Dieser Artikel beschreibt die heutige Komische Oper und ihr Gebäude. Zum gleichnamigen bis in die 1930er Jahre bestehende Opernhaus siehe Alte Komische Oper Berlin.
Eine Besonderheit des Gebäudes sind die schlicht gestaltete Fassade, das moderne Foyer und die ebenfalls moderne Wandelhalle aus den Jahren des Wiederaufbaus der 1960er Jahre, die im starken Gegensatz zum im Zweiten Weltkrieg weitgehend unzerstörten neobarocken Innenraum stehen.
Die Wiener Architekten Hermann Helmer und Ferdinand Fellner (Büro Fellner & Helmer) errichteten das Theatergebäude als Theater Unter den Linden in der Behrenstraße 55–57 für den Wiener Theaterunternehmer Anton Ronacher.[2] Am 23. September 1892 wurde es eröffnet. Die nicht mehr erhaltene Schaufassade war in Anlehnung an das Wiener Schloss Belvedere gestaltet. Das Giebelrelief, die Seeligen der Erde darstellend, stammte von Theodor Friedl.[3] Der erhaltene Zuschauerraum ist mit prachtvoller Stukkatur im Stil des Neorokoko verziert. Das Deckengemälde des Wiener Malers Eduard Veith zeigte den Einzug „neckischer Kobolde“ durchs Brandenburger Tor. Ende der 1890er Jahre wechselten die Eigentümer. Neuer Nutzer wurde das Metropol-Theater, das vor dem Ersten Weltkrieg wegen seiner berühmten Metropol-Revuen und nach 1918 als Operettentheater bekannt war.
Im Jahr 1933 wurde das Metropol-Theater geschlossen, allerdings schon 1934 von der NS-Organisation Kraft durch Freude wiedereröffnet und diente etwa der Uraufführung der Operette Maske in Blau von Fred Raymond oder Frauen im Metropol von Ludwig Schmidseder. Kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs wurden große Teile des Gebäudes sowie der Eingangsbereich und das Deckengemälde völlig zerstört. Der Zuschauerraum blieb nahezu unbeschädigt.
Seit 1947
Im Jahr 1947 begann mit der Gründung der Komischen Oper Berlin durch den österreichischen Regisseur Walter Felsenstein und der Eröffnung am 19. Dezember mit Johann Strauss und seiner Operette Die Fledermaus ein neues Kapitel in der Geschichte des Gebäudes. Mit der Arbeit von Walter Felsenstein, der bis zu seinem Tod 1975 Intendant und Chefregisseur des Hauses war, erlangte die Komische Oper Berlin weltweite Anerkennung als Geburtsstätte des modernen Musiktheaters.
In den Jahren 1965 und 1966 wurde das Haus nach Entwürfen des Architekten Kunz Nierade umgebaut. Dabei wurde die alte Fassade zerstört und durch eine neue, schlichte Fassade ersetzt; ein neues Funktionsgebäude wurde errichtet. Das Haus wurde am 4. Dezember 1966 mit MozartsDon Giovanni in der Inszenierung von Walter Felsenstein wiedereröffnet. Die Komische Oper Berlin verfügt heute über eine Kapazität von 1190 Sitzplätzen.
Nach dem Tod des Begründers der Komischen Oper war sein Schüler Joachim Herz von 1976 bis 1980 Intendant und Chefregisseur des traditionsreichen Hauses. 1981 wurde Werner Rackwitz Intendant und Harry Kupfer Chefregisseur. 1994–2004 übernahm Albert Kost den Posten des Intendanten.
Harry Kupfer wurde 2002 von Andreas Homoki als Chefregisseur abgelöst. 2004 übernahm Homoki das Amt des Intendanten und Chefregisseurs. Von 2012 bis zum Ende der Spielzeit 2021/22 war Barrie Kosky Intendant und Chefregisseur der Komischen Oper Berlin.[4] Ab der Spielzeit 2022/23 ist er der Komischen Oper Berlin noch als Hausregisseur verbunden.[5] Während der Interimsspielzeiten, in denen die Komische Oper Berlin generalsaniert wird und auf andere Spielstätten ausweicht, leiten das Theaterhaus seit der Spielzeit 2022/23 die Geschäftsführende Direktorin Susanne Moser und Operndirektor Philip Bröking als Ko-Intendanz.[6]
Die Komische Oper Berlin wurde 2007 und 2013 von der Fachzeitschrift Opernwelt als „Opernhaus des Jahres“ und die Chorsolisten 2007 und 2015 als „Chor des Jahres“ ausgezeichnet.
Eine Tochtergesellschaft der Swedish Match erwarb das Grundstück 1936.[10] Diese Gesellschaft verlegte ihren Sitz nach dem Zweiten Weltkrieg von Berlin-Charlottenburg nach Westdeutschland. Der Magistrat von Groß-Berlin stellte das Grundstück unter staatliche Verwaltung. Nach der deutschen Wiedervereinigung beantragte die genannte Tochtergesellschaft des schwedischen Konzerns die Aufhebung der staatlichen Verwaltung und verkaufte das Grundstück an einen Dritten. Letztlich verlor die Gesellschaft den Rechtsstreit gegen das damalige Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen (BARoV). Das Grundstück war nämlich Gegenstand des Abkommens zwischen der Regierung des Königreichs Schweden und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik zur Regelung vermögensrechtlicher Fragen vom 24. Oktober 1986. Mit diesem Abkommen habe – so das Gericht – die Muttergesellschaft der Klägerin auf der Grundlage des zwischen Schweden und der DDR geschlossenen Abkommens eine pauschale Entschädigungsleistung in Höhe von 18,8 Millionen Schwedische Kronen von der schwedischen Regierung erhalten. Damit seien auch die Schädigungen der Klägerin ausgeglichen worden. Mit dem Abschluss des Abkommens seien die Eigentumsrechte auf die DDR übergegangen. Eine Verfassungsbeschwerde der Klägerin gegen das Urteil hat das Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen.[11]
Nach den vermögensrechtlichen Regelungen des Einigungsvertrages ging das Eigentum auf den Bund über, der das Grundstück in einem Tauschvertrag auf das Land Berlin übertrug.[12]
Ballett
Das Ballett der Komischen Oper Berlin, 1966 von Tom Schilling als „Tanztheater der Komischen Oper“ gegründet und fast 30 Jahre lang erfolgreich geleitet, zählte zu den auch international renommierten Kompagnien. Zahlreiche Ur- und Erstaufführungen haben dem Ensemble ein eigenes künstlerisches Profil verliehen.
Der herausragende und erfolgreichste Choreograf war Tom Schilling. Er und sein Librettist Bernd Köllinger führten das Tanztheater der Komischen Oper Berlin an die internationale Spitze und begeisterten weltweit das Publikum mit spektakulären Inszenierungen wie La Mer, Romeo und Julia, Undine, Schwarze Vögel, Ein neuer Sommernachtstraum bis hin zur sozialkritischen Inszenierung Revue.
Einmalig war die Unterstützung des Tanzensembles durch 40 Laientänzer der „Gruppe Junger Tänzer Jean Weidt“ unter der Leitung des gleichnamigen Tänzers und Widerstandskämpfers Jean Weidt. Von Beginn an war die Gruppe ein wichtiger Bestandteil in allen Inszenierungen Tom Schillings.
Im Jahr 1994 übernahmen Jan Linkens und Marc Jonkers die künstlerische Leitung des Tanztheaters. 1999 wurde das Tanztheater in BerlinBallett – Komische Oper umbenannt. Nach Richard Wherlock, der das Ballett von 1999 bis 2001 leitete, war die Spanierin Blanca Li von 2001 und 2002 Chefchoreografin und künstlerische Leiterin der Gruppe. Danach war Adolphe Binder künstlerische Leiterin des Balletts und sorgte mit Produktionen wie Casa und Screensaver für eine Ausrichtung auf Erst- und Uraufführungen im Bereich des zeitgenössischen Tanztheaters.
Zum Ende der Spielzeit 2003/04 wurde das Tanztheater auf Druck des Berliner Senates aufgelöst.
Künstlerisches Profil
Der Name Komische Oper verweist auf die Tradition der französischen Opéra comique und ihren Anspruch eines modernen Musiktheaters.
Die Komische Oper Berlin steht für zeitgemäßes und lebendiges Musiktheater, in welchem Musik und szenische Handlung sich gegenseitig bedingen. Den Mittelpunkt bildet das Ensemble von Sänger-Darstellern, das sich in einem breit gefächerten Repertoire von Händel bis ins 21. Jahrhundert präsentiert. Die ersten Spielzeiten unter Andreas Homokis Leitung belegen dies exemplarisch vor allem an der Auswahl der Regisseure, die hier arbeiten. Von der Operngattung „Komische Oper“ gingen wesentliche Impulse für die Entwicklung des Musiktheaters aus. Die Wirkung dieser Impulse will heute die Komische Oper Berlin aufzeigen, indem sie die ganze Breite des Spektrums zeitgenössischer Regiehandschriften präsentiert. So konnten Regisseure wie Calixto Bieito, Peter Konwitschny, Barrie Kosky und Hans Neuenfels langfristig für das Haus gewonnen werden.
Dass alle Opern in deutscher Sprache aufgeführt wurden, stellte lange Zeit eine Besonderheit im internationalen Opernbetrieb dar. Auch diese künstlerische Grundentscheidung geht auf Walter Felsenstein zurück und ist Ausdruck seines Strebens nach Verständlichkeit und unmittelbarer Wirkungskraft des theatralischen Ereignisses, das bis heute für die Arbeit der Komischen Oper Berlin verbindliche Richtschnur geblieben ist.
Mit der Spielzeit 2011/12 begann die Komische Oper Berlin ein neues Projekt, mit dem Ziel, türkischsprachige Menschen für Oper zu begeistern. Unter dem Motto „Selam Opera!“ bietet die Komische Oper Berlin ein umfangreiches Vermittlungsprogramm rund um die Welt des Musiktheaters an. Zu allen Produktionen können Workshops besucht werden, zudem wurden in der Behrenstraße sämtliche Vorstellungen in der Übersetzungsanlage in die türkische Sprache übertragen.[13]
Sanierung
Seit der Spielzeit 2023/24 befindet sich die Komische Oper Berlin für mindestens sechs Jahre in Sanierung.[14] Im Oktober 2019 wurde der Zuschauerraum mit einem Fangnetz vor herabfallenden Teilen von der Decke geschützt. Im Oktober 2020 lobte eine Fachjury unter der Leitung des Architekten Stefan Behnisch einen Siegerentwurf aus, der seit Sommer 2023 realisiert wird.[15] Insgesamt stellt der Berliner Senat 437 Millionen Euro für die Maßnahmen zur Verfügung.[16] Als Ausweichquartier während der Sanierung dient das Schillertheater.