Im Jahr 1945 kam die Südhälfte Ostpreußens zur Volksrepublik Polen, die Nordhälfte Ostpreußens zur Sowjetunion. Die die Mehrheit der Bewohner bildenden Deutschen wurden vertrieben. Das historische Preußen ist, abgesehen von wenigen Nachfahren seiner polnischen und litauischen Minderheiten, seither von zugewanderten Polen, Russen und Litauern bewohnt und ist als historisch-kulturelle Landschaft nicht mehr erkennbar.
Bis ins Hochmittelalter wurde nur das Gebiet des baltischen Volksstammes der Prußen östlich der unteren Weichsel „Preußen“ genannt. Die erste Erwähnung des Namens brus findet sich in einer als Bayerischer Geograph bezeichneten Völkerliste aus dem 9. Jahrhundert. Ende des Jahrhunderts berichtete der angelsächsische Reisende Wulfstan von seiner Fahrt zum prußischen Handelsplatz Truso. Im Dagome Iudex, dem Regest der Urkunde, mit der Mieszko I. von Polen im 10. Jahrhundert sein Reich formal dem Papst Johannes XV. schenkte, heißt es, Polen reiche bis an die preußische Grenze (fine Bruzze).
Beginnend mit Bolesław I. Chrobry, der Adalbert von Prag nach Preußen schickte und mit ihm eigene Truppen, versuchten Herzöge und Könige von Polen wiederholt, die Prußen zu unterwerfen.[1]
Als deren Gegenschläge immer bedrohlicher wurden, rief der polnische Herzog Konrad von Masowien 1226 den Deutschen Orden zu Hilfe, unter Überlassung des damals schon teilweise slawisch besiedelten Kulmerlandes. Der Orden wurde über das Kulmerland hinaus jedoch erst aktiv, nachdem ihm Kaiser Friedrich II. in der Goldenen Bulle von Rimini (1226 oder 1235)[2] und Papst Gregor IX. in der Bulle von Rieti (1234)[3] die volle Souveränität über alle zu erobernden Gebiete zugesichert hatten. Der Deutsche Orden unterwarf die Prußen nach langwierigen Kämpfen 1283, wobei die später sogenannte Große Wildnis weitgehend entvölkert wurde.
Anschließend eroberte der Deutsche Orden bis 1308 das westlich der Weichsel gelegene polnische Herzogtum Pommerellen mit Danzig. Im Vertrag von Soldin (1309) wurde das Herzogtum Pommerellen an den Rechten der Krone Polen vorbei zwischen zwei deutschen Feudalstaaten, der Mark Brandenburg und dem Deutschordensstaat, geteilt. Im Zuge der Zersplitterung des Königreichs Polen in Provinzen ab 1138 hatten sich die pommerellischen Herrscher aus der Familie der Samboriden von zunächst polnischen Statthaltern im frühen 13. Jahrhundert zu Herzögen erhoben. Seit dem Aussterben der Samboriden im Mannesstamm, 1294, beanspruchte auch der Askanier Waldemar (Brandenburg) das Land. Mit der Aneignung und Teilung Pommerellens durch den Deutschordensstaat, 1308, wurde die Bezeichnung „Preußen“ auf dessen Erwerbungen westlich der Weichsel ausgedehnt.
Zur Wiederbevölkerung Preußens rief der Orden Siedler aus Deutschland und den heutigen Niederlanden ins Land (Vgl. Stadtname Preußisch Holland). Als der Zustrom aus dem Heiligen Römischen Reich nachließ, wurden im Süden Zuwanderer aus Masowien angesiedelt, die Masuren, im Nordosten Zuwanderer aus Litauen, deren Siedlungsgebiet Kleinlitauen genannt wurde, aber bis 1945 nie zu Litauen gehörte.
Im Jahr 1772 gewann der preußische König im Zuge der Ersten Teilung Polens das zu I. Rzeczpospolita gehörende sogenannte Polnisch-Preußen (Danzig und Thorn erst 1793), sowie weitere südlich angrenzende Gebiete entlang der Netze. Das unter der brandenburgischen Herrschaft der Hohenzollern stehende „Königreich Preußen“ wurde 1773 verwaltungsmäßig in drei Teile eingeteilt: Ostpreußen, Westpreußen und Netzedistrikt.
Im Frieden von Tilsit verlor Preußen 1807 etwa die Hälfte seines Staatsgebietes, blieb aber laut Artikel 2 im Besitz des „Königreichs“. Von 1829 bis 1878 bildete es die Provinz Preußen.
Norddeutscher Bund und Deutsches Kaiserreich
Mit Gründung des Norddeutschen Bundes ging der Staat Preußen 1867 als Gliedstaat in einem deutschen Nationalstaat auf. Zu ihm gehörte im Unterschied zum Vorgänger Deutscher Bund – neben dem Großherzogtum Posen – die Provinz Preußen. Damit wurde Preußen zum ersten Mal in seiner Geschichte unter dem (bis dahin allerdings nie genau eingegrenzten) Begriff „Deutschland“ mitverstanden; zuvor hatte es weder zum Heiligen Römischen Reich noch zum Deutschen Bund gehört. Westpreußen war zu großen Teilen nicht mehrheitlich deutschsprachig. Infolge der langen geschichtlichen Verbindung mit Polen bildeten in Pommerellen und im Kulmerland polnisch- bzw. kaschubischsprachigeKatholiken einen großen Teil der Bevölkerung. Sie sahen sich im Kaiserreich gezielter Ausgrenzung und auch Germanisierung ausgesetzt. In Ostpreußen fühlten sich die Masuren, Polen und Litauer als Preußen, wie sich 1920 in den Volksabstimmungen in Ost- und Westpreußen zeigen sollte.
William Pierson: Elektron oder Ueber die Vorfahren, die Verwandtschaft und die Namen der alten Preussen. Ein Beitrag zur ältesten Geschichte des Landes Preussen. Berlin 1869 (Volltext).