Léopold Sédar Senghor war der Sohn eines wohlhabenden Grundbesitzers und Großhändlers aus dem Volk der Serer. Seine römisch-katholische Mutter, eine Fulani, schickte ihn auf eine katholische Missionsschule und ein Seminar, wo er zum Priester ausgebildet werden sollte.[1] Im Alter von 20 Jahren brach er seine Ausbildung ab und legte sein Abitur an einer nichtkonfessionellen Schule in Dakar ab.
1928 ging er zum Studium nach Paris. 1933 gründete er die Vereinigung westafrikanischer Studenten. Er befasste sich eingehend mit europäischer Literatur und erlangte 1935 als erster Afrikaner die Agrégation in klassischer Philologie. Er war mittlerweile französischer Staatsbürger geworden. Als Autor von Gedichten und Aufrufen begründete er mit Aimé Césaire und weiteren afrofranzösischen Intellektuellen die Strömung der Négritude. 1940 geriet er als einfacher Soldat der französischen Armee in deutsche Kriegsgefangenschaft und entging nur knapp seiner Erschießung zusammen mit anderen Soldaten schwarzer Hautfarbe. Als Kriegsgefangener las er u. a. Schriften von Leo Frobenius, was seine Weiterentwicklung des Konzepts der Négritude beeinflussen sollte. Nach der Befreiung arbeitete er zunächst wieder als Gymnasiallehrer, wurde aber noch 1945 als Abgeordneter der SFIO für den neuen Wahlbezirk Senegal-Mauritanie in die Französische Nationalversammlung gewählt. 1946 heiratete er die Tochter des Generalgouverneurs für Französisch-ÄquatorialafrikaFélix Éboué. 1948 wurde er Mitbegründer des gemäßigt linken Bloc démocratique sénégalais und ab 1951 Staatssekretär. Er blieb eine der wichtigsten politischen Persönlichkeiten der Union française bis zu deren Ende. Senghor war Vorsitzender mehrerer interterritorialer Parteien in Afrika: der Convention Africaine (1957–1958), der Partei des Afrikanischen Verbunds (1958–1959) und der Partei der Afrikanischen Föderation (1959–1960).[2]
1950 schloss Senghor Freundschaft mit dem deutschen Schriftsteller Janheinz Jahn, dessen Publikationen das (westdeutsche) Afrikabild entscheidend änderten und modernisierten.
Nach Erlangung der Unabhängigkeit von Frankreich am 20. Juni 1960 und der Auflösung der kurzlebigen Mali-Föderation im August wurde Senghor am 5. September 1960 erster Präsident der Republik Senegal und blieb vier Mal wiedergewählt bis 1980 im Amt.[3] Er war überzeugter Christ in einem überwiegend muslimischen Land und Vertreter des afrikanischen Sozialismus, in dem afrikanische Werte verankert sind; der Mensch stand für ihn im Zentrum.
Im Vorfeld der Auszeichnung mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels kam es 1968 in Frankfurt am Main zu öffentlichem Protest. Senghor sei ein „afrikanischer Ideologe des Kolonialismus und Neokolonialismus“.[4] Zuvor war es in Dakar im Mai 1968 zu einem Generalstreik gekommen, in dessen Verlauf Armee und Polizei eingriffen. Der spätere Fraktionsführer der Grünen im Europa-Parlament Daniel Cohn-Bendit wurde nach dieser Demonstration im Schnellverfahren zu acht Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt, die in der zweiten Instanz auf sechs Monate reduziert wurden.[5]
1978 lud Senghor den in Paris angesehenen Bildhauer Arno Breker zu einem Afrika-Besuch ein. Er widmete dem Bildhauer eine Handschrift seines Gedichtes Prayer To Masks.[7] Der Künstler, der einst untrennbar mit dem Nationalsozialismus verbunden war, porträtierte Senghor zum Auftakt eines Afrika-Zyklus.[8]
Am 31. Dezember 1980 trat Senghor zugunsten des Ministerpräsidenten Abdou Diouf vom Amt zurück.
Am 2. Juni 1983 wurde er als erster Afrikaner Mitglied in der Académie française.[9]
Seit 1957 war Senghor mit der Französin Colette Senghor geb. Hubert verheiratet.
Kritik und Nachleben
Von Kritikern wurde Senghor vorgeworfen, dass er sich kulturell und politisch zu sehr an Europa orientiere und zu wenig versuche, eine eigenständige afrikanische Identität aufzubauen. Zudem habe er ursprünglich sogar versucht, den Senegal stärker an Frankreich zu binden, und als dies unmöglich erschien, suchte er dennoch die Versöhnung mit Frankreich, weil es vor allem in der sozialen Schicht der Sujets Français nach 1927 zu Spannungen gekommen war, welche ihm nicht förderlich erschienen.
Bis an die Tore der Nacht. Heiderhoff Verlag, Waldbrunn 1985.
Liberté I. Négritude et humanisme. Éditions du Seuil, Paris 1964
dt. Negritude und Humanismus. Diederichs, Düsseldorf 1967.
Liberté II. Nation et voie africaine du socialisme. Paris 1971.
Über den Wert des Unterrichts in den klassischen Sprachen. Übersetzt von Walther Kraus, hrsg. von der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung humanistischer Bildung in Bayern. 1973.
Liberté III. Négritude et civilisation de l’universel. Paris 1988.
On African Socialism. New York 1964.
Tam-Tam schwarz. Heidelberg 1955.
Vertonungen
Horst Lohse: Laetare Jerusalem (1975) für hohe Stimme, 2 Orgeln (oder Orgel mit 2 Spielern) und Tamtam. Text: aus Éthiopiques (1956): «Laetare Jerusalem et… Je dis bien laetare mon cœur…» (pour orgues et tam-tam au loin). Dauer: ~11’. UA 19. September 1975 Nürnberg (Junge Akademie)
Neufassung (1976) für hohe Stimme, gemischten Chor, 2 Orgeln (oder Orgel mit 2 Spielern) und Tamtam. Dauer: ~12’. UA 25. Mai 1987 Bamberg (Noriko Kishida [Sopran], Bamberger Oratorienchor, Karl-Heinz und Gabriele Böhm [Orgel], Klaus Karger [Tamtam], Dirigent: Hermann Dechant)
Claire Vazart (* 1964): Femme Noire für Sopran und Klavier (= Nr. 1 aus dem Liederzyklus Au Féminin, in dem auch Texte von Paul Éluard, Carole Zalberg (* 1965), Claudine Helft, Georges Sédir und François Cheng vertont sind)
Akin Euba: Chaka, Opera in Two Chants nach einem Text von Léopold Sédar Senghor für Soli, Yoruba-Sänger, Chor und Orchester (Afrikanische und westliche Instrumente); City of Birmingham Touring Opera, Ltg. Simon Halsey; Veröffentlichung des Music Research Institute, 1999[14]
Literatur
Hans Belting, Andrea Buddensieg: Ein Afrikaner in Paris. Léopold Sédar Senghor und die Zukunft der Moderne. Verlag C. H. Beck, München 2018, ISBN 9783406718304.
Arno Breker: Begegnungen und Betrachtungen. Hrsg. Marco J. Bodenstein, Edition Marco-VG, Bonn-Paris-New York 1987, ISBN 3-921754-27-5.
Elisabeth Harney: In Senghor’s Shadow. Art, Politics, and the Avant-Garde in Senegal, 1960–1995. Duke University Press, Durham and London 2004, ISBN 978-0822333951.
Janheinz Jahn: Léopold Sédar Senghor. In: Verena von der Heyden-Rynsch (Hrsg.): Vive la littérature! Französische Literatur der Gegenwart. Hanser Verlag, München 1989, S. 175f.
János Riesz: Leopold Sedar Senghor. Der afrikanische Aufbruch im 20. Jahrhundert. Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2006, ISBN 3-7795-0047-7.
↑Ihre Ordnung ist auf Sand gebaut: Dokumentation zur Buchmesse und zum Senghor-Prozeß. Republikanische Hilfe – SDS. Frankfurt a. M.: Republikanische Hilfe, 1969, S. 18a
↑Ihre Ordnung ist auf Sand gebaut: Dokumentation zur Buchmesse und zum Senghor-Prozeß. Republikanische Hilfe – SDS. Republikanische Hilfe, Frankfurt a. M. 1969, S. 34a
↑Jean Schoos: Die Orden und Ehrenzeichen des Großherzogtums Luxemburg und des ehemaligen Herzogtums Nassau in Vergangenheit und Gegenwart. Verlag der Sankt-Paulus Druckerei AG. Luxemburg 1990. ISBN 2-87963-048-7. S. 344