Primfaktoren haben. Damit scheidet 257 {\displaystyle 257} als ein Teiler von F 5 {\displaystyle F_{5}} aus. Leonhard Euler war der erste, der erkannte, dass 641 {\displaystyle 641} ein Teiler von F 5 {\displaystyle F_{5}} ist. Der andere Primfaktor ist 6 700 417 = 128 ⋅ 52 347 + 1 {\displaystyle 6\,700\,417=128\cdot 52\,347+1} , also
Indem man alle Primzahlen der Form 128 k + 1 {\displaystyle 128k+1} unterhalb von 6 700 417 ≈ 2586 {\displaystyle {\sqrt {6\,700\,417}}\approx 2586} als Teiler von 6 700 417 {\displaystyle 6\,700\,417} ausschließt, sieht man schnell, dass 6 700 417 {\displaystyle 6\,700\,417} in der Tat wieder prim ist. Dies wäre die zu dieser Zeit größte bekannte Primzahl gewesen, und es gilt als plausibel, dass Euler um diese wusste.[52]
Das quadratische Reziprozitätsgesetz kann auf ähnliche Weise dafür genutzt werden, etwas über Primteiler von Mersenne-Zahlen zu sagen. Dies sind die Zahlen
mit Primzahlen p {\displaystyle p} . Eine berühmte Vermutung sagt, dass es unendlich viele Primzahlen der Form M p {\displaystyle M_{p}} gibt, doch das ist bis heute unbekannt. Mit Hilfe der M p {\displaystyle M_{p}} konnten jedoch einig Male Primzahlen in Rekordhöhe bestimmt werden.[53] Ein Beispiel einer solchen Mersenne-Primzahl ist M 7 = 2 7 − 1 = 127. {\displaystyle M_{7}=2^{7}-1=127.} Im Gegensatz dazu ist aber etwa M 11 = 2 047 = 23 ⋅ 89 {\displaystyle M_{11}=2\,047=23\cdot 89} zusammengesetzt. Es gilt nun: Ist p {\displaystyle p} eine Primzahl, sodass q := 2 p + 1 {\displaystyle q:=2p+1} wieder prim ist, so ist q {\displaystyle q} genau dann ein Teiler von M p {\displaystyle M_{p}} , wenn q ≡ ± 1 ( mod 8 ) {\displaystyle q\equiv \pm 1{\pmod {8}}} .[54] Ein entscheidender Zwischenschritt des Beweises dieser Aussage nutzt das quadratische Reziprozitätsgesetz.
Es sind die Aussagen q | M p {\displaystyle q|M_{p}} und 2 q − 1 2 ≡ 1 ( mod q ) {\displaystyle 2^{\frac {q-1}{2}}\equiv 1{\pmod {q}}} äquivalent. Nach dem Kriterium von Euler ist dies genau dann der Fall, wenn 2 {\displaystyle 2} ein quadratischer Rest modulo q {\displaystyle q} ist. Nach dem 2. Ergänzungssatz folgt jetzt die Behauptung.[54]
Als Schlussfolgerung ergibt sich, dass wenn p ≡ 3 ( mod 4 ) {\displaystyle p\equiv 3{\pmod {4}}} eine Primzahl ist, sodass q := 2 p + 1 {\displaystyle q:=2p+1} wieder prim ist, bereits q | M p {\displaystyle q|M_{p}} gilt. In diesen Fällen ist M p {\displaystyle M_{p}} also zusammengesetzt.[54] Als Beispiel dient p = 11 {\displaystyle p=11} , denn es ist 11 ≡ 3 ( mod 4 ) {\displaystyle 11\equiv 3{\pmod {4}}} , und es ist 2 p + 1 = 23 {\displaystyle 2p+1=23} wieder prim. Wie oben gesehen, teilt 23 {\displaystyle 23} die Zahl M 11 {\displaystyle M_{11}} .
Eine Primzahl p {\displaystyle p} derart, dass 2 p + 1 {\displaystyle 2p+1} wieder prim ist, heißt auch Sophie-Germain-Primzahl.[55]
Einige Spezialfälle des Dirichletschen Primzahlsatzes können unter Verwendung des quadratischen Reziprozitätsgesetzes direkt gezeigt werden.
Der Dirichletsche Primzahlsatz liefert die Unendlichkeit von Primzahlen in bestimmten arithmetischen Progressionen. Mit arithmetischen Progressionen sind Folgen von Zahlen gemeint, die stets gleiche Differenz haben, wie etwa
Er besagt, dass wenn Differenz (oben 4 {\displaystyle 4} ) und ein Folgeglied (oben zum Beispiel 1 {\displaystyle 1} ) teilerfremd sind, die Progression bereits unendliche viele Primzahlen enthalten muss. Da 4 {\displaystyle 4} und 1 {\displaystyle 1} teilerfremd sind, gibt es zum Beispiel unendlich viele Primzahlen innerhalb der Progression 1 , 5 , 9 , 13 , 17 , 21 , … {\displaystyle 1,5,9,13,17,21,\ldots } . Die ersten dieser Primzahlen sind
Dies ist gleichbedeutend mit der Aussage, dass es unendlich viele Primzahlen p {\displaystyle p} mit der Eigenschaft p ≡ 1 ( mod 4 ) {\displaystyle p\equiv 1{\pmod {4}}} gibt.
Im Falle der Differenzen 1 {\displaystyle 1} bzw. 2 {\displaystyle 2} gleichen die Ausführungen jenem des bereits von Euklid gefundenen Beweises, dass es unendlich viele (ungerade) Primzahlen gibt.[56] Für die Differenzen d ∈ { 3 , 4 , 6 } {\displaystyle d\in \{3,4,6\}} lässt sich teilweise mit quadratischen Resten und dem Reziprozitätsgesetz argumentieren.
Für ganz allgemeine Differenzen reicht die elementare Maschinerie nicht aus. Dirichlet selbst hat für den allgemeinen Beweis von ihm neu entwickelte Techniken aus der komplexen Analysis verwendet.[58]
Unter Benutzung des quadratischen Reziprozitätsgesetzes kann in manchen Fällen gezeigt werden, unter welchen Voraussetzungen eine Primzahl p {\displaystyle p} in der Form
für ein festes n ∈ N {\displaystyle n\in \mathbb {N} } geschrieben werden kann. Dies war auch eine treibende Kraft der Zahlentheorie im 18. Jahrhundert, die zu seiner Entdeckung beitrug. Der Fall n = 1 {\displaystyle n=1} führt zur Frage, welche ungeraden Primzahlen die Summe zweier Quadrate sind. Es kann gezeigt werden, dass dies genau die Primzahlen der Form p ≡ 1 ( mod 4 ) {\displaystyle p\equiv 1{\pmod {4}}} sind, also jene, die bei Division durch 4 {\displaystyle 4} den Rest 1 {\displaystyle 1} haben.[59] Etwa gilt
Dieses Resultat wird heutzutage meist Zwei-Quadrate-Satz genannt. Sein Beweis auf Basis des Reziprozitätsgesetzes benutzt den Satz von Thue.[60] Mit sehr ähnlichen Mitteln kann zum Beispiel auch der Fall x 2 + 3 y 2 {\displaystyle x^{2}+3y^{2}} behandelt werden.[61] Allerdings sind auch spezielle „gemischte“ quadratische Formen behandelbar, wie etwa x 2 + x y + 41 y 2 {\displaystyle x^{2}+xy+41y^{2}} . Eine Primzahl p ≠ 163 {\displaystyle p\not =163} ist genau dann von dieser Form, wenn sie quadratischer Rest modulo 163 {\displaystyle 163} ist. Im Beweis ist unter anderem notwendig, zu prüfen, ob − 163 {\displaystyle -163} quadratischer Nichtrest modulo q ∈ { 3 , 5 , 7 , 11 , 13 , 17 , 19 , 23 } {\displaystyle q\in \{3,5,7,11,13,17,19,23\}} ist.[62]
Eine diophantische Gleichung, benannt nach Diophantos von Alexandria (um 250), ist eine Polynomgleichung in mindestens einer Variablen, wobei nur ganzzahlige Koeffizienten auftauchen. Ein Beispiel ist
Man ist zudem im Kontext diophantischer Gleichungen stets an ganzen Lösungen interessiert. Es ist durch die Lösung von Hilberts zehntem Problem von 1970 durch Juri Matijassewitsch bekannt, dass es kein allgemeines Verfahren gibt, zu entscheiden, ob eine beliebige diophantische Gleichung lösbar ist oder nicht.[63] Für manche Gleichungen kann aber mittels des quadratischen Reziprozitätsgesetzes gezeigt werden, dass es keine Lösung geben kann. Dies betrifft etwa manche Gleichungen in zwei Variablen des Typs[64]
Beispiele sind die Unlösbarkeit von x 3 − y 2 = 24 {\displaystyle x^{3}-y^{2}=24} (die Differenz einer Kubikzahl und einer Quadratzahl ist also niemals 24 {\displaystyle 24} )[65] oder auch x 5 − y 2 = 52 {\displaystyle x^{5}-y^{2}=52} (die Differenz einer fünften Potenz und einer Quadratzahl ist also niemals 52 {\displaystyle 52} ),[66] über den ganzen Zahlen.
Eine tiefe Entdeckung der Zahlentheorie war, dass es, um eine algebraische Gleichung (in mehreren Variablen) in den rationalen Zahlen zu verstehen, hilfreich sein kann, sie über endlichen Körpern zu betrachten. Dabei ist gemeint, sie in allen Körpern F p {\displaystyle \mathbb {F} _{p}} gleichzeitig zu betrachten. Ein wichtiges Beispiel dieses „Lokal-Global-Prinzips“ ist ein von Adrien-Marie Legendre im Jahr 1785 gezeigter Satz:[67]
Der Bezug zu endlichen Körpern wird jedoch erst über die folgende, noch allgemeinere, Formulierung des Satzes von Hasse-Minkowski präsent:[68]
Da Q {\displaystyle \mathbb {Q} } ein unendlicher Körper ist, kann es vorkommen, dass die Lösungsmenge einer quadratischen Gleichung unendlich ist. So hat etwa die Einheitskreisgleichung
unendlich viele rationale Lösungen (jede solche korrespondiert mit einem pythagoreischen Tripel),[69] zum Beispiel gilt
(und wegen 3 2 + 4 2 = 5 2 {\displaystyle 3^{2}+4^{2}=5^{2}} ist ( 3 , 4 , 5 ) {\displaystyle (3,4,5)} ein pythagoreisches Tripel). Da die Körper F p {\displaystyle \mathbb {F} _{p}} jedoch alle endlich sind, wird zum Beispiel die Gleichung
über F p {\displaystyle \mathbb {F} _{p}} stets nur endlich viele Lösungen haben. Fred Diamond und Jerry Shurman weisen darauf hin, dass das quadratische Reziprozitätsgesetz dazu verwendet werden kann, die Anzahlen der Lösungen modulo p {\displaystyle p} der Gleichung
als sog. Eigenwerte von linearen Abbildungen
zwischen einem zur Gleichung Q {\displaystyle Q} gehörigen C {\displaystyle \mathbb {C} } -Vektorraum V Q {\displaystyle V_{Q}} zu interpretieren. Zunächst hat Q {\displaystyle Q} über F p {\displaystyle \mathbb {F} _{p}} die Diskriminante D Q = 4 d {\displaystyle D_{Q}=4d} , und die Gleichung insgesamt a p ( Q ) + 1 {\displaystyle a_{p}(Q)+1} Lösungen, wenn
Wie im Abschnitt zur Verteilung quadratischer Reste gesehen, hängt die Größe a p ( Q ) {\displaystyle a_{p}(Q)} wegen des quadratischen Reziprozitätsgesetzes ausschließlich von der Restklasse p ¯ {\displaystyle {\overline {p}}} modulo 4 | d | {\displaystyle 4|d|} ab. Der Schlüssel ist nun, über die eindeutige Primfaktorzerlegung die a p ( Q ) {\displaystyle a_{p}(Q)} auf beliebige natürliche Argumente n = p 1 c 1 p 2 c 2 ⋯ p r c r {\displaystyle n=p_{1}^{c_{1}}p_{2}^{c_{2}}\cdots p_{r}^{c_{r}}} fortzusetzen mittels der Regel
Damit sind die a n ( Q ) {\displaystyle a_{n}(Q)} vollständig multiplikativ, also gilt stets a m n ( Q ) = a m ( Q ) a n ( Q ) {\displaystyle a_{mn}(Q)=a_{m}(Q)a_{n}(Q)} . Als Vektorraum V Q {\displaystyle V_{Q}} kann man nun die Kollektion aller Abbildungen von der Gruppe der primen Restklassen modulo 4 | d | {\displaystyle 4|d|} in die komplexen Zahlen definieren, also
Da die Gruppe ( Z / 4 | d | Z ) × {\displaystyle (\mathbb {Z} /4|d|\mathbb {Z} )^{\times }} endlich ist, ist V Q {\displaystyle V_{Q}} endlichdimensional. Auf V Q {\displaystyle V_{Q}} kann nun ein System von linearen Abbildungen T p {\displaystyle T_{p}} (mit p {\displaystyle p} Primzahl) betrachtet werden:
Dabei verstehen sich die Reduktionen n ¯ {\displaystyle {\overline {n}}} und p n ¯ {\displaystyle {\overline {pn}}} modulo 4 | d | {\displaystyle 4|d|} . Da man die a p ( Q ) {\displaystyle a_{p}(Q)} als simultane Eigenwerte begreifen will, muss nun noch eine geeignete Funktion f Q ∈ V Q {\displaystyle f_{Q}\in V_{Q}} gefunden werden. Nach dem quadratischen Reziprozitätsgesetz ist die Wahl f Q ( n ¯ ) := a n ( Q ) {\displaystyle f_{Q}({\overline {n}}):=a_{n}(Q)} wohldefiniert. Mit der Multiplikativität der a n ( Q ) {\displaystyle a_{n}(Q)} folgt[70]
Also ist f Q ∈ V Q {\displaystyle f_{Q}\in V_{Q}} ein Eigenvektor von T p {\displaystyle T_{p}} mit Eigenwert a p ( Q ) {\displaystyle a_{p}(Q)} .
Zwar ist das Lokal-Global-Prinzip für kubische Gleichungen nicht mehr richtig,[71] aber das durch das quadratische Reziprozitätsgesetz induzierte Verhalten von Lösungsanzahlen als Eigenwerte lässt sich auf manche kubische Kurven verallgemeinern. Damit sind insbesondere Kurven der Form
gemeint. Diese werden auch als elliptische Kurven bezeichnet und sind in der Zahlentheorie von zentraler Bedeutung. Zählt man hier Lösungszahlen | E p | {\displaystyle |E_{p}|} der Kurve über den Körpern F p {\displaystyle \mathbb {F} _{p}} , also Tupel ( x , y ) ∈ F p × F p {\displaystyle (x,y)\in \mathbb {F} _{p}\times \mathbb {F} _{p}} mit y 2 = x 3 − a ¯ x − b ¯ {\displaystyle y^{2}=x^{3}-{\overline {a}}x-{\overline {b}}} , so findet man, dass die Zahlen[72]
wieder als ein System von simultanen Eigenwerten linearer Abbildungen T p : V E → V E {\displaystyle T_{p}\colon V_{E}\to V_{E}} zwischen nur von der Kurve E {\displaystyle E} abhängigen endlichdimensionalen C {\displaystyle \mathbb {C} } -Vektorräumen V E {\displaystyle V_{E}} auftreten. Dabei handelt es sich bei den V E {\displaystyle V_{E}} um Räume sog. Modulformen, und die T p {\displaystyle T_{p}} stellen sog. Hecke-Operatoren dar.[73] Dies ist eine Version des Modularitätssatzes, der 1995 von Andrew Wiles und Richard Taylor bewiesen wurde, und sein extrem komplizierter Beweis zählt zu den großen mathematischen Fortschritten des 20. Jahrhunderts.[74] Bemerkenswert ist, dass das Legendre-Symbol in dieser Variante durch Modulformen „ersetzt“ wird, diese also als „höhere Charaktere“ in Erscheinung treten. Damit bezieht sich das quadratische Reziprozitätsgesetz auf die „erste Stufe“, während Modulformen die „zweite Stufe“ darstellen. Ab „dritter Stufe“ ist bis heute nahezu nichts bekannt. Diese Fragen sind aber im Rahmen des Langlands-Programms Gegenstand intensiver Forschung.[75]
Im 19. und 20. Jahrhundert wurden zahlreiche verschiedene Beweise für das quadratische Reziprozitätsgesetz gefunden. Allein Gauß legte mindestens acht verschiedene Beweise vor. Sein erster Beweis wurde über ein sehr schwieriges und umständliches Argument mittels vollständiger Induktion geführt. Dieser wurde später von Peter Gustav Lejeune Dirichlet in seinen Vorlesungen über Zahlentheorie (erschienen 1863) vereinfacht. Er ähnelt einem Beweisversuch Legendres, da dieser ebenfalls die Konstruktion einer Hilfsprimzahl erfordert. Die Komplexität des Gaußschen Arguments rührt nun von der Notwendigkeit her, die Existenz dieser Primzahl nachzuweisen, und die technischen Berechnungen, die Gauß dazu anstellen musste, führten dazu, dass sein Argument viele Jahre lang nur wenig Beachtung fand. Seine Berechnungen erwiesen sich jedoch bei der Entwicklung der algebraischen K-Theorie in den 1970er Jahren als nützlich; in der Tat kann ein Beweis der quadratischen Reziprozität aus bestimmten Ergebnissen der K-Theorie der rationalen Zahlen abgeleitet werden.[77] Gauß’ zweiter Beweis erschien ebenfalls in den Disquisitiones und verwendet die von Lagrange[78] und ihm initiierte Geschlechtertheorie der quadratischen Formen. Diese ermöglicht eine Klassifikation der Formen, die eng mit Lagranges Klassifikation der quadratischen Formen durch sog. unimodulare Substitutionen verwandt ist. Dabei wird eine quadratische Form q ( x , y ) {\displaystyle q(x,y)} durch eine Variablensubstitution q ( a x + b y , c x + d y ) {\displaystyle q(ax+by,cx+dy)} in eine andere Form übergeführt, die aber im Wesentlichen die gleichen Eigenschaften wie die erste Form besitzt.[Anm. 18] Der Hauptpunkt des Arguments ist hier der Beweis einer Ungleichung für die Anzahl der Geschlechter für Formen. Dieser Beweis lässt sich gut in moderner Fachsprache der algebraischen Zahlentheorie ausführen, nämlich über eine Äquivalenz von Idealen in quadratischen Zahlkörpern.[79]
Bisher wurden mehr als 300 Beweise publiziert.[80] Jedoch sind diese Beweise nicht alle völlig verschieden. Manche unterscheiden sich lediglich in wenigen Details.[81] Bis in die heutige Zeit werden neue Beweise gefunden. Etwa publizierte Franz Lemmermeyer im Jahr 2022 einen solchen, wobei er das Lemma von Gauß und die Hermitesche Identität benutzte.[82]
Im Folgenden wird eine Auswahl an Beweisen des quadratischen Reziprozitätsgesetzes besprochen. Es werden stets die Beweisideen skizziert und die wichtigen Schritte gegeben. Ausführliche Darstellungen finden sich in der Literatur.
Das Lemma von Gauß wird in einigen Beweisen des quadratischen Reziprozitätsgesetzes verwendet. Unter anderem kam es in Gauß’ fünftem Beweis zum Einsatz.[18] Dabei handelt es sich um eine Methode, das Legendre-Symbol zu berechnen. Um diese zu verstehen, betrachtet man zuerst die „erste Hälfte“ der Restklassen modulo einer ungeraden Primzahl p {\displaystyle p} :
Jede Restklasse a ¯ ≠ 0 {\displaystyle {\overline {a}}\not =0} hat nun die Form a ¯ = ε ⋅ h ¯ {\displaystyle {\overline {a}}=\varepsilon \cdot {\overline {h}}} mit einem Vorzeichen ε ∈ { − 1 , 1 } {\displaystyle \varepsilon \in \{-1,1\}} und einem h ¯ ∈ H p {\displaystyle {\overline {h}}\in H_{p}} , beides eindeutig bestimmt. Nun bestimmt man eine Folge von zu a ¯ {\displaystyle {\overline {a}}} gehörigen Vorzeichen ε j {\displaystyle \varepsilon _{j}} via
mit h 1 ( a ) ¯ , … , h p − 1 2 ( a ) ¯ ∈ H p {\displaystyle {\overline {h_{1}(a)}},\dotsc ,{\overline {h_{\frac {p-1}{2}}(a)}}\in H_{p}} . Das Lemma von Gauß besagt, dass[Anm. 19]
Zentrales Werkzeug beim Beweis des Lemmas von Gauß ist das Euler-Kriterium, da man für p ≥ 3 {\displaystyle p\geq 3} dann lediglich
zeigen muss. Der Trick bei einer Beweismethode des quadratischen Reziprozitätsgesetzes ist, die Vorzeichen ε j {\displaystyle \varepsilon _{j}} expliziter auszudrücken: Zunächst schreibt man j ⋅ a = ε j ( a ) ⋅ h j ( a ) + e j ⋅ p {\displaystyle j\cdot a=\varepsilon _{j}(a)\cdot h_{j}(a)+e_{j}\cdot p} mit 1 ≤ h j ( a ) ≤ p − 1 2 {\displaystyle 1\leq h_{j}(a)\leq {\tfrac {p-1}{2}}} und einem e j ∈ Z {\displaystyle e_{j}\in \mathbb {Z} } . Durch eine Fallunterscheidung findet man dann
wobei [ x ] {\displaystyle \left[x\right]} den ganzzahligen Anteil von x ∈ R {\displaystyle x\in \mathbb {R} } bezeichnet. Es ist nach dem Lemma von Gauß also
Diese Formel ist Ausgangspunkt für eine Reihe von Umformungsschritten, die zusammen mit dem Zählen bestimmter ganzzahliger Punkte in einem durch die Primzahlen p , q {\displaystyle p,q} vorgegebenen Rechteck R ⊂ Z 2 {\displaystyle {\mathcal {R}}\subset \mathbb {Z} ^{2}} zum gewünschten Resultat führen.[83] Das Lemma von Gauß ist jedoch auch Hilfsmittel bei weiteren Beweisen für das quadratische Reziprozitätsgesetz. Einer davon ist ein berühmter Beweis von Gotthold Eisenstein aus dem Jahr 1845, veröffentlicht in Crelles Journal.[84] Dieser beginnt mit der für ungerade m > 1 {\displaystyle m>1} gültigen trigonometrischen Identität
Es bezeichnet sin ( x ) {\displaystyle \sin(x)} dabei den Wert der Sinusfunktion an der Stelle x {\displaystyle x} , und obere Formel ist für alle x ∈ R {\displaystyle x\in \mathbb {R} } gültig (an den Stellen x ∈ π Z {\displaystyle x\in \pi \mathbb {Z} } liegen hebbare Singularitäten vor, was eine stetige Fortsetzung ermöglicht). Diese Identität kann elementar mittels Koeffizientenvergleichs zwischen Polynomen und unter Verwendung der Eulerschen Formel e i ϕ = cos ( ϕ ) + i sin ( ϕ ) {\displaystyle e^{i\phi }=\cos(\phi )+i\sin(\phi )} gezeigt werden. Da der Sinus eine ungerade Funktion ist, also stets sin ( ± x ) = ± sin ( x ) {\displaystyle \sin(\pm x)=\pm \sin(x)} gilt, aber auch eine 2 π {\displaystyle 2\pi } -periodische Funktion ist,[Anm. 20] hat man wegen der Definition der Vorzeichen ε j ( a ) {\displaystyle \varepsilon _{j}(a)}
Damit gilt für ungerade Primzahlen p ≠ q {\displaystyle p\not =q} :
Der Knackpunkt ist nun die auf der rechten Seite entstandene „Symmetrie bis auf ein Vorzeichen ( − 1 ) | H p | | H q | = ( − 1 ) p − 1 2 q − 1 2 {\displaystyle (-1)^{|H_{p}||H_{q}|}=(-1)^{{\frac {p-1}{2}}{\frac {q-1}{2}}}} “. In der Tat gilt unter Vertauschung der Primzahlen p , q {\displaystyle p,q} ganz analog
da Multiplikation kommutativ ist.[85] Bemerkenswert an dem Beweis ist, dass er sich auch für höhere Reziprozitätsgesetze eignet, indem der Sinus durch sog. elliptische Funktionen ersetzt wird. Auf diese Weise zeigte Eisenstein das kubische und das biquadratische Reziprozitätsgesetz.[86] Der Zahlentheoretiker Ernst Eduard Kummer kommentierte diesbezüglich:
„Für einen der schönsten Beweise dieses von den ausgezeichneten Mathematikern viel bewiesenen Theorems wird aber derjenige mit Recht gehalten, welchen Eisenstein in Crelle’s Journal, Bd. 29, pag. 177, gegeben hat. In diesem wird das Legendresche Zeichen ( p q ) {\displaystyle \left({\tfrac {p}{q}}\right)} durch Kreisfunktionen so ausgedrückt, daß bei der Vertauschung von p {\displaystyle p} und q {\displaystyle q} dieser Ausdruck, bis auf eine leicht zu bestimmende Änderung im Vorzeichen, ungeändert bleibt. […] Wenn dieser Eisensteinsche Beweis schon wegen seiner vorzüglichen Eleganz beachtenswerth ist, so wird der Werth desselben noch dadurch erhöht, daß er, wie Eisenstein selbst gezeigt hat, ohne besondere Schwierigkeit auch auf die biquadratischen und kubischen Reciprocitätsgesetze angewendet werden kann, wenn anstatt der Kreisfunktionen elliptische Funktionen mit bestimmten Moduln angewendet werden.“
Es gibt die Möglichkeit, das quadratische Reziprozitätsgesetz mit Mitteln aus der Analysis zu zeigen. In der Analysis stehen die Eigenschaften von Funktionen (wie etwa Stetigkeit und Differenzierbarkeit) im Vordergrund. Für den Beweis wird eine bestimmte mathematische Funktion betrachtet, nämlich die nach Carl Gustav Jacob Jacobi benannte Jacobische Thetafunktion. Diese hat zwei unabhängige Variablen, wobei die eine Variable t {\displaystyle t} aus dem Intervall ( 0 , ∞ ) {\displaystyle (0,\infty )} gewählt werden muss. Um die Reziprozität zu zeigen, ist der Trick, diese Funktion auf zwei verschiedene Weisen im Grenzprozess t → 0 + {\displaystyle t\to 0^{+}} zu untersuchen. Im Anschluss kommen zwei anders aussehende Ausdrücke für ein und dieselbe Formel zum Vorschein. Durch deren „Vergleich“ kann letztlich das Reziprozitätsgesetz gefolgert werden.
Ein Beweis mittels Techniken aus der Analysis nutzt das Verhalten der Jacobischen Thetafunktion
in der Nähe des Punktes τ = 0 {\displaystyle \tau =0} . Die Thetafunktion stellt eine in ganz C × H {\displaystyle \mathbb {C} \times \mathbb {H} } holomorphe Funktion dar, wobei
die obere Halbebene der komplexen Zahlen bezeichnet. Der Trick ist, das asymptotische Verhalten des Ausdrucks
für t → 0 + {\displaystyle t\to 0^{+}} auf zwei verschiedene Weisen zu bestimmen. Dabei kommen die modularen Transformationsformeln der Thetafunktion entscheidend zum Einsatz. Auf diese Weise findet man die für alle natürlichen Zahlen N {\displaystyle N} und K {\displaystyle K} gültige Landsberg-Schaar-Formel:[88]
Diese Formel kann dazu verwendet werden, die die quadratische Gauß-Summe betreffende Formel[89]
zu beweisen. Die Bestimmung der richtigen Vorzeichen dieses Ausdrucks ist nicht trivial. Das in beiden Fällen ein Pluszeichen vorliegt, wurde im Mai 1801 von Gauß vermutet, doch erst 1805 von ihm gezeigt.[90] Im Anschluss kann das Produkt G ( q ; p ) G ( p ; q ) {\displaystyle {\mathcal {G}}(q;p){\mathcal {G}}(p;q)} der zum Legendre-Symbol gehörigen Gauß-Summen
und entsprechend G ( p ; q ) {\displaystyle {\mathcal {G}}(p;q)} auf zwei verschiedene Weisen berechnet werden: Einmal erhält man über die Tatsache, dass das Legendre-Symbol modulo p {\displaystyle p} und q {\displaystyle q} ein primitiver Dirichlet-Charakter ist,
Andererseits gilt durch direktes Ausmultiplizieren
Durch Vergleich ergibt sich
und das Vorzeichen zur rechten Seite ist genau ( − 1 ) p − 1 2 q − 1 2 {\displaystyle (-1)^{{\frac {p-1}{2}}{\frac {q-1}{2}}}} .[91]
Dieser Beweis geht auf G. Landsberg aus dem Jahr 1893 zurück (veröffentlicht in Crelles Journal).[92] Der Mathematiker Erich Hecke konnte die Idee neu aufgreifen, und mit höherdimensionalen Thetafunktionen ein Reziprozitätsgesetz in Zahlkörpern beweisen.[93] Hecke schrieb diesbezüglich: „Es ist die Tatsache, daß die genauere Kenntnis des Verhaltens einer analytischen Funktion in der Nähe ihrer singulären Stellen eine Quelle von arithmetischen Sätzen ist“.[18]
Das Lemma von Zolotareff stellt eine Verbindung zwischen dem Legendre-Symbol und dem Vorzeichen einer Permutation her. Ist a {\displaystyle a} eine ganze Zahl und p {\displaystyle p} eine ungerade Primzahl, die a {\displaystyle a} nicht teilt, dann stellt die Abbildung
eine Permutation der Elemente der primen Restklassengruppe F p × {\displaystyle \mathbb {F} _{p}^{\times }} (der Zahlen von 1 {\displaystyle 1} bis p − 1 {\displaystyle p-1} ) dar. Das Lemma von Zolotareff besagt nun, dass das Legendre-Symbol ( a p ) {\displaystyle \left({\tfrac {a}{p}}\right)} gleich dem Vorzeichen dieser Permutation ist, das heißt,[94]
Das Lemma erlaubt einen einfachen Beweis des quadratischen Reziprozitätsgesetzes. Es ist nach dem russischen Mathematiker Jegor Iwanowitsch Zolotareff benannt, der das Lemma und diesen Beweis 1872 vorlegte.[95] Ferdinand Georg Frobenius verallgemeinerte diese Resultate 1914 für das Jacobi-Symbol.[96]
Der erste Ergänzungssatz ( − 1 p ) = ( − 1 ) p − 1 2 {\displaystyle \left({\tfrac {-1}{p}}\right)=(-1)^{\frac {p-1}{2}}} für Primzahlen p ≥ 3 {\displaystyle p\geq 3} ist unmittelbare Konsequenz der Aussage, dass x {\displaystyle x} genau dann quadratischer Rest modulo p {\displaystyle p} ist, falls x p − 1 2 ≡ 1 ( mod p ) {\displaystyle x^{\frac {p-1}{2}}\equiv 1{\pmod {p}}} , siehe Euler-Kriterium.[97]
Für den zweiten Ergänzungssatz kann wie folgt verfahren werden. Es werden, wieder für Primzahlen p ≥ 3 {\displaystyle p\geq 3} , die Kongruenzen
mit k = 2 ⋅ ⌊ p + 1 4 ⌋ ∈ { p − 1 2 , p + 1 2 } = { p − 1 2 , p − p − 1 2 } {\displaystyle k=2\cdot \left\lfloor {\tfrac {p+1}{4}}\right\rfloor \in \left\{{\tfrac {p-1}{2}},{\tfrac {p+1}{2}}\right\}=\left\{{\tfrac {p-1}{2}},p-{\tfrac {p-1}{2}}\right\}} (sodass also auf den linken Seiten alle geraden Zahlen zwischen 1 {\displaystyle 1} und p {\displaystyle p} stehen) betrachtet. Diese liegen auf der Hand. Daraus folgt sogleich
also (weil ( p − 1 2 ) ! {\displaystyle \left({\tfrac {p-1}{2}}\right)!} relativ prim zu p {\displaystyle p} ist) 2 p − 1 2 ≡ ( − 1 ) p 2 − 1 8 ( mod p ) {\displaystyle 2^{\frac {p-1}{2}}\equiv (-1)^{\frac {p^{2}-1}{8}}{\pmod {p}}} . Jetzt kann wieder mit dem Euler-Kriterium argumentiert werden.[98]
Das Legendre-Symbol kann auf verschiedene Weisen verallgemeinert werden. Eine naheliegende davon ist, für den Modul auch zusammengesetzte Zahlen zuzulassen. Ist die Primfaktorzerlegung von n = p 1 ν 1 ⋅ p 2 ν 2 ⋯ p k ν k {\displaystyle n=p_{1}^{\nu _{1}}\cdot p_{2}^{\nu _{2}}\cdots p_{k}^{\nu _{k}}} mit paarweise verschiedenen p ℓ {\displaystyle p_{\ell }} , so definiert man das Jacobi-Symbol durch[99]
Ein Beispiel ist:
Zu beachten ist, dass Legendre- und Jacobi-Symbol für primes n {\displaystyle n} identisch sind. Aus zahlentheoretischer Sicht ist beim Jacobi-Symbol Vorsicht geboten. Ist ( a n ) = − 1 {\displaystyle ({\tfrac {a}{n}})=-1} , so ist die Kongruenz
definitiv nicht lösbar. Jedoch garantiert ( a n ) = 1 {\displaystyle ({\tfrac {a}{n}})=1} nicht die Existenz einer Lösung, falls n {\displaystyle n} keine Primzahl ist.[99] Allerdings gilt weiter ein Reziprozitätsgesetz: Für alle ungeraden ganzen Zahlen m , n {\displaystyle m,n} größer 1 {\displaystyle 1} gilt[100]
Auch gelten für ungerade n {\displaystyle n} wieder die Ergänzungssätze:
Ähnlich wie sich das quadratische Reziprozitätsgesetz auf Quadrate bezieht, befasst sich das kubische Reziprozitätsgesetz mit der dritten Potenz. Für seine Formulierung ist es aber notwendig, den Bereich der ganzen Zahlen Z {\displaystyle \mathbb {Z} } zu verlassen. Man erweitert ihn um den Wert
also um eine dritte Einheitswurzel. Es ist daher ω 3 = 1 {\displaystyle \omega ^{3}=1} , und wegen ω ≠ 1 {\displaystyle \omega \not =1} auch ω 2 + ω + 1 = 0 {\displaystyle \omega ^{2}+\omega +1=0} . Explizit gilt
und die Zahlen Z [ ω ] {\displaystyle \mathbb {Z} [\omega ]} werden als Eisenstein-Zahlen bezeichnet. Es kann gezeigt werden, dass es ein Analogon für Primzahlen in Z [ ω ] {\displaystyle \mathbb {Z} [\omega ]} gibt. Hintergrund ist, dass Z [ ω ] {\displaystyle \mathbb {Z} [\omega ]} sehr ähnliche Eigenschaften wie die ganzen Zahlen hat, denn es ist Z [ ω ] {\displaystyle \mathbb {Z} [\omega ]} wie Z {\displaystyle \mathbb {Z} } ein euklidischer Ring, ergo ist eine Division mit Rest auch in den Eisenstein-Zahlen möglich.[101] Der Schlüssel für die Formulierung des kubischen Reziprozitätsgesetzes ist, die „Primzahlen“ in Z [ ω ] {\displaystyle \mathbb {Z} [\omega ]} zu charakterisieren. Da sich der Begriff der Primzahl jedoch auf die ganzen Zahlen bezieht, wird in diesem allgemeineren Kontext von Primelementen (des Rings Z [ ω ] {\displaystyle \mathbb {Z} [\omega ]} ) gesprochen. In euklidischen Ringen besitzt jede Zahl eine, bis auf Faktorreihenfolge und Einheiten (also Zahlen, durch die im Ring stets dividiert werden kann, wie ± 1 {\displaystyle \pm 1} in Z {\displaystyle \mathbb {Z} } ), eindeutige Zerlegung in Primelemente.[102] Ausgangspunkt ist eine Normabbildung
Diese ist multiplikativ, erfüllt also N Z [ ω ] ( x y ) = N Z [ ω ] ( x ) N Z [ ω ] ( y ) {\displaystyle N_{\mathbb {Z} [\omega ]}(xy)=N_{\mathbb {Z} [\omega ]}(x)N_{\mathbb {Z} [\omega ]}(y)} für sämtliche x , y ∈ Z [ ω ] {\displaystyle x,y\in \mathbb {Z} [\omega ]} . Die Normabbildung bildet Eisenstein-Zahlen a + b ω {\displaystyle a+b\omega } auf einfacher zu verstehende nichtnegative ganze Zahlen a 2 − a b + b 2 {\displaystyle a^{2}-ab+b^{2}} ab, und hilft damit bei deren Untersuchung. So ist etwa jedes Element α {\displaystyle \alpha } aus Z [ ω ] {\displaystyle \mathbb {Z} [\omega ]} ein Primelement, wenn seine Norm N Z [ ω ] ( α ) {\displaystyle N_{\mathbb {Z} [\omega ]}(\alpha )} prim ist, es gibt aber auch Primelemente mit zusammengesetzter Norm. Ist nämlich p {\displaystyle p} eine Primzahl, so gilt N Z [ ω ] ( p ) = p 2 {\displaystyle N_{\mathbb {Z} [\omega ]}(p)=p^{2}} und:[103]
Ähnlich wie in den ganzen Zahlen kann mittels der Division mit Rest aus Z [ ω ] {\displaystyle \mathbb {Z} [\omega ]} und einem Primelement π {\displaystyle \pi } ein endlicher Körper mit Bezeichnung Z [ ω ] / π Z [ ω ] {\displaystyle \mathbb {Z} [\omega ]/\pi \mathbb {Z} [\omega ]} konstruiert werden. Zwei Elemente α {\displaystyle \alpha } und β {\displaystyle \beta } erfüllen ferner
falls α − β ∈ π Z [ π ] {\displaystyle \alpha -\beta \in \pi \mathbb {Z} [\pi ]} , also α − β {\displaystyle \alpha -\beta } durch π {\displaystyle \pi } teilbar ist. Da die Einheitengruppe ( Z [ ω ] / π Z [ ω ] ) × {\displaystyle (\mathbb {Z} [\omega ]/\pi \mathbb {Z} [\omega ])^{\times }} genau N Z [ ω ] ( π ) − 1 {\displaystyle N_{\mathbb {Z} [\omega ]}(\pi )-1} Elemente besitzt, kann der kleine Fermatsche Satz auf
ausgeweitet werden. Dies motiviert zugleich eine kubische Verallgemeinerung des Euler-Kriteriums auf
Die Einheit, zu der α N Z [ ω ] ( π ) − 1 3 {\displaystyle \alpha ^{\frac {N_{\mathbb {Z} [\omega ]}(\pi )-1}{3}}} kongruent modulo π {\displaystyle \pi } ist, ist wegen x 3 − 1 ≡ ( x − 1 ) ( x − ω ) ( x − ω 2 ) ( mod π ) {\displaystyle x^{3}-1\equiv (x-1)(x-\omega )(x-\omega ^{2}){\pmod {\pi }}} eindeutig bestimmt, denn Z [ ω ] / π Z [ ω ] {\displaystyle \mathbb {Z} [\omega ]/\pi \mathbb {Z} [\omega ]} ist ein Körper. Genau die entsprechende Einheit ist dann der Wert des (kubischen) Legendre-Symbols[104]
Für primäre Primelemente π ≡ ± 1 ( mod 3 ) {\displaystyle \pi \equiv \pm 1{\pmod {3}}} lässt sich nun kubische Reziprozität formulieren: Für primäre Primelemente π {\displaystyle \pi } und θ {\displaystyle \theta } in Z [ ω ] {\displaystyle \mathbb {Z} [\omega ]} gilt[105]
Für die Formulierung des biquadratischen Reziprozitätsgesetzes muss analog wie beim kubischen Reziprozitätsgesetz vorgearbeitet werden. Dieses Mal ist dabei der Ring Z [ i ] {\displaystyle \mathbb {Z} [i]} der Gaußschen Zahlen von Relevanz. Die entsprechende Normabbildung, die zur Bestimmung der Primelemente dient, ist N Z [ i ] ( a + b i ) := a 2 + b 2 {\displaystyle N_{\mathbb {Z} [i]}(a+bi):=a^{2}+b^{2}} . Ausgeschrieben sagt es aus, dass für alle primären Primelemente π , θ ≡ 1 ( mod 2 + 2 i ) {\displaystyle \pi ,\theta \equiv 1{\pmod {2+2i}}} von Z [ i ] {\displaystyle \mathbb {Z} [i]} die Identität
gilt.[106]
Eine große Errungenschaft der Zahlentheorie des 20. Jahrhunderts war es, mit neuen Konzepten und Mitteln der Abstraktion alle bis dato bekannten Reziprozitätsgesetze miteinander zu vereinen. Dies gelang dem Algebraiker Emil Artin in einer Reihe von Papern aus den Jahren 1924, 1927 und 1930.[107][108][109] Um seine Aussage zu verstehen, bedarf es einiger Kenntnisse aus der algebraischen Zahlentheorie. In seiner Version über globale Körper besagt es Folgendes. Ist K {\displaystyle K} ein globaler Körper, zum Beispiel K = Q {\displaystyle K=\mathbb {Q} } , und L / K {\displaystyle L/K} eine abelsche Erweiterung, so kann das Legendre-Symbol mit diesen Daten verallgemeinert werden. Ist das Primideal p ⊂ O K {\displaystyle {\mathfrak {p}}\subset {\mathcal {O}}_{K}} (des Ganzheitsringes von K {\displaystyle K} ) nicht verzweigt in L {\displaystyle L} , und P ⊂ O L {\displaystyle {\mathfrak {P}}\subset {\mathcal {O}}_{L}} ein Primideal, das p {\displaystyle {\mathfrak {p}}} enthält, so existiert ein eindeutig bestimmtes Element σ ∈ G a l ( L / K ) {\displaystyle \sigma \in \mathrm {Gal} (L/K)} (in der Galois-Gruppe bezüglich der Erweiterung L / K {\displaystyle L/K} ), sodass für alle α ∈ O L {\displaystyle \alpha \in {\mathcal {O}}_{L}} bereits
gilt, wobei N ( p ) {\displaystyle N({\mathfrak {p}})} die Mächtigkeit des Restklassenkörpers O K / p {\displaystyle {\mathcal {O}}_{K}/{\mathfrak {p}}} bezeichnet. Der damit gewonnene Körperautomorphismus σ ∈ G a l ( L / K ) {\displaystyle \sigma \in \mathrm {Gal} (L/K)} induziert das Artin-Symbol via der Festlegung
Dieses gibt nun durch „Linearität“ eine Abbildung (Artin-Abbildung zu L / K {\displaystyle L/K} und m {\displaystyle {\mathfrak {m}}} )
wobei I K ( m ) {\displaystyle I_{K}({\mathfrak {m}})} die Gruppe der zum – zur Erweiterung L / K {\displaystyle L/K} gehörigen – Erklärungsmodul[110] m {\displaystyle {\mathfrak {m}}} teilerfremden gebrochenen Ideale über K {\displaystyle K} bezeichnet, da jedes a ∈ I K ( m ) {\displaystyle {\mathfrak {a}}\in I_{K}({\mathfrak {m}})} eine eindeutige Zerlegung
in Primideale besitzt. Der Erklärungsmodul muss dabei durch alle verzweigten Primideale teilbar sein. Es kann gezeigt werden, dass diese Artin-Abbildung ein surjektiver Gruppenhomomorphismus ist.[111] Das Artinsche Reziprozitätsgesetz berechnet nun den Kern dieser Abbildung, und stellt damit nach dem Homomorphiesatz einen Gruppenisomorphismus her. Dieser ist das Produkt der Normen N L / K ( I L ( m ) ) {\displaystyle N_{L/K}(I_{L}({\mathfrak {m}}))} der in L {\displaystyle L} zu m {\displaystyle {\mathfrak {m}}} teilerfremden gebrochenen Ideale und der durch die Hauptideale α O K {\displaystyle \alpha {\mathcal {O}}_{K}} ( α ∈ O K {\displaystyle \alpha \in {\mathcal {O}}_{K}} ) erzeugten Untergruppe P K , 1 ( m ) {\displaystyle P_{K,1}({\mathfrak {m}})} , wobei α ≡ 1 ( mod m 0 ) {\displaystyle \alpha \equiv 1{\pmod {{\mathfrak {m}}_{0}}}} und σ ( α ) > 0 {\displaystyle \sigma (\alpha )>0} für alle reellen unendlichen Primstellen σ {\displaystyle \sigma } gilt, die m ∞ {\displaystyle {\mathfrak {m}}_{\infty }} teilen (es ist der Modul formales Produkt m = m 0 m ∞ {\displaystyle {\mathfrak {m}}={\mathfrak {m}}_{0}{\mathfrak {m}}_{\infty }} [112]).[113] Dieser Kern wird auch die mod m {\displaystyle {\mathfrak {m}}} erklärte Idealgruppe genannt, die zur Erweiterung L / K {\displaystyle L/K} gehört.[114] Der zur Galois-Gruppe isomorphe Quotient wird manchmal auch als verallgemeinerte Idealklassengruppe bezeichnet.[115] Die Galois-Gruppe wird durch das Artinsche Reziprozitätsgesetz also als eine solche realisiert. Das Artin-Symbol hängt daher, da P K , 1 ( m ) {\displaystyle P_{K,1}({\mathfrak {m}})} Teil des Kerns ist, nur von p {\displaystyle {\mathfrak {p}}} bis auf Multiplikation mit α ≡ 1 ( mod m ) {\displaystyle \alpha \equiv 1{\pmod {\mathfrak {m}}}} ab.[111] Hierbei ist Eulers Formulierung des quadratischen Reziprozitätsgesetzes (siehe Abschnitt Geschichte) wiederzuerkennen.
Aus dem Artinschen Reziprozitätsgesetz kann das quadratische Reziprozitätsgesetz wie folgt gewonnen werden: Zunächst kann es, unter Beachtung des 1. Ergänzungssatzes, in der Form
mit p ∗ := ( − 1 ) p − 1 2 p {\displaystyle p^{*}:=(-1)^{\frac {p-1}{2}}p} geschrieben werden. Der erste Schritt ist nun, die Erweiterung Q ⊂ Q ( p ∗ ) {\displaystyle \mathbb {Q} \subset \mathbb {Q} ({\sqrt {p^{*}}})} zu studieren. Es ist G a l ( Q ( ζ p ) / Q ) {\displaystyle \mathrm {Gal} (\mathbb {Q} (\zeta _{p})/\mathbb {Q} )} eine verallgemeinerte Idealklassengruppe bezüglich des Moduls p ∞ {\displaystyle p\infty } , was zudem auf jeden Zwischenkörper Q ⊂ K ⊂ Q ( ζ p ) {\displaystyle \mathbb {Q} \subset K\subset \mathbb {Q} (\zeta _{p})} zutrifft. Da G a l ( Q ( ζ p ) / Q ) ≅ ( Z / p Z ) × {\displaystyle \mathrm {Gal} (\mathbb {Q} (\zeta _{p})/\mathbb {Q} )\cong (\mathbb {Z} /p\mathbb {Z} )^{\times }} eine zyklische Gruppe der Ordnung p − 1 {\displaystyle p-1} ist, gibt es einen eindeutig bestimmten Zwischenkörper Q ⊂ K ⊂ Q ( ζ p ) {\displaystyle \mathbb {Q} \subset K\subset \mathbb {Q} (\zeta _{p})} , der eine quadratische Erweiterung von Q {\displaystyle \mathbb {Q} } ist. Dann ist G a l ( K / Q ) {\displaystyle \mathrm {Gal} (K/\mathbb {Q} )} bereits verallgemeinerte Idealklassengruppe zu p ∞ {\displaystyle p\infty } , was bedeutet, dass p {\displaystyle p} die einzige endliche Primstelle ist, die über K / Q {\displaystyle K/\mathbb {Q} } verzweigt. Schreibt man K = Q ( m ) {\displaystyle K=\mathbb {Q} ({\sqrt {m}})} , m {\displaystyle m} quadratfrei, so kann m = p ∗ {\displaystyle m=p^{*}} und folglich K = Q ( p ∗ ) {\displaystyle K=\mathbb {Q} ({\sqrt {p^{*}}})} gezeigt werden. Es folgt
also gibt das Legendre-Symbol ( p ∗ ⋅ ) {\displaystyle \left({\tfrac {p^{*}}{\cdot }}\right)} einen Gruppenepimorphismus
Dies induziert einen Gruppenepimorphismus
Jedoch ist das Legendre-Symbol ( ⋅ p ) {\displaystyle \left({\tfrac {\cdot }{p}}\right)} ebenfalls ein solcher, und da ( Z / p Z ) × {\displaystyle (\mathbb {Z} /p\mathbb {Z} )^{\times }} zyklisch ist, gibt es nur einen solchen Homomorphismus. Es folgt[116]