Die Liste der aberkannten olympischen Medaillen zählt die Medaillengewinner bei Olympischen Spielen auf, denen das Internationale Olympische Komitee (IOC) eine gewonnene Medaille nachträglich widerrufen hat. Dies kann beispielsweise bei einem Verstoß gegen die Dopingbestimmungen oder sonstigen Betrugsversuchen der Fall sein, während früher auch Verstöße gegen den Amateurstatus als Grund galten. Die betroffenen Athleten müssen ihre Medaillen an das IOC zurückgeben, damit sie nachgerückten Athleten überreicht werden können.
Von 1904 bis 2024 wurden insgesamt 157 Medaillen dauerhaft aberkannt, zehn Medaillen blieben vakant bzw. sind nicht neu zugeteilt worden. Die große Mehrheit der Aberkennungen erfolgte nach 2000 aufgrund verbesserter Methoden bei Dopingtests. Die meisten Aberkennungen gab es in der Leichtathletik (53, davon 21 Goldmedaillen) und im Gewichtheben (52, davon 15 Goldmedaillen). Athleten dieser beiden Sportarten sind somit für zwei Drittel aller Fälle verantwortlich. Das meistbetroffene Land ist Russland mit 45 aberkannten Medaillen, was mehr als einem Viertel aller Fälle entspricht. Die am stärksten betroffenen Sommerspiele waren die Olympischen Sommerspiele 2008 mit 50 Aberkennungen, bei Winterspielen ragen die Olympischen Winterspiele 2002 mit 13 Aberkennungen heraus.
Bei Mannschaftswettbewerben wie z. B. Staffeln kann das IOC aufgrund des Verstoßes eines einzelnen Athleten allen Teammitgliedern die Medaille aberkennen. Ebenso kann der zuständige Weltverband jeder olympischen Sportart einem Athleten wegen Verstoßes gegen die Regeln des jeweiligen Sports eine Medaille aberkennen. Die Athleten haben die Möglichkeit, ihren Fall vom Internationalen Sportgerichtshof abschließend beurteilen zu lassen.
Nur zehn Aberkennungen betreffen andere Gründe als Dopingvergehen:
Der amerikanische Boxer Jack Egan, der bei den Sommerspielen 1904 Silber im Leichtgewicht und Bronze im Weltergewicht gewonnen hatte, wurde 1905 disqualifiziert und musste seine Medaillen zurückgeben. Er war unter falschem Namen angetreten, was gemäß den damaligen Regeln der Amateur Athletic Union verboten war. Sein richtiger Name lautete Frank Floyd.[1]
1913 musste der amerikanische Leichtathlet Jim Thorpe zwei Goldmedaillen, die er bei den Sommerspielen 1912 gewonnen hatte, zurückgeben. Das IOC hatte erfahren, dass er zuvor gegen einen kleinen Geldbetrag Baseball gespielt und damit gegen den Amateurstatus verstoßen hatte. 1982, 29 Jahre nach seinem Tod, konnte eine Stiftung das IOC davon überzeugen, dass die Aberkennung widerrechtlich gewesen war. Thorpes Kinder erhielten 1983 von IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch Nachbildungen der Goldmedaillen von 1912 überreicht.[2]
Die schwedische Dressurmannschaft, die bei den Sommerspielen 1948 Gold im Mannschaftswettbewerb gewonnen hatte, wurde am 27. April 1949 durch die Fédération Équestre Internationale (FEI) und mit Zustimmung des IOC nachträglich disqualifiziert. Gehnäll Persson war drei Wochen vor dem Wettkampf zu einem Offiziersrang eines Leutnants, Fänrik im schwedischen Heer, befördert worden. Nur zweieinhalb Wochen nach dem Wettkampf degradierte ihn dieses wieder zurück zum Fanjunkare,[3] seinen ursprünglichen Unteroffizierrang im schwedischem Heer. Gemäß damaligem Reglement waren nur Offiziere und „Herrenreiter“ teilnahmeberechtigt, nicht aber Unteroffiziere. Da Persson lediglich für den Zeitraum rund um die Spiele befördert worden war, galt dies als Regelverstoß. Der Vorfall führte dazu, dass die FEI ihre als veraltet empfundenen Teilnahmebedingungen modernisierte.[4]
Der schwedische Boxer Ingemar Johansson wurde im Schwergewichts-Finale der Sommerspiele 1952 vom Ringrichter wegen angeblicher „Inaktivität“ disqualifiziert und erhielt daraufhin nicht einmal die Silbermedaille, die ihm bei einer Niederlage zugestanden hätte. Das IOC korrigierte diese Entscheidung im Jahr 1982 und überreichte ihm die Medaille.[5]
Die deutschen Eiskunstläufer Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler mussten ihre bei den Winterspielen 1964 gewonnene Paarlauf-Silbermedaille zurückgeben, da sie zuvor einen Profivertrag unterschrieben hatten; 1987 wurden sie vollständig rehabilitiert.[6]
Der Gewichtheber Ibragim Samadow, der bei den Sommerspielen 1992 für das Vereinte Team antrat, war über seine Leistung derart enttäuscht, dass er bei der Siegerehrung seine Bronzemedaille auf den Boden warf und weglief. Das IOC disqualifizierte ihn daraufhin und vergab die Medaille nicht an den Viertplatzierten, da der Vorfall nach dem Wettkampf stattgefunden hatte.[7]
Ein ähnlicher Fall betraf den schwedischen Ringer Ara Abrahamian bei den Sommerspielen 2008. Ihm wurde eine Bronzemedaille aberkannt, nachdem er diese bei der Siegerehrung aus Protest gegen eine umstrittene Schiedsrichterentscheidung abgelehnt hatte.[8]
2010 erkannte das IOC den chinesischen Turnerinnen die Bronzemedaille ab, die sie bei den Sommerspielen 2000 im Mannschaftsmehrkampf gewonnen hatten. Die damals 14 Jahre alte Dong Fangxiao war als 17-Jährige gemeldet worden, um das geforderte Minimalalter 16 zu umgehen. Der Schwindel flog auf, als sie sich bei den Sommerspielen 2008 mit ihrem richtigen Geburtsdatum als technische Hilfskraft bewarb. Die Medaille ging an das Team der Vereinigten Staaten.[9]
Aberkannte olympische Medaillen
(X) = als vakant erklärt (d. h. nicht neu vergeben)
(Y) = Entscheidung über Neuvergabe noch ausstehend
Im November und Dezember 2017 Verhängung lebenslanger olympischer Sperren gegen Alexander Subkow und Alexei Wojewoda aufgrund der Ergebnisse des McLaren-Reports, nachträgliche Disqualifikation.[97][98]
Die deutsche Springreitmannschaft wurde nicht disqualifiziert, fiel aber vom ersten auf den dritten Platz zurück, da Beerbaums Teilergebnis nicht zählte.
Die norwegische Springreitmannschaft wurde nicht disqualifiziert, fiel aber vom dritten auf den achten Platz zurück, da Hansens Teilergebnis nicht zählte.
Wieder zuerkannte olympische Medaillen
Nachfolgend eine Zusammenstellung der Medaillen, die vom IOC aberkannt und später wieder zuerkannt wurden.
Disqualifikation und anschließende Aberkennung der Medaille wegen eines geringfügigen Regelverstoßes während des Rennens; Urteil im November 1968 aufgehoben.[108]
Disqualifikation aufgrund von Marihuana-Spuren in der Dopingprobe. Der CAS hob das Urteil umgehend auf, da das IOC ohne Rechtsgrundlage geurteilt hatte.[109]
Trotz des Geständnisses von Jones in der BALCO-Affäre erhielten die Staffelkolleginnen ihre Medaillen im Juli 2010 zurück, weil zehn Jahre zuvor keine ausdrückliche Regelung bestanden hatte, um das Ergebnis eines ganzen Teams zu annullieren.[110]
Positiv auf das Stimulanzmittel Heptaminol getestet. Der CAS hob die Disqualifikation im Oktober 2005 wegen eines Formfehlers auf und verfügte die erneute Zuerkennung der Medaille.[111]
Beide Athleten wurden im Dezember 2008 disqualifiziert, nachdem in ihren Dopingproben überhöhte Testosteronwerte festgestellt worden waren. Sie zogen das Urteil an den CAS weiter und erhielten im Juni 2010 Recht, da das zuständige Labor einen Fehler begangen hatte und eine Verunreinigung nicht ausgeschlossen werden konnte.[112]
Als Reaktion auf den McLaren-Report, den die WADA aufgrund des systematischen russischen Dopingbetrugs bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Auftrag gegeben hatte, setzte das IOC im Juli 2016 die Oswald-Kommission ein. Im November und Dezember 2017 disqualifizierte sie 43 russische Sportler, darunter 16 Medaillengewinner, und schloss sie auf Lebenszeit von Olympischen Spielen aus. Mit einer Ausnahme legten alle Sportler beim CAS Berufung ein. Bei der Anhörung im Januar 2018 erhielten 28 von ihnen Recht, da die Beweislage ungenügend war. Ihre Disqualifikation wurde aufgehoben und neun Sportler erhielten ihre Medaillen zurück. Gleichwohl durften sie nicht an den Winterspielen 2018 teilnehmen.[113]
Im November 2017 Verhängung einer lebenslangen olympischen Sperre aufgrund der Ergebnisse des McLaren-Reports und nachträgliche Disqualifikation, Urteil im September 2020 durch das CAS aufgehoben.[99][114]
Das IOC schloss Bäckström vom Turnier aus und erkannte seine Medaille ab, nachdem in seiner Dopingprobe die Verwendung von Pseudoephedrin nachgewiesen worden war. Die IIHF legte gegen diesen Beschluss Rekurs ein, da Bäckström wegen eines allergischen Leidens bereits seit Jahren mit diesem Mittel behandelt wurde. Im März 2014 beschloss die IOC-Disziplinarkommission die Rückgabe der Medaille.[115]
↑Volker Kluge: Olympische Sommerspiele – Die Chronik III: Mexiko-Stadt 1968 – Los Angeles 1984. Sportverlag, Berlin 2000, ISBN 3-328-00741-5, S.181–182.
↑Kluge: Olympische Sommerspiele – Die Chronik III. S. 402.
↑ abKluge: Olympische Sommerspiele – Die Chronik III. S. 411.
↑Kluge: Olympische Sommerspiele – Die Chronik III. S. 415.
↑Volker Kluge: Olympische Sommerspiele – Die Chronik IV: Seoul 1988 – Atlanta 1996. Sportverlag, Berlin 2002, ISBN 3-328-00830-6, S.501.
↑ abKluge: Olympische Sommerspiele – Die Chronik III. S. 615.
↑Kluge: Olympische Sommerspiele – Die Chronik III. S. 614.
↑Kluge: Olympische Sommerspiele – Die Chronik III. S. 1061.
↑Kluge: Olympische Sommerspiele – Die Chronik III. S. 1080.