Heinichen erhielt ersten Musikunterricht von seinem Vater, David Heinichen (1652–1719), der seit 1674 Pastor in Krössuln war. Bereits mit 13 Jahren führte Heinichen eigene Kompositionen in Dörfern der Umgebung auf.
Am 30. März 1696 bezog er die LeipzigerThomasschule. Hier erhielt er eine gymnasiale Ausbildung und umfassenden Musikunterricht. Unter Leitung des Thomaskantors Johann Schelle (1648–1701) sangen die Thomasschüler allwöchentlich an den Leipziger Hauptkirchen. Bei Schelles Nachfolger Johann Kuhnau (1660–1722) nahm Heinichen privaten Orgel- und Cembalounterricht, zusammen mit Christoph Graupner (1683–1760) auch Kompositionsunterricht.
Von 1702 bis 1705 studierte Heinichen in Leipzig Jura. In dieser Zeit spielte er in dem von Georg Philipp Telemann geleiteten Collegium musicum und war auch an Aufführungen des seit 1693 bestehenden Leipziger Opernhauses beteiligt.
Noch als Student bewarb Heinichen sich um das Amt des Musikdirektors an der Leipziger Neukirche, das Telemann bis 1705 ausgeübt hatte, doch erhielt Melchior Hoffmann den Posten.
Ob Heinichen sich danach in Weißenfels als Rechtsanwalt niedergelassen hat, ist nicht zu belegen. Es fällt jedoch auf, dass er Kontakt zu den am Weißenfelser Hof wirkenden Johann Philipp Krieger (1649–1725) und Gottfried Grünewald hatte. Wahrscheinlich war Heinichen auch mit dem aus Teuchern stammenden Komponisten Reinhard Keiser (1674–1739) bekannt.
Im Auftrag Samuel Ernst Döbrichts, des Leipziger Operndirektors, komponierte Heinichen folgende, zum Teil nur fragmentarisch erhaltene Opern: Der Angenehme Betrug oder der Carneval von Venedig (1709), Hercules (?), Die Libysche Thalestris (1709). Letztere wurde vor kurzem als Partitur wiedergefunden und gilt bis jetzt als einzig komplett überlieferte Oper des Leipziger Opernhauses aus dem Barock.[1] Zusätzlich übernahm er die Leitung des von Johann Friedrich Fasch 1708 neu begründeten Collegium musicum im Lehmannischen Kaffeehaus am Markt und schrieb das Musiktraktat Neu erfundene und gründliche Anweisung … zu vollkommener Erlernung des General-Basses, das 1711 veröffentlicht wurde und in dem der Quintenzirkel (bereits 1710 entwickelt und publiziert), der auf Heinichens Gedanken basiert, integriert war.
1709 fand Heinichen Anstellung beim Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen-Zeitz. In dessen Naumburger Opernhaus kamen Heinichens Opern Olympia vendicata (1709) und – als einzige Oper aus dieser Zeit vollständig erhalten – Der glückliche Liebeswechsel oder Paris und Helena (1710) zur Aufführung. In einem Schreiben vom 9. Juli 1710 bat Heinichen seinen Patron, ihm eine Bildungsreise an verschiedene deutsche Höfe zu gestatten. Diese Reise kann, wenn sie überhaupt stattgefunden hat, nur kurz gewesen sein.
Noch im selben Jahr reiste Heinichen nach Italien. Unerwartet war der Thronfolger verstorben. Heinichen, wegen der ausgerufenen Landestrauer, in der jede Musik zu schweigen hatte, entbehrlich geworden, schloss sich Rat Buchta, dem früheren Informator des Thronfolgers, auf dessen Reise nach Italien an.
Über Heinichens Aufenthalt in Italien ist wenig bekannt. Johann Adam Hiller berichtet in seiner Lebensbeschreibung berühmter Musikgelehrter und Tonkünstler (1784), dass Heinichen nach seiner Ankunft in Venedig einen Opernauftrag erhalten habe, jedoch um das Honorar betrogen worden sei. Daraufhin sei Heinichen nach Rom gereist. Dort habe der Fürst Leopold von Anhalt-Köthen, späterer Dienstherr Johann Sebastian Bachs, bei Heinichen studiert. Im Gegenzug soll er den Fürsten auf dessen Reisen durch Italien begleitet haben.
Oft war Heinichen Gast der hervorragenden Sängerin und großen Mäzenatin Angioletta Bianchi. In ihrem Haus hörte Kurprinz Friedrich August, der spätere König August III. (1696–1763), einige Kantaten Heinichens. Als klingende Empfehlung für eine Anstellung am Dresdner Hof komponierte Heinichen das OratoriumLa Pace di Kamberga und widmete es dem polnisch-sächsischen Thronfolger.
Dieser war von Heinichens avantgardistischer Musik sehr beeindruckt und ernannte ihn im Namen König Augusts des Starken (regierte 1694–1733) mit Wirkung vom 1. August 1716 zum königlich-polnischen und kurfürstlich-sächsischen Kapellmeister. Heinichen bedankte sich beim Fürsten mit der Komposition und Aufführung einer Geburtskantate. Anfang 1717 verließ Heinichen Venedig. Doch nicht nur ihn hatte Friedrich August engagiert, sondern in Vorbereitung seiner Hochzeit mit Maria Josepha, der streng katholischen Tochter Josephs I. von Österreich, auch Francesco Maria Veracini und eine Opernkompanie unter Leitung Antonio Lottis.
Für die 1719 in Dresden stattfindenden Hochzeitsfeierlichkeiten komponierte Heinichen die Serenaten La gara degli Dei („Der Wettstreit der Götter“ – aufgeführt am 10. September 1719) und Diana sull’Elba (aufgeführt am 18. September 1719 auf einem aufwendig dekorierten Schiff in der Form einer riesigen Muschel). Man war mit Heinichens Kompositionen so zufrieden, dass man dessen Salär um 300 auf 1.500 Taler erhöhte. Im Oktober desselben Jahres ging Heinichens Serenata di Moritzburg als Umrahmung einer königlichen Jagd auf Schloss Moritzburg in Szene.
Für den Karneval 1720 schrieb Heinichen seine einzige Oper für den Dresdner Hof, Flavio Crispo. Doch wegen eines Streits mit den beiden am Hofe angestellten Kastraten Senesino und Matteo Berselli kam das bis auf den Schlusschor bereits fertige Werk nicht zur Aufführung. Kurzerhand entließ August der Starke die gesamte Opernkompanie, die Georg Friedrich Händel daraufhin für seine Opernakademie nach London verpflichtete.
Heinichen hatte 1721 in Weißenfels geheiratet. Im Januar 1723 war er Vater eines Mädchens geworden. In seinen letzten Jahren erteilte er Johann Georg Pisendel und Johann Joachim Quantz Kompositionsunterricht und arbeitete an seinem Traktat über den Generalbass, dessen Drucklegung 1722 begonnen hatte. Dieses Werk ist eine der wichtigsten musiktheoretischen Hinterlassenschaften des 18. Jahrhunderts.
Er starb am 16. Juli 1729 in Dresden und wurde auf dem Johannes-Friedhof beigesetzt.
Der glückliche Liebeswechsel oder Paris und Helena. Peter- und Paulsmesse Naumburg, 1710
Calfurnia, auch Mario, auch Calpurnia oder Die Römische Großmut (Libretto: Grazio Braccioli), Oper (Karneval 1713 Venedig); in der Übersetzung von Johann Ulrich König auch „im Monath Februar 1716 auf dem Hamburgischen Theatro aufgeführte“
Le passioni per troppo amore, auch Opera fatta in Italia (Libretto: Matteo Noris), Oper (Karneval 1713 Venedig)
Neu erfundene und Gründliche Anweisung Wie Ein Music-Liebender auff gewisse vortheilhafftige Arth könne Zu vollkommener Erlernung des General-Basses, Entweder Durch eigenen Fleiß selbst gelangen oder durch andere kurz und glücklich dahin angeführet werden dergestalt Daß er so wohl die Kirchen als Theatralischen Sachen insonderheit auch das Accompagnement des Recitativ-Styli wohl verstehe und geschickt zu tractiren wisse. […] Nebst einer Ausführlichen Vorrede. Benjamin Schiller, Hamburg 1711.
Der General-Bass in der Composition, Oder: Neue und gründliche Anweisung Wie ein Music-Liebender mit besonderm Vortheil, durch die Principia der Composition, nicht allein den General-Bass im Kirchen- Cammer- und Theatralischen Stylô vollkommen, & in altiori Gradu erlernen; sondern auch zu gleicher Zeit in der Composition selbst, wichtige Profectus machen könne. Nebst einer Einleitung Oder Musicalischen Raisonnement von der Music überhaupt, und vielen besondern Materien der heutigen Praxeos. Selbstverlag, Dresden 1728.
Gustav Adolph Seibel: Das Leben des Königl. Polnischen und Kurfürstl. Sächs. Hofkapellmeisters Johann David Heinichen, nebst chronologischem Verzeichnis seiner Opern und thematischem Katalog seiner Werke. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1913 (archive.org).
Dirk Kruse: Johann David Heinichen. (mp3-Audio; 4,1 MB; 4:16 Minuten) In: BR-Klassik-Sendung „Stichwort – Lexikon der Alten Musik“. 31. Juli 2022; abgerufen am 1. August 2022.
↑Fälschlich „notte“ bei Gustav Adolph Seibel: Das Leben des Königl. Polnischen und Kurfürstl. Sächs. Hofkapellmeisters Johann David Heinichen, nebst chronologischem Verzeichnis seiner Opern und thematischem Katalog seiner Werke. Breitkopf & Härtel, Leipzig 1913, S. 80 (archive.org).