Luise Berthold (* 27. Januar 1891 in Berlin; † 3. Oktober 1983 in Marburg) war eine deutsche Germanistin, ab 1923 erste und für 22 Jahre einzige Dozentin der Philipps-Universität Marburg und gab ab 1934 das Hessen-Nassauische Wörterbuch heraus.
Leben
Luise Berthold wurde als eines von sechs Kindern am 21. Januar 1891 in Berlin in eine protestantische, sozial engagierte Familie hinein geboren, die in der Erziehung der Kinder zwischen den Geschlechtern keinen Unterschied machte.
In Berlin besuchte sie die Gymnasiallehrgänge für Frauen, begründet von Helene Lange, um als eine der ersten Schülerinnen die Hochschulreife zu erwerben. Sie begann ihr Studium in Berlin, setzte es an der Universität Jena fort und wechselte 1912 an die Philipps-Universität Marburg. Nach der Promotion in den Fächern Deutsch, Evangelische Theologie und Philosophie 1920 habilitierte sie sich 1923 mit einer Arbeit zur Heimatbestimmung alter Texte.[1] Sie war aufgrund ihrer Verbindung mit ihrem Lehrer Ferdinand Wrede, dem Leiter des Deutschen Sprachatlas, innovativ bei der Entwicklung der deutschen Dialektgeographie tätig; so führte sie etwa die dialektgeographische Methode in die Wörterbucharbeit ein. Am Hessen-Nassauischen Wörterbuch arbeitete sie ab 1916 mit, ab 1927 übernahm sie unter Wredes offizieller Federführung die Drucklegung, ab 1934 die Leitung, die sie über dreißig Jahre innehatte; sie arbeitete bis zu ihrem Tod 1983 daran mit.[2] Im November 1933 unterzeichnete sie mit ihrem Lehrer das Bekenntnis der deutschen Professoren zu Adolf Hitler. Aufsätze schrieb sie zu einem weiten Themenfeld, etwa die Altsächsische Genesis, Kinderwiegenspiele des Spätmittelalters oder den Hexenglauben.[3]
Eine beamtete außerordentliche Professur erhielt sie erst 1952, knapp 30 Jahre nach ihrer Habilitation.[4] 1930 war sie zum nichtbeamteten Professor, 1940 zur außerplanmäßigen Professorin ernannt worden.
Am 16. Januar 1946 trat sie in die LDP (später FDP) ein. Im gleichen Jahr setzte sie sich für die Gründung eines Frauenausschusses ein. Berthold erhielt am 8. Dezember 1948 einen Ehrendoktor in Theologie. Auch nach 1945 nahm sie vielfältige öffentliche Ämter wahr, darunter als Stadtverordnete (sie war Mitglied des Kulturausschusses) bis 1952, Abgeordnete im Landeswohlfahrtsverband Hessen und als Vorsitzende im Hochschulausschuss des Deutschen Akademikerinnenbunds.[3] 1953 beriefen sie die Marburger Blätter als Vertrauensdozentin in die Redaktion. Am 13. November 1956 reichte sie den Emeritierungsantrag ein, ihre Lehrtätigkeit in Marburg endete schließlich 1957.[3]
Auszeichnungen
Schriften (Auswahl)
- Beiträge zur hochdeutschen geistlichen Kontrafaktur vor 1500. Lüneburg 1920.
- Alter Text und moderne Mundart. Grundsätzliches zur Heimatbestimmung alter Texte, dargelegt am Prosateil des Stuttgarter Cod. theol et philos. 4. Nr. 190. Klopp, Bonn 1927.
- Hessen-Nassauisches Volkswörterbuch. Elwert, Marburg 1927 ff.
- Sprachliche Niederschläge absinkenden Hexenglaubens (= Gießener Beiträge zur deutschen Philologie), 1938.
- Erlebtes und Erkämpftes. Ein Rückblick. Selbstverlag, Marburg 1969.
- Strandgut. Heiteres und Besinnliches aus 90 Lebensjahren. Selbstverlag, Marburg 1982.
- Erlebtes und Erkämpftes. Rückblick einer Pionierin der Alma Mater. Hrsg. von Marita Metz-Becker. Ulrike Helmer Verlag, Königstein/Taunus 2008.
Literatur
- Catalogus professorum academiae Marburgensis. Die akademischen Lehrer der Philipps-Universität Marburg. Band 2: Von 1911 bis 1971. Bearbeitet von Inge Auerbach, Marburg 1979 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen in Verbindung mit der Philipps-Universität Marburg. Bd. 15), S. 465.
- Catalogus professorum academiae Marburgensis. Die akademischen Lehrer der Philipps-Universität Marburg. Band 3: Von 1971 bis 1991. Erster Teil: Fachbereich 01–19. Bearbeitet von Inge Auerbach, Marburg 2000 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen. Bd. 15), S. 195.
- Hanna Christiansen: Luise Berthold. In: Germanistik und Kunstwissenschaften im „Dritten Reich“. Marburger Entwicklungen 1920–1950. Herausgegeben von Kai Köhler, Burghard Dedner und Waltraud Strickhausen, München 2005 (= Academia Marburgensis. Bd. 10), S. 201–211.
- Hans Friebertshäuser, Heinrich J. Dingeldein: Luise Berthold zum Gedenken. In: Der Sprachdienst 27 (1983), S. 172.
- Edith Laudowicz / Dorlies Pollmann: Luise Berthold: Daß man sich seinen eigenen Maßstab zu machen habe. In: dies.: Weil ich das Leben liebe. Aus dem Leben engagierter Frauen. Köln 1981, S. 136–152.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Erlebtes und Erkämpftes, S. 55.
- ↑ Erlebtes und Erkämpftes, S. 52, 62, 71.
- ↑ a b c Antonius Lux (Hrsg.): Große Frauen der Weltgeschichte. 1000 Biographien in Wort und Bild. Sebastian Lux Verlag, München 1963, S. 65.
- ↑ „Ich kann eigentlich nicht sagen, daß ich mich darüber aus freiem Herzen gefreut habe. Dafür war das Hin und Her von 49 bis 52 zu unerquicklich, ja zu bitter gewesen“ (Erlebtes und Erkämpftes, S. 118).