Seit dem Bosnienkrieg leben mehr Kroaten in der Herzegowina als in Bosnien. Sie sehen sich je nach Landesteil, in dem sie leben, auch als Bosnier oder Herzegowiner. Seit dem Bosnienkrieg (1992–1995) werden sie unabhängig davon in ihrer Gesamtheit vereinfacht auch als Bosnische Kroaten oder Herzegowinische Kroaten bezeichnet.
Die meisten Kroaten leben in den Regionen der westlichen Herzegowina, Westbosniens, Zentralbosniens und in der Posavina. Der Hauptort der Kroaten ist Mostar, die Stadt mit den meisten kroatischen Einwohnern im Staat und gleichzeitig das politische und kulturelle Zentrum der Herzegowina.
Aufgrund der Kriegseinwirkungen und den damit verbundenen ethnischen Säuberungen im Bosnienkrieg lebt heute der Großteil der Kroaten auf dem Gebiet der Föderation Bosnien und Herzegowina (sogenannte „Bosniakisch-Kroatische Föderation“), einer der beiden Entitäten des Staates Bosnien und Herzegowina. Hier bezeichneten sich 2013 497.883 von 2.219.220 Einwohnern als Kroaten (22,4 %). In der Republika Srpska lebten 29.645 Kroaten (2,41 %), im Brčko-Distrikt weitere 17.252 (20,66 %).[1]
Die größte Gruppe, jedoch nicht die absolute Mehrheit stellen die Kroaten des Weiteren in Busovača (49,5) und Mostar (48,4). Nennenswerte kroatische Bevölkerungsanteile haben zudem die Gemeinden Novi Travnik (46,2), Jajce (46,1), Gornji Vakuf (41,4), Pelagićevo (35,4), Vareš (31,7), Fojnica (29,7) und Travnik (28,2).
Das Osmanische Reich eroberte das Königreich Bosnien im Jahr 1463. Ein immer kleiner werdendes Kernstück des Herzogtums der Herzegowina hielt sich nach 1463 gegen die Osmanen und wurde erst im Jahr 1465 größtenteils durch das Osmanische Reich erobert.
Während des Zweiten Jugoslawien (1945–1991) sank die Zahl der Kroaten in der Teilrepublik Bosnien und Herzegowina um etwa ein Viertel.
Zwischen November 1965 und Februar 1966 führte eine Arbeitsgruppe des Zentralkomitees des Bundes der Kommunisten von Bosnien und Herzegowina eine Untersuchung durch. Diese stellte fest, dass die überwiegend von Kroaten bewohnte westliche Herzegowina die wirtschaftlich rückständigste und nationalpolitisch problematischste Region in Bosnien und Herzegowina geblieben war. Wirtschaftlich rückständig, da in dieser Region das Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens zwischen 1956 und 1964 nur 10,5 % betrug, im Gegensatz zum gesamten Bosnien und Herzegowina mit 12,2 % und dem gesamten Jugoslawien mit 13,7 %. Gleichzeitig war die West-Herzegowina mit 232 Personen auf 100 Hektar bebauter Landfläche überbevölkert (in Bosnien und Herzegowina 180 und in Jugoslawien 160 Personen). Nationalpolitisch problematisch, da Gedenkstätten des Terrors während des Zweiten Weltkriegs nur für die meist serbischen Opfer der Ustascha und nicht für die meist muslimischen und kroatischen Opfer der Tschetniks errichtet wurden. An den dortigen Schulen wurden eine ganze Anzahl meist serbischer und montenegrinischer Lehrkräfte eingesetzt, die nicht bereit waren, sich dem gesellschaftlichen Milieu anzupassen. Ebenso wurden in der Nachkriegszeit nur in der mehrheitlich von Serben bewohnten Ost-Herzegowina neue Mittelschulen eröffnet. Das verbitterte viele Kroaten aus der Herzegowina und machte sie empfindsamer für nationalemanzipatorische Prozesse in Kroatien wie den „Kroatischen Frühling“, aber auch die Propaganda der kroatischen politischen Emigration. In der Folge verließen viele Kroaten die Herzegowina und auch Bosnien, um nach Kroatien oder als „Gastarbeiter“ in das westliche Ausland auszuwandern.[2]
Bei der Volkszählung von 1991 zählten sich noch 17,3 % der Bevölkerung zu den Kroaten.
Bosnienkrieg
Während des Zerfalls Jugoslawiens Anfang der 1990er-Jahre beteiligten sich viele Kroaten aus Bosnien-Herzegowina als Freiwillige am 1991 ausgebrochenen Kroatienkrieg[3].
Unter dem Eindruck des Kroatienkrieges bildete sich unmittelbar vor Beginn des Bosnienkriegs (1992–1995) der Kroatische Verteidigungsrat (HVO), aus selbstorganisierten paramilitärischenEinheiten von kroatischen Freiwilligen. Im Bosnienkrieg versuchten die Kroaten mit der Kroatischen Republik Herceg-Bosna (HRHB) einen eigenen (Teil-)Staat zu schaffen oder den Anschluss an die Republik Kroatien zu erreichen. Je nach Quellenangabe flohen oder übersiedelten zwischen 150.000 und 200.000 Kroaten während des Bosnienkrieges nach Kroatien. Nach Kriegsende kehrten viele kroatische Vertriebene nicht in ihre Heimatorte zurück, besonders nicht in der Posavina mit ihren geplünderten und niedergebrannten Ortschaften. Der Wiederaufbau geht nur schleppend voran und Entschädigungszahlungen wurden bisher nicht geleistet.
Kultur
Sprache
Die meisten Kroaten in Bosnien und Herzegowina verwenden als Standard die kroatische Sprache. Gesprochen wird sowohl der ijekavische als auch der ikavische Dialekt der Štokavischen Dialektgruppe.
Kroatische Schulkinder haben einen Anspruch auf Schulunterricht in Kroatisch. Es existiert allerdings kein eigenes Fernsehprogramm in kroatischer Sprache.
Institutionen
Eine der bedeutendsten kulturellen Institutionen für die Kroaten in Bosnien und Herzegowina ist die Kroatische Kulturgesellschaft Napredak.
Gegenwärtig gibt es zwei kroatische Musikfestivals im Land: Das Ethnofest Neum und Melodije Mostara. Bei diesen Festivals treten regelmäßig die besten kroatischen Künstler des Landes auf.
Die Franziskaner in Bosnien bildeten über Jahrhunderte hinweg die religiöse Grundstütze der Katholiken in Bosnien und Herzegowina und trugen durch das Eintreten für die Katholiken, vor allem unter der osmanischen Herrschaft zum Fortbestand der Katholischen Kirche und zur Identitätsfindung der Kroaten in diesen Gebieten bei.
Als bocanje (auch bockanje, badanje, sicanje oder šaranje) bezeichnet man die traditionellenTätowierungen die bei den römisch-katholischen Kroaten bis etwa Mitte des 20. Jahrhunderts vor allem in Zentralbosnien und seltener auch in der Herzegowina weit verbreitet waren. Insbesondere Frauen aber auch Männer ließen sich an christlichenFeiertagen an den Fingern, Händen, Unter- und Oberarmen, der Brust und seltener auch auf der Stirn tätowieren. In geringerem Maße kamen diese Tätowierungen auch bei den Kroaten in Turopolje und Dalmatien vor.
Die Kroaten stellen ein Präsidiumsmitglied auf Staatsebene. Seit der Wahl 2014 hat dieses Amt der Vorsitzende der HDZ in Bosnien und Herzegowina, Dragan Čović, inne. Zuvor war von 2006 bis 2014 der Vertreter der multiethnischen SDPŽeljko Komšić kroatisches Mitglied des Staatspräsidiums. Vertreter der bei der Wahl unterlegenen nationalkroatischen Parteien, u. a. der HDZ, zweifelten die Rechtmäßigkeit der Wahl an, da der bekennende Atheist Komšić angeblich hauptsächlich von der bosniakischen Mehrheitsbevölkerung in der Föderation Bosnien und Herzegowinas direkt, und somit nicht durch die konstitutive kroatische Bevölkerung von Bosnien und Herzegowina gewählt worden sei.[5][6]
Symbole
Seit dem Bosnienkrieg werden von den Kroaten in Bosnien und Herzegowina allgemein die Symbole der Kroatischen Republik Herceg-Bosna verwendet. Die Kantone Westherzegowina[7][8] und Westbosnien[9][10] verwenden offiziell diese Symbole.
Wappen
Das Wappen ist eine Abwandlung des historischen kroatischen Wappens und besteht aus 25 rot-silbern geschachten Feldern, beginnend mit einem roten Feld. Das Wappenschild hat die Form eines deutschen Renaissance-Rundschilds und ist in Gold ausgeführt. Im oberen Feld des Wappenschilds ist das Kroatische Flechtwerk abgebildet.
Das Wappen findet sich in dieser Variante erstmals bei den ersten Polizeieinheiten der Republik Kroatien (Prvi hrvatski redarstvenik), die in Kroatien und den kroatischen Gebieten Bosnien-Herzegowinas gebildet wurden und dieses von Herbst 1990 bis Anfang 1991 (noch von einem Strahlenkranz umgeben) als Mützenabzeichen trugen.[11] Auch in anderen Flaggen Bosnien-Herzegowinas findet man das kroatische Wappen.[12]
Ivo Pilar (1874–1933), Rechtsanwalt, Politikwissenschaftler, Historiker, Soziologe, Ökonome, Publizist, Politiker und Begründer der kroatischen Geopolitik
Hrvatski leksikografski institut Bosne i Hercegovine (Hrsg.): Hrvatska enciklopedija Bosne i Hercegovine. 2 Bände, 2015, ISBN 9958-9249-6-X (kroatisch, Enzyklopädie).
Istraživačko dokumentacioni centar (Hrsg.): Ubijeni i nestali Hrvati Bosne i Hercegovine 1991.–1995. FMC Svjetlo riječi, Sarajevo 2008 (kroatisch, wordpress.com [PDF] Verzeichnis der im Bosnienkrieg getöteten Kroaten).
Ivan Cvitković: Hrvatski identitet u Bosni i Hercegovini : Hrvati između nacionalnog i građanskog. Synopsis, 2006, ISBN 978-9958-587-06-1 (kroatisch).
Noel Malcolm: Geschichte Bosniens. S.Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-10-029202-2.
Hrvati u Bosni i Hercegovini. In: hrvatiizvanrh.gov.hr. Središnji državni ured za Hrvate izvan Republike Hrvatske, abgerufen am 9. Oktober 2021 (kroatisch).
↑Željko Ivanković, Dunja Melčić: Der bosniakisch-kroatische „Krieg im Kriege“. In: Dunja Melčić (Hrsg.): Der Jugoslawien-Krieg : Handbuch zu Vorgeschichte, Verlauf und Konsequenzen. 2. aktualisierte und erweiterte Auflage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2007, ISBN 978-3-531-33219-2, S.422.
↑Ćiro Truhelka: Die Tätowirung bei den Katholiken Bosniens und der Hercegovina. In: Bosnisch-Hercegovinisches Landesmuseum in Sarajevo (Hrsg.): Wissenschaftliche Mittheilungen aus Bosnien und der Hercegovina. Band4. Wien 1896, S.504 (zobodat.at [PDF]).
↑Gemäß Artikel 8 (Wappen) und Artikel 9 (Flagge) der Kantons-Verfassung. Vgl. Bosna i Hercegovina, Federacija Bosne i Hercegovine, Županija Zapadnohercegovačka, Skupština (Hrsg.): Ustav Županije Zapadnohercegovačke. Nr.01-I-8/96-1. Posušje 26. März 1996 (skupstina-zzh.ba).
↑Gemäß Artikel 8 (Wappen) und Artikel 9 (Flagge) der Kantons-Verfassung. Vgl. Bosna i Hercegovina, Federacija Bosne i Hercegovine, Hercegbosanska županija, Skupština (Hrsg.): Ustav Hercegbosanske županije. 01-K-1/96. Tomislavgrad 19. Dezember 1996 (vladahbz.com [PDF]).
↑Mario Jareb: Hrvatski simboli [Kroatische Symbole]. Hrsg.: Hrvatski institut za povijest. ALFA d.d., Zagreb 2010, ISBN 978-953-297-230-6, S.371 (kroatisch).