Zunächst zogen Angeln und Sachsen aus dem heutigen Norddeutschland (Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Westfalen) und den heutigen westlichen Niederlanden an der Nordseeküste über Flandern zur Kanalküste zwischen Calais und Boulogne und setzten dort nach Britannien über. Die in Holland, Brabant und Flandern ansässigen Franken müssen infolge dieses Durchzuges ihrerseits aus ihrer angestammten Heimat nach Süden abgedrängt worden sein. Sie zogen die Ourthe und Sauer abwärts in Richtung Südosten und bis etwa Metz die Obermosel aufwärts. Damit spalteten sie das alte galloromanische Gebiet zwischen Trier und Arlon etwa in einer Breite von 60 Kilometern. So blieb im Westen der größte Teil der Galloromania (Frankreich) und im Osten (zwischen Trier und Koblenz) eine kleine galloromanische Sprachinsel, innerhalb derer sich aus dem Vulgärlatein das Moselromanische entwickelte.
Untersuchungen haben ergeben, dass die fränkischen Bauern, deren Wirtschaft auf Viehzucht und Getreideanbau begründet war, das Bitburger Land, das Luxemburger Gutland und das Land an der mittleren Saar dem hierzu weniger geeigneten unteren Saartal und dem Moseltal vorzogen.
Neben den galloromanischen Orts- und Flurnamen zeigt auch der Wortschatz der moselländischen Dialekte eine Fülle von romanischen Einflüssen, welche als Reflexe der moselromanischen Sprachinsel zu betrachten sind. Eine quantifizierende kartographische Darstellung romanischer Reliktwortareale zeigt eine deutliche Massierung von Romanismen im Bereich mittlere Mosel bis in den Raum Trier und die Unterläufe von Saar und Sauer.[2] Beispiele solcher Wörter sind: Bäschoff 'Rückentraggefäß' < bascauda, Even 'Hafer' < avena, Fräge 'Erdbeere' < fraga, Gimme 'Knospe' < gemma, glinnen 'Trauben nachlesen' < glennare, More 'Brombeere' < morum, pauern 'Most filtern' < purare, Präter 'Flurschütz' < pratarius, Pülpes 'Hahnenfuß' (Pflanze) < pulli pes usw.[3]
Erlöschen
Das Moselromanische hielt sich trotz der fränkischen Landnahme mindestens bis zum Jahr 1000, innerhalb verstreuter Sprachinseln sogar bis ins 11./12. Jahrhundert[4].
Textbeispiel (Inschrift aus dem 6. Jahrhundert)
Dieses Textbeispiel auf einem Grabstein aus dem 6. Jahrhundert stellt eine sehr frühe Entwicklungsform am Übergang vom Vulgärlatein zum Moselromanischen dar:
Hoc tetolo fecet Montana, coniux sua, Mauricio, qui visit con elo annus dodece; et portavit annus qarranta; trasit die VIII K(a)l(endas) Iunias.
Diesen Grabstein machte Montana, seine Ehefrau, dem Mauricius, die mit ihm zwölf Jahre lebte; und er war vierzig Jahre alt; er starb am 25. Mai.[5]
Literatur
Wolfgang Jungandreas: Zur Geschichte des Moselromanischen. Studien zur Lautchronologie und zur Winzerlexik (Mainzer Studien zur Sprach- und Volksforschung; 3). Steiner Verlag, Wiesbaden 1979, ISBN 3-515-03137-5.
↑Rudolf Post: Romanische Entlehnungen in den westmitteldeutschen Mundarten. Steiner, Wiesbaden 1982, ISBN 3-515-03863-9, S.303.
↑Rudolf Post: Romanische Entlehnungen in den westmitteldeutschen Mundarten. Steiner, Wiesbaden 1982, ISBN 3-515-03863-9, S.303.
↑Rudolf Post: Romanische Entlehnungen in den westmitteldeutschen Mundarten. Steiner, Wiesbaden 1982, S.49–261.
↑Stefan Barme: Latein - Vulgärlatein - Moselromanisch - zur Sprache der frühchristlichen Grabinschriften im Raum Trier. In: Zeitschrift für romanische Philologie (ZrP) Volume 124 issue 1 2008, S. 16