Das von Graf Ruthard um 748/749 auf einer damaligen Rheininsel zwischen Drusenheim und Stollhofen gegründete Kloster Arnulfsau wurde später hierher verlegt.[1] In der Ende des 9. Jahrhunderts geschriebenen Pirminsvita wird Suarzaha (Schwarzach) als Gründung Pirmins genannt. Die älteste erhaltene Erwähnung des Klosters stammt von 826. Ab wann der Ort Schwarzach am Kloster entstand, lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen.
1032 gab König Konrad II. das Kloster als Lehen an die Bischöfe von Speyer, die das Kloster finanziell ausbeuteten. Erst Heinrich IV. entließ das Kloster aus der Lehensabhängigkeit von Speyer. Für 1143 meldet die Geschichtsschreibung die Ankunft eines neuen Abts, Konrad aus Hirsau. Seinen Maßnahmen bzw. denen seines Nachfolgers Hiltibert könnte man den Beginn des heute bestehenden Kirchenbaus im Sinne der Hirsauer Reform zuschreiben. Im 13. Jahrhundert musste sich die Abtei mit ihren Vögten, vor allem den Rittern von Windeck, auseinandersetzen. Später lagen die Vogteirecht des Klosters bei den Herren von Lichtenberg.[3]
Die weitere herrschaftliche Zuordnung des Klosters ist schwierig. Gegen die von den Markgrafen von Baden aus ihrer seit 1422 bestehenden Schutzherrschaft über das Kloster abgeleiteten landesherrlichen Rechte klagte das Kloster über die Jahrhunderte. Ein Prozess vor dem Reichskammergericht in Wetzlar wurde bis zum Ende des Klosters nicht entschieden. Das Kloster musste durch den Bauernkrieg 1525 und den Dreißigjährigen Krieg Zerstörungen erdulden. 1653 erfolgte die Übertragung der Gebeine der Heiligen Rufina nach Schwarzach, was ein Wiederaufleben des klösterlichen Lebens bewirkte. Das Kloster wurde auch im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1688–1697 beschädigt, aber bereits um 1724/32 nach Plänen von Peter Thumb in barockem Stil umso prächtiger erneuert. 1802/03 beendete die Säkularisation die Existenz des Klosters Schwarzach; Baden übernahm Besitz und Gebäudekomplex. Teile der Abtsjuwelen wurden in der badischen Krone weiterverwendet. Von der ehemaligen Klosteranlage sind außer der Kirche nur noch einige Verwaltungs- und Wirtschaftsgebäude mit dem Klosterportal aus den Jahren 1761 bis 1790 vorhanden.
Der heute erhaltene Kirchenbau, „das späteste Beispiel der Hirsauer Bauschule“[4], wurde als – nach den Ergebnissen archäologischer Untersuchungen in den 1960er Jahren[5] – bereits vierte Kirche an dieser Stelle errichtet.[6] Dabei ist das genaue Baudatum mangels schriftlicher Quellen unbekannt. Wissenschaftlich weitgehend etabliert ist eine aus ähnlichen Bauten erschlossene, baustilistische Spätdatierung um 1220/30.[7]
Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass das Kirchengebäude nicht einheitlich in einem Zug errichtet ist, sondern das Ergebnis mehrerer Planwechsel und „Teilphasen“[8] ist. Deutliche Zeichen hierfür sind die verschiedenen Baumaterialien der Fassaden sowie eine „Trennlinie“[8] zwischen Langhaus und Ostteilen.
Auch nach der Fertigstellung wurde im Laufe der Jahrhunderte weitergebaut. Markanteste äußere Zeichen sind der später hinzugekommene Vierungsturm sowie die im 18. Jahrhundert im Zuge einer großen barocken Klostermodernisierung verbreiterten Seitenschiffe.[9]
Die heutige äußere und innere Gestalt der ehemaligen Klosterkirche blendet die nachromanische Baugeschichte weitgehend aus, weil sie ein stilreines Bild der romanischen Architektur vermitteln soll, das auf einen von dem Karlsruher Bauforscher Arnold Tschira geleiteten Umbau mit einer durchgreifenden Purifizierung von 1964–1969 zurückgeht. Tschira ließ u. a. die barocken Seitenschiffe abreißen und romanisierend rekonstruieren und unternahm den Versuch einer Wiederherstellung der ursprünglichen roten Innenfarbigkeit. Dafür wurde die neoromanische Innenausstattung der von Josef Durm 1887–1897 geleiteten Restaurierung weitgehend entfernt.[10][9]
Das Gebäude
Die Kirche ist der einzige in Backstein ausgeführte Großbau der Romanik am Oberrhein. An der Ostseite erkennt man, dass die frühesten Bauteile aus rotem Sandstein errichtet sind, doch auf halber Höhe wechselt das Material zu Backstein. Die Westfassade dagegen ist wieder vollständig aus Sandstein. An ihrer Wand sieht man zudem die Ansätze einer Vorhalle.
Das Westportal hat ein Tympanon mit Christus zwischen den Aposteln Petrus und Paulus. Das Langhaus der flachgedeckten Säulenbasilika zeigt reichgeschmückte Würfel- und Kelchblockkapitelle, wie sie in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts im Umfeld von Worms und Straßburg oft zu sehen sind. Lediglich das Altarhaus ist kreuzrippengewölbt. Die Seitenschiffe des Altarhaues enden in Apsiden; ursprünglich waren an den Querarmen noch zwei weitere Apsiden angebaut, so dass eine eindrucksvolle Ostansicht mit einem Staffelchor aus fünf Apsiden entstand (rekonstruiert). Ähnliche Grund- und Aufrisse zeigen die Kirchen reformorientierter Benediktinerklöster etwa in Gengenbach, Hirsau und Alpirsbach.
Die stark verjüngten Säulen im Innenraum auf mächtigen, mit Eckknollen ausgestatteten Basen und Kelchblock- sowie Polsterkapitellen weisen ebenso wie die zugespitzten Vierungsbögen auf die spätromanische Entstehungszeit hin. Ein Pfeiler am Ostende der Arkade deutet den »chorus minor« an. Gotische Spitzbögen finden sich an den Schallfenstern des später entstandenen Vierungsturms. Das Chorgestühl, Nebenaltäre sowie der jetzt im nördlichen Querhausarm stehende große Hochaltar stammen ursprünglich aus der barocken Ausstattungsphase der Kirche und sind während der großen Umbaumaßnahme in den 1960er Jahren verändert und versetzt worden.[11]
Bildergalerie
Kirche von Südwesten (Aufnahme 2005)
Westfassade (Aufnahme 2019)
Tympanon am Westportal
Blick durch das Mittelschiff nach Osten, purifizierende Zeichnung von August Essenwein, Mitte 19. Jahrhundert
Innenansicht nach Osten, noch mit den barocken Ausstattungsstücken Hochaltar, Nebenaltären, Kanzel und Gestühl (1888)
Blick durch das Mittelschiff zum Chor im Osten (Aufnahme 2014)
Barocker Hochaltar, heute gestutzt vor der nördlichen Querhauswand (Aufnahme 2019)
Originales Kapitell, im Lapidarium neben der Kirche
Rekonstruiert farbige Kapitelle und hölzerne Zugbalken (Aufnahme 2014)
Auf der Westempore befindet sich in einem barocken Rohrer-Gehäuse aus dem Jahr 1758 eine Orgel, die 1969 als Opus 1373 von der Firma Klais Orgelbau eingebaut wurde. Sie verfügt über 42 Register auf drei Manualen und Pedal mit zwei Spieltischen. Vorgängerinstrumente waren eine 1896 von Heinrich Volt & Söhne im gleichen Gehäuse eingebaute Orgel und die ursprüngliche Barockorgel von 1758 des Orgelbauers Johann Georg Rohrer.
Als zweites Instrument hat die Kirche eine Chororgel zur Verfügung, die ebenfalls von der Firma Klais stammt und als Opus 1491 im Jahr 1971 entstand. Diese Orgel hat sechs Register und ist nur von dem zweiten Generalspieltisch aus mechanisch anspielbar und besitzt keinen eigenen Spieltisch. Die mechanischen Registerzüge befinden sich im Rücken des Organisten am Gehäuse der Chororgel.[12]
Alle diese Glocken sind in den Uhrschlag der Turmuhr einbezogen. Glocke 1 schlägt die Stunde, die anderen Glocken schlagen zur Viertelstunde. In der Giebelspitze der Westfassade und auf der Südseite des Vierungsturms befindet sich jeweils ein Zifferblatt.
Eine weitere kleine Glocke befindet sich in der Kirche: Die historische St. Joseph-und-Anna-Glocke mit dem Schlagton des″+4 wurde 1699 von Stephane Arnolt und Pierre Bernard aus Levécourt gegossen, wiegt bei einem Durchmesser von 700 mm etwa 200 kg und wird als Sakristeiglocke genutzt.[14]
Joseph Sauer: Die Abteikirche in Schwarzach, in: Freiburger Diözesan-Archiv, Jg. 32 (N. F. 5, 1904), S. 361–396 und Jg. 33 (N. F. 6, 1905), S. 342–368. (Digitalisat und Digitalisat auf freidok.uni-freiburg.de, beide abgerufen am 25. Juli 2021)
Peter Marzolff: Die Abteikirche Schwarzach (= Große Baudenkmäler, Heft 237). Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 1973 (zahlreiche weitere Auflagen)
Rüdiger Becksmann: Das Schwarzacher Köpfchen. Ein ottonischer Glasmalereifund, in: Kunstchronik, Jg. 23, 1970, S. 3–9, 13–16 (wiederabgedruckt in: Arnold Tschira, Die ehemalige Benediktinerabtei Schwarzach, 2. Aufl. Karlsruhe 1977, S. 87–91)
Peter Marzolff: Die frühmittelalterliche Abtei Schwarzach, in: Wolfgang Müller (Hrsg.): Die Klöster der Ortenau (= Die Ortenau, Bd. 58). Verlag Historischer Verein für Mittelbaden, Offenburg 1978, S. 243–262 und Tafeln 2–10.
Suso Gartner: Kloster Schwarzach (Rheinmünster), in: Wolfgang Müller (Hrsg.): Die Klöster der Ortenau (= Die Ortenau, Bd. 58). Verlag Historischer Verein für Mittelbaden, Offenburg 1978, S. 263–341.
Arnold Tschira: Die ehemalige Benediktinerabtei Schwarzach, zweite veränderte und erweiterte Auflage der 1969 erschienenen Gedenkschrift für Arnold Tschira. Hrsg. Institut für Baugeschichte an der Universität Karlsruhe und Koldewey-Gesellschaft, Konkordia GmbH für Druck und Verlag, Bühl/Baden 1977.
H. Schmid: Die Säkularisation der Klöster in Baden 1802–1811. Überlingen 1980, S. 199–202.
Walter Hotz: Wormser Bauschule 1000–1250, Darmstadt 1985.
Eckart Rüsch: Die Veränderungen der barocken Ausstattung in Chor und Querhaus der ehemaligen Abteikirche Schwarzach in Baden seit 1803. Ein Beitrag zur Geschichte der Denkmalpflege, in: Freiburger Diözesan-Archiv, Jg. 111, 1991, S. 249–258. (Digitalisat auf freidok.uni-freiburg.de, abgerufen am 25. Juli 2021)
Eckart Rüsch: Der Barockumbau der ehemaligen Abteikirche Schwarzach und dessen Restaurierungen im 19. und 20. Jahrhundert, in: Die Ortenau, Jg. 72, 1992, S. 403–433. (Digitalisat auf dl.ub.uni-freiburg.de, abgerufen am 15. Juni 2024)
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↑ abPeter Marzolff: Zur Baugeschichte der mittelalterlichen Kirche. In: Martin Walter (Hrsg.): Münster und Kloster Schwarzach – Geschichte, Architektur und Gegenwart (= Sonderveröffentlichung des Kreisarchivs Rastatt, Band 12). BadnerBuch-Verlag, Rastatt 2016, ISBN 978-3-944635-16-3, S. 155–162, hier S. 158.
↑ abEckart Rüsch: Der Barockumbau der ehemaligen Abteikirche Schwarzach und dessen Restaurierungen im 19. und 20. Jahrhundert, in: Die Ortenau, Jg. 72, 1992, S. 403–433. (Digitalisat auf dl.ub.uni-freiburg.de, abgerufen am 15. Juni 2024)
↑Joachim Göricke: Die Restaurierungsarbeiten an der Kirche. In: Arnold Tschira: Die ehemalige Benediktinerabtei Schwarzach, zweite veränderte und erweiterte Auflage der 1969 erschienenen Gedenkschrift für Arnold Tschira. Hrsg. Institut für Baugeschichte an der Universität Karlsruhe und Koldewey-Gesellschaft, Konkordia GmbH für Druck und Verlag, Bühl/Baden 1977, S. 72–79.
↑Eckart Rüsch: Die Veränderungen der barocken Ausstattung in Chor und Querhaus der ehemaligen Abteikirche Schwarzach in Baden seit 1803. Ein Beitrag zur Geschichte der Denkmalpflege, in: Freiburger Diözesan-Archiv, Jg. 111, 1991, S. 249–258. (Digitalisat auf freidok.uni-freiburg.de, abgerufen am 15. Juni 2024)