Die erste Parlamentswahl in Bulgarien 2021 fand am 4. April 2021 statt.[2] Gewählt wurden die 240 Abgeordneten der bulgarischen Nationalversammlung, des Narodno Sabranie.
Sowohl die GERB als auch IMRO, beide Regierungsparteien, wurden stark von den Wählern abgestraft. Die von Bojko Borissow geführt GERB verlor trotz des Bündnis mit der SDS über 10 Prozentpunkte, wurde aber erneut stärkste Kraft, da auch die zweite traditionell starke Partei vergleichbare Verluste erlitt. Die Parteienkoalition BSP für Bulgarien kam so nur noch auf 15 Prozent. Maßgeblicher Profiteur dieser Situation war die neue Antisystempartei Es gibt ein solches Volk (ITN), die mit fast 18 Prozent aus dem Stand zweitstärkste Kraft wurde. Auch die neuen Bündnisse Demokratisches Bulgarien (DB) und Steh auf! Mafia raus! (ISMW) konnten ins Parlament einziehen. Die Einzelparteien des zerbrochenen Bündnisses Vereinigte Patrioten scheiterten hingegen allesamt an der Prozenthürde.
Im Ergebnis erhielt kein Lager eine Mehrheit. Da sich die Parteien nicht auf eine Regierung einigen konnten, kündigte Präsident Rumen RadewNeuwahlen für Juli 2021 an.[3]
Stimmberechtigt sind alle volljährigen bulgarischen Staatsbürger im In- und Ausland, wobei die Volljährigkeit mit der Vollendung des 18. Lebensjahres erreicht wird.
Das Wahlsystem besteht aus der Verhältniswahl, durch welche die 240 Abgeordneten der Nationalversammlung gewählt werden. Dafür wird Bulgarien in 31 Wahldistrikte eingeteilt, die großteils den 28 Oblasten des Landes entsprechen. Ausnahmen sind die Hauptstadt Sofia, die in drei Wahlbezirke aufgeteilt ist, und die Stadt Plowdiw, die einen eigenen Wahlkreis bildet.[4]
Für den Einzug in die Nationalversammlung muss eine Partei die Vier-Prozent-Hürde überspringen (Sperrklausel).
Stimmabgabe
Die Wähler sind aufgefordert, ihre Stimme in den 31 Wahlkreisen in Bulgarien und in 467 Auslandswahllokalen in 69 Staaten abzugeben. Die Stimmabgabe ist ausschließlich im Wahllokal möglich, eine Briefwahl gibt es nicht. Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurde eine niedrige Wahlbeteiligung erwartet.[5]
Auslandsbulgaren können bei Wahlen ausschließlich in den jeweiligen Konsulaten wählen. In Hinblick auf die weltweite COVID-19-Pandemie und um das Infektionsrisiko zu minimieren, wurden bei der Wahl 2021 auch Wahllokale außerhalb der offiziellen Vertretungen Bulgariens erlaubt. Die meisten Auslandswahllokale befinden sich in Deutschland (69), Spanien (53) und je 35 in den USA, dem Vereinigten Königreich und der Türkei sowie 17 in Österreich. Die Bundesregierung behielt sich das Recht vor, die Erlaubnis für 7 der Wahllokale in Deutschland (Chemnitz, Konstanz, Lübeck, Dietzenbach, Hamm, Bielefeld und Saarbrücken) pandemiebedingt kurzfristig zurückzuziehen.[6]
In den Nachbarländern Bulgariens werden 20 Wahllokale in Griechenland, 5 in Nordmazedonien, 4 in Serbien und eines in Rumänien eröffnet.[6] Gesetzlich waren pro Nicht-EU-Land maximal 35 Wahllokale erlaubt, was im Vereinigten Königreich nach dem Brexit zu großem Unmut in der dortigen zahlreichen Diaspora führte.
Bei der Wahl 2017 konnte die Partei GERB ihren Status als stimmenstärkste Partei verteidigen. Die größten Zugewinne verzeichnete die BSP hauptsächlich auf Kosten der DPS und des Reformblocks (RB), wobei Letzterer sogar aus dem Parlament flog. Leichte Verluste mussten die Vereinigten Patrioten (OP) hinnehmen. Knapp erstmals ins Parlament schaffte es die Partei Wolja.
Im Mai 2017 wurde Bojko Borissow erneut und insgesamt zum dritten Mal zum Ministerpräsidenten gewählt. Seine Regierung basiert auf einer Koalition von GERB mit IMRO-BND und NFSB (damals angetreten als OP)[7] und wird darüber hinaus von Wolja unterstützt.[8]
Die amtierende Koalition der konservativen Partei GERB und der nationalistischen Bewegung Vereinigte Patrioten (OP) wurde abgewählt. Die Partei GERB unter Ministerpräsident Bojko Borissow ging zwar mit der SDS eine weitere Koalition ein und wurde zum fünften Mal in Folge stärkste Kraft, verlor aber deutlich an Zustimmung und erreichte das schlechteste Ergebnis seit ihrer Gründung 2006.
Die IMRO-BND und NFSB, 2017 zusammen in der Wahlkoalition OP angetreten, diesmal alleine, verpassten den Wiedereinzug ins Parlament. IMRO-BND konnte sich bei der Wahl noch mehr als die Hälfte der in Nordmazedonien abgegebenen Stimmen sichern. Auch die rechtspopulistische Partei Wolja, welche die Regierung unterstützte, flog aus dem Parlament. Erstmals seit der Wahl 2001 schaffte es damit keine nationalistische oder rechtsradikale Partei in die Nationalversammlung.[52]
Noch deutlichere Verluste als die Rechten mussten die Sozialisten hinnehmen, die auf ihr schlechtestes Resultat seit 1990 kamen. Zum Teil wurde die BSP durch Wählerwechsel zur ITN bestraft, zum anderen nahm die ältere Generation, die die stärkste Wählerklientel bildet, wegen der COVID-Pandemie nicht zahlenmäßig stark an der Wahl teil. Auch die Neuausrichtung der Partei unter Kornelija Ninowa, weg von klassischen Arbeiterthemen könnte dabei eine Rolle gespielt haben.
Zweitstärkste Kraft wurde die Antisystempartei Es gibt ein solches Volk (ITN) des Musikers Slawi Trifonow, die sich am ehesten als Catch-all-Partei einstufen lässt. ITN konnte beim erstmaligen Antritt mehr als 17 Prozent erreichen. Trifonow zog laut Analysen vor allem Protestwähler auf dem Land, junge Bulgaren sowie die Mehrheit der abgegebenen Stimmen der Auslandsbulgaren an, was als Hauptgrund angesehen wird, weshalb die Wahlbeteiligung zwar sank, aber in deutlich geringerem Ausmaß, als erwartet wurde.
Während die türkische MinderheitenparteiDPS leicht zugewinnen konnte und sich erneut die Mehrzahl der in der Türkei abgegebenen Stimmen sicherte, schnitt das liberale Bündnis Demokratisches Bulgarien (DB) mit über 9 Prozent besser ab als erwartet. Das DB gewann dabei die beiden bevölkerungsreichsten Wahlkreise in Sofia und erhielt die Mehrheit der in Deutschland abgegebenen Stimmen. Ins Parlament schaffte es auch das liberale bzw. linksliberale Bündnis Steh auf! Mafia raus! (Isprawi se! Mutri wan!; ISMW) (unter anderem mit Volt, Bewegung 21) unter Leitung von Maja Manolowa, Tatjana Dontschewa und Nikolai Chadschigenow.
Die Regierungsbildung wird als schwierig prognostiziert, weshalb Ministerpräsident Bojko Borissow (GERB) bereits am Wahlabend eine Expertenregierung vorschlug.[53] Eine Regierung ohne Borissow wäre möglich, gilt aber als unwahrscheinlich. Die neu ins Parlament eingezogene und zweitstärkste Partei „Es gibt ein solches Volk“ teilte bereits mit, keine Koalition mit den „Status quo-Parteien“ GERB, BSP und DPS einzugehen.[54]
Der von GERB nominierte Ministerpräsidentenkandidat Daniel Mitow konnte keine Regierung bilden. Präsident Rumen Radew übertrug die Aufgabe der Regierungsbildung dann der von der ITN unterstützen Schachgroßmeisterin Antoaneta Stefanowa, die diese jedoch ablehnte. Schließlich wurde Kornelija Ninowa (BSP) beauftragt, lehnte mangels Mehrheit jedoch auch ab.
Der Präsident kündigte schließlich eine technokratische Übergangsregierung und Neuwahlen für Juli 2021 an.[3]