Dieser Artikel behandelt Gruppen als Zusammenschluss fraktionsloser Parlamentarier. Für fraktionsübergreifende Zusammenschlüsse von Abgeordneten siehe Parlamentarische Gruppe.
Eine Gruppe ist ein Zusammenschluss mehrerer Abgeordneter eines Parlaments, insbesondere im Deutschen Bundestag, deren Anzahl die Mindestgröße einer Fraktion nicht erreicht. Die Rechte einer Gruppe sind in der Regel gegenüber einer Fraktion eingeschränkt, die Gruppe hat aber mehr Rechte als fraktionslose Abgeordnete.
Im Deutschen Bundestag bestehen Stand 12. November 2024 zwei Gruppen, die Gruppe Die Linke mit 28 Abgeordneten und die Gruppe BSW mit zehn Abgeordneten. In den deutschen Landesparlamenten besteht Stand 13. November 2024 eine Gruppe der Freie Wähler im Landtag Rheinland-Pfalz.
Die Mindestzahl von Abgeordneten, die für die Bildung einer Gruppe erforderlich ist, sowie die Rechte der Gruppe sind in den Parlamenten unterschiedlich geregelt. Die rechtlichen Festlegungen finden sich in der jeweiligen Geschäftsordnung des entsprechenden Parlaments bzw. in einem gesonderten Fraktionsgesetz. Zur Gruppe können sich Abgeordnete zusammenschließen, die keine Fraktionsstärke erreichen.[1] Eine Gruppe kann zum Beispiel von Mitgliedern einer Partei gebildet werden, die in das Parlament auf Grund einer Grundmandatsklausel einziehen, ohne die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen. Weiterhin kann sich eine Gruppe bilden, wenn sich eine Fraktion wegen Unterschreitung der Mindestgröße auflöst oder mehrere Abgeordnete eine Partei verlassen.
Die Rechte einer Gruppe bleiben immer hinter denen einer Fraktion zurück. Die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages enthält diesbezüglich keine nähere Regelung, vielmehr legt der Bundestag mit der Anerkennung der Gruppe deren Rechte im Einzelnen fest.[2] Als nicht teilrechtsfähiger Verband können Gruppen keine Parlamentsrechte des Bundestages im eigenen Namen geltend machen. Ihnen steht etwa nicht das Recht zu, Große Anfragen, Kleine Anfragen[3] zu stellen oder eine Aktuelle Stunde zu beantragen. Ebenso erhalten Gruppen wesentlich weniger Gelder und Redezeit als Fraktionen im Bundestag. Gruppen haben kein Zitierungsrecht auf Erscheinen eines Regierungsmitglieds im Bundestag und kein Recht auf namentliche Abstimmung oder Antrag auf Hammelsprung im Bundestag.[4]
Demgegenüber regelt das Hamburger Fraktionsgesetz im Einzelnen den Anspruch der Gruppe auf Vertretung in den Ausschüssen und auch auf anteilige Finanzierung entsprechend den Regelungen für die Fraktionen.[5] Nach § 11 des Fraktionsgesetzes Rheinland-Pfalz erfolgt eine staatliche Finanzierung von Zusammenschlüssen fraktionsloser Abgeordneter nach Beschluss des Landtages.[6] Besondere Rechte der Gruppen sind gerechtfertigt, wenn und soweit die Gruppen wie Fraktionen durch ihre koordinierende Funktion innerhalb des Parlamentes zugleich die Arbeitsfähigkeit des Parlamentes insgesamt fördern.
Gruppen waren anfangs nicht im in der Geschäftsordnung vorgesehen. Bereits ab der dritten Sitzung formierte sich jedoch die Gruppe Nationale Rechte aus fünf Mitgliedern, die sich später in Gruppe der Deutschen Reichspartei umbenannte, zwischenzeitlich auf neun Abgeordnete anwuchs und im September 1950 zerfiel. Nach Gründung der Vertriebenenpartei Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) im Oktober 1950 bildeten fünf Abgeordnete die Gruppe BHE/DG. Vier der BHE-Mitglieder kamen aus der Fraktion der Wirtschaftlichen Aufbau-Vereinigung (WAV), die den Fraktionsstatus verlor und bis Dezember 1951 ebenfalls als Gruppe auftrat.
In der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages sind Gruppen seit Januar 1952 vorgesehen. Gleichzeitig wurde die Mindestgröße einer Fraktion von zehn auf 15 Mitglieder angehoben. Mit der Erhöhung der Mindestgröße von Fraktionen verlor die Fraktion der Kommunistischen Partei Deutschlands den Fraktionsstatus und bildeten eine Gruppe. Im April 1953 bildeten fünf Mitglieder der WAV erneut eine Gruppe.
Im 2. Deutschen Bundestag gründete sich am 14. Juli 1955 eine Gruppe aus ehemaligen Mitgliedern der GB/BHE-Fraktion, die sogenannte Gruppe Kraft/Oberländer. Alle Mitglieder traten am folgenden Tag als Gäste in die CDU/CSU-Fraktion ein. Am 15. März 1956 traten 14 Abgeordnete aus der FDP aus und bildeten die Gruppe Arbeitsgemeinschaft Freier Demokraten, später Demokratische Arbeitsgemeinschaft. Ab dem 26. Oktober 1956 hatte diese 15 Mitglieder und damit Fraktionsstatus, sie nannte sich schließlich Bundestagsfraktion der Freien Volkspartei. Diese bildete zudem eine technische Arbeitsgemeinschaft mit der DP-Fraktion, mit der sie schlussendlich auch fusionierte. Im 3. Deutschen Bundestag verlor die DP-Fraktion am 1. Juli 1960 durch den Austritt von neun Mitgliedern den Fraktionsstatus, die verbliebenen sechs Mitglieder bildeten eine Gruppe. 1961 traten weitere Abgeordnete aus der DP aus, die drei verbliebenen Mitglieder der jetzt GDP genannten Partei verblieben fraktionslos. Mit Beginn der 5. Wahlperiode wurde die Mindestgröße einer Fraktion auf fünf Prozent der Abgeordneten festgelegt.
Die 24 Abgeordneten der PDS, die nach der Wiedervereinigung ab dem 3. Oktober 1990 dem 11. Deutschen Bundestag angehörten, bildeten eine Gruppe. Im 12. Deutschen Bundestag (1990–94) bildeten Bündnis 90/Grüne mit acht Sitzen und die PDS mit 17 Sitzen jeweils eine Gruppe. Beide Parteien hatten nur im Wahlbereich Ost die Sperrklausel überwunden, eine Sonderregel für die erste Wahl nach der Wiedervereinigung.
Im 13. Deutschen Bundestag (1994–98) war die PDS mit 30 Abgeordneten wiederum als Gruppe vertreten. Die Partei hatte die Fünf-Prozent-Hürde verpasst, jedoch durch die Grundmandatsklausel in den Bundestag eingezogen. Dagegen wurden den beiden bei der Bundestagswahl 2002 direkt in den 15. Bundestag gewählten PDS-Abgeordneten Gesine Lötzsch und Petra Pau die Anerkennung als Gruppe verweigert, aufgrund der geringen Größe der geplanten Gruppe.[8]
Nach dem Beschluss zur Selbstauflösung der Linksfraktion zum 6. Dezember 2023 erhielten die 28 verbliebenen Abgeordneten der Partei Die Linke am 2. Februar 2024 den Gruppenstatus.[9] Auch die zehn Abgeordneten des Bündnis Sahra Wagenknecht, die zuvor aus der Die Linke ausgetreten waren, wurden am 2. Februar 2024 als Gruppe anerkannt.[10][11]
Im Landtag von Brandenburg erstritten sich die drei Mitglieder der BVB/FW im Sommer 2016 vor dem Brandenburgischen Verfassungsgericht Gruppenrechte.[12] Die BVB/FW war im Herbst 2014 durch die Grundmandatsklausel in den Landtag eingezogen. Im September 2017 löste sich die Gruppe auf. Nach dem Verlust des nach der Landtagswahl 2019 erlangten Fraktionsstatus im November 2023 konstituierten sich die BVB/FW im Dezember 2023 als Gruppe neu.[13] Bei der Landtagswahl 2024 schied BVB/FW aus dem Parlament auf.
In der Bremischen Bürgerschaft existierte nach dem Übertritt eines SPD-Abgeordneten von Oktober 2013 bis Juni 2015 eine aus zwei Mitgliedern bestehende Gruppe der Bürger in Wut (BIW). Von Juni 2017 bis Juni 2019 gab es eine BIW-Gruppe aus drei Parlamentariern, von denen zwei zur BIW übergetreten waren. Zuvor bestand nach der Bürgerschaftswahl 2015 von Juni 2015 bis Juni 2017 eine AfD-Gruppe aus vier Mitgliedern, die später in Bremer Bürgerliche Reformer und, mit einem Mitglied weniger, in ALFA-Gruppe-Bremen bzw. Gruppe Liberal-Konservative Reformer umbenannt wurde. Drei Monate nach der Bürgerschaftswahl 2019 traten Anfang September drei der fünf AfD-Abgeordneten aus der AfD-Fraktion aus und bildeten die Gruppe Magnitz, Runge, Felgenträger.
Im Landtag Rheinland-Pfalz verloren die Freien Wähler im Oktober 2024 aufgrund des Fraktionsaustritts zweier Abgeordneter den Fraktionsstatus. Daraufhin wurde den verbliebenen vier Abgeordneten vom Landtag der Gruppenstatus zuerkannt.[16]
In einigen Landtagen ist kein spezieller Status für Gruppen vorgesehen. So bezeichneten sich die Abgeordneten der Blauen Partei 2017 bis 2019 im Sächsischen Landtag (fünf Abgeordnete) und im Landtag Nordrhein-Westfalen (drei Abgeordnete) jeweils als Blaue Gruppe, waren aber nicht offiziell als Gruppe vom jeweiligen Parlament anerkannt.
Im italienischen Parlament sind die Abgeordneten bzw. Senatoren, die keiner Fraktion angehören, in der Gruppo Misto versammelt. In dieser können sich Untergruppen bilden, die eigenen Anspruch auf Redezeit im Plenum haben. Im Abgeordnetenhaus müssen sich dafür drei Abgeordnete zusammen finden, im Senat reicht ein Senator.
↑Selbstbezeichnung des SSW als „Landtagsgruppe“: ssw-sh.de 1. März 2000, ssw-sh.de 6. April 2005, ssw-sh.de 8. Juni 2012, ssw-sh.de, abgerufen am 9. August 2019.